Bundestagswahl 2009/Programmvorschlag Kernthemen/Immaterialgüterrechte

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Urheberrecht

Das Urheberrecht entfernt sich immer weiter vom Urheber und entwickelt sich hin zum Verwerterrecht. Musik- und Filmindustrie profitieren, während Nutzer kriminalisiert und Künstler entrechtet werden. Wir PIRATEN fordern für Privatleute ohne kommerzielle Interessen das Recht, Werke frei verwenden und kopieren zu dürfen. Der Einsatz von Maßnahmen, wie die DRM-Technologie oder ähnliche Kopierschutzmechanismen, die diese und andere rechtmäßige Nutzungen einseitig verhindern, soll untersagt werden. Abgeleitete Werke sind neue künstlerische Schöpfungen und müssen dem Kreativen grundsätzlich erlaubt statt verboten sein.

Wir stellen uns gegen eine weitere Ausweitung der Schutzfristen für die Verwertung und fordern, dass diese soweit begrenzt werden, dass sie Ihren ursprünglichen Zweck erfüllen, nämlich zusätzliche Anreize für kulturelle Schaffensprozesse zu bieten. Eine Begrenzung auf einen Zeitraum deutlich unterhalb der Lebenszeit des Urhebers halten wir für geboten. Angesichts der Tatsache, dass bei der überwiegenden Mehrzahl von Werken der wesentliche Vermarktungsgewinn in den auf die Veröffentlichung folgenden Jahren anfällt, könnte dieser Zeitraum etwa bei 15 Jahren liegen. Damit fordern wir für Deutschland und Europa einen Ausstieg aus dem TRIPS-Abkommen in dieser Hinsicht.

Wir wollen prüfen, ob es nicht für den Zeitraum zwischen dem Ende dieser Frist (von 15 Jahren) und dem Tod des Urhebers Möglichkeiten gibt, die Bestimmungsrechte über sein Werk (insbesondere die Vermeidung von Fremdverkäufen) in einer Weise zu stärken, die den diese Frist bedingenden Absichten nicht zuwiderläuft. Dies könnte beispielsweise geschehen, indem die Werke in diesem Zeitraum per Gesetz unter eine CC-Lizenz (CC-BY-SA, CC-BY-SA-NC) gestellt würden. Die kommerzielle Verwertungsmöglichkeit von davon abgeleiteten Werken darf darunter aber nicht leiden.

Die für eine internationale Neuausrichtung des Urheberrechts zu verhandelnden Themen müssen der öffentlichen Debatte gestellt werden und dürfen nicht einseitig durch die Lobbyinteressen der Rechteverwerter geprägt sein.

Wir PIRATEN setzen uns für die Veröffentlichung von Lehrmaterialien unter freien Lizenzen und die bevorzugte Nutzung von freien Lehrmaterialien in der Bildung ein. Dies beinhaltet die Erstellung von Lehrmaterialien durch Lehrkräfte oder beauftragte Personen unter freien Lizenzen.

Wir müssen zumindest folgendes am Urheberrecht ändern:

Urheberrecht ist kommerziell

Urheberrecht regelt nur kommerzielle Aktivitäten (Die lokale Gesetzgebung definiert "kommerzielle Aktivität" normalerweise ausreichend genau). Nichtkommerzielle Aktivität wird nie durch das Urheberrecht geregelt.

Ein auf das wesentliche reduzierter Monopolbegriff

Urheberrecht ist ein geschäftlich begrenztes Monopol, welches sich innerhalb einer Generation auflösen sollte.

Keine Medien- oder Hardwareabgaben

Keine Pauschalabgaben, die für Kopiermöglichkeiten kompensieren, sollten erlaubt sein - aber wir erlauben Regierungsstipendien für Künstler und ähnliches; diese stellen keine Kompensation dar. Auf diese Weise wird der Prozess offensichtlich unilateral, und die Copyrightlobby bekommt keinen impliziten Anspruch darauf, zu akzeptieren oder abzulehnen.

Bis zur endgültigen Abschaffung der Pauschalabgaben wird im Sinne des Transparenzgebotes angestrebt, sowohl das resultierende Aufkommen nach Medien/Geräteart als auch seine Verteilung nach Empfänger öffentlich zu machen.

Parlamente schreiben die Urheberrecht-Gesetze, nicht die Lobby

Technische Maßnahmen, die verhindern, dass Kunden Kultur im Rahmen des Gesetzes zu nutzen, wie die sog. DRM-Technologie, sind ungesetzlich.

Abgeleitete Werke immer erlauben

Derzeit sind abgeleitete Werke grundsätzlich verboten und nur unter unklar definierten Ausnahmen erlaubt. Unter unserem Urheberrecht werden abgeleitete Werke grundsätzlich erlaubt sein, mit Ausnahme derer, die durch das Gesetz genau bezeichnet werden (wie zum Beispiel die "Übersetzung eines Buches"). Zu nichtkommerziellen Zwecken soll insbesondere das Remixen, Verknüpfen und Übersetzen von bestehenden Werken immer erlaubt sein.

Neue Geschäftsmodelle fördern

Für viele Künstler, Schriftsteller, Journalisten, Programmierer und andere Kulturarbeiter stellt heutzutage das Urheberrecht eine wesentliche Grundlage ihrer Geschäftsmodelle und Verdienstmöglichkeiten dar. Die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung und Kommunikation und die in oft digitaler Form vorliegenden Werke verändern die Grundlagen für diese Geschäftsmodelle zum Teil radikal.

Anstatt den alte Geschäftsmodellen nachzutrauern und sie mit unzumutbaren Eingriffen in die Privatsphäre der Bürger künstlich am Leben zu erhalten zu wollen, fordern die PIRATEN dazu auf, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Diese Geschäftsmodelle sollen den Urhebern der digitalen Kulturgesellschaft ermöglichen, auf marktwirtschaftliche Art und Weise Erlöse aus der Verwertung ihrer Werke oder deren Umfeld zu erzielen, wenn sie dies anstreben.

Überholte Vermittlerfunktionen von Rechteverwertern, die in der Vergangenheit z.B. in der Unterhaltungsmusikindustrie zu hohen Renditen geführt haben, sind größtenteils nicht mehr zeitgemäß und werden in diesem Umfang keinen Bestand haben. Die Ausschaltung von Zwischenhändlern ermöglicht es, dass den Künstlern vom Erlös ihrer Werke ein größerer Teil verbleibt und direkter zufließt. Außerdem wird damit das Spektrum der Kulturszene deutlich erweitert.

Insbesondere die Verwendung von CreativeCommons-Lizenzen erlaubt heutzutage bereits die erfolgreiche wirtschaftliche Verwertung von Werken (der Musik z.B. bei Jamendo) ohne jegliche Einschränkung bei der digitalen Privatkopie und deren Verbreitung. Gleichzeitig werden herkömmliche Verwertungsgesellschaften wie die GEMA damit mehr und mehr überflüssig.

Patentrecht

Das heutige Patentsystem erfüllt in vielerlei Hinsicht nicht mehr seinen ursprünglichen Zweck, Innovationen zu fördern. Im Gegenteil: Es erweist sich immer öfter als Innovationshemmnis und behindert den technischen und ökonomischen Fortschritt in vielen Bereichen.

Wirtschaftlicher Erfolg ist in der Informationsgesellschaft zunehmend nicht mehr von technischen Erfindungen, sondern von Wissen und Information und deren Erschließung abhängig. Das Bestreben, diese Faktoren nun ebenso mittels des Patentsystems zu regulieren, steht unserer Forderung nach Freiheit des Wissens und Kultur der Menschheit diametral entgegen.

Wir PIRATEN lehnen Patente auf Software und Geschäftsideen ab, weil sie die Entwicklung der Wissensgesellschaft behindern, weil sie gemeine Güter ohne Gegenleistung und ohne Not privatisieren und weil sie kein Erfindungspotential im ursprünglichen Sinne enthalten. Die gute Entwicklung klein- und mittelständischer IT-Unternehmen in Deutschland und ganz Europa hat beispielsweise gezeigt, dass auf dem Softwaresektor Patente völlig unnötig sind.

Aus den gleichen Gründen dürfen Patente auf das Leben, inklusive der Patente auf Saatgut und Gene, nicht erteilt werden. Der Privatisierung der Biodiversität oder der Grundlage menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens ist mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.

Bei Saatgut und Tieren fordern wir hilfsweise kurzfristig die Formulierung eines uneingeschränkten 'Nachbaurechtes', damit die bisherige Patentierungspraxis nicht weiterhin die natürlichen Verhältnisse auf den Kopf stellt und Bauern ab sofort von solchen Klagen verschont werden. Vertragsbestimmungen, die dem widersprechen, sind für nichtig zu befinden.

Pharmazeutische Patente erzeugen viele ethische Bedenken, nicht zuletzt in Verbindung mit Menschen aus Entwicklungsländern. Sie sind auch eine treibende Kraft für die steigenden Kosten im öffentlich finanzierten Gesundheitssystem. Wir verlangen die Initiierung einer Studie über den ökonomischen Einfluss pharmazeutischer Patente, verglichen mit anderen Systemen zur Finanzierung medizinischer Forschung und Alternativen zum gegenwärtigen System.

Open Access

Wissenschaft und Forschung sind zentrale Bausteine für ein zukunftsfähiges Deutschland. Wissenschaftliche Großprojekte und Grundlagenforschung lassen sich oft nur noch staatlich oder sogar im Verbund von mehreren Staaten.

Mit öffentlichen Geldern geförderte Arbeit muss aber auch der Öffentlichkeit zugute kommen. Noch immer sind viele wissenschaftliche Erkenntnisse nur gegen Bezahlung erhältlich, und das, obwohl dank moderner Technik die Reproduktion der Werke praktisch kostenlos erfolgen kann. Dieses Problem ist auch vielen Wissenschaftlern bewusst, die daher zunehmend dazu übergehen Arbeiten als Open-Access-Publikationen zu veröffentlichen und damit einen dauerhaften kostenfreien Zugang zu den Ergebnissen ihrer Forschung sicherzustellen. Diesen Trend möchten die PIRATEN unterstützen, da wir glauben, dass ein leichterer Zugang zu Wissen zu erfolgreicherer Forschung und mehr Innovation führen wird und darüberhinaus sogar weltweit eine wohlstandsfördernde Wirkung entfaltet.

Open Access heißt daher für uns, dass mit öffentlichen Geldern geförderte wissenschaftliche Arbeit und daraus resultierende Publikationen für jeden Menschen kostenfrei zugänglich sein müssen.

Gleichzeitig muss eine Infrastruktur geschaffen werden, die digitale Archivierung und den dauerhaften einfachen Zugang zu Publikationen ermöglicht. Diese Aufgabe wird heute vorrangig von den etablierten Verlagen übernommen. Für Open-Access-Publikationen entwickeln sich entsprechende Mechanismen erst, oft in loser Kooperation von Bibliotheken und Universitäten. Derartige Initiativen wollen die PIRATEN auch finanziell fördern.

In Deutschland sollte jede Universität ein eigenes Open-Access-Repository führen in dem alle ihre Fachbereiche unterkommen. Dies vermeidet eine Zersplitterung in zu kleine Einheiten. Die Repositories sollten zwischen den Universitäten vernetzt werden um die Durchsuchbarkeit und Verfügbarkeit von Wissen zu erhöhen. Es braucht einheitliche APIs (Zugangs- und Nutzungsschnittstellen der Software) auf der Serverseite der Repositories, um die Anschluss- und Verwendungsmöglichkeiten der Repositories zu erhöhen. Zur allgemeinen Förderung von Open Access sollten bei der Beurteilung von Anträgen auf Forschungsgelder nur noch Publikationen herangezogen werden die auch öffentlich verfügbar sind.

Open Access in der öffentlichen Verwaltung

Wir fordern die Einbeziehung von Software und anderen digitalen Gütern, die mit öffentlichen Mitteln produziert werden, in das Open-Access-Konzept. Werke, die von oder im Auftrag von staatlichen Stellen erstellt werden, sollen der Öffentlichkeit zur freien Verwendung zur Verfügung gestellt werden. Der Quelltext von Software muss dabei Teil der Veröffentlichung sein. Dies ist nicht nur zum direkten Nutzen der Öffentlichkeit, sondern die staatlichen Stellen können auch im Gegenzug von Verbesserungen durch die Öffentlichkeit profitieren (Open-Source-Prinzip/Freie Software). Weiterhin wird die Nachhaltigkeit der öffentlich eingesetzten IT-Infrastruktur verbessert und die Abhängigkeit von Softwareanbietern verringert.