BE:LiquidFeedback Themendiskussion/381
Antragstext zur Programmerweiterung
Integrations- und Migrationspolitik
Die Berliner Piraten setzen sich uneingeschränkt für die demokratische und kulturelle Teilhabe jedes Einzelnen, unabhängig von der Herkunft, Geschlecht, sexueller Identität, Lebensalter, religiöser Überzeugung, körperlicher, geistiger oder finanzieller Leistungsfähigkeit, ein. Das Ziel von Integration ist es, dass alle Menschen die gleichen Möglichkeiten und Startchancen haben und sich die Lebensbedingungen des Einzelnen verbessern. Solidarität und Verständigung zwischen allen Menschen, unabhängig von ihrem rechtlichen Status und ihrer Herkunft, ist für uns ein hohes Gut. Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und andere Formen der Ausgrenzung lehnen wir ab. Bestehende Restriktionen und Benachteiligungen müssen beseitigt und ausgeglichen werden. Berlin lebt von der Vielfalt seiner Einwohner und übt dabei auch eine bundesweite Vorbildfunktion aus.
Die Bürgerrechte sind auf alle Menschen auszudehnen, die in Berlin ihren Lebensmittelpunkt haben. Bestehende Regelungen, die diese Freiheiten unverhältnismäßig einschränken, sind durch menschenrechtskompatible Gesetzgebungen zu ersetzen.
Demokratiebeteiligung
Keinem Mensch darf das Recht auf die Beteiligung an demokratischen Entscheidungen, von deren Folgen er unmittelbar betroffen ist, abgesprochen werden. Für nicht-deutsche Staatsbürger mit Aufenthaltserlaubnis, Geduldete und Asylsuchende, die die Absicht haben, sich in Berlin niederzulassen, sind die Möglichkeiten zur demokratischen Mitwirkung zu erweitern. Deshalb muss allen Menschen, die in Berlin ihren Lebensmittelpunkt haben, das Wahlrecht auf allen Ebenen in unserer Stadt zuerkannt werden.
Freizügigkeit
Die im Grundgesetz verankerte Freizügigkeit soll für alle Menschen in unserer Gesellschaft gelten. Jeder hat das Recht zur freien Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes, daher sprechen wir uns gegen migrationsverhindernde Maßnahmen auch außerhalb der Grenzen unseres Bundeslandes aus.
Freier Zugang zu Bildung und Wissen
Der freie Zugang zu Informationen, Wissen und Bildung ist Grundlage für die Teilhabe jedes Einzelnen an unserer Gesellschaft. Dieser Zugang ist uneingeschränkt für alle Menschen, die in Berlin ihren Lebensmittelpunkt haben, zu ermöglichen. In öffentlichen Einrichtungen sollte der kostenlose Zugang zu traditionellen und neuen Medien gewährleistet werden.
Mehrsprachigkeit ist ein Gewinn für die Gesellschaft und erleichtert die Integration. Daher sind im Bildungssystem der Spracherwerb in der jeweiligen Erstsprache und in weiteren Sprachen zu fördern und die Möglichkeiten für einen mehrsprachigen Unterricht auf freiwilliger Ebene zu erweitern.
Zugang zum Arbeitsmarkt
Die Beteiligung am sozialen und kulturellen Leben steht und fällt mit der Möglichkeit, sich im Arbeits- im Wirtschaftsleben zu etablieren. Daher setzen wir uns generell für einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Menschen, die in Berlin ihren Lebensmittelpunkt haben, ein. Dies schließt die Gewährung einer uneingeschränkten Arbeitserlaubnis ein.
Begründung
Berlin ist eine Stadt mit kultureller Vielfalt. Diese Vielfalt ist auf die Einflüsse von Bewohnern unterschiedlichster Herkunft, mit unterschiedlichem sozialen, kulturellen und religiösen Hintergrund zurück zu führen.
Der Anteil von Bürgern unserer Stadt mit Migrationshintergrund steigt, wobei der Anteil derer, die in unserer Stadt Asyl suchen, geduldet werden bzw. eine zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung haben, sinkt. Auch wenn Berlin sich gern als Vorreiter in Sachen Integrationspolitik sieht, sind grundlegende Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe nicht geschaffen bzw. nicht befriedigend umgesetzt:
- nur geringe demokratische Willensbildung und politische Mitgestaltung für Ausländer möglich
- Aufenthalt wird räumlich und zeitlich eingeschränkt,(Duldungsrecht, Bleiberecht, Arbeitserlaubnis, Residenzpflicht)
- Mehrsprachigkeit wird als Unterscheidungsmerkmal, nicht als Gewinn für die Gesellschaft wahrgenommen.
- Grundkenntnisse in der deutschen Sprache sind unabdingbar, aber gerade die Vermittlung von Wissen und Informationen in der Sprache des Herkunftslandes kann zu einem höheren Bildungsstand führen.
- Ebenso ist die Förderung von Mehrsprachigkeit von Vorteil für das Zusammenleben der Menschen in Berlin und darüber hinaus
- Möglichkeit der Beteiligung am sozialen und kulturellen Leben durch Einschränkungen bzw. fehlende Erlaubnis, sich am Arbeitsmarkt zu etablieren, nicht bzw. unzureichend gegeben.
Quellen:
https://lqpp.de/be/initiative/show/49.html
http://www.berlin.de/lb/intmig/publikationen/berichte/
Diskussionsbereich
Text synchronisieren
Der hier präsentierte Text der Initiative stimmt nicht mehr mit dem Text innerhalb von LF überein. Das ist aber nicht der Gegenstand meines Diskussionsbeitrags. --etz 06:39, 29. Jul. 2010 (CEST)
- erledigt Miriam 12:26, 12. Aug. 2010 (CEST)
Bedenken in Sachen Wahlrecht und Staatsangehörigkeit
Ich möchte grundlegende Bedenken gegen einen Bestandteil der Initiative anmelden. Das ärgerliche daran ist, dass ich damit auch eine Änderung der bereits durch LF abgeschlossenen Initiative #49 anregen muss. Zum Zeitpunkt der Initiative 49 war ich nicht Mitglied der Partei und ein Zugang zu LF und damit zur damaligen Diskussion war mir zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.
Mir scheint die Forderung nach einem Wahlrecht für Personen, die die Staatsangehörigkeit nicht besitzen, unter allgemein staats- und demokratiestrukturellen Gesichtspunkten nicht vertretbar. Sie verletzt den notwendigen Grundsatz der Legitimation demokratischer Institutionen und Entscheidungen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Entwicklung, die durch intensivere Zusammenarbeit innerhalb der EU auf einen Bundesstaat Europa hinauslaufen kann, und der mit der größeren Virulenz versehenen Verweigerung der Staatsangehörigkeit für Migranten aus der EU nicht angehörenden Staaten wie z.B. der Türkei.
Ich bin nicht davon überzeugt, dass der seit Jahrzehnten offensichtlich nicht durchsetzbaren Forderung nach einem zeitgemäßen Staatsangehörigkeitsrecht nun nur scheinbar pragmatisch und opportunistisch mit einer Forderung nach Aufhebung der Staatseigenschaft nachgeholfen werden soll.
Ich muss hier nicht eigens betonen, dass ich seit Jahren dafür eintrete, im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht das "ius soli" (Staatsangehörigkeit durch Geburt im Staatsgebiet) zu verankern und den Erwerb der Staatsangehörigkeit für Menschen, die sich durch Einwanderung dauerhaft hier niedergelassen haben, wesentlich zu erleichtern. Die Aufhebung des Grundrechts auf Schutz vor politischer Verfolgung (Art. 16 GG) durch die damalige schwarz-gelbe Koalition und die Schily-verleitete SPD im Jahr 1993 war für mich Anlass, meinen Austritt auch der SPD zu erklären. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass man politische Ziele auch daraufhin abklopfen muss, welches Instrument denn zu ihrer Durchsetzung vernünftig und ohne zusätzlichen Schaden einzusetzen ist.
Die Forderung, das Wahlrecht von der Staatsangehörigkeit zu entkoppeln, zerstört mehr, als es für die demokratische Teilhabe der dauerhaft hier Lebenden eintragen könnte.
Vielleicht sei es mir gestattet, hier noch einen völlig unverhältnismäßigen Vergleich nachzutragen: Wenn wir für die Wahlberechtigung bei Wahlen zu den Staat gestaltenden Parlamenten auf das Kriterium der Staatsangehörigkeit verzichten, mit welchem Recht wollen wir dann für die Abstimmung bei innerparteilichen Wahlen und Abstimmungen auf der formalen Parteimitgliedschaft bestehen?
--etz 06:39, 29. Jul. 2010 (CEST)
- Ich stimme völlig mit dir darin überein, dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft erleichtert werden muss. Aber welches sind denn die Grundsätze, die in deinen Augen eine Kopplung zwischen Staatsbürgerschaft und (auch lokalem) Wahlrecht erfordern? Und welcher Schaden entsteht durch ihre Verletzung?
- Was den Vergleich mit der Partei angeht: Der wesentliche Unterschied ist doch wohl der, dass die in der Piratenpartei getroffenen Entscheidungen erstmal für niemanden, der ihr nicht angehört, irgendeine Verbindlichkeit haben - und selbst für ihre Mitglieder nur in sehr eingeschränktem Maße im Vergleich zu dem, was üblicherweise in einem Gemeinwesen geregelt wird. Man könnte argumentieren, dass sich das ändert, sobald eine Partei in Parlamente einzieht oder Regierungsverantwortung trägt, allerdings erfolgt die demokratische Legitimation ja dann eh auf einer anderen Ebene. Simon Weiß 09:38, 29. Jul. 2010 (CEST)
- Um die Legitimation der demokratischen Institutionen sicherzustellen, muss die Grundgesamtheit klar und verlässlich definiert sein. So wie es etwa Art. 20 GG tut: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Das so vorausgesetzte Staatsvolk basiert vernünftigerweise auf der Staatsangehörigkeit, denn sie begründet die zur demokratischen Partizipation berechtigende und "staatsbürgerliche Pflichten" begründende Rechtsbeziehung zwischen Staat und Individuum. Nachtrag: Art. 79 GG verbietet u.a. die Änderung der grundsätzlichen Regelungen in Art. 20 GG (Das meint die Abs. 1 bis 3 des Artikels, Abs. 4 wurde später eingefügt). Zusätzlich ist in Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG seit 1992 die Möglichkeit eines kommunalen Wahlrechts für EU-Angehörige verankert.
- Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus geht es überdies nicht um „lokales“ Wahlrecht, da Berlin eben auch den Status eines Bundeslandes und damit eines Teilstaats innerhalb der BRD hat. Selbst für das kommunale Wahlrecht war es erforderlich, eine entsprechende Bestimmung in der Verfassung von Berlin aufzunehmen:
- Verfassung von Berlin, Artikel 2: „Träger der öffentlichen Gewalt ist die Gesamtheit der Deutschen, die in Berlin ihren Wohnsitz haben. Sie üben nach dieser Verfassung ihren Willen unmittelbar durch Wahl zu der Volksvertretung und durch Abstimmung, mittelbar durch die Volksvertretung aus. Die Vorschriften dieser Verfassung, die auch anderen Einwohnern Berlins eine Beteiligung an der staatlichen Willensbildung einräumen, bleiben unberührt.“ Dieser Satz bezieht sich auf Art. 70 VvB (Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen).
- --etz 12:15, 29. Jul. 2010 (CEST)
- Auf den ersten Blick klingt es konsequent, wenn man fordert, dass anstelle einer Ausweitung des Wahlrechts, die Bedingungen für eine Staatsangehörigkeit angepasst werden. Allerdings impliziert eine Staatsangehörigkeit wesentlich mehr als nur Wahlrecht. Sie impliziert z.B. den Anspruch auf Sozialleistungen. Somit würde eine derartige Änderung auch wesentlich in die Immigrationspolitik eingreifen. Tatsächlich wäre es konsequenter stattdessen eine Stadtangehörigkeit zu formulieren, die gewisse Rechte und Pflichten verbindet (z.B. Wahlrecht, ÖPNV, Steuern und Abgaben, ...). --Wobble 13:49, 1. Aug. 2010 (CEST)
- „Staatsangehörigkeit impliziert wesentlich mehr als nur Wahlrecht.“ So ist es. Nach völkerrechtlicher Definition bestimmt sich ein Staatswesen durch die Existenz eines Staatsgebiets, eines Staatsvolks und einer Staatsgewalt. Das Staatsvolk wird durch die Staatsangehörigkeit der Staatsbürger definiert. Ein bisschen Staatsangehörigkeit (etwa nur das Wahlrecht) scheint mir in höchstem Maße problematisch. Das ändert nichts daran, dass ich meine, eine entstehende doppelte Staatsangehörigkeit ist bei Einbürgerung hinzunehmen.
- Mir scheint auch eine gesonderte „Landes-/Stadtangehörigkeit“ mit Art. 20 GG zu kollidieren. Aber auch das sollte Gegenstand weiterer Diskussion sein, zumal eine eigene Staatseigenschaft der Bundesländer (als Gliederungsstaaten der BRD) durchaus existiert. --etz 06:44, 3. Aug. 2010 (CEST)
- Worin siehst du Art. 20 GG verletzt? --Wobble 12:02, 3. Aug. 2010 (CEST)
- Der Charakter Berlins als (Teil-)Staat im Rahmen der BRD legt das Land Berlin wahrscheinlich wesentlich stärker als die kommunale Ebene darauf fest, bei der Definition der Landeszugehörigkeit unmittelbar auf Art. 20 GG zurückzugreifen, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet die Länder dazu. Auch das kommunale Wahlrecht für EU-Angehörige wurde auf der Bundesebene durch Art. 28 Abs.1 Satz 3 GG abgesichert. Aber in dieser Frage würde ich gern auf bessere juristische Expertise zurückgreifen. --etz 13:38, 3. Aug. 2010 (CEST)
- Hmm, in Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG , wird explizit erwähnt, dass bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines EG-Staats besitzen auch wählen dürfen. Wenn es sich nun bei der Abgeordnetenhauswahl nicht um eine Kreis bzw. Gemeindewahl handelt, sondern um eine Landeswahl, dann wäre eine Regelung, die nicht-Deutschen Wahlrecht erlaubt GG-widrig. (man kann es natürlich trotzdem fordern, dazu ist ja Politik da) --Wobble 14:10, 3. Aug. 2010 (CEST)
- Der Charakter Berlins als (Teil-)Staat im Rahmen der BRD legt das Land Berlin wahrscheinlich wesentlich stärker als die kommunale Ebene darauf fest, bei der Definition der Landeszugehörigkeit unmittelbar auf Art. 20 GG zurückzugreifen, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet die Länder dazu. Auch das kommunale Wahlrecht für EU-Angehörige wurde auf der Bundesebene durch Art. 28 Abs.1 Satz 3 GG abgesichert. Aber in dieser Frage würde ich gern auf bessere juristische Expertise zurückgreifen. --etz 13:38, 3. Aug. 2010 (CEST)
- Worin siehst du Art. 20 GG verletzt? --Wobble 12:02, 3. Aug. 2010 (CEST)
- Ich stimmte Eberhard darin zu, dass die Grundgesamtheit klar und verlässlich definiert sein muss. Als was sie (klar und verlässlich) definiert wird, ist aber ja gerade Diskussionsgegenstand. Mir scheint die legitimationstheoretische Idee die folgende zu sein: Macht über Menschen auszuüben legitimiert sich in Demokratien darüber, dass sie darüber mitbestimmen durften, wer diese Macht wie ausübt. (Es mag andere Legitimationen für z.B. eine benevolenter-Diktator-Regierung geben, aber die sind hier uninteressant, weil wir uns bereits auf dem demokrathietheoretischen Spielfeld bewegen). Die Frage lautet also: Wer ist vom staatlichen Walten in so starkem Maße betroffen, dass er darüber mitbestimmen sollte? - und das scheinen mir ganz klar diejenigen zu sein, die hier für eine gewisse Zeit leben. Ich bin sehr für eine Reform des Staatsbürgerrechts, aber da, wie Wobble schreibt, dort noch mehr dranhängt als das Wahlrecht, scheinen mir das zwei verschiedene Fragen zu sein. In Zeiten der Migration (also eigtl. fast allen Zeiten ;)) scheint es mir sinnvoll, dass wenn ich jetzt z.B. 7 Jahre in Land X lebe, ich dort mitwählen darf, ohne gleich meine Staatsangehörigkeit wechseln zu müssen (nicht immer sind zwei gleichzeitige Staatsangehörigkeiten möglich). Ganz pragmatisch denke ich auch, dass man diese Forderung noch halbwegs leicht umsetzen kann, während Reformen des Staatsbürgerrechts politisch anstrengender werden dürften.
- Ich würde mich aber freuen, wenn du uns noch deine Alternative schildern könntest. Konsequentes ius soli, und darüber hinaus? Wie würdest du mit den Menschen, die von der Forderung der von dir kritisierten Alternative betroffen wären (die also eingewandert und nicht hier geboren sind) umgehen, um ihnen via Einbürgerung zum Wahlrecht zu verhelfen (so du dies willst), was wären die von dir favorisierten Regelungen? Vielleicht stimmen dem dann ja doch mehr Leute zu als der hier vorgestellten Initiative, oder es lassen sich Kompromisse finden (z.B. erleichterte Einbürgerung und Wahlrecht für den, der diese nicht nutzt oder so?) Arte povera 14:23, 1. Aug. 2010 (CEST)
- Zunächst geht es hier um das Grundsatzprogramm. Ich bin nicht davon überzeugt, dass hier ausformulierte Gesetzestexte entstehen sollten. Ein bisschen Staatsangehörigkeit (etwa nur das Wahlrecht) scheint mir in höchstem Maße problematisch. Wie sollte man Steuerehrlichkeit von den Bürgern verlangen, wenn man das Staatsangehörigkeitsrecht im Sinne einer Rosinenpickerei im Staatssupermarkt ausgestaltete. Staatsangehörigkeit gibt es vernünftigerweise nur ganz oder gar nicht. Aber das ist - zusammen mit der notwendigen konkreten Ausgestaltung eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts - dann ein weites Feld weiterer notwendiger Debatte - und ich bin weit davon entfernt, dafür eine fertige Lösung zu haben.
- Meine Auffassung, dass auch der Erwerb der Staatsangehörigkeit für Einwanderer wesentlich erleichtert werden muss, steht bereits oben. Dafür ist auch das Entstehen einer doppelten Staatsangehörigkeit hinzunehmen. Menschenverachtende Anforderungen, die für eine Einreise in der BRD gestellt werden, sind wieder aufzuheben. Der Schutz der Familie (als engerer Familienzusammenhalt) ist auch für Immigration und Aufenthaltsrecht wiederherzustellen. Aber die genauen Regelungen zu beschreiben, würde die Erarbeitung eines Grundsatzprogramms sprengen.
- Ich bin zudem nicht davon überzeugt, dass eine Änderung der GG-Artikel 20 und 79, verbunden mit der Änderung aller Landesverfassungen, leichter durchzusetzen ist als eine Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Dazu kommt, dass man bei diesem Weg zwingend mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht rechnen muss, da Art. 20 GG durch Art. 79 mit „Ewigkeitsschutz“ versehen ist. --etz 06:44, 3. Aug. 2010 (CEST)
- Für Bundestagswahlen sehe ich es komplett ein, dass man da keine Extraregelungen bzgl. Wahlrecht einführen sollte. Aber es geht im konkreten Fall doch um die Abgeordnetenhauswahlen und dort ist ehh erstmal nur eine Teilmenge der Staatsbürger wahlberechtigt (nämlich die mit Hauptwohnsitz in Berlin, wenn ich da nichts falsch verstanden habe). Da das, was das Abgeordnetenhaus bestimmt, hauptsächlich die Menschen betrifft, die in Berlin wohnen (egal ob Staatsangehörigkeit oder nicht), sehe ich es durchaus als unlogisch an, dass man da die Staatsangehörigkeit überhaupt als Kriterium dazukoppelt. Den einzigen sinnvollen Grund, den ich sehe ist ein Verwaltungstechnischer, da bei Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, eventuell nicht klar geregelt ist, ob sie ihren Hauptwohnsitz in Berlin haben (und man sich somit evtl. viele Sockenpuppenwähler einhandelt). --Wobble 12:15, 3. Aug. 2010 (CEST)
- Wie oben schon angeführt, hat das Land Berlin (Teil-)Staatscharakter innerhalb des Bundesstaats BRD, das ist in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG festgelegt. Daraus ergeben sich Folgerungen für Regelung der "Landeszugehörigkeit" (mein Begriff), die sich im Sinne der Bundestreue unmittelbar an Art. 20 GG orientieren muss. Deshalb ist Art. 2 VvB auch so formuliert. Die von Dir beschriebene "Unlogik" gibt es natürlich auch in Bezug auf das Bundesrecht. Aber ich bleibe dabei: Das Problem ist nicht die Verfassung sondern das Staatsangehörigkeitsrecht, das dafür gesorgt hat, dass in der Bundesrepublik seit 50 Jahren eine Kaste von Einwohnern entstanden ist, der grundlegende demokratische Rechte trotz auf Dauer angelegter Ansässigkeit im Bundesgebiet verweigert werden. --etz 13:38, 3. Aug. 2010 (CEST)
Hier noch der Link zu meiner Anregung: Staatsangehörigkeit und Wahlrecht
Bitte auch beachten: Die Forderung ist ebenfalls in Präambel zum Grundsatzprogramm enthalten. siehe auch meine Anregung dort --etz 09:19, 31. Jul. 2010 (CEST)
Die Köpfe der Hydra: Die gleiche Forderung ist ein weiteres Mal in einer Zweiten Alternativ-Initiative zu Mehr Demokratie enthalten. Mir scheint es sinnvoll, derartige Redundanz im Grundsatzprogramm zu vermeiden. --etz
Möglichkeiten zum Erreichen von mehr Beteiligung an der demokratischen Gestaltung durch Ausländer auf kommunaler Ebene
Diskussion hierüber Pad http://piratenpad.de/be-integration-wahlrecht
Bekannt ist, dass um das Ausländerwahlrecht einzuführen und keine weiteren staatbürgerrechtlichen Änderungen vorzunehmen, die Änderung des Grundgesetzes in § 20 [1] erforderlich wäre. Hierzu ist eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages und des Bundesrates erforderlich. 1990 wurde Initiativen der Länder Schleswig Holstein und Hamburg, ein kommunales Wahlrecht auf Landesebene einzuführen, durch das Bundesverfassungsgericht für nicht zulässig abgelehnt und gestoppt worden.
Im Grundsatz sind wir uns einig, das wir für in unserem Land wohnende Ausländer die Möglichkeiten an der demokratischen Beteiligung erweitern wollen. Die Frage wäre somit welche Wege man beschreitet bzw. für welche Wege man sich ausspricht oder ob man möglicherweise für dieses Ziel auch eine Änderung des Grundgesetzes in Kauf nehmen würde. Das heißt die Forderung nach einem kommunalen Wahlrecht bzw. der Verstärkung der demokratischen Beteiligung ist das Ziel, wie wir dahin kommen können, darüber sollten wir uns einig werden.
Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, dieses Wahlrecht durch zusetzen oder zumindest für einen begrenzten Personenkreis einzuführen:
- wie vorgeschlagen, die grundsätzliche Staatsbürgerschaft für jedes Kind, dass in unserem Land geboren wurde. Hier gibt es lt. StAG § 4, Abs. 3, wonach Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen können, wenn ihre Eltern mindestens 8 Jahre in Deutschland leben oder, das sich allerdings darin einschränkt, dass dieser Bürger im Alter von 18 bis 23 Jahren sich für die deutsche Staatsbürgerschaft oder die seines Heimatlandes entscheiden muss. Das wäre dann bei einer Mehrzahl von Betroffenen hinfällig, wenn Punkt b) umgesetzt werden kann.
- Im Gegenzug wurde allerdings die grundsätzliche deutsche Staatsbürgerschaft von im Ausland geborenen Kindern Deutscher gekappt, wenn sie dadurch nicht staatenlos werden. Der Grundsatz wurde darin abgeändert, dass die Geburt durch Eltern, Vater oder Mutter mit deutscher Staatsangehörigkeit bei der zuständigen Auslandsvertretung angezeigt werden müssen.
- die Möglichkeit der mehrfachen Staatsbürgerschaft einzuführen, für die Erleichterung des Erhalts der Staatsbürgerschaft, beispielsweise durch Verzicht auf den Einbürgerungstest. Die Möglichkeit zur mehrfachen Staatsbürgerschaft ist im EU-Bereich bereits gegeben, gem. Richtlinie 94/80/EG vom 19.12.1994, somit wurden die Nicht-Staatsbürger in zwei Gruppen aufgeteilt, die die der EU angehören und auf der kommunalen Ebene passiv und aktiv das Wahlrecht ausüben können und der Gruppe, die diese Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, das sie nicht aus EU-Mitgliedsstaaten stammen.
- Somit ist der Anspruch gem. § 20 Grundgesetz, die Macht geht vom Volke aus (dem deutschen Staatsvolk) schon nicht mehr gegeben, dieser wurde bereits durch die Ergänzung lt. Art. 28, Abs. 1, Satz 3 GG abgeändert. Dadurch dass man als EU-Bürger seine eigene Staatsangehörigkeit nicht mehr abgeben muss, hat man auf kommunaler Ebene, wenn hier der Wohnsitz des betreffenden EU-Bürgers ist, dass kommunale Wahlrecht passiv wie aktiv. Die erforderliche „Staatsangehörigkeit“ ist somit durch die Europäische Union gegeben.
- Unter der Voraussetzung, dass wir uns auf Bundesebene für die mehrfache Staatsbürgerschaft aussprechen, könnten wir somit den Kreis der Ausländer, die das Wahlrecht ausüben, erweitern. Inwieweit man bei einer mehrfachen Staatsbürgerschaft auch auf Bundesebene ein Wahlrecht erhält, wäre ein Diskussionspunkt. Die mehrfache Staatsbürgerschaft ist Bundesthema, daher hatten wir dies auf der Landesebene nicht in den Vordergrund gestellt.
- Verbleiben die Fälle, in denen die Betroffenen nicht in Deutschland geboren wurden und deren Ursprungsländer keine mehrfache Staatsbürgerschaft zulassen. Hier gibt es den Ansatz, dass die Betroffenen bei Interesse an der demokratischen Gestaltung selbst eine Partei gründen und so ihre Forderungen auf kommunaler Ebenen durchsetzen, ähnlich wie die ssw in Schleswig Holstein http://ssw.de/www/de/
- Gem. § 2 des Parteiengesetzes dürfen hierbei aber weder die Mehrheit der Mitglieder Ausländer sein, noch die Mehrheit des Vorstandes der Partei. Das heißt ohne Beteiligung von Staatsbürgern ist dieser Weg eine Sackgasse, daher sind die Interessenvertretungen derzeit in Form von Ausländervertretungen existent.
- Weitere Ergänzung: Die Partei SSW besteht aus deutschen Staatsangehörigen einer in der BRD anerkannten nationalen Minderheit; das dem SSW gewährte Privileg, nicht an die 5%-Hürde gebunden zu sein, ergibt ich aus diesem Status. Der Rechtsstatus des SSW ist daher nicht vergleichbar mit einer Partei, die die Interessen hierzulande ansässiger nichtdeutscher Staatsangehöriger vertreten will. --etz 11:27, 30. Sep. 2011 (CEST)
gemeinsame Sprache
Obwohl es mir grundsätzlich gefällt, werde ich dagegen stimmen, da man die Formulierungen bezüglich der Sprachen durchaus so verstehen kann, dass die Förderung der Sprachen zu Lasten der Einheitssprache gehen soll. "Daher sind im Bildungssystem der Spracherwerb in der jeweiligen Erstsprache und in weiteren Sprachen zu fördern und die Möglichkeiten für einen mehrsprachigen Unterricht auf freiwilliger Ebene zu erweitern" und vor allem "Grundkenntnisse in der deutschen Sprache sind unabdingbar, aber gerade die Vermittlung von Wissen und Informationen in der Sprache des Herkunftslandes kann zu einem höheren Bildungsstand führen." Ich wäre beispielsweise dagegen, Unterricht in den ersten Klassen der Grundschule auch nur teilweise in "Muttersprachen" zu geben. Mit 6 können Kinder die Sprache des Landes, in dem sie leben, durchaus noch in einem Jahr "nebenbei" lernen. Aber das ist auch wirklich die letzte Chance und die darf man nicht vertun. --Donald 19:38, 17. Sep. 2010 (CEST)
Ein paar Quellen zum Thema
- Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) - [2]
- Friedrich-Ebert-Stiftung - Das kommunale Ausländerwahlrecht im europäischen Vergleich [3] - (hier Punkt 2)
- RICHTLINIE 94/80/EG DES RATES vom 19. Dezember 1994 (über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen)[4]
- BVerfG Entscheidung vom 30.10.1990 (2 BvF 2, 6/89; 2 BvF 2/89; 2 BvF 6/89)GG Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2; GKWG SchlH § 3 [5]
- Gutacherliche Stellungnahme von Prof. Dr. Klaus Rennert Richter am Bundesverwaltungsgericht – Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 22. September 2008 zum Gesetzentwurf der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ (BT-Drucks. 16/6628) und zum Antrag der Fraktion „Die Linke“ (BT-Drucks. 16/5904) betr.: Kommunales Ausländerwahlrecht[6]
- Parteiengesetz - [7]