AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaUngleichverteilung4

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Das Boom-Bust-Spiel

Aus der Möglichkeit der Geschäftsbanken im Prinzip unlimitert Giralgeld schöpfen zu können, ergibt sich eine Möglichkeit, gezielt die Wirtschaft im großen Stil zu manipulieren. Diesen Vorgang will ich als Boom-Bust-Spiel bezeichnen.

Dass es einen Boom-Bust-Zyklus gibt und dieser maßgeblich von der Kreditvergabe beeinflusst ist, wird spätestens seit der Finanzkrise von niemandem bestritten, und auch der Ablauf ist wohl verstanden.

Im Wesentlichen wird argumentiert, dass sich die Kreditvergabe pro-zyklisch entwickelt und so Phasen starker Über- und Unterinvestition auslöst. In aller Kürze kann man es so beschreiben:

  1. Geld entsteht aus Schulden, deshalb sind Schulden erstmal kein Problem, sondern Voraussetzung für eine Geldwirtschaft
  2. Schulden können zu einem Problem werden, wenn sie nicht zu mehr Einkommen führen, sondern nur Vermögensblasen erzeugen.
  3. Dies passiert dann, wenn nicht in die Produktion neuer Güter investiert wird, sondern in bestehende Vermögenswerte (bspw. Häuser oder Finanzanlagen).
  4. Das Problem an Vermögensmärkten ist, dass sie nicht, wie Gütermärkte, zu einem Gleichgewicht neigen, sondern selbstverstärkend sind.
  5. In der Folge kommt es immer wieder zum Boom-Bust-Zyklus.
  6. Das Problem ist, dass in der Boom-Phase immer mehr Schulden aufgenommen werden, die den Schuldendienst massiv erhöhen und so das verfügbare Einkommen reduzieren.
  7. Im Boom ist das kein Problem, weil die dadurch fehlende Nachfrage durch weitere Schulden kompensiert werden kann. Wird die Kreditvergabe aber eingeschränkt, tritt der Nachfragemangel aber zu Tage und es kommt zu Rezession.

Weniger oft wird in akademischen Kreisen darüber diskutiert, warum die Kreditvergabe plötzlich eingeschränkt wird und welche Auswirkungen das Boom-Bust-Spiel auf die Vermögensverteilung hat. Der Boom-Bust-Zyklus wird als "naturgegeben" hingenommen und schöngeredet.

Die "klassische" Argumentation

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Klassischerweise nimmt man an, dass Geld nur ein Mittel ist, das zum Einsatz kommt, um realwirtschaftliche Vorgänge zu ermöglichen oder zu vereinfachen. Das Geld(system) selbst ist dabei neutral.

Auch hier kann es zu Konjunkturzyklen kommen, aber am Ende wirken sie segensreich, weil im Bust veraltete Technologien, die ihren Zenit überschritten haben, nicht mehr schuldenfinanziert am Leben gehalten werden, und so den Weg frei machen für neue Technologien, die im nachfolgenden Boom schuldenfinanziert aufgebaut werden. Auf diese Weise wird die Volkswirtschaft bei jedem Durchlauf real reicher.

Störend wirkt sich auf diesen segensreichen Vorgang nur Volkes Wille aus, wenn er die Weisheit der Märkte nicht zur vollen Entfaltung kommen lässt.

In der Tat ist da bei sehr oberflächlicher Betrachtung einiges dran, allerdings krankt diese Darstellung an drei Punkten:

  1. Es wird nicht gefragt, wem der so entstandene neue Reichtum zufliesst
  2. Es wird nicht gefragt, ob "die Märkte" bei objektiver Betrachtung wirklich so weise sind
  3. Es wird vollkommen ignoriert, dass Geld heutzutage keineswegs nur geschöpft wird, um realwirtschaftliche Vorgänge abzuwickeln

Die Wirklichkeit

Tatsächlich besteht heute der allergrößte Teil aller Transaktionen aus reinen Finanzgeschäften, die weitestgehend losgelöst von realwirtschaftlichen Vorgängen stattfinden. Schätzungen zufolge beträgt das jährliche Handelsvolumen mit Finanzderivaten ein Vielfaches des gesamten Welt-BIPs, welches im Jahr 2008 ca. 61 Billionen USD betrug.

Siehe auch hier: Neue Regeln für OTC-Handel

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Und zum Thema Shadow Banking:

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Das Finanzvermögen übersteigt in vielen entwickelten Volkswirtschaften bereits das Realvermögen.

Warum ist das so? Wer profitiert davon?

Heute liegt eine WESENTLICHE (wenn nicht gar die zentrale) Stellgröße der Volkswirtschaft in den Hände sehr weniger Leute, denen am Gemeinwohl - nachweislich - wenig liegt.

Eine kleine Gruppe von Menschen hat es in der Hand, allein aufgrund ihrer eigenen Präferenzen entweder die Märkte mit Geld zu fluten und so einen verschuldungsinduzierten Boom anzufachen (siehe spanische oder amerikanische Immobilienblase) oder bei passender Gelegenheit durch restriktive Kreditvergabe diese Blase platzen zu lassen.

Bei oberflächlicher Betrachtung mag es einem wie Schicksal vorkommen; tatsächlich ist es ein gelenkter Prozess.

Die Frage ist: WER entscheidet denn, ob die Banken Kredite vergeben oder nicht?

Genau, die Banken! Und keiner sonst.

Das gibt ihnen unglaubliche "Gestaltungsmöglichkeiten" und ein ungeheures Erpressungspotential gegenüber jeglicher Regierung, das bspw. in der Eurokrise sehr offensiv eingesetzt wurde.

Die Banken haben mittlerweile überhaupt kein Interesse an stabilen Verhältnissen, denn sie verkaufen ja Produkte, die gegen genau diese Schwankungen absichern sollen - und die sind umso mehr wert, je größer die Schwankungen sind (siehe hierzu: Black-Scholes-Modell).

Der wirtschaftliche Abschwung ist für die Banken "Erntezeit". Im Boom sorgen die Banken dafür, dass sich alle für irgendwelche Güter bis an den Anschlag verschulden, dann wird der Kredithahn zugedreht, die Leute gehen pleite und die Sicherheiten werden eingesammelt, z.B. von Verwertungsgesellschaften, die wiederum von den Banken finanziert werden. Wer in dieser Situation noch einkaufen kann, gehört zu den Gewinnern.

Wie funktioniert das Boom-Bust-Spiel

Einen wesentlichen Anteil am Gelingen dieses Boom-Bust-Spieles hat die Zentralbank.

Es muss ja für die Geschäftsbanken ein "Signal" geben, wann die freizügige Kreditvergabe beendet werden soll. Eine Bank alleine kann aus spieltheoretischen Gründen diese Kehrtwende nicht einleiten. Würden einzelne Banken ihre Kreditvergabe einschränken und ihr Zinsniveau anheben, würde sie einfach aus dem Markt gekegelt. Das Ganze funktioniert nur, wenn alle gemeinsam handeln.

Dieses tun Banken, indem sie den "Signalen" der Zentralbank folgen. Dabei spielt sich die Preisgestaltung in einem ähnlich engen Rahmen ab wie bei den Ölkonzernen - wobei es sich in beiden Industrien selbstredend nicht um Kartelle handelt; die erstaunliche Gleichzeitigkeit der Preisbewegungen ergibt sich natürlich vielmehr aus dem gnadenlosen Wettbewerb und der hohen Markttransparenz....

Des Pudels Kern

Die Annahme, dass Banken koordiniert handeln, ist keineswegs eine "Verschwörungstheorie" oder irrational. Studien haben gezeigt, dass zwischen den Finanzinstituten eine ungewöhnliche starke Vernetzung vorliegt, die weit über das Maß hinausgeht, welches man erwarten würde.

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Dieses gilt für die Industrie:

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aber in gesteigertem Maße für Banken:

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Die Annahme, dass zwischen den großen (Finanz-)Konzernen erbarmungsloser Wettbewerb herrscht, der im Ergebnis die Wohlfahrt aller maximieren würde, so wie es die gängige Theorie voraussetzt, ist fern der Wirklichkeit. Es ist also schlicht unrealistisch anzunehmen, dass "die Märkte" von einer "unsichtbaren Hand" gelenkt werden - da haben andere ihre Hände im Spiel.

Die Beschäftigung mit diesem Thema unterliegt aber einem Tabu (warum wohl?) - und das schon seit langer Zeit:

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Adam Smith (Wealth of Nations, book 1, chapter 8)

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Phase 1

Stellen wir uns also vor, wir befinden uns in der Hochkonjunktur: Das Produktionspotential ist ausgelastet, das Lohnniveau ist hoch, ebenso die Einkommen und in der Folge die Nachfrage, die Preise steigen. Was macht die Zentralbank? Ganz klar, sie wirkt der Inflationsgefahr entgegen und erhöht die Zinsen (flankiert von den üblichen Horrormeldungen über Hyperinflation, etc. in der Presse). Dies ist das "Signal".

Damit steigt der Schuldendienst und es sinken die verfügbaren Einkommen der breiten Masse, die zum großen Teil ähnlich viel Schulden wie Vermögen hat, und damit ist die Inflationsgefahr (der Konsumentenpreise) gebannt; es gibt dabei aber einen "bedauerlichen" Nebeneffekt: Die Einkommen der Vermögenden steigt dabei natürlich, denn das höhere Zinsniveau führt zu höheren Vermögenseinkommen. Man könnte dies auch als Umverteilung von unten nach oben bezeichnen.

Die Einkommenseinbußen führen zu Nachfrageausfall, in der Folge wird die Konjunktur abgewürgt und immer mehr Unternehmen und private Haushalte geraten in Notlage, weil zwar die Einkommen weg brechen, aber der Schuldendienst in voller Höhe erhalten bleibt (siehe oben).

In dieser Lage wird der Kreditvergabe reduziert, was die Krise weiter verstärkt.

Phase 2

Wegen der schlechten Konjunktur liegen nun die Assetpreise am Boden und können günstig von den Vermögenden aufgekauft werden, die ja aufgrund der hohen Vermögenseinkünfte volle Kassen haben; nun folgt eine erneute Intervention der Zentralbank - die Zinsen müssen wieder sinken, denn es muss ja die Konjunktur angeschoben werden (flankiert von Kommentaren der in der Presse, dass auf diese Weise das Geld der Sparer eher investiert würde und ähnlicher Unsinn).

Die Geldpolitik muss in dieser Situation selbstredend von der Fiskalpolitik unterstützt werden - also mehr Subventionen, mehr Staatsausgaben, niedrigere (Unternehmens-)Steuern. Hierzu werden wieder großzügig Kredite vergeben; zunächst an den Staat, dann an die Unternehmen und schließlich auch wieder and die Bevölkerung. (ironischerweise oder zynischerweise flankiert von Kommentaren in der Presse, dass der Staat nicht mit Geld umgehen kann und durch seine Schuldenexzesse die Krise erst verursacht hat....)

Die Investitionen rentieren sich so prächtig, die Eigentümer verdienen ordentlich, die Löhne steigen, in der Folge die Einkommen und damit die Nachfrage. Aber Vorsicht, Inflation droht wieder - zurück zu Phase 1.

Offiziell firmiert dieser Vorgang unter dem Namen "Konjunkturpolitik".

Ergebnis

Dieses Spiel funktioniert immer und immer wieder, mit dem Ergebnis, dass die Vermögenden immer vermögender werden - selbst im Bust:

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Dieses ist maßgeblichen auf die Interventionen der Zentralbank zurückzuführen:

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FAZIT

  • Das Boom-Bust-Spiel ist kein gottgegebenes Phänomen ähnlich den Wellen auf dem Meer, sondern wird aktiv von den Banken durch die Freizügigkeit der Kreditgewährung beeinflusst.
  • Das Spiel wirkt nicht nur destabilisierend, sondern auch umverteilend, was sich in der aktuellen Krise sehr gut beobachten lässt.
  • Am Ende jedes Zyklus mag zwar der Wohlstand steigen - unter der Bedingung, dass alte Strukturen durch neuere, effizientere abgelöst werden - aber oftmals besitzen nur die Vermögenden am Beginn eines neuen Aufschwungs über die Mittel, um frühzeitig einzusteigen und davon zu profitieren.
  • Sobald die breite Bevölkerung in den Genuss höherer Einkommen kommt, interveniert die Zentralbank um einer Nachfrageinflation entgegenzuwirken und leitet so den Abschwung ein.
  • Im Abschwung können sich die Vermögenden mittels der Ersparnisse aus der Boom-Phase günstig weiteres (Real-)Vermögen hinzukaufen.

Ursächlich ist die Tatsache, dass so ein gewaltiges Machtpotential wie die Geldschöpfung einer kleinen Gruppe von rein privatwirtschaftlich orientierten Menschen überlassen wird.

Markt funktioniert aber nur, wenn alle Teilnehmer halbwegs gleiche Voraussetzungen mitbringen - so wie es heute läuft, ist es ein Autorennen, bei dem ein paar Teilnehmer entscheiden, wer wieviel Benzin kriegt - ist es da ein Wunder, dass immer die selben gewinnen?

Man muss verstehen, dass Geld kein Gut wie jedes andere ist, sondern in erster Linie eine volkswirtschaftliche Stellgröße und ein Machtinstrument.

Und als Demokraten muss uns daran gelegen sein, dass diese Macht in der Hand des Souveräns liegt - sonst ist er nämlich keiner.

Das Problem ist, dass sich die Finanzelite ihres Machtmittels durchaus bewusst ist und bestimmt nicht aus Einsicht darauf verzichten wird.

Hierzu abschließend ein Zitat:

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Gebrüder Rothschild, London, am 28. Juni 1863 an US-Geschäftspartner

Lösungsvorschlag: Endogenes Geldsystem

Da die Koordinierung der Geschäftsbanken über die Zentralbank erfolgt, wäre ein Lösungsansatz, die Zentralbank schlicht abzuschaffen und ein endogenes Geldsystem mit klaren Kreditvergaberegeln zu etablieren.

Das endogene Geldsystem zeichnet sich dadurch aus, dass das Geldangebot strikt von der Geldnachfrage der Nichtbanken abhängt und nicht von einer zentralen Stelle (quasi-)exogen vorgegeben wird. Dieses muss durch Steuern flankiert werden, die greifen, wenn es zu Vermögenspreisinflation bei einzelnen Vermögensklassen kommt, oder die Vermögenskonzentration volkswirtschaftlich schädliche Ausmaße annimmt.

In der aktuellen Krise kann man beobachten, dass die günstigen Zinsen und das de facto unbegrenzte Geldangebot vornehmlich dazu benutzt wird, um Assetblasen aufzupumpen, wovon die ohnehin vermögenden überproportional profitieren.

Dieses ist darauf zurückzuführen, dass immer noch der unspezifisch wirkenden Geldpolitik der Vorzug gegenüber der spezifisch wirkenden Fiskalpolitik gegeben wird - aus reiner Ideologie, weil man meint, dass "die Märkte" schon besser als der Staat wüssten, was dem Allgemeinwohl dient, und automatisch über den Preismechanismus zur optimalen Ressourcenallokation führen. Angesichts der aktuellen Krise und der erneut deutlich sichtbaren Fehlallokation ist das reiner Dogmatismus.

Ein weiterer Vorteil eines wahrhaft endogenen Geldsystems mit explizit formulierten Kreditvergaberegeln - im Gegensatz zu einem, das über eine Institution wie einer Zentralbank vorgibt über eine exogene Steuerung zu verfügen - ist ein kultureller:

  1. Wir erkennen an, dass wir de facto ein endogenes Geldsystem haben und hören auf zu argumentieren als wenn es nicht so wäre (die meisten Missverständnisse und Fehlschlüsse sind nämlich darauf zurückzuführen; insbesondere, weil die Zentralbank als Institution schon aus Selbstschutz und Existenzsicherung kaum dazu beitragen wird, ihr Unvermögen bzgl. der Geldmengensteuerung einzuräumen)
  2. Wir erkennen an, dass die Kreditvergabe de facto unbegrenzt ist und sämtliche Theorien, die dieses nicht anerkennen schlicht falsch sind. Wenn wir wollen, können wir über Nacht Milliarden aus dem Nichts schaffen (denn wir haben es bereits getan, siehe LTRO). Finanzierungsvorbehalte wegen Geldknappheit sind schlicht Unsinn.
  3. Wir erkennen an, dass die Kreditvergabe dem Wohl der Allgemeinheit dienen muss, und deshalb einem demokratisch legitimiertem und definiertem Regelwerk zu folgen hat. "Die Märkte" werden durch "Die Demokratie" als Steuerungsmechanismus (besser: -institution) abgelöst.

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