Diskussion:2010-01-20 - Bayerische Vorstandssitzung

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Antrag Markus Gerstel

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I) Antragsinhalt

Der Vorstand der Piratenpartei Deutschland Landesverband Bayern sowie der Vorstand der Piratenpartei Deutschland Bezirksverband Mittelfranken mögen dem am 17.01.2010 in Nürnberg gegründeten "Kreisverband Nürnberg" bis auf weiteres die Anerkennung als Kreisverband der Piratenpartei Deutschland in Mittelfranken versagen.

Davon sind explizit betroffen die Auszahlung von Anteilen aus Mitgliedsbeiträgen und Spendengeldern sowie der Zugriff auf die Mitgliederdatenbank. Anträge des Vorstandes des Kreisverbandes Nürnberg auf Finanzmittel sollen wie Anträge einer losen Mitgliedergruppierung (Stammtisch oder AG) behandelt werden. Diese Aufzählung ist nicht abschließend.

II) Begründung

II.a) Faktenlage

Da der Antragsteller zur Gründungsversammlung nicht persönlich zugegen war, und zum aktuellen Zeitpunkt weder ein offizielles Protokoll noch ein vorläufiges Protokoll vorliegt, hat der Antragsteller drei Augenzeugen unabhängig voneinander über die essentiellen Geschehnisse befragt. Die Richtigkeit der unten genannten Aussagen kann der Antragsteller auf Verlangen an Eides Statt bestätigen.

II.a.1) Aussage Arthur 'Vig' Schibetz, aktuell Schatzmeister LV Bayern und Schatzmeister BzV Mittelfranken

Die Gründungsversammlung habe mit 17 zu 5 Stimmen mit 2 oder 3 Enthaltungen beschlossen keine Satzung zu beschließen. Einer der von Emanuel Kotzian und Patrick Linnert vorgetragenen Argumente sei dass eine Satzung Vor- und Nachteile habe, und einer der Nachteile ist dass eine Satzung kaum (bzw schwer) zu ändern sei. Die Gründungsversammlung habe darüberhinaus beschlossen dass ein 5-köpfiger Vorstand zu wählen sei, zum Vorstandsvorsitzender sei Emanuel Kotzian gewählt. Sonstige Beschlüsse die eine ausserordentliche Qualität haben (damit gemeint: einen besonderen Änderungsschutz) seien nicht getroffen worden. Zur Vertretung der Mitgliederinteressen sei beschlossen worden dass alle 3 Monate eine Mitgliedsversammlung stattfinden solle, sowie ein ordentlicher Parteitag in einem Jahr. Die Protokollführung habe Tina 'Spinni' Grandrath übernommen.

II.a.2) Aussage Dominique 'NetAndroid' Schramm, aktuell Generalsekretär BzV Mittelfranken

Der Antragsteller hat die Aussage von Arthur Schibetz telefonisch wiederholt, Dominique Schramm hat die Aussage satzweise vollständig bestätigt. Zusätzlich wurde bestätigt dass kein Satzungssurrogat beschlossen worden sei, also kein Beschluss mit inhaltlicher Satzungsqualität. Bei der Vorstellung des satzungslosen Modells habe Patrick Linnert gesagt, dass er früher dachte eine Satzung wäre notwendig, doch nun diese Meinung nicht mehr vertrete. Versammlungsleitung habe Dominique 'NetAndroid' Schramm übernommen.

II.a.3) Aussage Emanuel 'Emmi' Kotzian

Die Gründungsversammlung habe mit 19 zu 3 oder 4 Stimmen beschlossen keine Satzung zu beschließen. Einer der dafür ausschlaggebenden Gründe sei dass eine Satzung im Nachhinein leichter zu beschließen (i.S: hinzuzufügen) sei, als eine bestehende Satzung zu streichen. Der gewählte Vorstand bestehe aus 5 Personen, der Vorsitzende sei Emanuel 'Emmi' Kotzian. Eine Mitgliederversammlung solle alle 3 Monate stattfinden, wobei der neugewählte Vorstand bereits den Wunsch geäußert habe dieses Intervall auf 2 Monate zu verkürzen. Ein ordentlicher Parteitag solle in einem Jahr stattfinden. Die Protokollführung habe Tina 'Spinni' Grandrath übernommen.

II.b) Feststellung: Kreisverband hat keine wirksame Satzung

Zunächst gilt es festzustellen dass der Kreisverband Nürnberg mit Gründung vom 17.01.2010 keine eigene wirksame Satzung beschlossen hat.

Bei Untergliederung einer Gesamtpartei in untergeordnete Gebietsverbände nach §7 Abs. 1 Satz 1 PartG handelt es sich bei den Gebietsverbänden um eigene, selbständige körperschaftliche Teilorganisationen, die in der Rechtsform des rechtsfähigen oder nichtrechtsfähigen Vereins verfasst sind. Diese Gebietsverbände müssen eigene Willensbildungsbereiche aufweisen. Die Parteimitgliedschaft ist als gestufte Mehrfachmitgliedschaft auf allen Organisationsebenen ausgestaltet. (nach Kersten/Rixen, §7 Rn 8f)

Im Verhältnis der über- zu den nachgeordneten Ebenen innerhalb der Partei gilt das Gebot der innerparteilichen Demokratie. Das schließt eine vollständige Fremdbestimmung durch bspw. den Gesamtverband aus, und verlangt stattdessen einen Bereich eigenständiger Willensbildung und Selbstverwaltung, insbesondere eine gewisse Autonomie in Bezug auf die Satzungshoheit. (nach Kersten/Rixen, §7 Rn 10)

Die Satzungsautonomie kann nach §6 Abs. 1 Satz 2 kann durch Satzung der unmittelbar nächsthöheren Gebietsverbandes frei erhalten gelassen, eingeschränkt oder sogar vollständig abbedungen werden. Durchgriffe weiter übergeordneter Gebietsverbände sind unzulässig. Die für die Einschränkung der Satzungsautonomie eines Kreisverbands Nürnberg alleinig 'zuständige' Satzung ist die des Bezirksverbandes Mittelfranken. Diese enthält jedoch keine hierfür notwendige explizite Regelung. §8 Satzung BzV MFR begründet nach Sicht des Antragstellers die widerlegbare Vermutung dass nachgeordneten Gebietsverbänden zumindest eine gewisse eigene Satzungsautonomie zugestanden werden soll. Regelungen die eine Einschränkung der Satzungsfreiheit nachgeordneter Gebietsverbände bewirken können, sind in §4, §7 Abs. 2 in der Vorgründungsphase, sowie §11 Abs. 3 Satz 5, jeweils Satzung BzV MFR zu finden.


II.c) Feststellung: Kreisverbandsgründung verstößt damit gegen bestehende Satzungen

Da die Satzung des Bezirksverbandes Mittelfranken die Satzungsautonomie eines Kreisverbandes Nürnberg nicht abbedingt, also keine eigene Satzung vorgibt, und der am 17.01.2010 gegründete "Kreisverband Nürnberg" keine eigene Satzung führt, verstößt der "Kreisverband Nürnberg" damit gegen die geltende Satzung der Piratenpartei Deutschland, gegen die geltende Satzung der Piratenpartei Deutschland Landesverband Bayern und gegen die geltende Satzung der Piratenpartei Deutschland Bezirksverband Mittelfranken.

Exemplarisch: Nach §4 Abs. 5 Satz 1 Bundessatzung hat jedes Mitglied ein sofortiges Austrittsrecht. Nach §4 Satz 1 Satzung LV Bayern iVm. §4 Abs. 5 Satz 1 Bundessatzung wird dieses Recht auch auf Landesebene mit Satzungsrang ausgefüllt. Nach §4 Satzung BzV MFR wird dieses Recht auch auf Bezirksebene ausgeweitet, und gleichzeitig die Abweichung auf untergeordneter Ebene untersagt. Nach Meinung des Antragstellers stellt bereits der Verzicht auf eine satzungsmäßige Regelung ein Verstoß gegen §4 Satzung BzV MFR und §4 Satz 2 Satzung LV Bayern dar. Eine satzungsmäßige Regelung unterscheidet sich beispielsweise von einer Vorstandsgeschäftsordnung oder einem Parteitagsbeschluß regelmäßig durch eine höherer Änderungshürde, sowie anderen Auslegungsrang als auch in ihrer Eignung als Anspruchsgrundlage. Durch die gestufte Mehrfachmitgliedschaft ist eine satzungsmäßige Anspruchsgrundlage für ein unbedingtes, sofortiges Austrittsrecht aber für den Antragsteller unabdingbar.


II.d) Feststellung: Kreisverbandsgründung verstößt damit gegen geltendes Recht

Relevanter und kritischer als die Wechselwirkungen zwischen Satzungen verschiedener Gliederungen ist das Fehlen der Satzung an sich zu sehen. Nach §6 Abs. 1 Satz 1 PartG sind Parteien verpflichtet, eine Satzung und ein Programm auszustellen und jeweils schriftlich niederzulegen. Mit 'Partei' i.S.d. §6 Abs. 1 Satz 1 PartG ist zwar lediglich die Gesamtpartei gemeint, aber §6 Abs. 1 Satz 2 PartG dehnt diese Satzungspflicht über die Gesamtpartei hinaus auf die untergeordneten Organisationsebenen aus. (nach Kersten/Rixen, §6 Rnrn 6, 10)

Die nach §2 Abs 1 PartG geforderte 'Umfang und Festigkeit' der Parteiorganisation begründet darüberhinaus mittelbar ein Schriftformerfordernis der Satzung (Kersten/Rixen, §6 Rn 8, mit anderer Herleitung Ipsen §6 Rn 2), da nur so eine manipulationsresistente Festlegung der für die Binnenorganisation der Parteien grundlegenden Normen bezweckt werden kann. Das Vorliegen einer schriftlichen Satzung macht es auch eine Prüfung, inwieweit eine Partei den Grundsätzen einer binnendemokratischen Ordnung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG genügt, überhaupt erst möglich. (nach Kersten/Rixen, §6 Rn 9)

Inhaltlich verstößt die Gründung ohne Satzung in jedem Fall den Satzungserfordernissen nach §6 Abs. 2 Nr 1 (Name, Kurzbezeichnung und Tätigkeitsgebiet), Nr 2 (Rechtsstellung der Mitglieder), Nrn 7-9 (Zuständigkeit und Zusammensetzung der Parteiorgane, insbesondere des gewählten "Vorstands" sowie die Rechte der Mitgliederversammlung) und Nr 12 (Regelung einer Finanzordnung) PartG. (nach Kersten/Rixen, §6 Rnrn 16, 17, 20, 23 sowie Ipsen §6 Rnrn 7, 8, 11, 15)

Eine mögliche Geschäftsordnung eines gewählten Vorstandes entfaltet keine Aussenwirkung und ist kein Satzungsersatz, kann insbesondere also keine der obengenannten Probleme heilen.

Im Falle der Nichterfüllung einer zwingenden Regelungsverpflichtung nach §6 Abs 2 PartG tritt als Rechtsfolge grundsätzlich aus Mangel an Sanktionsmechanismen des Parteiengesetzes nur ein verweigerter Rechtserfolg in Betracht. Dies bedeutet dass die auf der mangelhaften Grundlage basierender Beschlüsse und Maßnahmen unwirksam sind. (nach Kersten/Rixen, §6 Rn 25)

Durch die daraus folgende Nicht-Bestellung des Vorstandes wird weiter §26 Abs. 1 Satz 1 BGB (iVm §37 PartG) verletzt.

Damit bezweifelt der Antragsteller nicht nur die ordnungsgemäße Bestellung eines Vorstandes, sondern auch die ordnungsgemäße Gründung einer Gliederung innerhalb der Piratenpartei Deutschland.

Eine mögliche Ersetzung der betroffenen, fehlenden Satzungselemente durch gesetzliche Bestimmungen kommt dabei schon alleine durch den Umfang der Satzungsmängel nicht in Betracht. Insbesondere fehlen Regelungen zur Größe und Zusammensetzung des Vorstandes. Ohne einen Vorstand kann aber ein Gebietsverband auch keine rechtliche Außenwirkung entfalten (§26 Abs. 1 Satz 2 BGB), auch nicht gegenüber anderen Gebietsverbänden innerhalb der Gesamtpartei.

II.e) Feststellung: Kreisverbandsgründung sowie Anerkennung dieses "Kreisverbandes" verletzt Rechte des Antragstellers

Da der Antragsteller nicht im Kreis Nürnberg wohnhaft ist, und damit durch Gründung eines Kreisverbands Nürnberg nicht direkt betroffen wird, mag es notwendig sein eine Verletzung seiner Rechte gesondert aufzuzeigen.

Der Antragsteller bemerkt dass er in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied des Landesverbandes eine Verantwortung für den Umgang mit den Mitgliederdaten sowohl rechtlich aus dem Bundesdatenschutzgesetz, als auch -in dieser Partei besonders- politisch durch das Parteiprogramm trägt. Innerparteilich ist der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied des Landesverbandes durch §8 Satz 1 Bundessatzung explizit zur besonderen Achtung der Grundsätze der Piratenpartei berechtigt und verpflichtet. Durch die Erteilung eines Zugriffsrechts an einen nicht ordnungsgemäß gegründeten Kreisverband, also an eine nicht gesondert legitimierte Gruppierung von Piraten, ähnlich einer Arbeitsgruppe oder eines Stammtisches, wird sowohl dem Landesverband als auch der Gesamtpartei Schaden zugefügt. Der Antragsteller sieht es mit seiner Eigenschaft daher als Vorstandsmitglied nicht vereinbar, Verstöße gegen das Datenschutzgesetz Vorschub zu leisten.

Als Vorstandsmitglied im Landesverband ist es die Pflicht des Antragstellers die Handlungsfähigkeit des Landesverbandes auch für zukünftige Landesvorstände auch in finanzieller Hinsicht zu sichern. Da in Zukunft beträchtliche Einnahmen durch die staatliche Parteienfinanzierung zu erwarten sind, ist es Recht und Pflicht des Antragstellers auf eine einwandfreie Rechenschaftsablage des Landesverbandes hinzuwirken. Die Rechenschaftsberichtspflicht des Landesverbandes bezieht auch die Rechenschaftsberichte aller untergeordneten Gliederungen mit ein (§24 Abs 3 Satz 1 PartG). Eine Zahlung von Mitgliedsbeiträgen, auch anteilig, an einen nicht ordnungsgemäßen Gebietsverband, äquivalent an eine Arbeitsgruppe oder einen Stammtisch, würde zu einem unvollständigen oder fehlerhaften Rechenschaftsbericht des Landesverbandes oder nach Ansicht des Antragstellers alternativ zu einer Mittelveruntreuung führen. Beide Alternativen bedrohen die Parteienfinanzierung des Landesverbandes (und auch der Gesamtpartei). Daher sieht sich der Antragsteller damit in seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied des Landesverbandes schwer beeinträchtigt.

III) Rechtfertigung der besonderen Eile

Der Antrag zielt auf einen vorläufigen Rechtsschutz ab. Da mit Annahme des Antrags Rechte eines möglicherweise statthaft gegründeten Kreisverbandes vor einer Entscheidung in der Hauptsache negativ berührt werden können, erfordert der Antrag nach Meinung des Antragstellers eine besondere Begründung und eine Interessenabwägung sowohl des Antragstellers als auch des Antragsgegners.

III.a)

Es entstehen dem Kreisverband keine besonderen finanziellen Nachteile, da zunächst nur die Auszahlung von Mitgliedsbeiträgen und Spendengeldern versagt wird, bei Ablehnung des Antrages in der Hauptsache diese jedoch schnell übertragen werden können. Da der Kreisverband nach der Gründungsphase zunächst beispielsweise ein eigenes Konto eröffnen müsste, und dieses sowieso unter dem Vorbehalt eines Protokolls steht ergibt sich daraus keine gewichtige Verzögerung und damit keine ungerechtfertigte Benachteiligung des Kreisverbandes.

Andererseits ergeben sich mit der unsachgemäßen Verwendung von satzungsmäßigen Mitteln, insbesondere der Auszahlung von Anteilen von Mitgliedsbeiträgen an Drittverbände bzw -vereinigungen die der Piratenpartei zwar möglicherweise nahestehen, aber keine Organisationsgliederung der Partei als solche darstellen möglicherweise massive Probleme, die dann nicht nur die Rechenschaftslegung lokal in Mittelfranken oder Bayern berühren, sondern die Bundespartei beeinflussen, und im worst-case auch die Parteienfinanzierung der Gesamtpartei gefährden. Damit wiegt das Risiko eindeutig die Berührung des Rechts des Kreisverbandes eine eigene Kontenführung zu betreiben auf, zumal es dem Kreisverband ja weiterhin freisteht zu abgegrenzten Einzelaktionen finanzielle Unterstützung der übergeordneten Verbände zu beantragen.

III.b)

Durch den verweigerten Zugriff auf die Benutzerdatenbank hat der Kreisverband keine Möglichkeit eine Mitgliederverwaltung durchzuführen. Hieraus ergibt sich ein Nachteil für den Kreisverband Nürnberg. Da diese Arbeiten zur Erledigung entweder verzögert, oder dem Bezirksverband Mittelfranken zufallen würden würde letzterem ebenfalls ein Nachteil entstehen.

Aufgewogen mit der potentiellen Gefahr einem unzulässig gegründetem Kreisverband Zugriff auf die Mitgliederverwaltung zu gestatten, und damit eine Verletzung von Datenschutzgesetzen (speziell §3a I BDSG) sowie Kernprinzipien der Piratenpartei (speziell Punkt 3.2 Informationelle Selbstbestimmung, Abs. 2, Satz 3 und 4 des Parteiprogramms der Piratenpartei Deutschland) hinzunehmen stellt dies meines Erachtens aber ein unverhältnismäßiges Risiko dar. Daraus erschließt sich für mich auch eine besondere Dringlichkeit, da auch bei einmaligem Zugriff Teile der Benutzerdatenbank kopiert werden können, und der mögliche politische Schaden nicht absehbar ist.

-- Ende des Antragstexts --