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BE:Beschlussantrag Umlaufbeschluss/2011-12-13/01
Antrag
Offizielle Stellungnahme des Landesverbandes Berlin der Piratenpartei Deutschland zum Polnischen Atomprogramm |
NR: 2011-12-13/01 |
- Text
- Der Berliner Landesvorstand möge beschließen, folgenden Text als offizelle Stellungnahme des Landesverbandes Berlin der Piratenpartei Deutschland an die zuständigen Stellen der polnischen Regierung zu übersenden:
Offizielle Stellungnahme des Landesverbandes Berlin der Piratenpartei Deutschland zum Polnischen Atomprogramm
Der Vorstand des Landesverbandes Berlin der Piratenpartei Deutschland nimmt zur strategischen Umweltprüfung (SUP) des Polnischen Kernenergieprogramms (Program Polskiej Energetyki Jadrowej) nach dem polnischen Umweltinformationsgesetz (poln. Ges.Bl. Dz. U. Nr. 199, Pos. 1227 in der später geänderten Fassung) gemäß Artikel 7 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (SUP-Richtlinie) wie folgt Stellung:
Die Abkehr von dem seit Ende 1990 geltenden Baustopp für Atomkraftwerke und die geplante Neuerrichtung und Inbetriebnahme von zwei Atommeilern in einer Entfernung von 270 km (Standort Żarnowiec) bzw. 150 km (möglicher Standort Warta-Klempicz) zur deutsch-polnischen Grenze nimmt unkalkulierbare Betriebsrisiken in Kauf und gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung in Polen und Deutschland. Ein schwerer Störfall mit radioaktiver Freisetzung in unmittelbarer Nähe zu dicht besiedelten Gebieten wie Frankfurt/Oder, Cottbus und dem Raum Berlin ist nicht auszuschließen und hätte katastrophale Auswirkungen.Es bestehen begründete Zweifel an der Vereinbarkeit des Polnischen Kernenergieprogramms mit geltendem EU-Recht, insbesondere Art. 4 Abs. 1, Art. 7 und Art. 8 2001/42/EG (SUP-Richtlinie), 96/92/EG (gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt) und Art. 191 Abs. 2 AEUV (Verursacherprinzip).
Aufgrund der fraglichen Vereinbarkeit mit EU-Recht ist das Polnische Kernenergieprogramm bis zum Abschluss eines der SUP-Richtlinie entsprechenden Verfahrens außer Kraft zu setzen. Der Umweltbericht muss unter Beachtung der im Folgenden dargestellten Defizite grundlegend überarbeitet werden, da das Kernenergieprogramm in der aktuell vorliegenden Form weder die Risiken beim Betrieb von Atomkraftwerken, noch die Risiken und Auswirkungen bei Anreicherung, Rückbau und Entsorgung darstellt. Im Gegenteil: die Risiken der Atomkraft werden unzureichend bewertet und in unverantwortlicher Art und Weise verharmlost. Alternative Energiekonzepte werden ungenügend geprüft.
Nuklearstrategie und Umweltbericht überzeichnen negative Auswirkungen, Energiebilanz und Flächenverbrauch der erneuerbaren Energien, um die vermeintliche Attraktivität der geplanten Kernkraftwerke zu unterstreichen:- So wird zum Beispiel vorgerechnet, dass in Bezug auf die Energieausbeute der Flächenbedarf einer Windkraftanlage 28 mal, der Materialbedarf doppelt und der Aluminiumbedarf 75 mal so hoch sei wie bei einem Atommeiler, um zum politisch gewollten Ergebnis zu kommen, Kernkraftwerke seien - über die gesamte Nutzungsdauer gesehen - die umweltfreundlichste Art der Energieerzeugung.
- Dabei werden wesentliche Kostenaspekte der Nutzung der Kernenergie schlichtweg unterschlagen, wie z.B. die Entwicklung und der Bau der benötigten technischen Infrastruktur oder die Kosten für den Umgang mit den abgebrannten Uranstäben, für deren Zwischen- und Endlagerung in Polen noch gar keine Möglichkeiten geschaffen wurden - von den ebenfalls unberücksichtigten gewaltigen volkswirtschaftlichen Kosten im Fall einer unkontrollierten Kernschmelze mit Verstrahlung ganzer Landstriche einmal ganz abgesehen.
Die in der Nuklearstrategie und im dazugehörigen Umweltbericht vertretene These, schwerwiegende Havarien in Kernkraftwerken kämen nur einmal pro eine Million Jahre vor und seien in ihren Auswirkungen auf den unmittelbaren Kraftwerksbereich beschränkt, sind längst durch die Atomkatastrophen von Three Mile Island, Tschernobyl und Fukushima widerlegt:- Um die havarierten Reaktoren im ukrainischen Tschernobyl und im japanischen Fukushima mussten 30-Kilometer Sperrzonen eingerichtet werden und hunderttausende Menschen aufgrund der Kontaminierung von Luft, Wasser und Böden evakuiert werden.
- In Tschernobyl gelangten Wolken radioaktiver Partikel in Höhen von bis zu 10.000 Meter und verteilten den Fallout über weite Teile Europas. Während sich die radiologisch hochproblematischen Plutonium-Isotope hauptsächlich in Weißrussland, Russland und der Ukraine verteilten, lagerte sich mehr als die Hälfte der freigesetzten Radioaktivität außerhalb der damaligen Sowjetunion ab - in Form von Cäsium-134 und -137 sowie Jod-131 auch in Polen und Süddeutschland, tausende Kilometer vom Ort des Störfalls entfernt.
- Auch die erhebliche radioaktive Freisetzung bei der Kernschmelze im japanischen Fukushima hat gezeigt, dass die Atomkraft selbst mit modernster Technik nicht zu beherrschen ist und dass eine hundertprozentige Sicherheit auch nicht mit Reaktoren der dritten oder vierten Generation sichergestellt werden kann.
Wir fordern die Regierung und das Parlament der Republik Polen angesichts des unkalkulierbaren Risikos einer weiträumigen radioaktiven Belastung von Menschen und Umwelt auf, die Zustimmung zum Bau des Reaktors in Żarnowiec zu überdenken, die Pläne für den Einstieg in die Nutzung der Atomenergie fallen zu lassen und stattdessen den Ausbau von umweltverträglichen und nachhaltigen Energien zu forcieren.
Polen sollte die aktuellen Vorgaben der 2020-Ziele der EU zum Anlass nehmen, um das bisher weitestgehend ungenutzte Potential des Landes für erneuerbare Energien zu erschließen und um die notwendigen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Investitionen in diesem Wirtschaftssektor zu schaffen:- Gegenwärtig spielen erneuerbare Energien in Polen so gut wie keine Rolle und über neunzig Prozent des Stroms werden durch Stein- und Braunkohle produziert. Wind- und Wasserkraftwerke machen nach wie vor weniger als fünf Prozent der jährlichen Stromgewinnung aus und die Photovoltaik spielt praktisch keine Rolle. Mit dem über die Medien transportierten Argument, wonach sich Polen energiepolitisch von Russland lösen müsse, verhindert die staatliche Kohlelobby zudem die Substituierung der veralteten Kohlekraftwerke durch hocheffiziente KWK-Gaskraftwerke der neusten Generation und eine bessere Anbindung an die west- und osteuropäischen Gasnetze.
- Obwohl Polen auf dem unterentwickelten Windenergiemarkt in Mittel- und Osteuropa eine Vorreiterrolle einnimmt und über mehr als 500 Kilometer Küstenlinie an der Ostsee verfügt, gibt es nach wie vor keinen einzigen Offshore-Windpark, da die Netzinfrastruktur nur unzureichend ausgebaut ist und gesetzliche Regelungen nicht nur fehlen, sondern Projekten sogar im Weg stehen – z.B. durch komplizierte und teure Verwaltungsverfahren oder in Form des novellierungsbedürftigen Gesetzes über die Meeresgebiete der Republik Polen und über die Meeresverwaltung von 1991.
- Im Bereich Biomasse erhöht Polen die Quote für erneuerbare Energien künstlich durch Anrechnung der weit verbreiteten Holzverfeuerung in Privathaushalten und fördert bevorzugt Großprojekte anstatt auf dezentrale Biomasseanlagen für z.B. Schnittholz, Abfall und Klärschlamm zu setzen. Dabei ist gerade im Bereich Biomasse das Potential aufgrund des hohen Anteils an land- und forstwirtschaftlich bewirtschafteter Fläche sehr groß.
- Gemeinsam mit Deutschland sollte Polen den Netzausbau entschlossener und schneller als bisher vorantreiben, um die Effizienz des gemeinsamen Strommarktes zu erhöhen und überschüssige Energie aus norddeutschen Windkraftanlagen besser zu verteilen und selbst zu nutzen. In diesem Sinne müssen die 2010 zwischen den Netzbetreibern beider Länder getroffenen Vereinbarungen zur Aufrüstung von grenzüberschreitenden Leitungen eingehalten und die aktuelle DG ENERGY Roadmap der EU-Kommission zum gemeinsamen Energiemarkt berücksichtigt werden, anstatt, wie vom polnischen Netzbetreiber PSE Operator geplant, bis 2014 über Phasenschieber Stromsperren an der Grenze zu errichten und damit den europäischen Strombinnenmarkt in Frage zu stellen.
[Absender][Datum]
[Unterschrift]
_________________
Empfängeradresse: Hanna Trojanowska, Government’s Plenipotentiary for Polish Nuclear Power Engineering Issues, Undersecretary of State, MINISTRY OF ECONOMY, Plac Trzech Krzyży 3/5, 00-507 Warszawa, POLEN(Büro-Email: Andrzej.Chwas@mg.gov.pl)
Kopie an: Michał Kiełsznia, General Director for Environmental Protection, ul. Wawelska 52/54, 00-922 Warszawa, POLEN(Büro-Email: dorota.szumanska@gdos.gov.pl)
- Begründung
- Das Squad Wirtschaft und Umwelt hat seit einigen Wochen an einer offiziellen Stellungnahme zum Vorhaben der Republik Polen, in die zivile Nutzung der Atomenergie einzusteigen, gearbeitet. Unser Textentwurf wurde mittlerweile im Landesliquid mit 94% Zustimmung angenommen. In der Zwischenzeit hat die AGH-Fraktion der Grünen zu den Plänen der polnischen Regierung einen Entschliessungsantrag eingebracht, zu dem Philipp auf der Basis unseres Textes auch eine Rede im Plenum gehalten hat. Im Rahmen der deutsche Beteiligung am grenzüberschreitenden Verfahren nach der EU SUP-Richtlinie, können vom 5. Oktober 2011 bis zum 4. Januar 2012 Stellungnahmen bzw. Eingaben in deutscher Sprache unmittelbar beim polnischen Wirtschaftsministerium eingereicht werden (strategische Umweltprüfung [SUP] nach polnischem Umweltinformationsgesetz): http://www.bmu.de/atomenergie_sicherheit/doc/47821.php
- LiquidFeedback
- https://lqpp.de/be/initiative/show/1319.html
- Antragsteller
- Janhemme 17:37, 13. Dez. 2011 (CET) (für das Squad Wirtschaft und Umwelt)
- Ergebnis
- angenommen
- Dafür
- --GA 17:50, 13. Dez. 2011 (CET),Pavel 17:55, 13. Dez. 2011 (CET), Stephan 18:24, 13. Dez. 2011 (CET)
- Dagegen
- --Helge Eichelberg 18:27, 13. Dez. 2011 (CET)
- Enthaltung
- (Liste von Namen)
- Umsetzungsverantwortlich
- -
- Link zum Beschlussantrag
- [[{{{Link}}}]]
- Link zum Protokoll
- [[{{{Protokoll}}}]]
Hallo: 13/01
Diskussion / Protokoll
Wenn das Squad bereits "seit einigen Wochen" an einem Textentwurf arbeitet, warum wurde dieser Entwurf dann nicht bereits früher ins LiquidFeedback eingestellt und stattdessen ein Schnellverfahren gewählt? --Helge Eichelberg 18:29, 13. Dez. 2011 (CET)
Hallo Helge. "Einige Wochen" waren in diesem Fall drei Wochen, inkl. Diskussion im Squad... Effektiv haben wir eine Woche am Text gearbeitet und es dann per Schnellverfahren ins Liquid gestellt, damit die Stellungnahme noch vor Weihnachten und damit fristgerecht rausgeschickt werden kann. In diesem Fall musste es wirklich schnell gehen, da wir das relativ spät gesehen hatten. Daher diese Abkürzung (wir sind ehrlich gesagt auch nicht davon ausgegangen, dass alles so glatt läuft...). Ich hoffe, das beantwortet Deine Frage. Gruss Janhemme 20:02, 13. Dez. 2011 (CET)