Vom Download zum Grundeinkommen

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50px Dieser Artikel ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei; die Idee ist von Achimbode

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Vom Download zum Grundeinkommen - die Piraten brauchen ein konsistentes Modell

Ein zentraler Punkt des Piraten-Programms ist die Reform des Urheberrechts. Diese ist sicherlich sinnvoll - sie wird aber keine Mehrheit in der Bevölkerung bekommen, wenn den Menschen, die bisher von der Verwertung der Urheberrechte gelebt haben (insbesondere den Urhebern!), kein alternatives Modell zur Existenzsicherung angeboten wird. Ein wesentlicher Baustein in diesem Modell wird voraussichtlich das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) sein, auf das weitere Maßnahmen aufbauen können.

Hintergrund: Von der Bay zur Partei

Die Piratenpartei ist aus Pirate Bay hervorgegangen - einer Tauschbörse für Dateien, die woanders Geld kosten. Die Piraten begründen die Vermittlung kostenloser Downloads damit, dass der Großteil der Einnahmen aus Musik, Spielen, Texten und anderem ohnehin bei "den Majors" landet. Diese großen Labels gibt es vor allem im Musikbereich. Sie hatten dort früher die Aufgabe, die Vertriebswege für Schallplatten zu organisieren. Heute findet der Vertrieb vorwiegend im Internet und auf anderen Kanälen statt und die "Majors" werden als Wegelagerer wahrgenommen, die - kraft Gewohnheitsrecht - den Großteil des Umsatzes in überbezahlte Management- und Verwaltungsstrukturen pumpen, während die "Künstler" nur einen Bruchteil bekommen.

Aber ACHTUNG: die Piraten sind jetzt eine Partei! Wer der einseitigen Argumentation der Labels keine genauso einseitige der Raubkopierer gegenüberstellen will, sondern stattdessen konstruktiv an tragfähigen (und mehrheitsfähigen?) Modellen mitarbeiten will, der muss differenzieren. Er muss fragen, welche Dienstleistungen erbringen die Rechteverwerter, welche davon sind (noch) sinnvoll und wie kann man die bisherigen Leistungen und Rechteverteilungen besser organisieren. Das hier vorgestellte Modell schlägt vor, die Forderung eines bedingungslose Grundeinkommen zum festen Programmpunkt der Piratenpartei zu machen. Das würde sie in der Urheberrechtsreform von vielen Erklärungsnöten befreien. Darauf aufbauend soll das kapitalistische Modell der Musik-, Software- und Textproduktion wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden, damit die kreativen Branchen der Gesellschaft nicht zum Bittsteller von Transfergeldern gemacht werden und gleichzeitig das Geld bei denen landet, die die Leistungen erbringen.

Verlauf der Diskussion

Die Argumentation zur Urheberrechtsreform kann bisher auf folgende Punkte zusammengefasst werden:

  1. Kostenlose Downloads für alle!
  2. Alles andere ist eine Abzocke der Majors
  3. Vertrieb macht jetzt das Internet
  4. Redaktion, Programmierung und Bearbeitung macht die Crowd/Community sowieso besser

Leider scheint Punkt 1 das Wichtigste zu sein und Punkt 2 ist als Argument nicht völlig von der Hand zu weisen - und dann verläuft sich die Diskussion im Sande (Hauptsache, ich kann weiter umsonst Musik runterladen). Lasst uns stattdessen an dieser Frage beweisen, dass man mit Social Software und der Wisdom of Crowds politische Meinungsbildung betreiben kann, die auch kritischen Detailfragen standhalten kann.

Die wichtigsten "Detail"-Fragen scheinen zu sein:

  1. Wovon sollen die Urheber selbst leben?
  2. Wie sollen die notwendigen Dienstleistungen (Redaktion, Bearbeitung, längere Recherchen, etc.) erbracht werden?

Dazu ist es zunächst notwendig, nicht alle Disziplinen/Branchen in einen Topf zu werfen, sondern sauber zu trennen:

  • Musik (Labels)
  • Film (Kino, Verleih, Studios, Festivals)
  • Programmierung (Open Source Software)
  • Bücher (Verlage)
  • Journalismus (Zeitungen, Magazine, Blogs, Portale)

Hier sollen zunächst Ansätze eines allgemeinen Modells aufgezeigt werden. Aber erst wenn wir die Detailprobleme und (positive wie negative) Geschäftsmodelle, Alternativen und deren Probleme zusammengetragen haben, können wir daraus ein einheitliches Modell machen, das für alle Bereiche tragfähig ist. Es folgt daher eine Gliederung nach Branchen und wir würden uns über eine rege Diskussion freuen - möglichst mit belegbaren Beispielen. Insbesondere sind die Betroffenen der Disziplinen aufgerufen, ihre Sorgen anzumelden und gleichzeitig ihr Wissen über Probleme, Details, Hintergründe und bestehende Modelle einzubringen, damit wir eine Politik in ihrem Sinne machen können.

Allgemeine Überlegungen

In der Urheberrechts-Argumentation ist oft zu hören, dass Programmierer von Open Source Software (OSS) "sich für andere Aufträge qualifizieren" und Musiker sich seit Erfindung der Raubkopie über Konzerte finanzieren. Labels halten dem Argument des Wegelagerertums entgegen, dass sie mit den Gewinnen eines Senkrechtstarters viele kleine Entwicklungen mit finanzieren, die den Sprung nicht schaffen. In diesen drei Punkten sind die wichtigsten Fragen enthalten:

  1. Wie finanzieren sich Newcomer, bevor die vorgeschlagenen Alternativ-Modelle tragen?
  2. Was ist mit Urhebern (Autoren, Journalisten, Komponisten von Fahrstuhlmusik), für die es bisher keine tragfähigen Alternativ-Modelle gibt?
  3. Wo sollen die "anderen Aufträge" herkommen, von denen man die gemeinnützigen Projekte (OSS, WikiPedia, ...) querfinanziert, wenn alle Musik, Software, Spiele, etc. legal kostenlos "privat" weitergegeben werden darf?

Bedingungsloses Grundeinkommen

Hier scheint ein bedingungsloses Grundeinkommen als Basis die einzige Möglichkeit zu sein. Erst diese wirkliche Strukturreform macht die anderen Forderungen möglich und umsetzbar. Nur mit dem BGE kann eine Gruppe von Menschen Programme, Musik oder Texte so weit entwickeln, dass die Allgemeinheit erkennen kann, welche davon sie als förderungswürdig anerkennt. Es wird Zeit, dass die Piraten ein klares Bekenntnis zum Grundeinkommen machen, um sich von anderen zu differenzieren, die nur fordern, aber keine schlüssigen Lösungen anbieten.

Aufbauende Förderung anerkannter gemeinnütziger Projekte

Bleibt die Frage, wie Projekte, die anerkanntermaßen dem Allgemeinwohl dienen, auch wirklich eine Förderung durch die Allgemeinheit bekommen. Denn das Grundeinkommen ist ein Mindestsatz für experimentelle Phasen oder Zeiten der Umorientierung. Es kann nicht sein, dass alle Produzenten geistigen Eigentums vom Existenzminimum leben, während nur Beteiligte der Industriegüterproduktion wie VW-Arbeiter am Band mehr verdienen können (obwohl wir die durchaus als Leistungsträger betrachten!). Eine Möglichkeit ist die Ausweitung von Forschungs- und Entwicklungsförderungen auf Projekte wie "Freifunk für den Kiez", die innovative Technologien oder Kulturtechniken zum Wohle aller in neue Anwendungsbereiche einbringen und damit auswertbare Datenbasen für empirische Forschung schaffen. Allerdings müsste bei der Vergabe mehr Transparenz geschaffen werden (im Internet für jedermann einsehbare, vergleichbar und allgemein verständlich aufbereitete Daten auch zu Details).

Bezahlte Dienstleistungen

Bei den bisher genannten Punkten (BGE und Förderung) handelt es sich um Transferleistungen. Aber auch wenn ein Transfer von der klassischen Industriegüterproduktion eine gute Lösung sein kann, sollte man die Produktion immaterieller Güter nicht vollständig sozialisieren. Um beim Beispiel Musik zu bleiben: Spätestens wenn beim Festival ein Lagerfeuer angezündet und die gute alte Vollakustik-Klampfe mangels Strom wieder hervorgeholt wird, weil kein Generator da ist, hat selbst ein Antikapitalist die Faxen dick. Aber wo steht geschrieben, dass Dienstleistungen wie Werbung, Ticketverkauf, Beleuchtung, Tonmischung, etc. alle bei einem zentralen Rechteinhaber liegen müssen, der nicht identisch mit den Urhebern der Musik ist? Viele heutige Label-Angestellte bieten Knowhow und Fähigkeiten, die sich Musiker in Form von Dienstleistungen dazukaufen könnten. Das würde dazu führen, dass die Musiker die Hoheit haben, zu entscheiden, wie sie das genau regeln wollen und welche dieser Leistungen sie wirklich für nötig halten. Und da das Ganze eine sehr komplexe Organisation erfordert, können sie auch für diese Leistung jemanden einstellen - Projektmanager. Aber eben zu Konditionen, die der Markt nach Angebot und Nachfrage regelt. Bisher legen die Majors per Diktat fest, was sie an Aufwand und Spezialeffekten für nötig halten (viel) und wieviel das und die Organisation des Ganzen wert ist (richtig viel).

Vom eiskalten Händchen zur unsichtbaren Hand

Um diese Leistungen aus Mitteln bezahlen zu können, die nicht ebenfalls aus Transferleistungen stammen, müssen sinnvolle Erlösmodelle entwickelt werden. Soll die GEMA eine Alternativ-Plattform zu iTunes aufbauen und ihre Rechtsgrundlagen mit den Creative Commons in Einklang bringen? Kann man die Nutzung von Software an Einkommen und Umsatz ihres Verwenders koppeln, so dass erst bei Gewinn bezahlt wird - aber dann legal?! Können wir für journalistische Produkte ein Micropaymentsystem schaffen, bei dem Artikel nur Cents kosten, aber dafür die Masse das Geld einspielt und keiner die geringen Kosten scheut? Der Vorteil des Kapitalismus ist, dass die vorhandenen Ressourcen in die richtigen Kanäle gelenkt werden. Das Problem ist nur, dass die Leute, die am lautesten "Kapitalismus" rufen, häufig die ersten sind, wenn es darum geht, wirkliche Konkurrenz zu verhindern und sich stattdessen durch Bündelung von Rechten und einer Heerschaar von Anwälten konkurrenzfreie Bereiche schaffen. Es sind häufig diejenigen, die einen Fünfmillionen-Deal einfädeln und dann so tun, als hätten sie die fünf Millionen gerade allein erwirtschaftet. In Wirklichkeit haben sie eine Dienstleistung verkauft, die hinter ihnen von vielen anderen erbracht wird. Vernünftiger Kapitalismus bedeutet in diesem Sinne, dass die Bezahlung dieser Vermittlungsleistung sich wieder mehr nach Angebot und Nachfrage regeln muss. Wenn die Rechte bei den Urhebern bleiben und Managementleistungen als Dienstleistungen eingekauft werden, haben die Künstler, Autoren und Musiker auch nachträglich die Möglichkeit, den Dienstleister zu wechseln. Das ist Kapitalismus. Management ist eine Leistung wie andere auch. Wie in dem Bereich, aus dem viele von uns kommen: In vielen Internetprojekten ist der Projektmanager der "primus inter pares" (der erste unter gleichen) - er kann und muss ab und zu Anweisungen geben und ein Machtwort sprechen. Aber seine Leistung ist nicht wichtiger als die der anderen. Sie ist eben nur eine spezialisierte wie alle anderen auch. Darum ist er nicht der Rechteinhaber, sondern ein engagierter, vorausdenkender, vernünftig bezahlter Dienstleister.

Branchen

Musik

Film

Softwareentwicklung

Die Softwareentwicklung (SWE) hat mit Großprojekten wie Apache und Linux bewiesen, dass auch die Organisation komplexer Open Source Software (OSS)-Projekte durch Social Software möglich ist. Mehr noch: sie hat diese Software - Blogs, Wikis, Ticketingsysteme und anderes - eben für diese Koordinationsarbeit erst entwickelt. Doch das Argument, dass Entwickler sich "Renommee verdienen", das sie sich über andere Projekte wieder zu Einkommen machen können, funktioniert nur, solange es proprietäre Projekte gibt. Viele Befürworter von OSS und Wisdom of Crowds tun aber so, als könnte man alle Software auf dieser Basis besser herstellen. Wovon sollen die OSS-Programmierer dann leben?

Verlagswesen

Der Begriff Verleger stammt von "Vorlegen" - dem Vorstrecken von Geld für Satz und Druck. Hardcover und Paperbacks werden weiter ihre Berechtigung haben, aber sie verlieren an Bedeutung. Bei iPod-Artikeln und eBooks besteht die Arbeit zu einem guten Teil in der Organisation der Rechte - für die Rechteinhaber ein Widerspruch in sich, wenn sie die Legitimation der Rechteverwerter darauf stützen. Genauso das Verlagsprogramm: die Recherche, welche Inhalte und Formate sich "verkaufen lassen", regelt in Zukunft (freie Suchmaschinen vorausgesetzt) die Wisdom of Crowds. Andererseits werden viele Literaturerzeugnisse erst durch lange, geduldige Redaktionsarbeit (Lektorat) lesbar. Daneben wird aber auch illustriert, vorfinanziert und organisiert. Diese Leistungen sollten bestehen bleiben, sind aber möglicherweise auch mit einem anderen rechtlichen Modell zu haben.

Journalismus

Vermutlich will niemand, dass Journalismus nur noch von Laien betrieben wird - wir brauchen die Zeitungen. Nach Aussagen von Journalisten bedienen sie sich jedoch zur Recherche häufig aus Blogs, was schon mal die Frage aufwirft, welchen Anteil diese mittlerweile an der Wahrheitsfindung haben. Tatsache ist, dass die Auflagen der Tageszeitungen (auch ohne Urheberrechtsreform) sinken und gleichzeitig die etablierten Online-Portale (noch) zu wenig einspielen.

Fazit

Die Piratenpartei hat es vor der Wahl nicht mehr geschafft, ein Bekenntnis zum (oder gegen das) bedingungslose Grundeinkommen (BGE) abzulegen. Das Argument war einleuchtend: als Partei, die dafür einsteht, dass auf ihren Wikis und Foren erst einmal die Diskussion ausgetragen wird, bevor man einen Programmpunkt daraus macht, konnte das nicht ohne eine erschöpfende Diskussion über die Köpfe der Mitglieder und anderer Interessierter hinweg beschlossen werden. Trotzdem legt die oben angerissene Diskussion einen Zusammenhang zwischen BGE und den geforderten Urheberrechtsänderungen nahe. Jetzt ist der Zeitpunkt, diese Diskussion auf breiter Ebene zu führen.

Ein Fazit wird erst erstellt, wenn die Details diskutiert sind. Wir freuen uns über rege Teilnahme.

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