Piratenmagazin Rechts-Praxis schadet deutscher Kultur
50px | Dieser Artikel wurde bereits in der 1. Ausgabe des Piratenmagazins veröffentlicht. Korrekturen sind zwar erwünscht, fließen jedoch nicht mehr ins Magazin ein. |
- Verfasser: musikdieb
- Erstellt am: 19.2.07
- Rechte: CC (siehe auch Diskussion:Piratenmagazin#Bitte_Beachten)
- Stand: fertig, gegengelesen von Hoshpak
(Urheber-)Rechts-Praxis schadet deutscher Kultur
Am Beispiel der Mp3-Blogger-Szene in US-Amerika und in Deutschland - Standpunkt
Die grundsätzliche Diskussion um Urheberrechte, freie Lizenzen, Open Access und so weiter klammere ich hier mal aus. Es geht um die Abmahnpraxis im Internet.
Urheberrechtsverstöße im Netz müssen in den USA erst kostenfrei abgemahnt werden, bevor eine kostenpflichtige Abmahnung oder gar eine Klage berechtigt ist. In Deutschland kann man direkt kostenpflichtig abgemahnt oder gar verklagt werden. Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist ja, dass die Abmahnkosten von Bundesjustizministerin Zypries zumindest schon mal auf 50 € abgesenkt werden sollen (1). Auch wenn die SPD-Politikerin in anderen Punkten oft eine andere Politik vertritt als die Piratenpartei, geht das ja schon mal ansatzweise in die richtige Richtung. Aber auch 50 Euro sind nicht für jeden ein Pappenstiel.
Warum schadet das deutscher Kultur?
Ist doch logisch: Das hat zur Folge,
dass hierzulande weniger Kultur in's Netz geladen wird. Und wer soll
deutsche Kultur promoten, wenn nicht Deutsche?
Konkreter: Vor allem in den USA gibt es eine große Musik-Bloggerszene, die ihre Lieblingssongs in's Netz stellen und eine Kritik darüber schreiben. Dabei wird immer auch auf die Kaufmöglichkeit des Songs und die Homepage des Künstlers verlinkt und nach zwei Wochen verschwinden die Stücke wieder aus dem Netz. Mit Blog-Aggregatoren wie Hype-Machine (hypem.com) oder Elbo.ws kann man diese Musik sogar durchhören, ohne jedes einzelne Blog zu besuchen. Man munkelt, dass einige Blogger sogar Deals mit Plattenfirmen haben (2), da das für diese natürlich trotz der rechtlichen Grauzone eine wunderbare Werbung ist.
Das eine oder andere deutsche mp3-Blog kann man mittlerweile sicherlich finden, aber grundsätzlich sind diese doch immer noch recht unterrepräsentiert. Dass hierzulande viel Musik aus anderen Ländern gehört wird, ist ja zu begrüßen, weil förderlich für den kulturellen Austausch. Ich persönlich höre auch gerne Musik aus den verschiedensten Erdteilen, auch amerikanische Musik mag ich in der Regel sehr gerne. Speziell die englisch sprechenden Länder haben ja den Vorteil, dass ihre Sprache international recht weit verbreitet ist und daher sowieso eine größere Akzeptanz für deren Kultur da ist. Unter anderem daher kommt es wohl auch, dass englische Texte als hip galten und gelten. Außerdem behaupten viele Textdichter, dass Englisch wegen den lautmalerischen und im Gegensatz zum Deutschen eher stereotypen Eigenschaften tatsächlich besser geeignet ist, um daraus Liedtexte zu machen. Wer hat nicht schon als Kind mal englische Songs mitgesungen, ohne den Inhalt zu verstehen?
Aber zurück zur rechtlichen Praxis. Man könnte vermuten, dass der US-amerikanische Gesetzgeber die Auswirkungen der Gesetze auf die Verbreitung der eigenen Kultur und damit die Absatzchancen für US-amerikanische Musik im Ausland voll im Blick hat. Die sind ja auch sonst sehr auf ihre geo-politischen Interessen bedacht. Dort verhindert der in anderen Punkten stark kritisierte DMCA (Digital Milennium Copyright Act), und/oder die Fair Use Regelung (entspricht bei uns in etwa den Schrankenbestimmungen im Urheberrecht), dass Musik-Blogger wegen Copyrightverstößen sofort blechen müssen. Auch Youtube ist nur wegen dieser Regelung im DMCA so groß geworden (3). Das hätte in Deutschland gar nicht funktioniert, da die erste Abmahnung oder Lösch-Anforderung für Youtube hier im Gegensatz zu US-Amerika eben nicht kostenfrei wäre. Das deutsche, "digitale" Urheberrecht ist also nicht nur bei Musik innovationsfeindlich.
Für deutsche Musik muss man ja gar nicht erwarten, dass sie international überproportionale Verbreitung erfährt, und "nationalistisch" ist das natürlich nicht gemeint, aber müssen wir die Verbreitung unserer Kultur im eigenen Land z.B. gegenüber amerikanischer Kultur benachteiligen? Ist unser Gesetzgeber zu blöd, um diesen Zusammenhang zu kapieren oder ist er von der Lobby (internationaler) Großkonzerne beeinflusst?
bs
Quellen:
(1) "Zypries will Abmahngebühren bei Urheberrechtsverletzungen senken" - Heise Online, 17.11.2006
http://www.heise.de/newsticker/meldung/81209
(2) "Darf ich das bloggen?" - Spreeblick.com, 05.10.2006
http://www.spreeblick.com/2006/10/05/darf-ich-das-bloggen/
(3) "Erst "kriminell", dann "legitim"", Interview mit Hendrik Speck, -
Tagesschau.de am 10.10.2006
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID5990360_REF1,00.html