HE:Darmstadt/News/2010-01-29


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Pressemitteilung vom 29.Januar 2010


Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)

Piratenpartei Darmstadt kritisiert mangelnde Fachkompetenz des Gesetzgebers

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Öffnungszeiten im Netz - So soll das Angebot künftig aussehen

Am vergangenen Mittwoch fand in der Staatskanzlei in Mainz eine nichtöffentliche Anhörung zum aktuellen Entwurf des überarbeiteten Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (PDF) statt. Dabei handelt es sich um einen Staatsvertrag zwischen allen deutschen Bundesländern, der Nachfolgeregelungen zu Jugendschutzbestimmungen, die früher im Rundfunkstaatsvertrag und im Staatsvertrag über Mediendienste beschrieben wurden, enthält.

Der Entwurf sieht unter anderem folgende Vorschriften für Inhalte im Internet vor, die von der Piratenpartei Darmstadt für unwirksam und rechtlich bedenklich hält:

Die Anbieter von Internet-Infrastruktur sowie die Web-Hoster sollen für die Inhalte der Webseiten mit in die Verantwortung gezogen werden.

Dazu muss eine Überwachungsstruktur von den betroffenen Unternehmen aufgebaut werden, die zum einen finanziell unvertretbar ist und zum anderen auch für andere Zwecke missbraucht werden kann. Es kann zudem nicht sein, dass die Infrastruktur für die auf ihr begangenen Vergehen haftbar gemacht werden soll.

Es soll eine Zensur-Infrastruktur aufgebaut werden, um alle ausländischen Webseiten zu filtern. Damit sollen Inhalte zensiert werden, die sich nicht an die in Deutschland geltenden Jugendschutz-bestimmungen halten.

So eine Zensur-Infrastruktur besteht z.B. in China oder im Iran und wird dementsprechend von den Piraten abgelehnt.

Wenn auf einer Webseite das freie Schreiben (z.B. Gästebuch oder Kommentare) zugelassen wird, so soll der Betreiber der Seite für die dort hinterlassenen Inhalte mitverantwortlich gemacht werden. Er muss dafür sorgen, dass er zeitnah Inhalte entfernt, "die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen". Ausnahmen sind keine vorgesehen.

Die Piraten schützen die freie Meinungsäußerung. Eine solche Vorschrift führt voraussichtlich aber dazu, dass das freie Schreiben im Internet aus Selbstschutz vom Betreiber der Seiten nicht mehr gestattet wird. Dies verstößt nach Ansicht der Piraten gegen das Grundgesetz: Meinungs- und Rezipientenfreiheit (Artikel 5 GG)

Es soll eine Altersbeschränkung für Webseiten angegeben werden, so wie es z.B. bei Filmen üblich ist (ab 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren).

Anders als bei Filmen, handelt es sich bei Webseiten nicht ausschließlich um Medien, die eine bestimmte Sprache oder andere Ausdrucksform benutzen. Daher ist es kaum möglich, objektive Kriterien für eine Klassifizierung der Webseite zu formulieren. Außerdem würde eine solche Vorschrift nur für in Deutschland gehostete Webseiten greifen. Im Ausland gehostete Seiten wären nicht davon betroffen. Die Piraten halten eine solche Vorschrift für unwirksam.

Die oben genannten Anbieter von Webseiten sollen dafür Sorge tragen, dass Kinder der entsprechenden Altersstufe jeweils ungeeignete Inhalte nicht wahrnehmen. Dazu sollen mehrere alternative Verfahren angewendet werden, unter anderem Folgende:
  • Der Internetbenutzer muss sich durch eine Altersverifizierung ausweisen können, so wie z.B. beim Verkauf von Alkohol oder Tabak. Da der Benutzer nicht gesehen wird, ist es für ihn einfach, durch eine gefälschte ID Zugang zu erhalten. Die Piraten halten eine solche Vorschrift für unwirksam.

  • Webseiten mit Jugendgefährdendem Inhalt sollen nur zu bestimmten Uhrzeiten (z.B. von 22 Uhr bis 6 Uhr) zugänglich sein, so wie es z.B. bei Fernsehsendungen gemacht wird. Hier erkennt man die Inkompetenz der Gesetzgeber bezüglich des Internets. Wie der Name schon sagt, verbindet das "Inter-"Net weltweit Computer. Wenn es in Deutschland Nacht ist, ist auf der anderen Seite der Welt Tag. So würde diese Vorschrift, wie auch die oben beschriebene Kennzeichnung von Webseiten, nur für in Deutschland gehostete Webseiten greifen. Im Ausland gehostete Seiten wären auch hier nicht davon betroffen. Die Piraten halten eine solche Vorschrift für unwirksam.


Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) wurde von sogenannten "Internet-Ausdruckern", also von Menschen, die die Struktur des Internets nicht verstanden haben, entworfen. Die meisten der hier entwickelten Maßnahmen sind in der bestehenden Datenwelt unwirksam und können deshalb nur im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Zensur-Infrastruktur wirksam umgesetzt werden. Dies widerspricht klar dem Deutschen Grundgesetz und damit unserem Verständnis von Freiheit!

Der Gesetzgeber soll nach Meinung der Piraten endlich damit aufhören, mit Zensur und anderen Einschränkungen der Bürgerrechte auf Missstände in unserem Land zu reagieren. Vielmehr bedarf es einer Aufklärung der Bevölkerung (und selbstverständlich auch des Gesetzgebers) zum Thema "Umgang mit dem Medium Internet".

Solange weiterhin eine Medien-Inkompetenz im Land vorherrscht, und Eltern nicht verstehen, was ihre Kinder am Computer treiben, kann die Jugend nicht wirksam vor jugendgefährdendem Inhalt im Internet geschützt werden. Wirksam kann hier nur die eigene Kompetenz und eine darauf aufbauende "Internet-Erziehung" der Kinder sein.


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Originalartikel


Dieser Artikel wurde erstmals am 25.01.2010 im Weblog von André De Stefano veröffentlicht.

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