Benutzer:Ulenspiegel/Kommunalpolitik/Einrichten von Krippengruppen in bestehenden KiTas
Die Einrichtung einer Kinderkrippe in einer bestehenden Einrichtung erfordert zusätzliche sicherheitstechnische Anforderungen. Eine Ausdehnung des Betreuungsangebotes auf Kinder unter drei Jahren stellt eine wesentliche Änderung des Betriebes der Kindertageseinrichtung dar, sodass ein Bestandsschutz nicht abgeleitet werden kann (GUV-SI-8982). Es mögen zwar auch in den Altbauten viele Anpassungen an den Betrieb der Kindertageseinrichtung stattgefunden haben, für Kinder unter drei Jahre, allgemein Krippenbetrieb genannt, werden aber weitere Einrichtungen notwendig. Basis unserer Betrachtungen ist zusätzlich zur Unfallverhütungsvorschrift GUV-V S 2 „Kindertageseinrichtungen“ die GUV-SI-8982 „Kinder unter drei Jahren sicher betreuen“ allein aus Sicht der Verkehrssicherungspflicht als Dokument des Stands der Sicherheitstechnik (auch wenn eine GUV-SI keine Unfallverhütungsvorschrift an sich ist). Weiter ist das Baurecht zu beachten.
In Baden-Württemberg fordert die LBO in § 39 zumindest Barrierefreiheit. Hier wird ausgeführt:
…Kindertagesstätten… …sind so herzustellen, dass sie von diesen Personen zweckentsprechend ohne fremde Hilfe genutzt werden können (barrierefreie Anlagen).
Andere Bundesländer präzisieren ihre Anforderungen wie z.B. das bayrische Staatsministerium des Inneren in den „Hinweisen zu Brandschutzanforderungen an Tageseinrichtungen für Kinder vom 28. 08. 2009“. In vielen Bundesländern gelten Kindertageseinrichtungen als Sonderbauten ohne spezielle Sonderbauordnung und die Anforderungen z. B. an die vertikalen Rettungswege werden durch die lokalen Baurechtsbehörden gestellt.
Neue Sicherheitsmaße
Fangstellen Kopf/Rumpf
Öffnungen größer als 8,9 cm Spaltmaß (Prüfkörper C (Torso) ) sind unzulässig (früher 12 cm). Auf diesen Aspekt müssen alle Umwehrungen (Absturzsicherungen z.B. auf der zweiten Spielebene, Treppengeländer zum Treppenauge, offene Setzstufen) geprüft werden. Bei Treppen z.B. zur zweiten Spielebene mit offenen Setzstufen müssen die Stufen hinten mit einem Brett verschlossen werden. Umwehrungen mit Umwehrungsstäben mit mehr als 8,9 cm lichtem Abstand oder Umwehrungen der zweiten Spielebene die nicht hoch genug sind, beklettert werden können oder Öffnungen besitzen, durch die der Prüfkörper Torso hindurchpasst, können nachgerüstet werden mit:
- Vorhängen transparenter Plattenwerkstoffe aus Sicherheitsglas (auch Polykarbonat) oder Lochblech (Nachteil: Auch die Kanten des Lochblechs dürfen nicht scharf sein, das Blech muss also gefasst werden);
- in die Stäbe eingefädelte reißfeste Textilbahnen, hierbei ist aber der Brandschutz zu beachten;
- zusätzlichen Stäben;
- Sicherheitsnetzen vor der gefährlichen Öffnung, bei oberen Spielebenen möglichst bis zur Decke mit einer Maschenweite von maximal 3 cm, um ein Aufsteigen oder Aufklettern der Kinder zu vermeiden.
Quetsch- und Scherstellen Finger
Regel: Öffnungsspalten für Finger an Türen, beweglichen Einrichtungsgegenständen, Schubladen etc. dürfen bis zu einer Höhe von 2 m in keiner Stellung zwischen 4 mm und 25 mm betragen, um Quetsch und Scherstellen zu vermeiden. Besonders gefährlich sind auf Grund der Hebelwirkung die Nebenschließkanten (hintere Schließkanten) von Türen. Hier bieten sich folgende Lösungsmöglichkeiten an:
- Reduzierung des Öffnungsspalts auf kleiner 4 mm (fällt als Nachrüstung wohl aus);
- Abschirmung durch Klemmschutzvorrichtung (Rollosystem oder flexibles Profil);
- Aushängen oder sichere Arretierung der Tür, wenn diese auf Grund des pädagogischen Konzepts geöffnet bleiben sollen.
Um Einklemmen der Finger an der Hauptschließkante zu verhindern, sollte die Hauptschließkante durch entsprechende Vorrichtung auf ein Spaltmaß von mindestens 25 mm offen gehalten werden und nur durch Personal geschlossen werden. Näheres zum Thema siehe Newsletter der UK RLP.
Ecken und Kanten bei Einrichtungsgegenständen
Grundsätzlich sollte im Krippenbereich wie in Bewegungsräumen ein Kantenradius von 10 mm eingehalten werden (alle anderen Bereiche bisher 2 mm).
Handläufe an Treppen
An Treppen und Rampen sind an beiden Seiten sind an beiden Seiten Handläufe anzubringen, die den Kindern im gesamten Verlauf sicheren Halt bieten und so beschaffen sind, dass ein Hängenbleiben vermieden wird (keine offenen Enden). Einer der beiden Handläufe (bei Treppen mit Treppenauge der wandseitige) ist in Krippenkindergerechter Höhe von min. 60 cm anzubringen. Die Höhe zum Treppenauge muss mindestens 100 cm betragen (Absturzsicherung).
Treppenmaß und vertikale Rettungswege
Die Steigung der Treppen im Kleinkindbereich darf nicht mehr als 17 cm, der Auftritt nicht weniger als 28 cm betragen um eine sichere Benutzung zu gewährleisten. Um nicht die ganzen Gebäude umrüsten zu müssen, sind Treppen, die von den Kleinkindern noch nicht sicher begangen werden können oben und unten mit Kinderschutzgittern zu versehen, die von Kindern nicht selbständig geöffnet werden können.
Spindeltreppen als (auch zweite) Flucht- und Rettungswege können von Krippenkindern überhaupt nicht begangen werden. Insbesondere besitzen diese Stahlkonstruktionen offene Setzstufen und zu großen Stababstand bei den Absturzsicherungen. Jedes einzelne Krippenkind muss in der Praxis vom Personal heruntergetragen werden. Inwieweit dies bei Spindeltreppen möglich ist, sollte praktisch erprobt werden.
Sich in den gefährdeten Bereich bei einem Feuer zurück zu begeben kann unzumutbar sein (im Sinne der rechtlichen Aspekte der Hilfeleistung nach § 323c StGB) trotz der Garantenstellung einer Erzieherin. In diesem Fall kann eine Rettung von der Feuerwehr abhängig werden. Eine möglichst schnelle Räumung muss gewährleistet sein und es sollte geprüft werden, ob dies in Stockwerken über Erdgleiche überhaupt möglich ist. Bei der Forderung eines zweiten vertikalen Rettungswegs ist zu berücksichtigen, dass die Verwendung der Steck- oder der Schiebeleiter der Feuerwehr davon ausgeht, dass selbständig handelnde sich bewegende Menschen gerettet werden müssen. Die Kinder müssen heruntergetragen und ggf. noch angeseilt werden. Die Rettungsrate (Personen/Zeiteinheit) würde dabei inakzeptabel beeinflusst, eine Rettung mit Steck- oder Schiebeleitern wäre in angemessener Zeit nicht mehr möglich.
Rettungsrutschen fallen als zweiter vertikaler Rettungsweg für Krippenkinder ebenfalls aus, da bei Krippenkindern der vertikale Rettungsweg aus den geschilderten Gründen in beiden Richtungen begangen werden muss (bei Rettungsrutschen ist die Richtung nur von oben nach unten). Deshalb haben Behörden, die vertikale Rettungswege für Kindertageseinrichtungen bisher normiert haben Rettungsrutschen nur für Kinder über 3 Jahren, nicht aber für Krippenkinder zugelassen.
Fazit: Wenn überhaupt Räume für eine Betreuung von Krippenkindern in Räumen über Erdgleiche gewidmet werden sollen, egal ob gemischte oder reine Krippengruppen, so muss die Ausgestaltung des zweiten Rettungsweges in enger Abstimmung mit der Baurechtsbehörde erfolgen. Wie gesagt: Es besteht kein Bestandsschutz. In der Regel werden außenliegende Treppen nachgerüstet werden müssen. Ist dies nicht möglich, so wird auch das Gebäude für Krippenbetrieb nicht geeignet sein.
Andere physikalische Gefährdungen
Heiße Oberflächen, heiße Medien
Oberflächentemperaturen dürfen 60 °C nicht überschreiten, Flüssige Medien dürfen nicht wärmer als 43 °C sein. Beide Werte gelten nur für kurzzeitige Kontakte also auch im Zusammenhang mit Schreckreaktionen.
Zu betrachten sind unter anderem Heizkörper, Rohrleitungen oder Oberflächen von Backöfen. Wenn die Gefahr besteht, dass höhere Werte erreicht werden, müssen Abschirmungen montiert werden. Einrichtungen mit heißeren Oberflächen, die nicht nachgerüstet werden können, müssen ausgetauscht werden. Kochflächen müssen so ausgerüstet werden, dass Kinder nicht auf heiße Oberflächen fassen können und Kochgefäße nicht herunterziehen können.
Warmes Wasser mit Temperaturen über 43 °C kann zuverlässig nur über Mischeinrichtungen mit Temperaturbegrenzung (Thermostat) erreicht werden insbesondere im Hinblick darauf, dass zur Legionellenprophylaxe in regelmäßigen Abständen die Warmwasserleitungen auf Temperaturen über 70 °C erwärmt werden müssen (zumindest bei Warmwasserleitungen mit größerem Volumen). Bei Durchlauferhitzern muss der Thermostat auf 43 °C begrenzt werden, bei Boilern muss eine entsprechende Begrenzung auch möglich sein, sodass eine höhere Temperatur zur Hygienisierung des Boilers nur durch das Betreuungspersonal gewählt werden kann.
Gefährliche Stoffe und gefährliche Gebrauchsgegenstände
Alle gefährlichen Gebrauchsgegenstände (Messer, Gabel, Schere, Licht…), Reinigungs und Desinfektionsmittel und andere gefährliche Stoffe müssen dem Zugriff von Kindern sicher entzogen sein. Dies gilt auch, wenn diese Stoffe oder Gegenstände mit „kindersicheren“ Verschlüssen versehen sind. Sie müssen sich an einem abschließbaren, oder für Kinder nicht erreichbaren Ort befinden. Alle für Kinder gefährlichen Räumlichkeiten (Putzraum, Heizungsraum) dürfen für Kinder nicht zu öffnen sein (Klinke auf der Seite der Gefahr, Knauf außen). Die Reinigung der Räumlichkeiten hat in Abwesenheit der Krippenkinder zu erfolgen, da Reinigungs- oder Desinfektionsmittel auf keinen Fall unbeaufsichtigt bleiben dürfen.
Kleine Gegenstände und Bastelmaterial
Die unterschiedlichen Anforderungen an Spielzeug und Bastelmaterial machen es nahezu unmöglich, Krippenkinder in gemischten Gruppen zu betreuen. Vieles was zum Basteln und Spielen für Kindergartenkinder problemarm benutzt wird ist für Krippenkinder lebensgefährlich (z.B. verschluckbare Gegenstände). Spielzeug für Krippenkinder muss den Anforderungen nach Abs. 5 EN 71-1 entsprechen. Tabu sind z.B.
- zu leine Gegenstände und Gegenstände von denen sich zu kleine Teile lösen lassen;
- spitze oder scharfe Gegenstände;
- Schnüre, Ketten oder Schlaufen, mit denen sich die Kinder strangulieren oder schneiden können,
- zugängliches Glas oder zugängliches Porzellan;
Ungeeignet ist jedes Spielzeug mit folgendem Zeichen: Verbotszeichen für Kinder unter 3 Jahren.
Ungeeignet ist jedes Spielzeug, das nicht CE-gekennzeichnet ist.
Getrennte Außenspielbereiche
Spätestens wenn im Außenspielbereich Spielgeräte aufgestellt sind, die für Kinder unter 3 nicht geeignet sind, sollten für die Krippenkinder separate Außenspielbereiche vorgesehen werden.
Rückzugsbereiche
Wird fortgesetzt...