Benutzer:Lechimp
Dieser Benutzer hat sich, nach zweijähriger Amtszeit als politischer Geschäftsführer des Landesverbandes NRW, dafür entschieden, nicht mehr für die PIRATEN aktiv zu sein. Einige der Gründe sind in seine Rede zum Rechenschaftsbericht auf dem LPT 2011.1 der NRW-PIRATEN zu finden:
Mein vergangenes Amtsjahr begann mitten in den Vorbereitungen des Wahlkampfes. Zuerst war ich mit der Vor-, Nach- und Aufbereitungen des Wahlprogramms beschäftigt. Das in vielen Stunden erarbeitete Programm musste in Form gebracht und abgestimmt werden. Dazu kamen Wahl-O-Maten, Gespräche mit der Presse und eMails an Bürger. Neben unseren Themen standen auch die direkte Vorbereitungen des Wahlkampfes auf dem Plan. Auch hier habe ich versucht einen Beitrag zu leisten, was teilweise nicht einfach war. Im Hintergrund schwelte, auch während des Wahlkampfes, bereits die unsägliche Satzungsdiskussion.
Nach dem Wahlkampf, der mir meistens Freude bereitete, wurde diese zunehmend dominierender. Neben einigen Aufgaben bei den Piraten, die mir viel Freude bereiteten, raubte diese Diskussion mir zunehmend die Nerven. Statt an meinen Zielen zu arbeiten oder Ideen umzusetzen musste ich mich mit den immer gleichen nervtötenden Diskussion, Unfreundlichkeiten bis hin zu krassen Beleidigungen, Gerüchten, Behauptungen und Lügen auseinandersetzen. Das hätte ich letztlich vielleicht aushalten können, aber während der letzten Zeit reifte noch eine andere Erkenntnis in mir.
Im Grunde bin ich jemand, der Parteien sehr kritisch gegenüber steht. Der Gedanke, sich gemeinsam politisch zu engagieren ist gut. Das Problem ist, was häufig daraus gemacht wird. Einer der Gründe, warum ich vor meinem Engagement für die Piraten nicht Mitglied in einer anderen Partei war.
Bei den Piraten hatte ich etwas anderes gesehen und mir ergab sich dadurch die Möglichkeit, mich in einer politischen Organisation zu engagieren. Im Gegensatz zu den anderen Parteien nahm ich bei den Piraten ein erfrischend demokratisches Selbstverständnis war.
Und zwar nicht das „demokratisch“ aus Präsidialdemokratie oder Demokratisierung des Nahen Ostens oder auch der unsrigen repräsentativen Demokratie. Sondern das andere demokratisch, das nicht LSD fürs Volk ist, wie selbstbestimmt, freiheitlich, gemeinsam, verantwortlich, kritisch oder humanistisch.
Zum Unwort des vergangenen Jahres wurde „alternativlos“ gewählt. Ein gern und häufig verwendeter Begriff, gerade in politischen Zusammenhängen. Eng mit der Alternativlosigkeit verwandt ist der „Sachzwang“. Diese Worte gaukeln zwingende Rahmenbedingungen vor. Sie werden benutzt um bestimmte Entscheidungen, die eigentlich politisch sein sollten, als wissenschaftliche Entscheidungen zu verkaufen.
Politische Entscheidungen setzen und verändern Rahmenbedingungen und versuchen nicht lediglich, diese möglichst akkurat auszufüllen. In ihrer derzeitigen Verfassung hat unsere Demokratie diese Aufgabe größtenteils aufgegeben, wenn nicht vergessen. Rahmenbedingungen werden zwar gesetzt, aber unsere unmittelbaren Volksvertreter haben damit wenig bis nichts zu tun. Die wahrhaft politischen Entscheidungen treffen andere. Der Politiker wurde durch den Technokraten ersetzt, die öffentliche Rede durch Public Relations und die Debatte durch eine Kommission. Das was wir Politik nennen, ist in Wirklichkeit eine Simulation.
Das ist im übrigen keineswegs ein Grund, nicht für Parlamente zu kandidieren. Irgendwo muss man ja anfangen. Meine Mindestbedingung an eine Partei, in der ich Mitglied sein kann ist aber, dass sie nicht selber einfach nur kopiert, was andere vormachen. Dass sie sich dran erinnern kann, was politisch bedeuten sollte und das repräsentative Demokratie nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Dass ein Experte nicht den mündigen Menschen ersetzen kann und die Basis nicht mitgenommen werden muss. Das Politik kritisch sein sollte und nicht pragmatisch.
Konkret heißt das: Wenn wir gegen Vorratsdatenspeicherung oder Onlineüberwachung sind, sollten wir uns nicht auf das Grundgesetz zurückziehen um den Schutz der Privatsphäre als Schild vor uns zu halten. Wir sollten Fragen, wie es dazu kommt, das wir uns gegen die Vorratsdatenspeicherung verteidigen müssen. Wer davon profitiert und warum unser politisches System eine solche Entscheidung überhaupt hervorbringen konnte. Was geändert werden muss, damit so etwas in Zukunft nicht wieder passiert. Und da ein Tipp von mir: Ich denke es ist nicht in erster Linie das Grundgesetz.
Wenn wir gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sprechen, sollten wir nicht mit der technischen Unwirksamkeit seiner Maßnahmen argumentieren. Politisch sollte die Frage „Warum soll es den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geben und was halten wir davon.“ im Mittelpunkt stehen. Wenn wir uns mit den technischen Details auseinandersetzen haben wir die politische Frage verfehlt und dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag schon unseren Segen gegeben. Das dies tatsächlich so ist, sieht man an der Einladung der Grünen, die wir gestern erhalten haben: „Jugendmedienschutz gemeinsam gestalten.“. Als Techniker werden die Piraten dabei sicher nicht auf ewig gebraucht, da reicht der CCC oder einige Freelancer.
Wenn jemand von einem Podium „Freiheit“ ruft, sollten wir nicht einfach nur Ja schreien, sondern uns fragen was für eine Freiheit gemeint ist, Freiheit wozu oder Freiheit wovor. Was die Bedingungen der Möglichkeit von Freiheit sind, und ob es sich tatsächlich um reale Freiheit handelt oder nur um eine Worthülse.
Schließlich sollten wir uns erinnern, dass unser derzeitiges politisches System mit Sicherheit nicht das Ergebnis von präzise verfolgten Sachzwängen ist, sondern auf einem Akt gründet, der die Sachzwänge in Frage gestellt hat. Die Idee des mündigen Bürgers ist keine Selbstverständlichkeit sondern im wesentlichen eine Wahl, die problemlos widerrufen werden kann. Die Piraten werden die Wahl für den mündigen Bürger mit Sicherheit nicht durch die Lösung von technischen Fragen oder durch die Berufung auf das Grundgesetz verteidigen. Mehr Freiheit werden wir so ebenfalls nicht erreichen.
Wer etwas ändern will, von dem er selber Teil ist, und wenn es nur Politik ist, muss bei sich selber beginnen. Alles andere ist unglaubwürdig und zum Scheitern verurteilt. Änderungen, die auf bessere Zeiten verschoben werden, finden nicht statt. Neben den eben genannten Fragen, die die Piraten nicht stellen wollen, ist es dieser fehlende Willen zur Änderung bei sich selber, der mich letztlich sehr skeptisch stimmt, was einen möglichen Erfolg der Piraten in der Zukunft betrifft. Wie sollen die Piraten jemals Überzeugungskraft entwickeln, wenn sie nicht einmal selber zeigen können, was und wie anders sein könnte? Die technischen Fragen zu lösen werden andere schnell lernen.
Ich stehe also als jemand vor euch, der nicht mehr euer politischer Geschäftsführer sein möchte. Ich werde außerdem mein Engagement für die Piraten erst einmal einstellen. Vielleicht sehen wir uns bei den Piraten wieder, vielleicht auch nicht.Vielleicht auch woanders, den mein politisches Engagement werde ich nicht einstellen. Dafür tut das, was ich täglich in den Nachrichten lesen muss, einfach zu weh. Ich werde mir nur erstmal etwas anderes suchen müssen als eine Partei. Den die sind, so wie „Partei“ gemeinhin wohl gerade gemeint ist, eher ein Teil des Problems als ein Teil der Lösung. Einige Aachener allerdings werden mich wahrscheinlich in nächster Zeit wieder häufiger sehen.
Trotzdem möchte ich mich für die zwei vergangenen Jahre bedanken. Ich habe auch viele positive Erfahrungen gemacht, viel gelernt und Spaß gehabt. An die guten Zeiten werde ich mich erinnern, aus den schlechten werde ich meine Lehren ziehen. Bevor ich schließe möchte ich mich noch bei einigen Leuten bedanken. Ich bin mir sicher, dass ich dabei einige vergessen werden, die es verdient hätten erwähnt zu werden.
Zuerst möchte ich mich bei meinen Mitvorständen Ralf, Carsten, Arndt, Dennis und Uli bedanken. Ihr habt es weitestgehend hinbekommen, den Verwaltungskrempel von mir fernzuhalten, wofür ich wirklich dankbar bin. Auch die Atmosphäre auf unseren Sitzungen fand ich immer angenehm und professionell.
Weiterhin möchte ich mich bei den vielen Menschen bedanken, die gemeinsam mit mir am Wahlprogramm gearbeitet haben. Ihr habt engagiert diskutiert und ein gutes Programm auf die Beine gestellt. Unsere Runden in Wuppertal haben mir viel Freude bereitet. Vielen Dank auch an Christophe und Joachim, die mit mir am Feinschliff des Programms gearbeitet haben.
Mit Christian G. habe ich in drei Sitzungen konzentriert an einem Konzept für den Datenschutzbeauftragten gearbeitet. Ich hoffe er wird dieses Projekt auch ohne mich weiterverfolgen. Danke auch an den grummeligen Alten, Bastel und Bob, die immer für eine kurzfristige Aktion gut waren. Und den Rohrmann, der zuverlässig einige Aufgaben übernommen hat, wenn Hilfe gebraucht wurde.
Vielen Dank an Benjamin S., der mit mir wenigstens den Versuch unternommen hat, in der epischen Satzungsschlacht eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Und vielen Dank auch an alle, mit denen ich, nach den inhaltlichen Teilen der Parteitage und Veranstaltungen, schöne Stunden verbracht habe.
Jetzt bitte ich euch, mich für meine Arbeit im letzten Jahr zu entlasten und bedanke mich für eure Aufmerksamkeit.