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Warum ich Pirat bin
Ich bin Pirat, weil ich mich als Bürger verpflichtet fühle, Freiheit und Demokratie zu bewahren sowie übertriebene Sicherheitsstrukturen und fortschreitende Entdemokratisierungstendenzen zu bekämpfen.
Als politisch interessierter Mensch beobachtete ich bislang gesellschaftliche Umbrüche und interpretierte die Folgen politischer Entscheidungen. Eine persönlichen Bezug zu Themen erkannte ich bislang nie. Ein politisches Engagement habe ich nie beabsichtigt oder es kategorisch abgelehnt. Für mich gehörte die Wahrung der Grundrechte von Menschen zu den unantastbaren Säulen einer funktionierenden Demokratie. Ich war immer davon ausgegangen, dass sich alle im Bundestag vertretenen Abgeordneten sich dieser Verantwortung bewusst waren.
Die Freiheit, die wir hatten
Allerdings verfolge ich schon seit vielen Jahren eine Entwicklung in unserer Republik, die sicherlich die Saat für meine politische Einstellung gesät hatte. Die 90er Jahre waren in Deutschland von drei Dingen geprägt: Von der Euphorie einer sich wiedervereinigten Republik, von der grenzenlosen Freiheit einer stärker werdenden Europäischen Union und von dem Ende des Kalten Krieges durch den Zerfall der Sowjetunion. Besonders stark spiegelte sich das in der damaligen Jugend- und Musikkultur wider. Die Musik wurde schneller, die Beats immer härter und die Tänze immer freier. Der ungebremste Spaßfaktor dominierte die damalige Popgeneration. Leistungssteigernde Produkte gab es mittlerweile frei verkäuflich erhältlich. Für viele war dies eine Zeit, in der es keine Grenze gibt.
Ein unwirkliches Ereignis
Der 11. September 2001 hat die ganze Welt verändert. Damals hatte ich das Glück - oder Unglück - dass ich genau in dieser Zeit meine dreimonatige Grundausbildung in List auf Sylt absolvierte. Und beklemmender noch: in genau jener Woche absolvierte ich die übliche Geländeausbildung. Und die dramaturgische Klammer für diesen Einsatz war damals eine Papiernotiz des zuständigen Ausbildungsleiters an der gemeinschaftlichen Pinnwand wenige Tage vor Beginn der Übung. Es hieß in etwa damals, Sylt müsse militärisch abgesichert werden, um die Deiche der Insel vor unerwarteten Eindringlingen schützen zu müssen. Das war natürlich alles Fantasie. Aber gerade deswegen war dann die Nachricht von den Terroranschlägen zunächst unglaublich. Wir wurden von unserem Ausbildungsleiter einbestellt, während wir naiv und frohen Mutes unser Zelt für die Geländeübung aufgebaut hatten, um dann eben die Meldung von dem was passiert ist zu erfahren. Jemand hatte dann gesagt: „Dieses Ereignis ist das gravierendste Ereignis seit dem Mauerfall.” Ich hatte damals das große Glück, dass ich mein Handy - verbotenerweise - mit mir mitschleppte und rief damals direkt zuhause an um mich zu vergewissern, dass die Nachricht wahr war. Und mir wurde plötzlich auf einem Schlag klar, wie unglaublich es ist, wenn man bei einer solchen Situation auf die Angaben von Personen angewiesen ist und keinen Zugriff zu Massenmedien hatte.
Sicherheit war gefragt
Die Gesellschaft hat sich nach den Anschlägen im Herbst 2001 unwillkürlich verändert. Die Gefahr von Terroranschlägen war plötzlich allgegenwärtig. Sicherheit war gefragt. Es kamen politische Diskussionen in Gang, die es so in den 90ern nie gegeben hatte: Präventive Abwehrmaßnahmen, verstärkte Kontrollen, Durchdringung der Privatsphäre, Vorratsdatenspeicherung, Rasterfahndung. Alles geschah unter dem Vorwand der Terrorabwehr. Parallel dazu gab es eine kongruente Entwicklung, die durch dieses Klima begünstigt wurde. In den letzten 10 Jahren wurden Verbote eingeführt: Werbeverbote, das Verbot von Flüssigkeiten in Flugzeugen, das Verbot Privatkopien von kopiergeschützten CDs und DVDs erstellen zu dürfen. Wie absurd manche Verbote sind, zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass in Deutschland ernsthaft darüber nachgedacht wurde, Werbung für Schokolade zu verbieten oder sogar den Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum zu untersagen. Der Schutz der Bürger vor Gefahren hat abstruse Größenordnungen erreicht. Und natürlich hat dann bei mir die vom Bundestag beschlossene Einführung von Internetsperren das Fass zum Überlaufen gebracht. Zunächst habe ich die Abstimmung erst zur Kenntnis genommen. Aber bei näherer Betrachtung habe ich gemerkt, dass da etwas Unheimliches gemacht wurde. Zum einen zweifelte ich an der Grundgesetztreue der demokratischen Parteien im Bundestag erheblich zweifeln ließ und zum anderen konnte ich mir ausmalen, dass diese Internetsperren auch für andere Inhalte bald hätten angewendet werden können.
Von Schweden gelernt
Ich habe schon vor der Europawahl von der schwedischen Piratenpartei erfahren. Für mich war Schweden seit 2005 ein faszinierendes Land. Die Kultur, die Sprache und die Menschen waren mir sympathisch. Die Schweden haben einen anderen Bezug zu ihrem Land. Für einen Schweden sind Freiheit, gesellschaftliche Verantwortung und Selbstbestimmung wichtige Güter für ein friedliches gemeinschaftliches Leben. Und so fand ich es interessant, dass in Schweden eine neue Partei entstand, die sich für die Wahrung von Grundrechten einsetzte. Der Anspruch, sich auf kompetente Themenfelder zu konzentrieren, hat mich überzeugt. Da ich am Tag der Europawahl einen Freund in Rheinland-Pfalz besuchte, hatte ich im Vorfeld Briefwahl beantragt. Als ich dann den Wahlzettel öffnete, hatte es mir schlicht und ergreifend den Atem verschlagen: Die Piratenpartei gibt es auch in Deutschland? In diesem Moment dachte ich, dass eine Stimme für die Piratenpartei mein Leben verändern wird. Ich beschloss also gewissenhaft mich erst einmal über die deutsche Tochterpartei zu informieren. Und ich konnte die Ziele und Werte der Partei eins zu eins unterschreiben. Und ganz nebenbei erfuhr ich, dass ein alter Bekannter von mir aus Jugendverbandszeiten sich aktiv für die Partei einsetzte. Ich dachte, wenn der dabei ist, dann kann es eigentlich nicht verkehrt sein sich einzubringen. Ich bin dann mit einer Prise Mut am 23. Juni zum legendären Piratenstammtisch in Berlin gegangen, der von Menschen regelrecht überflutet war. Genau dort habe ich dann meinen Mitgliedsantrag ausgefüllt.