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Benutzer:Bzapf/politisches Portfolio/Mobbing & Umgang mit Konflikten

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Ich möchte einmal versuchen, mich dem Begriff "Mobbing" von zwei Seiten zu nähern.

Die erste wäre die des "Mobbing zwischen Schülern". Richtig ist, dass dieses große Problem einer nützlichen Antwort der Behörden immer noch harrt. Immer noch fabulieren Pädagogen von der Unsichtbarkeit oder der Schuld der neuen Medien. Als ob sich die Menschen dadurch geändert hätten, dass man Mobbing plötzlich auf das Bit genau "nachweisen" könnte (kann man tatsächlich eher schlecht, man kann sich aber sicher sein: diesmal kam der Angriff über facebook). Auch diese Möglichkeit wird über lang oder kurz untergehen, wenn die Täter lernen, ihre Handlungen auch online zu verschleiern. Das wird recht schnell gehen und das Medienverbot an Schulen als absolut nutzloses Relikt zurücklassen, wie viele andere Ideen auch zu Atavismen verkommen sind.

Dass das Mobbing zwischen Schülern sofort aufhören könnte, würde man Schulen nur vernünftig betreiben, also nicht auf ein Fundament aus Zwang und Gewalt stellen würde, lasse ich mal dahingestellt, bis es tatsächlich jemand ausprobiert hat. Fest steht, dass dieses Problem mittlerweile theoretisch erkannt wird und nach Ansicht mancher durch eine Ausweitung von Schule sicher gelöst werden könnte. Dahinter steckt natürlich der Glaube an die gute Schule.

Viel wichtiger ist mir aber das Mobbing Lehrer gegen Schüler. Wenn man sich "die 45 Mobbing-Handlungen nach Leymann" [1], die nun einmal so eine Art Definition darstellen sollen, fällt auf, dass sich etliche Handlungen in dieser Beziehung wiederfinden, fast schon per Definition. Nur zum Beispiel könnte man die Absätze "Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation" und "Angriffe auf die Gesundheit" fast als Definition der "ganz normalen" Schulsituation lesen. Da kommen dann auch wieder die Grundrechte ins Spiel, im übrigen.

Die Absätze 1 und 2 halte ich für besonders interessant. Hier wird im Grunde das gesamte Repertoire der "Gruppenstrafe" wiedergegeben, das jeder fast zur Gänze erleiden wird, der nicht bereit ist, an einer solchen Schule teilzunehmen. Das ist gesetzlich geregelt und wird so praktiziert. Zum Wohle des Höheren!

Diese Doppelmoral, Handlungen von Kindern aufzublasen über das glaubwürdige Maß hinaus, Handlungen von Erwachsenen jedoch sogar diffus zu rechtfertigen, halte ich für äußerst befremdlich.

Als weiteren nützlichen Eckpunkt der Konfliktpsychologie würde ich die "Eskalation" [2] nach Friedrich Glasl benutzen. Während "Mobbing" eher das Verhalten auf "Ebene 3" beschreibt, dem vernünftige (Es gibt einige Störungen des Geistes, wie z.B. das Borderline-Syndrom, die geradezu daraus zu bestehen scheinen, zwanghaft Konflikte zu suchen) Menschen ausweichen werden, stellt Glasl den Hergang dar, das Abrutschen in die Feindschaft. Ich denke, es sollte niemand gezwungen werden, mit anderen auf "Ebene 3" zu arbeiten.

Das Schulsystem ist blind gegenüber all diesen Verwerfungen. Es gibt an Schulen keine Möglichkeit, auf irgendeine natürliche Art und Weise mit Konflikten umgehen zu lernen. Alle Teilnehmer sind dazu verdammt, "auf ewig", für ein Jahr oder noch länger, zusammenzubleiben. Man kann eben den Konflikten nicht ausweichen.

Dem zentralen, wohl schädlichsten Konflikt, etwas tun zu müssen, was man nicht tun will, da man die Umstände, die Inhalte und auch jeden Versuch einer Form nicht ertragen möchte, kann man sogar per Konstruktion nicht ausweichen.

Selbst die Existenz vieler freiwilliger und glücklicher Schüler kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eben auch das genaue Gegenteil gibt. Ein immer noch theoretisch nur am Rande erfasster Gegenstand [3]. Es scheint schwer zu sein, zu verstehen, dass die Schule selber, die Gesamtheit aller Umstände, die sie ausmachen, das Problem sein könnte.

An dieser Stelle scheint tatsächlich jedes Argument zu versagen. Menschen, die zwar den Grundbegriff der Bildung teilen, aber die traditionell praktizierte Form der Schule so begründet und nachvollziehbar wie irgend möglich kritisieren, werden mit eben der "Unbildung" identifiziert - sie "sind Hartz IV", "fallen hinten runter", "können ja Waldorf machen", "auswandern" usw. - sie erhalten eben die Gruppenstrafe, in einer Form des Mobbing.

Es scheint ein bestehendes Dogma der schwarzen Pädagogik zu sein, Menschen an eigentlich unerträgliche Verhältnisse gewöhnen zu wollen, einfach nur, weil diese da sind oder sein sollen. Dieses Dogma findet seinen Wiederhall in den Traditionen und Vorschriften der Schulen, und eben auch in diesem Versuch der Immunisierung des Systems. Fest steht, dass dies keine Lösung des Konflikts darstellen kann.

Interessant wäre jetzt natürlich, den Vergleich zu ziehen zwischen der staatlichen Einheitsschule und anderen Schulkonzepten. Ich vermute, dass die Stichproben heutzugage zu klein sein werden, wirklich valide Aussagen zu treffen, aber solange nicht jemand nachweist, dass das Gegenteil der Fall ist, werde ich weiter davon ausgehen, dass das behördliche Mobbing der schädlichere Teil ist und dass Mobbing zwischen Schülern direkt von diesem abhängt. Jürgen bezweifelt das ja gern, aber der Zusammenhang scheint mir offensichtlich. Mir zumindest fällt kein Weg ein, wie man mich mobben könnte, wenn ich gewisse Rechte in Anspruch nehmen dürfte, statt sie nur versprochen zu bekommen.

In meiner Erinnerung gab es eine Zeit in der frühen Grundschule, in der mir alles Recht war, in der es noch keinen Unterschied gab zwischen meinem Willen und meinem Recht. Ich würde sagen, das ist "fehlende Rechtsmündigkeit". Dieser Zustand hat sich nach und nach verloren, bis ich schließlich unterscheiden konnte zwischen beidem. Erst konnte ich mich ganz unmittelbar in meine Gegenüber "eindenken", später kam noch ein abstrakter "anderer" dazu, ein "normmensch" sozusagen, über den man moralisch oder ethisch urteilen könne.

Es liegt auf der Hand, dass diese geistige Entwicklung mit der Entwicklung sozialer und politischer Möglichkeiten Hand in Hand geht. Ohne meine Vorstellung vom abstrakten "anderen", vom generischen "Du", könnte ich nicht politisch denken. In diesem Sinne würde ich um Nachsicht bitten bei der Bewertung von Handlungen von Kindern: Jugend kann tatsächlich eine Entschuldigung sein.

In dieser Hinsicht halte ich auch die Forderungen nach der Ausweitung der Anti-Mobbing-Maßnahmen für bedenklich. Sollten Menschen, die etwa aufgrund ihres Alters noch nicht einmal "Mobbing" verstehen, damit konfrontiert werden, es zu unterlassen, wird einfach nur der Frust vergrößert. Man muss sehr vorsichtig mit Anti-Mobbing-Maßnahmen umgehen, um diese nicht zu einer neuen Methode des Mobbing werden zu lassen! An dieser Stelle könnte dann übrigens auch eine stringente Gleichbehandlung tatsächlich helfen: Wenn jeder einmal im Monat zum Anti-Mobbing-Büro muss, fällt niemand auf. "Kangaroo-Courts" helfen vermutlich hingegen nicht. Im Gegenteil. Wahrscheinlich würden die Psychopathen sie recht bald für ihre Zwecke zu nutzen wissen.