Archiv:2010/Bundesparteitag 2010.1/Antragsfabrik/selbstbestimmtes Leben und Lieben
80px | Dies ist ein eingereichter/eingereichtes Programmantrag für den Bundesverband von Silberpappel. Bitte diskutiere den Antrag, und bekunde Deine Unterstützung oder Ablehnung auf dieser Seite. Der Antragstext darf nicht mehr verändert werden! Eine Übersicht aller Anträge findest Du in der Antragsfabrik. |
- Änderungsantrag Nr.
- TE097
- Beantragt von
- Silberpappel
- Programm
Parteiprogramm
- Schlagworte Pro
- Grundrechte, Freiheit, Selbstbestimmung
- Schlagworte Contra
- Programmerweiterung
- Beantragte Änderungen
Die Piratenpartei Deutschland möge den folgenden Text in ihr Parteiprogramm aufnehmen:
selbstbestimmtes Leben und Lieben
Wir setzen uns ein für freies, selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben für alle Bürger jeden Geschlechts und jeder sexuellen Orientierung.
Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der ein Mensch in erster Linie als Individuum gesehen wird und nicht als Vertreter einer Kategorie. Körperliche Faktoren und gewählte Lebensweisen dürfen kein Anlass von Unterscheidung, also Bevorzugung oder Benachteiligung sein.
Wir forden das Recht auf individuelle Selbstbestimmung: Kein Individuum darf dazu gezwungen werden, eine gesellschaftliche Rolle oder Lebensweise anzunehmen, die dessen Natur oder persönlichen Wünschen widerspricht. Kein Individuum darf aufgrund dieser Selbstbestimmung bevorzugt oder benachteiligt werden. Keinem Individuum darf aufgrund dieser Selbstbestimmung gesellschaftliche Akzeptanz oder Teilhabe verwehrt werden.
Diese Freiheit auf Individuelle Selbstbestimmung findet ihre klare Grenze ausschließlich dort, wo die Freiheit, Würde und Unversehrtheit eines anderen Individuums klar bedroht oder eingeschränkt wird.
Aufgabe des Staates in diesem Zusammenhang ist es:
- überflüssiges Schubladendenken aus rechtlichen Bestimmungen zu entfernen
- juristische Beschränkungen zu entfernen, die Menschen in ihrer freien Entfaltung und Selbstbestimmung behindern
- alle Bürger unabhängig von ihrer Natur und Lebensweise rechtlich gleichzustellen
- allen Lebensgemeinschaften, in denen Menschen dauerhaft füreinander und/oder für Kinder sorgen, die Möglichkeit zu eröffnen, die gleiche rechtliche Institution einzugehen, die Rechte und Pflichten mit sich bringt und besonderem Schutz unterliegt (Ehe / Lebenspartnerschaft / Wahlverwandschaft)
Sowohl unsere nationale, als auch globale Gesellschaft ist noch weit von der Idealvorstellung eines freien Individuums und echter, gelebter Akzeptanz entfernt.
Deshalb fordern und fördern wir rechtliche Bestimmungen und gesellschaftliche Bestrebungen, welche die Diskriminierung von einzelnen Individuuen bekämpfen, auch wenn dabei bestehendes Kategoriendenken vorerst weitergelebt wird.
Langfristiges Ziel ist aber die Dekonstruktion der Kategorisierungen und somit die Förderung des Individuums. Die Bevorzugung von Menschen zum Ausgleich körperlicher Unterschiede muss auch weiterhin möglich sein.
Wir sind uns bewusst, dass diese Ziele nicht nur durch rechtliche Regelungen zu erreichen sind. Daher setzen sich die PIRATEN für eine tolerante und freiheitliche Gesellschaft ein, in der ein Mensch als Individuum in freier Selbstbestimmung aufwachsen, sein Leben gestalten und teilhaben kann.
- Begründung
Dieser Antrag ist eine Alternative zum Antrag "Freie Selbstbestimmung von geschlechtlicher und sexueller Identität bzw. Orientierung". Er ist allgemeiner / abstrakter formuliert.
In diesem Antrag steht der Mensch als Individuum im Mittelpunkt und die Stärkung seiner Freiheiten.
Dies deckt sich mit dem Freiheitsgedanken der Piraten.
Er wurde von einigen Mitgliedern der AG Queeraten und anderen zusammen per Piratenpad, Mailingliste und Mumble erarbeitet. Drüber hinaus haben wir zu Recherchezwecken Kontakt aufgenommen mit einer Intersexuellen-Organisation. Wer sich dem Antrag anschließen möchte, möge dies bitte tun.
"Freiheit" und "Selbstbestimmung"
In unserem Programm und in der Kommunikation in unserer Partei spielen die Begriffe "Freiheit" und "Selbstbestimmung" eine wichtige Rolle. Für viele Lesben, Schwule, Bisexuelle, Asexuelle, Polyamore, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle sind diese zentralen Begriffe der Piratenpartei im täglichen Leben noch keine Realität.
In den letzten Jahrzehnten hat sich viel getan. 1969 wurde Homosexualität legalisiert und 2001 die "Homoehe" eingeführt.
Aber immer noch werden volle Freiheit und Selbstbestimmung queeren Bürgern in Deutschland vorenthalten.
Wer in einer "Homoehe" lebt, ist gegenüber Bürgern in echter "Ehe" nach wie vor benachteiligt.
Intersexuellen Bürgern ("Zwittern") wird oft sogar die Selbstbestimmung über ihren Körper verwehrt.
Diese Beschneidung von Freiheit und Selbstbestimmung für viele Bürger in Deutschland sollten Piraten beseitigen wollen.
(In diesem Zusammenhang verweise ich besonders auf die Präambel und den Abschnitt "Bildung als individueller Prozess" unseres Programms.)
die Aufgaben des Staates
In diesem Antrag ist wichtig, dass zwischen unseren Zielen und den Aufgaben des Staates klar unterschieden wird. Unser Ziel ist eine tolerante Gesellschaft. Wir wollen es aber nicht als Aufgabe des Staates definieren, seine Bürger zu Toleranz zu erziehen. Aufgabe des Staates ist es in erster Linie, nicht selbst zu diskriminieren / Freiheit zu beschneiden.
Erst in zweiter Linie soll er seine Bürger vor Eingriffen in deren Freiheit schützen.
Und eine Vorbeugung gegen Diskriminierung in Form einer Umerziehung durch den Staat, das wollen wir explizit nicht fordern.
Individuum und Gesellschaft
Wir fordern keine absolute Individualisierung. Wir fordern neben Freiheit und Selbstbestimmung auch Akzeptanz und Teilhabe an der Gesellschaft.
Geschlecht
Auch bei den Geschlechtern gibt es nicht nur schwarz und weiß, männlich und weiblich, 1 und 0. Transsexuelle sind körperlich eindeutig männlich oder weiblich und fühlen sich dennoch im falschen Körper gefangen. Bei Intersexuellen ist das Geschlecht uneindeutig. Es gibt Menschen, die chromosonal eindeutig Mann sind, aber eine angeborene Resistenz gegen männliche Hormone haben. (XY-Frauen, XX-Männer, ...)
Und dann gibt es Menschen, die sich einfach nicht in eine der Schubladen "Mann" oder "Frau" einordnen lassen wollen, schon garnicht durch den Staat.
Dies alles dürfen wir nicht zugunsten eines schwarz-weiß-Denkens ignorieren. Eine Einordnung in eine solche Schublade sollte nur freiwillig geschehen.
Geschlecht in der Piratenpartei
In der Piratenpartei erfassen wir das Geschlecht der Piraten nicht. Im IRC, auf der Mailingliste, im Wiki etc. werden oft Pseudonyme benutzt und wir wissen garnicht, ob wir mit einem Mann oder einer Frau kommunizieren. In der Satzung werden Mitglieder geschlechtsneutral als "Pirat" bezeichnet.
Das Schubladendenken bei den Geschlechtern spielt also für viele Piraten schon jetzt keine große Rolle.
Im Sinne von Freiheit, Selbstbestimmung und auch Datensparsamkeit können wir daran mit diesem Antrag anknüpfen.
Der für das Attribut „Antragsteller“ des Datentyps Seite angegebene Wert „Benutzer:Silberpappel|Silberpappel“ enthält ungültige Zeichen oder ist unvollständig. Er kann deshalb während einer Abfrage oder bei einer Annotation unerwartete Ergebnisse verursachen.
Unterstützung / Ablehnung
Piraten, die vrstl. FÜR diesen Antrag stimmen
- Silberpappel 10:36, 16. Apr. 2010 (CEST)
- Yuuki83 11:52, 16. Apr. 2010 (CEST)
- Jonathan Gruner
- icho40
- Rainer Sonnabend
- Jan G. 17:09, 24. Apr. 2010 (CEST)
- Steeph
- Twix 15:08, 28. Apr. 2010 (CEST)
- Jan Die Begründung gut aufheben, damit wir draufzeigen können, was damit gemeint war und was nicht, sobald die ersten Kinderschänder mit dem Beschluss zu argumentieren versuchen...
- Magnum
Piraten, die vrstl. GEGEN diesen Antrag stimmen
- Nico.Ecke - Das meiste ist längst gelebte Praxis und die z.T. recht kruden Vorstellungen mancher Art von Lebensgemeinschaft wird auch durch die allgemeinere Umschreibung nicht erstrebenswerter.
- Gerd Fleischer
- Trias
- Hans Immanuel
- Thomas-BY
- Andena 23:45, 19. Apr. 2010 (CEST)
- MrHan
- HKLS 21:27, 22. Apr. 2010 (CEST) Forderungen gehören in Wahlprogramme. Vieles durch GG geregelt
- Kai Orak
- Sebastian Pochert
- Spearmind 09:48, 28. Apr. 2010 (CEST)
- Aleks_A und wir setzen uns für Friede, Freude, Eierkuchen...
- MichaelG 23:05, 3. Mai 2010 (CEST)
- Monarch 09:24, 5. Mai 2010 (CEST)
- Haide F.S.
- Unglow
- Rainer Klute 09:00, 11. Mai 2010 (CEST)
- RicoB CB 14:39, 12. Mai 2010 (CEST)
- Maha 15:29, 12. Mai 2010 (CEST) (meine Einwände gegen bestimmte Formulierungen hab ich schon auf der Queeratenliste gepostet)
- DeBaernd 13:46, 13. Mai 2010 (CEST)
- zero-udo
Piraten, die sich vrstl. enthalten
- datenritter 11:48, 28. Apr. 2010 (CEST) Mich verwirrt das alles.
- Salorta
- Action_Boo
Diskussion
Bitte hier das für und wider eintragen.
krude Vorstellungen
"die z.T. recht kruden Vorstellungen mancher Art von Lebensgemeinschaft wird auch durch die allgemeinere Umschreibung nicht erstrebenswerter."
- Was eine krude Vorstellung ist, ist eine Frage der Perspektive. Leute in der CDU finden "Killerspiele" spielen krude. IMO sollte der Staat dem Bürger nicht vorschreiben, wie er sein Privatleben zu führen hat. Weder was "Killer"spiele angeht, noch was seine Familie / Lebensgemeinschaft angeht. Silberpappel 14:14, 16. Apr. 2010 (CEST)
Argument 2
Ich habe den folgenden Text schon auf der Queeraten-Mailingliste Anfang April gepostet, aber er hat offenbar nur zu kleinen Veränderungen geführt (immerhin). Daher hier noch mal für alle (bitte vergleicht den Text mit dem obigen, der eine etwas aktuellere Fassung ist):
Hier ein paar Anmerkungen zum Alternativantrag. Ich würde ja auch an einem Alternativantrag mitarbeiten, finde aber meine Textbasis deutlich besser als die des Alternativantrags, die sehr vage ist, im Zentrum eine Stichpunktaufzählung mit Spiegelstrichen enthält, die sich für ein Parteiprogramm nicht gut eignet, politischen Neusprech enthält ("fordern und fördern"), den Piraten unbedingt vermeiden sollten, und auch staatstheoretisch problematisch ist.
Queere Politik
Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der ein Mensch in erster Linie als Individuum erkannt wird und nicht als Vertreter einer Kategorie.
"Ziel" suggeriert eine gesellschaftliche Veränderung, aber dass die Gesellschaft aus Individuen besteht, ist sozusagen der Ausgangspunkt. "erkennen" passt hier nicht. Was ist mit Kategorie gemeint?
Körperliche Faktoren und gewählte Lebensweisen dürfen kein Anlass von Unterscheidung, also Bevor- oder Benachteiligung sein.
"Anlass" passt vom Wort her nicht.
Wir forden das Recht auf "Individuelle Selbstbestimmung": Kein Individuum darf dazu gezwungen werden, eine gesellschaftliche Rolle oder Lebensweise anzunehmen, die dessen Natur oder persönlichen Wünschen widerspricht. Kein Individuum darf aufgrund dieser Selbstbestimmung bevorzugt oder benachteiligt werden.
dessen -> seiner
Diese Freiheit auf Individuelle Selbstbestimmung findet ihre klare Grenze ausschließlich dort, wo die Freiheit, Würde und Unversehrtheit eines anderen Individuums klar bedroht oder eingeschränkt wird.
Diese -> Die, "individuell" sollte klein geschreiben werden, wird -> werden
Aufgabe des Staates in diesem Zusammenhang ist es:
"Aufgabe des Staates": wie ist das gemeint? Staatsziel? Im folgenden geht es offenbar zum Teil um Forderungen an die Legislative.
* vorhandenes Schubladendenken aus rechtlichen Bestimmungen zu entfernen
der Staat hat sich nicht in das Denken einzumischen, oder wollt ihr eine Gedankenpolizei? Gemeint ist wohl auch was anderes.
* juristische Grenzen niederzureißen, die Menschen in ihrer freien Entfaltung und Selbstbestimmung behindern
hier ist unklar, was mit "juristischen Grenzen" gemeint ist, "niederreißen" ist pathetischer Politsprech.
* alle Bürger unabhängig von ihrer Natur oder Lebensweise rechtlich gleichzustellen
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Der Gleichheitsgrundsatz steht ja schon fest. Was ist hier gemeint?
* allen Lebensgemeinschaften, in denen Menschen dauerhaft für Kinder sorgen, die Möglichkeit zu eröffnen, die gleiche rechtliche Institution einzugehen, die Rechte und Pflichten mit sich bringt
Was für Rechte und Pflichten? Was ist denn mit der eingetragenen Partnerschaft? Soll sie aufgegeben werden? Auch in der eingetragenen Partnerschaft geht es doch um Rechte und Pflichten (z.B. Auskunftsrecht, Adoptionsrecht, Erbrecht, Versorgungsrecht). Spielen die jetzt keine Rolle mehr. Die Vorstellung, dass erst Kinder zu versorgen sind, bevor man eine "rechtliche Institution" eingehen darf, halte ich für rückschrittlich. "Rechtliche Institution" müsste auch erläutert werden.
* allen Lebensgemeinschaften, in denen Menschen dauerhaft füreinander sorgen, die Möglichkeit zu eröffnen, eine rechtliche Institution einzugehen, die Rechte und Pflichten mit sich bringt
Das klingt schon besser. Ist das eine Alternative zu oben? Oder soll das beides gehen; dann ist das natürlich eine Dopplung. Vielleicht sollte der vorherige Absatz einfach ersatzlos gestrichen werden. Bliebe noch zu klären, was unter "rechtlicher Institution" zu verstehen ist, und natürlich die Rechte und Pflichten.
Die Bevorzung von Menschen zum Ausgleich körperlicher Nachteile soll weiterhin möglich sein.
Moment: oben sollte eine Bevorzugung verboten werden, jetzt soll sie erlaubt sein. Das ist doch widersprüchlich. Ich vermute, es geht hier um Behindertenpolitik. Die gehört aber nicht hierher. Behindertenpolitik ist auch nicht mit so einem Satz zu regeln. Eine wie auch immer begründete Bevorzugung durch den Staat darf es eigentlich nicht geben (Gleichheitsgrundsatz). Es darf lediglich eine Wiederherstellung von Gleichheit geben. Das ist aber -- wie gesagt -- ein ganz anderes Politikfeld.
Sowohl unsere nationale, als auch globale Gesellschaft ist noch weit von der
"unsere nationale, als auch globale Gesellschaft" finde ich von der Formulierung her unschön.
Idealvorstellung eines freien Individuums und echter, gelebter Akzeptanz entfernt.
"echter, gelebter Akzeptanz" Politsprech; geht es hier nur um Akzeptanz?
Deshalb fordern und fördern wir rechtliche Bestimmungen und
"fordern und fördern" bitte vermeiden, Politsprech!
gesellschaftliche Bestrebungen, welche die Diskriminierung von einzelnen Individuuen bekämpfen
rechtliche Bestimmungen und gesellschaftliche Bestrebungen sollten vielleicht nicht in einem Atemzug genannt werden, weil die Adressaten unterschiedlich sind. Zudem bekämpfen Bestimmungen und Bestrebungen eigentlich nichts.
– auch wenn dabei bestehendes Kategoriendenken vorerst weitergelebt wird.
Warum soll denn bestehendes Kategoriedenken weitergelebt werden? "Denken leben" klingt auch unschön!
Langfristiges Ziel muss aber die Dekonstruktion der Kategorisierungen und somit die Förderung des Individuums sein.
Förderung des Individuums ist jetzt etwas schwach.