Archiv:2008/Piratenmagazin/Tauschbörsen Nummer 1

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Freenet

Als der Artikel im letzten Piratenmagazin angekündigt wurde, war eigentlich an die Vorstellung von Tauschbörsensoftware gedacht. Jedoch stellte sich bei der Überlegung, um welche Software es sich dieses mal handeln sollte, schnell heraus, dass die Auswahl sehr schwierig ist. Es gibt einerseits eine große Anzahl von Programmen, die ausschließlich das Ziel des Dateitauschs verfolgt. Nennen könnte man da etwa Gnutella, Bittorrent, eMule, Kazaa und viele weitere. Diesen Netzwerken ist es jedoch gemeinsam, dass sie einerseits dem Nutzer wenig Schutz bzw. Anonymität gewähren und andererseits schon relativ bekannt sind. Daher ist es eigentlich wenig sinnvoll, nochmals über sie zu berichten. Stattdessen ist es sinnvoller, über wenig bekannte Netzwerke zu berichten, die dem Nutzer Anonymität gewährleisten oder dies zumindest versuchen. Natürlich kann man über diese Netzwerke meistens auch Dateien austauschen, dies stellt jedoch oft nur eine der vielen Funktionen dar und nur selten ein Hauptmerkmal. Den Anfang macht in dieser Ausgabe "Freenet", in den nächsten Ausgaben werden dann weitere Netzwerke folgen.

Was ist Freenet?

Freenet ist ein weltweites Netzwerk, das dazu entwickelt wurde, den freien und anonymen Austausch von Informationen zu ermöglichen und das Ganze zensurfrei zu gestalten. Die Software selber ist in Java geschrieben und sollte daher auf jedem Betriebssystem laufen, auf dem eine kompatible JVM (Java Virtual Machine) installiert ist. Um Anonymität zu gewährleisten, setzt Freenet auf starke Verschlüsselung und die Weiterleitung von Anfragen über mehrere Knoten innerhalb des Netzwerks. Jeder Anwender stellt dabei dem Netzwerk einen Teil seiner Festplatte zur Verfügung, auf dem verschlüsselte Daten aus dem Netzwerk gespeichert werden. Aufgrund der Verschlüsselung kann der Nutzer nicht wissen, welche Daten er dem Netzwerk bereitstellt und kann daher die Kenntnis des Inhalts glaubwürdig abstreiten. Die Daten werden mit einer gewissen Redundanz (forward error correction) im gesamten Netzwerk gestreut, so dass eine Datei auch dann noch verfügbar ist, wenn ein Knoten des Netzwerks nicht mehr erreichbar ist.

Die Praxis

Theoretisch sollte man die Freenet-Software relativ einfach über einen Installationsassistenten installieren können. Im vorliegenden Test funktionierte dieser zumindest unter GNU/Linux nicht richtig, weshalb auf die gepackte Version zurückgegriffen werden musste. Diese weigerte sich leider zunächst ebenfalls, zu starten, beim zweiten Versuch funktionierte das Programm jedoch einwandfrei. Nach der erfolgreichen Installation kann man die Software über ein Webinterface steuern. Im Einrichtungsassistenten wählt man zunächst aus, ob man andere Menschen kennt, die Freenet benutzen. Wer mindestens 5 Freunde hat, die Freenet benutzen, kann den Darknet-Modus benutzen, der wesentlich sicherer ist, als wenn man sich einfach mit fremden Rechnern verbindet. Danach folgen weitere Optionen, wie der Knotenname und die Größe des zu nutzenden Speichers im Arbeitsspeicher und auf der Festplatte. Hierbei lässt Freenet keine Werte zu, die kleiner als 1 GiB auf der Festplatte und 64 MiB, empfohlen werden mindestens 128 MiB für den Arbeitsspeicher sind. Damit ist die Basiskonfiguration abgeschlossen und man kann damit beginnen, Freenet zu benutzen.

Wenn Freenet dann läuft fängt der Client sofort an, Daten anderer Benutzer zwischenzuspeichern. Dies kann man sogar direkt am langsam wachsenden Freenet-Verzeichnis nachvollziehen. Gleichzeitig erhält man auch Zugriff auf die zahlreichen Freesites (Webseiten, die nur über Freenet erreichbar sind). Allerdings ist Freenet am Anfang insgesamt sehr langsam, was sich aber mit der Zeit verbessern soll. Die Freesites bieten ein breites Angebot von anonymen Blogs (im Freenet-Chargon "Flogs" genannt) und zahlreichen weiteren Webseiten. Suchmaschinen wie man sie im normalen Web kennt, gibt es nicht direkt, aber eine große Anzahl mehr oder weniger gut gepflegter Indexseiten, über die man viele Freesites finden kann.

Obwohl das Netzwerk zu Beginn sehr langsam ist, offenbart sich sofort eine faszinierende Welt. Es gibt zu fast jedem erdenklichen Thema Freesites und man erhält Zugang zu Informationen, die sonst nicht so leicht zugänglich wären. Jeder Benutzer kann sofort damit beginnen, eine eigene Freesite zu gestalten und mit eigenen Inhalten zum Netzwerk beitragen. Dabei geht es durchaus auch hier und da etwas satirisch zu. Eines der standardmäßig im Webinterface verlinkten Entwickler-Flogs trägt etwa den Namen "Bombe" und das Programm "Frost" startet mit der Meldung "Sende IP an den BND".

Filesharing

Schon auf den ersten Freesites, über die man stolpert, kann man ohne weiteres Dateien jeglicher Art herunterladen. Von den neuesten Versionen verschiedener freier Software, über nutzergenerierten Content bis hin zu eindeutig urheberrechtlich geschützten Dateien. Hier machen sich auch viele Nutzer den zensurresistenten Charakter des Netzwerks zu Nutze, um durchaus auch rechtlich zweifelhafte Dateien bereitzustellen. Diese sind dann meist auf der Freesites verlinkt und lassen sich per Klick anfordern. In den meisten Fällen weist einen der Freenet-Proxy darauf hin, dass eine Datei zu groß für den Download mit dem Browser ist und bietet an, sie im Hintergrund herunterzuladen. Für den komfortableren Datentausch stehen zusätzlich noch andere Methoden und Downloadmanager für das Freenet-Netzwerk bereit. Da das Netzwerk auch nach einer Zeit immer noch nicht so schnell sein dürfte wie der normale Internetzugang, sollte man sich jedoch eher an kleineren Dateien orientieren. Für größere Dateien wie Kinofilme oder Betriebssystem-Abbilder dürfte das Netzwerk weniger geeignet sein.

weitere Dienste

Ein Netzwerk wie Freenet ermöglicht natürlich viele weitere Dienste, die zu zahlreich sind, um sie hier alle zu nennen. Unter anderem existiert ein anonymes und sicheres Emailsystem namens Freemail, verschiedene Newsgroup-ähnliche Foren, verschiedene Filesharing-Systeme, Wikis und Blogs. Nicht jede Anwendung ist unbedingt für jeden User sofort zu durchschauen und benötigt unter Umständen einiges technisches Hintergrundwissen und die Bereitschaft, sich näher damit zu beschäftigen. Einzelne Angebote können auch schnell mal zugespammt sein, so dass man sich die Dienste sorgfältig aussuchen sollte. Insgesamt gibt es jedenfalls zahlreiche weitere Möglichkeiten, Freenet durch externe Programme oder Plugins zu erweitern.

Anonymität

Freenet versucht natürlich eine möglichst gute Anonymität für den Benutzer zu gewährleisten, setzt dabei aber auf andere Strategien, als Beispielsweise Anonymisierungsdienste wie JAP oder TOR. Alleine die Tatsache, dass jeder Benutzer jede Menge verschlüsselten Traffic empfängt und sendet muss ausreichen. Theoretisch ist dadurch nicht ersichtlich, ob ein Benutzer Daten anfordert, verschickt oder einfach nur Daten anderer Nutzer durchleitet bzw. zwischenspeichert. Bei Benutzung des "normalen" Modus lässt sich jedoch zumindest feststellen, dass ein Benutzer überhaupt Freenet benutzt. Das macht das Netzwerk leider etwas angreifbar, weswegen es auch in China zeitweise nicht benutzbar war. Mit der aktuellen Version und der Möglichkeit, Verbindungen nur über vertrauenswürdige Freunde zuzulassen, soll sich dieser Zustand jedoch verbessern. Generell gilt natürlich dasselbe wie für alle anderen Anonymisierungsdienste und anonyme Netzwerke: Man ist nur so lange anonym, wie man keine persönlichen Informationen über sich preisgibt.

Fazit

Freenet ist in jeglicher Hinsicht ein interessantes Projekt, ein relativ anarchistisch organisiertes, anonymes und dezentrales Netzwerk außerhalb des normalen World Wide Webs. Es ist auf jeden Fall eine großartige Anwendung, um unterdrückte Informationen zu verbreiten, die andernfalls der Zensur zum Opfer fallen würden oder einfach nur anonym Dateien herunterzuladen. Doch gerade dort zeigt das Netzwerk auch eine seiner größten Schwächen. Die Entwickler legen wert darauf, dass wirklich keinerlei Zensur stattfindet, das heißt, wirklich jeder Inhalt kann damit verbreitet werden. Nicht jeder Benutzer fühlt sich vielleicht damit wohl, wenn er möglicherweise über seinen Computer höchst illegale Inhalte verbreitet. Die Entwickler selber sehen das als einzige Möglichkeit, einen wirklich unzensierten Fluss von Informationen zu ermöglichen. Letztendlich muss sich Jeder selber entscheiden, ob er bereit ist, dieser Philosophie zu folgen oder es doch lieber lässt. Für die freie Verbreitung von Informationen und die Meinungsfreiheit dürfte Freenet auf jeden Fall ein Gewinn sein.

weiterführende Links

  • Webseite des Projekts
  • USK@TZ7uOqmQVAK1oaA56a3gbdLOYKSyCKqHCb1E-RzNSTE,ds~H0CE750QpuZ6dylS2lb7CH330W63taQqucR9n0q8,AQACAAE/piratenmagazin/1/ Key der Freesite des Piratenmagazins, nur erreichbar über Freenet