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Wahlprüfsteine des Aktionsbündnisses Urhebererecht: http://www.urheberrechtsbuendnis.de/docs/Wahlpruefsteine-Bundestagswahl-2009
1 Geistiges Eigentum in elektronischen Umgebungen
In der Fachdiskussion wird immer mehr bezweifelt, ob das Konzept des geistigen Eigentums als ein exklusives privates persönliches Recht noch geeignet ist, Kreativität und Innovation in Wissenschaft und Wirtschaft zu befördern, insbesondere in elektronischen Umgebungen. Diese Zweifel verstärken sich, auch wenn weiterhin viele Fachleute (Wissenschaftler, Politiker, Wirtschaftler) der gegenteiligen Meinung sind, dass gerade der Schutz des persönlichen geistigen Eigentums für Erhalt und Beförderung von Kreativität und Innovation unverzichtbar sei und daher eher noch verstärkt werden müsste.
1.1 Welche Position nehmen Sie in dieser schwierigen Debatte ein?
Eine Reform des Urheberrechts, welche insbesondere die Anpassung der Rechtslage an aktuelle technische und gesellschaftliche Entwicklungen bezweckt, ist eines unserer Kernthemen und gehört zu den Grundsteinen unserer Identität als Partei. Wir vertreten dabei den Standpunkt, dass die Vermengung der unterschiedlichen Immaterialgüterrechte zu dem Begriff "geistiges Eigentum" nicht den Zielen einer Wissens- oder Informationsgesellschaft gerecht wird. Der Versuch, Erfindungen, Werke und sogar Ideen als "geistiges Eigentum" zu etablieren und der Versuch, durch künstliche Verknappung ein handelbares Informationsgut zu erzeugen, ist nicht zu rechtfertigen, nicht auf verhältnismäßige Art und Weise durchzusetzen, und schadet der Gesellschaft insgesamt.
1.2 Ist nach Ihrer Einschätzung das geistige Eigentum im Urheberrecht ausreichend geschützt, oder sollte der Schutz eher verstärkt werden?
Die zurückliegenden Änderungen beim Urheberrecht haben nicht den Urheber gestärkt, sondern überwiegend die Verwertungsindustrie. Zum Einen muss also sichergestellt werden, dass der durch das Urheberrecht gewährte Schutz sich mehr an den Interessen der Urheber und weniger an denen der Verwerter orientiert. Zum Anderen muss aber das Urheberrecht an die Gegebenheiten des digitalen Zeitalters angepasst werden und das bedeutet eine Lockerung von Teilen des jetzigen Urheberrechts, zum Beispiel eine Verkürzung der Fristen und das Legalisieren der Vervielfältigung von digital vorliegenden Werken speziell in nichtkommerziellen Bereichen. Das Urheberrecht schützt die Rechte an Werken, der Begriff "geistiges Eigentum" führt hier in die Irre.
1.3 Welche Rolle soll geistiges Eigentum in Bildung und Wissenschaft spielen?
Der wichtigste Aspekt des Urheberrechts in diesen Bereich ist die Gewährleistung der verdienten Anerkennung von Wissenschaftlern für deren Arbeit. Die Verwendung von Werken zu Wissenschafts- und Bildungszwecken muss dagegen durch das Urheberrecht weitergehend freigestellt werden. Der 2. Korb der Urheberrechts-Novelle in Deutschland hat dort den völlig falschen Weg eingeschlagen. Die Vorteile beim Kopieren und Nutzen von digitalen Daten muß der Gesetzgeber auch für Bildung und Wissenschaft stärker nutzbar machen. Geistiges Eigentum als Begriff führt auch in der Wissenschaft in die Irre. Öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse dürfen nicht durch Patente privatisiert werden. Die europäische Wissenschaftskultur baut nicht auf Exklusion auf, sondern auf dem weitestgehenden Nutzbarmachen der Ergebnisse für jeden.
1.4 Ist der Schutz des geistigen Eigentums ein wichtiger oder sogar entscheidender Faktor für das Schaffen neuen Wissens?
Nein, vielmehr ist das Gegenteil der Fall: ein restriktives Verständnis des "geistigen Eigentums" behindert die Wissensschaffung, welche nicht ohne den Zugriff und die Verwendung von bereits angehäuftem Wissen geschehen kann. Die Neugier und der Forschungsdrang des Menschen sowie sein Streben nach Glück und Selbstverwirklichung sind die Faktoren für das Schaffen von neuem Wissen. Der enorme Erfolg der Wissenschaft in der Geschichte der Menschheit zeigt die Bedeutungslosigkeit des Begriffs "Geistiges Eigentum" in dieser Hinsicht.
1.5 Profitiert neben der Informationswirtschaft auch die allgemeine Wirtschaft, mit Blick auf Innovationen, von einem starken Schutz des geistigen Eigentums? Oder wird sie eher dadurch behindert?
Der Schutz durch Patente hat heute immer mehr Innovations hemmende Folgen, gerade im Bereich von Informationswirtschaft und anderen neuen Technologiebranchen. Es gibt bis heute keine umfassenden Untersuchungen dafür, ob Patente überhaupt den behaupteten Innovationsanreiz bieten.
2 Urheberrecht und Informationsversorgung durch Bibliotheken
Entsprechend § 53a UrhG wird den kommerziellen Informationsanbietern (nicht nur, aber überwiegend den großen internationalen Zeitschriftenkonzernen) quasi ein Monopol über den elektronischen Dokumentenversand eingeräumt. Die Bibliotheken, die bislang für Wissenschaftler und Studierende die Informationsversorgung geleistet haben, dürfen hier nicht mehr aktiv werden, es sei denn, sie haben spezielle Lizenzverträge mit den Rechteinhabern abgeschlossen. Dadurch entstehen den Endnutzern Kosten, die bislang für sie nicht angefallen sind und die vor allem für Studierende nicht akzeptabel sind. Bislang arbeiten auch Studierende immer mehr mit rein elektronischem Material.
2.1 Welche Vorschläge haben Sie, um die Bibliotheken auch in Zeiten des Internet wieder in die Rolle der primären Informationsmittler einzusetzen? Oder gibt es für Sie andere Modelle (unabhängig von den Bibliotheken), mit denen die Informationsversorgung für die in Bildung und Wissenschaft Tätigen gesichert werden kann?
Wir setzen uns für eine allgemeine Anwendung des OpenAccess ein. Dadurch werden wissenschaftliche Beiträge kostenfrei an die Allgemeinheit zurückgeführt. Bibliotheken im klassischen Sinn würden somit eine Vermittlerrolle übernehmen. Außerdem werden trotz der Digitalisierung noch lange Zeit gedruckte Werke in der Forschung und Bildung benutzt, für deren Bereitstellung ebenfalls die Bibliotheken zuständig sind. Freier Zugang zu den Bibliotheksinhalten muss gefördert werden.
2.2 Sehen Sie dies (die Informationsversorgung von Bildung und Wissenschaft) als öffentliche Aufgabe an oder sollte dies dem Markt überlassen bleiben?
Die Informationsversorgung von Bildung und Wissenschaft ist eine öffentliche Aufgabe, genauso wie es die Unterstützung und Förderung dieser Bereiche allgemein auch ist.
3 Einzelne Ausnahmen oder allgemeines Ausnahmeprinzip
Das deutsche Urheberrecht sieht abschließend einzelne, teils eng begrenzte Ausnahmen (Schranken) von den an sich exklusiven Urheberrechten vor, z. B. für Bildung und Wissenschaft und Bibliotheken (§§ 52a, b, 53, 53a, 46, 38 UrhG).
3.1 Sind Sie der Ansicht, dass über solche einzelne Ausnahmebestimmungen auch den raschen Entwicklungen im Internet Rechnung getragen werden kann?
Nein. Daher treten wir für eine allgemeine umfassende Reform des Urheberrechts ein, welche viele der jetzt als Ausnahmen geltende Regelungen integriert und erweitert. Die möglichst unbehinderte Verwendung neuer Medien insbesondere im Bereich Wissenschaft und Bildung muss als allgemeines Positivum im Urheberrecht festgelegt werden.
3.2 Oder sind Sie der Ansicht, dass im Urheberrecht eher ein allgemeines Ausnahmeprinzip aufgenommen werden sollte? Dies ist z. B. im angelsächsischen Recht durch das Fair-use-Prinzip vorgesehen, durch das die Gerichte flexibel auf neue Entwicklungen reagieren können. Eine solches oder ähnliches Prinzip ist bislang nicht Bestandteil des deutschen Urheberrechts.
Das an sich gute Prinzip des 'fair-use' wird dieses Problem nicht lösen. Die Copyright-Debatte in den USA hat gezeigt, dass die jetzige Rechtslage eine Anwendung dieses Prinzip in fast keinem Falle mehr zulässt. Gesetze wie der DCMA (Digital Millennium Copyright Act) und jetzt auch der FEPA (Family Entertainment Protection Act) zeigen uns Europäern, dass wir dringend eine klare Gegenposition zu dieser Fehlentwicklung beziehen müssen.
3.3 Was spricht für, was gegen ein solches Prinzip?
s. o.
4 Chancen für ein spezielles Wissenschaftsprivileg im Urheberrecht
Bislang verfolgen die Urheberrechtsbestimmungen einen strikt einheitlichen Ansatz. D. h., es wird bezüglich der Rechte und Ausnahmen (Schranken) z. B. nicht zwischen den zu schützenden oder zu nutzenden Werken auf den Publikums-/ Consumermärkten (Musik, Videos, Spiele, Unterhaltung) und den Rechten und Ausnahmen in Bildung und Wissenschaft, einschließlich der Bibliotheken, unterschieden. Im Gesetzgebungsverfahren des Zweiten Korbes hatte z. B. der Bundesrat ein Zweitverwendungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen angeregt, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind.
4.1 Sind Sie der Ansicht, dass das Urheberrecht einheitlich bleiben sollte?
Nein, das wäre wegen den zum Teil absolut unterschiedlichen Ausrichtungen von Werken wie von deren Verwendungszwecken kontraproduktiv. Insbesondere Werke, die unter Herbeiziehen von öffentlichen Mitteln entstehen, wie das bei Forschungstätigkeit oft der Fall ist, können im Sinne von urheberrechtlichem Schutz nicht mit privat finanzierten Werken gleichgesetzt werden. Auch der Verwendungszweck muss in Betracht gezogen werden - so sollte klar zwischen privater, kommerzieller, wissenschaftlicher und anderer Nutzungsart unterschieden werden.
4.2 Oder sehen Sie starke Unterschiede, z. B. in den angesprochenen Bereichen, so dass spezielle Regelungen für Bildung und Wissenschaft formuliert werden sollten?
Da unterschiedliche Anwendungsbereiche des Urheberrechts unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen genügen müssen, sollte auch die Rechtslage differenzierter sein.
4.3 Wie könnten solche Regelungen aussehen?
Speziell für wissenschaftliche Werke müsste das Zitierrecht erweitert und die Bestimmungen zu Nutzungsrechten verändert werden, um aufeinander aufbauende Forschung verschiedener Wissenschaftler zu fördern. Dabei dürfen die Urheberpersönlichkeitsrechte der Wissenschaftler aber nicht unverhältnismäßig beschnitten werden, außer durch eine deutliche Verkürzung der Fristen, wie wir sie auch generell fordern.
4.4 Würden Sie ein allgemeines Wissenschafts-, Bildungs- oder Bibliotheksprivileg für sinnvoll halten?
Ja. Ohne eine gesonderte Berücksichtigung dieser Bereiche werden wir den Gesamtkomplex Urheberrecht nicht zufriedenstellend im Sinne des gesamtgesellschaftlichen Wohles lösen können.
5 Vergütungspflichtigkeit urheberrechtsgeschützter Materialien in Bildung und Wissenschaft
In der jetzigen Urheberrechtsregulierung sind, wie unter (3) erwähnt, einige Schranken zugunsten von Bildung und Wissenschaft vorgesehen. Jedoch ist in jedem Fall eine Vergütung für die Nutzung urheberrechtsgeschützter (elektronischer) Materialien verpflichtend.
5.1 Halten Sie die Vergütung für die Nutzung von urheberrechtsgeschützten Informationsprodukten in Bildung und Wissenschaft grundsätzlich für richtig?
Eine solche Vergütung halten wir wenn überhaupt nur im Bereich der Nutzung in der privatwirtschaftlichen Forschung für angebracht. Grundsätzlich müssen alle Werke und Wissen für deren Gebrauch in Wissenschaft und Bildung freistehen. Der Problemkomplex Schulbuchverlage u. ä. sollte vor dem Hintergrund der neuen technischen Möglichkeiten auch des gemeinschaftlich erstellten Wissens wie bei Wikipedia einmal gesondert neu durchdacht werden.
5.2 Wie soll diese Vergütung nach Ihrer Meinung organisiert sein?
Die privatwirtschaftliche Forschung sollte gegebenenfalls selbstständig für die entsprechenden Kosten aufkommen; staatlich finanzierte Forschung sollte freien Zugriff auf Inhalte haben.
5.3 Wer soll für die Zahlung verantwortlich sein: die Wissenschaftler selber, die Bibliothek, das jeweilige Land?
Da Werke generell für die Benutzung in Wissenschaft und Forschung zur Verfügung stehen müssen, soll auch keine Zahlung abseits der Beschaffungskosten für deren Benutzung in diesem Bereich erfolgen.
5.4 Sollte das individuell entsprechend jeder Nutzung abgerechnet werden oder würden Sie eine Pauschalzahlung (flat rate) für sinnvoll halten?
Entfällt (s. oben)
5.5 Sollte diese Pauschalzahlung von den Trägern der Hochschuleinrichtungen geleistet werden?
Entfällt (s. oben)
5.6 Sollen die Wissenschaftler/-innen bzw. die Studierenden selber einen Teil der Informationskosten tragen?
Nein, selbst wenn die Nutzung vergütungspflichtig ist, darf diese Vergütung nicht den Wissenschaftlern selbst zu Last fallen.
6 Urheberrecht und eLearning
eLearning wird zunehmend über die Kommunikationsformen des Internet betrieben. Es ist also nicht mehr an eine lokale Unterrichtseinrichtung gebunden, sondern wird virtuell verteilt (disloziert) organisiert, und die Studierenden arbeiten häufig auch in Gruppen, also kollaborativ, zusammen. Die hier einschlägige Schranke des deutschen Urheberrechts (§ 52a UrhG) trägt dem eLearning kaum Rechnung.
6.1 Wie sollte nach Ihren Vorstellungen das Urheberrecht gestaltet werden, damit eLearning entsprechend den Potenzialen elektronischer Dienste nutzbringend eingesetzt werden kann?
Solange eLearning ähnlich wie herkömmliches Studieren an eine Bildungs- oder wissenschaftliche Einrichtung gebunden ist, müssen Studierende, die diese Form vorziehen, genauso von den Ausnahmen im Urheberrecht profitieren können wie reguläre Studierende. Da wir uns auch für eine weitgehende Freistellung von Werken für den privaten Gebrauch einsetzen, würde auch eLearning ohne Bindung an Ausbildungsstätten davon abgedeckt sein.
7 Urheberrecht und Open Access
Als Alternative und in Ergänzung zu den Informationsprodukten der kommerziellen Informationswirtschaft (in der Wissenschaft sind das primär die Zeitschriften) entwickeln sich aus der Wissenschaft heraus immer mehr Publikationsformen im Open-Access-Paradigma, wenn auch in vielen Bereichen noch zögerlich.
7.1 Welche Möglichkeiten sehen Sie, über das Urheberrecht den Prozess der Open-Access-Publikation zu befördern, z. B. über eine Änderung von § 38 UrhG, wie vom Bundesrat empfohlen?
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung von § 38 des UrhG vereinfacht es zumindest in der Wissenschaft, Ergebnisse zweitzuverwerten. In diesem Sinne begrüßen wir jeden Fortschritt in dem Bereich und unterstützen diesen Vorschlag. Neben dieser Änderung ist es in unseren Augen unverzichtbar, die Strukturen in den Universitäten und das Angebot an Open-Access-Repositories auszubauen.
7.2 Halten Sie es für sinnvoll bzw. überhaupt für möglich, dass die Hochschulen ihre Wissenschaftler/-innen verpflichten, zeitgleich mit der Publikation in einem Verlag das Werk in das Open-Access-Repository ihrer Hochschule bereitzustellen?
Sowohl sinnvoll als auch möglich. Es ist schwer nachvollziehbar, dass Hochschulen, die ihren Mitarbeitern finanzielle Mittel sowie die gesamte Forschungsinfrastruktur zur Verfügung stellen, von der Mitbestimmung über resultierende Werke ausgeschlossen sind. Werke, die von staatlichen Geldern finanziert werden, sollten allgemein eine andere Art von urheberrechtlichem Schutz genießen, als privat finanzierte Werke.
7.3 Sollten die öffentlich finanzierten Förderorganisationen (wie DFG) ihre Projektnehmer verpflichten, innerhalb einer festzulegenden Zeitspanne ihre Publikationen auch OpenAccess zu stellen?
Ja, dieses Modell ist mittlerweile erprobt und wird beispielsweise in den USA schon erfolgreich eingesetzt.
7.4 Wie lang sollte diese Zeitspanne sein?
So kurz wie möglich; idealerweise zeitgleich mit der Publikation auf anderen Wegen. Dies gilt um so mehr, wenn die Einnahmen aus der klassischen Veröffentlichung weder zugunsten des Wissenschaftlers, noch zugunsten der Öffentlichkeit gehen.
7.5 Mit welchen Maßnahmen können die kommerziellen Verlage beteiligt werden, um auch kommerziell tragfähige Geschäftsmodelle im Open-Access-Ansatz zu entwickeln?
Verlage werden in Zukunft nicht darum herum können, ihre Geschäftsmodelle den aktuellen Gegebenheiten, und damit auch an Open Access, anzupassen. Verlage, die sich diesen Modellen angepasst haben, gibt es bereits. Die Public Library Of Sciences veröffentlicht 6 Journals, die rein Open Access nutzen. Das Pay-To-Publish-Modell bewährt sich dort. Und auch die PNAS oder die npg stellen langsam auf Open Access um. Wir sehen daher, das es bereits jetzt durchaus kommerziell tragfähige Geschäftsmodelle gibt. Schließlich darf man auch nicht vergessen, dass ein Geschäftsmodell nicht notwendigerweise erhalten bleiben muss.
8 Technische Schutzmaßnahmen in Bildung und Wissenschaft
Das deutsche Urheberrecht gibt den technischen Schutzmaßnahmen (Digital Rights Management) selber den Rechtsschutz des Urheberrechts. Dadurch werden teilweise sonst vorgesehene Schrankenbegünstigungen, auch für Bildung und Wissenschaft, außer Kraft gesetzt. Der technische Schutz hat Primat gegenüber den Interessen der Nutzer. Der technische Schutz schränkt selbst den an sich erlaubten Zugriff und die Nutzung urheberrechtsgeschützter Materialien ein, so dass dadurch auch eine Kontrolle über die Inhalte erfolgt.
8.1 Halten Sie den Einsatz von technischen Schutzmaßnahmen in Bildung und Wissenschaft überhaupt für angemessen?
Wir setzen uns für ein allgemeines Verbot von DRM-Maßnahmen ein. Bis dieser erfolgt, müssen Umgehungen von DRM-Maßnahmen, welche oftmals nötig ist, um überhaupt Werke nutzen zu können, komplett legalisiert werden.
8.2 Wie kann gewährleistet werden, dass trotz technischer Maßnahmen der Zugriff auf diese Materialien gesichert werden kann?
Das kann es nicht, deswegen plädieren wir auch für eine Abschaffung von DRM.
9 Bedarf nach einem Leistungsschutzrecht für Verlage?
In der letzten Zeit ist von Seiten einiger Verleger (s. Hubert Burda), aber auch von der Politik (Staatsminister Neumann) ein spezielles Leistungsschutzrecht gefordert worden, das die Rechte derjenigen schützen soll, die die Werke der Kreativen/Autoren durch Publizieren vermitteln. Wenn auch die Forderung sich bislang eher auf die Presseerzeugnisse bezieht, für die Verleger die Sicherheit per Gesetz garantiert sehen wollen, "dass ihnen das ausschließliche Recht auf Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung" zusteht (so Burda in der FAZ vom 30.6.2009, S.35), deutet sich schon jetzt eine Ausweitung auf das Verlagswesen insgesamt an. Dazu unsere Fragen:
9.1 Sind Sie auch der Ansicht, dass das Urheberrecht bislang eher die Rechte der Urheber schützt, so dass über das Urhebervertragsrecht hinaus der Bedarf nach einem (exklusiven) Schutz der Verwerter/Verleger besteht?
Wir sind der genau entgegengesetzten Meinung: das Urheberrecht in seiner heutigen Form in diesem Bereich erlaubt den Verwertern zu stark das Aushebeln der Rechte der Urheber. Wir lehnen einen gesonderten Schutz der Verwerter/Verleger ganz klar ab.
9.2 Muss der Staat über ein Leistungsschutzrecht überhaupt die Interessen kommerzieller Verleger, z. B. gegenüber Suchmaschinenanbieter wie Google, vertreten, wenn deren ökonomische Basis durch deren Werbeeinnahmen gefährdet ist?
Nein. Es ist nicht Aufgabe des Staates, bestimmte Geschäftsmodelle gegenüber Anderen zu unterstützen, insbesondere, wenn die neuen Modelle durch technische Entwicklung entstanden sind. Unter Beachtung eines sinnvoll austarierten Urheberrechts und anderer marktwirtschaftlicher Regeln müssen sich die Marktteilnehmer um den wirtschaftlichen Erfolg ihres Geschäftsmodells selbst kümmern. Der aktuell stattfindende Umbruch bei neuen Medien darf nicht dazu führen, dass wir den Status Quo um seiner selbst willen finanziell zu erhalten versuchen.
9.3 Können durch ein Leistungsschutzrecht die Verwertungsrechte der Autoren selber, z. B. der Journalisten oder Wissenschaftler, noch gewahrt werden?
Die Verwertungsrechte der Autoren bedürfen keiner separaten Gesetze zum Leistungsschutz, sondern werden durch das eigentliche Urheberrecht abgedeckt.
9.4 Wird durch ein Leistungsschutzrecht der Verlage das Ziel von Open Access in Bildung und Wissenschaft behindert?
Unter Umständen schon. Da wir aber ohnehin gegen ein zusätzliches Leistungsschutzrecht für Verlage sind, ist dies insofern nicht von Bedeutung.