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Dieser Artikel ist autorisiert durch -- Fussfall 22:45, 16. Sep. 2009 (CEST)


Wahlprüfsteine der WIKIMEDIA DEUTSCHLAND Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V.

Themenkomplex1: Nachhaltigkeit bei intellektuellen Investments des Staates

Direkt und indirekt ist der Staat an der Erstellung von Werken beteiligt. Wie andere Länder auch, berücksichtigt das deutsche Urheberrecht die Besonderheiten von bestimmten Inhalten, die aus Steuermitteln und in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben erstellt wurden, beispielsweise bei Gesetzestexten oder Urteilen. Unterschiedliche Reichweiten dieser Bestimmungen führen dazu, dass unabhängig von der Qualität der Werke beispielsweise von NASA-Bildmaterial diese häufiger genutzt, verbreitet und rezipiert werden als Aufnahmen der Europäischen Raumfahrtagentur. Da hätte ich gerne eine Quelle dazu --Talpa 15:44, 14. Sep. 2009 (CEST)


Frage: Befürworten Sie eine Ausweitung des Geltungsbereiches des §5 UrhG auf alle Werke, die von Personen im Dienst oder im Auftrage des Bundes im Rahmen ihrer Arbeit erstellt wurden? (Analog zu United States Code, Title 17, Chapter 1, §105 - Government Works)

A: Wir befürworten eine solche Regelung, was in unserem Parteiprogramm in dem Punkt "Open Access" dargelegt ist.

Frage: Befürworten Sie eine generelle Regelung, nach der urheberrechtlich geschützte Werke, die bzw. deren Erstellung aus öffentlichen Mitteln (co-)finanziert werden, nach den Grundsätzen von Open Access (etwa im Verständnis der Berlin Declaration) der Allgemeinheit frei zugänglich gemacht werden sollen?

A: Auch diese Frage ist klar mit ja zu beantworten. Wir stellen uns gegen die gängige Praxis, in der Privatfirmen aus staatlich finanzierten Werken Profit schlagen dürfen.


Frage: Sollen Datenbanken, die von öffentlichen Einrichtungen erstellt wurden, an einem zentralen Repositorium zur Verfügung gestellt werden, wie dies bei data.gov durch die Vereinigten Staaten gerade umgesetzt wird?

A: Sofern dabei keine persönlichen Daten von Bundesbürgern veröffentlicht werden, ist dies ein guter Schritt auf dem Weg zu einem transparenten Staat. Weiter ist zu beachten, dass eine dezentrale Datenspeicherung ein geringeres Ausfallrisiko besitzt, als eine Akkumulation von Technik und Daten auf engem Raum.

Frage: Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation bei IT-Ausschreibungen des Bundes hinsichtlich der Chancengleichheit zwischen Anbietern proprietärer Lösung und Open Source-Anwendungen?

A: Die momentane Situation bedarf einer Anpassung an die sich weiterentwickelnde Gesellschaft. Ein von der Kommission der europäischen Gemeinschaft veröffentlichtes Weißbuch gibt Anregungen für die Nationalstaaten, welche überwiegend im Sinne der Piratenpartei sind. Nur um ein Beispiel zu nennen: Die Chancengleichheit z.B. muss gewährleistet sein. Falls bei einer Ausschreibung mehrere Programme oder Programmpakete einen vergleichbaren Leistungsumfang besitzen, muss nach weiteren Kriterien, wie z.B.: Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Ergonomie entschieden werden. Der Einsatz von Open Source Software spiegelt letztendlich die Aufgabe des Staates wieder, nämlich die Gemeinschaftsordnung zu erhalten, durch einen Prozess der aktiven Mitgestaltung der Bürger ihrer Gemeinschaft und so ihres Staates.


Themenkomplex2: Die digitale Allmende

Die Digitalisierung ermöglicht es kulturellen Einrichtungen, ihre Bestände einem riesigen Publikum, losgelöst von räumlichen Beschränkungen, zu präsentieren. Bibliotheken als Hüter des verschriftlichten kulturellen Erbes leisten hier bereits einen aufwändigen wie notwendigen Dienst bei der Digitalisierung. Diese Arbeit ist geprägt von Unsicherheiten über den rechtlichen Status einzelner Werke, für die sich auch nach zeitraubender und akribischer Suche kein Rechteinhaber feststellen lässt. Diese Werke sind heute der Öffentlichkeit nahezu entzogen, wenn sich nicht eine Institution findet, die die Risiken dieser Unsicherheit auf sich nimmt.

Falls eine Digitalisierung stattgefunden hat, so soll die digitalisierte Kopie des Werkes genauso freigestellt werden, wie auch eine Xerox-Kopie freigestellt wäre.

Frage: Sehen Sie Bedarf für eine Klarstellung des §72 UrhG, dass Reproduktionen von urheberrechtlich nicht (mehr) geschützten zweidimensionalen Werken (Gemälden, Fotos u.ä.) ebenfalls keinen urheberrechtlichen Schutz genießen?

A: Wir sehen natürlich Bedarf zur Klarstellung des urheberrechtlichen Schutzes von nicht (mehr) geschützten zweidimensionalen Werken. Im Allgemeinen wird für die Schaffung eines Werkes in erheblichem Maße auf den öffentlichen Schatz an Schöpfungen zurückgegriffen. Die Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essentieller Wichtigkeit.


Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie für eine Bundesregierung unter Ihrer Mitwirkung, die von der Europäischen Kommission behandelten Fragen von Urheberrechtswaisen - also noch urheberechtlich geschützten Werken, deren Nutzungsrechteinhaber nicht mehr auffindbar sind - zu adressieren?

A:Wir sehen es als unsere Pflicht, Werke mit urheberrechtsverwaister Natur der Allgemeinheit zuzuordnen. Wenn jemand vor 100 Jahren gestorben ist und keine Hinweise hinterlassen hat, wer die Nutzungsrechte seiner Werke verwerten darf, dann ist dieses Werk öffentliches Allgemeingut.

Themenkomplex3: Zukunft des Internets

Das Internet erlaubt es Verlagen, zu vergleichsweise geringen Kosten ein riesiges Publikum zu erreichen und in den globalen Austausch an Informationen, Meinungen und das Angebot innovativer Dienstleistungen einzusteigen. Es entstehen neue Angebote, die dem einzelnen Nutzer helfen, sich in dieser Fülle von Seiten zurechtzufinden, Suche selbst ist ein erfolgreiches Geschäftsmodell, an dem die Anbieter hochwertiger Inhalte und die Nutzer profitieren. Auch die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Möglichkeiten und Grenzen für vermittelnde Dienstleistungen zu Inhalten nachgezeichnet.


Frage: Sehen Sie Bedarf für ein Leistungsschutzrecht für Verlage? Wenn ja, welche konkreten Handlungen sollen von diesem Leistungsschutzrecht erfasst werden? Sollte Ihrer Meinung nach ein solches Leistungsschutzrecht für Verleger die Aussagen der BGH-Entscheidung zu Paperboy (Urteil vom 17.07.2003 Az: I ZR 259/00) erhalten oder negieren?

A: Unter Berücksichtigung der Weiterentwicklung des Verlagswesens von einem Meinungsanbieter mit Inhalten auf einem Träger hin zu einem elektronischem Informationsdienstleister werden natürlich den klassischen Vertriebs- und Einnahmewegen eine geringere Bedeutung zukommen. Die Aktualität und der Vernetzungsgrad des Internets als Vertriebsweg führen zu einem großem Synergieeffekt, der die monetäre und gesellschaftliche Bedeutung der Verlage schrumpfen lässt. Dem entgegenzutreten dürfte die Hauptmotivation der Verlage für die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht auf geistiges Eigentum sein. Um kurz bis mittelfristig die Qualität der sogenannten vierten Gewalt in Deutschland sicherzustellen, könnte man eine Abgabenpauschale als Übergangslösung installieren. Bezweifelt werden darf hierbei, ob das Geld letztendlich auch beim ausführendem Journalisten/Redakteur ankommt. Dies kann über ein Zitationssystem festgelegt werden, welches direkt die Verbreitung des Werkes mit der Entlohnung kombiniert. Langfristig gesehen muss geistiges Eigentum abgeschafft werden, um die allgemeine Verfügbarkeit von Information, Wissen und Kultur zu verbessern, was eine essentielle Grundvoraussetzung für die soziale, technische und wirtschaftliche Weiterentwicklung unserer Gesellschaft darstellt.

Frage: Sehen Sie Bedarf für die Festschreibung der Netzneutralität für Internetserviceprovider?

A:Die Netzneutralität ist momentan durch das GG Art. 5 und die polypolistische Struktur des ISP Marktes sichergestellt. In diesem Zusammenhang möchte die Piratenpartei auf eine verantwortungsvolle, weil unkomplizierte Gesetzgebung unter besonderer Beachtung der Grundrechte hinwirken. Falls die Netzneutralität durch fehlende staatliche Intervention in den Prozess der Monopolisierung gefährdet ist, sollte eher an dieser Stelle gesetzgeberisch eingegriffen werden.

Frage: Artikel 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen hat es der Bundesregierung aufgegeben, binnen zwei Jahren nach seinem Inkrafttreten Bericht über die Anwendung dieses Gesetzes zu erstatten. Befürworten Sie dazu die Aufnahme von Fragestellungen in diese Evaluierung, die die Auswirkungen dieses Gesetzes auf Netzpublikationen und kollaborativ erstellte Werke wie Wikipedia erfassen? Welche Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Diskussion um den Umgang mit islamistischen, rechtsradikalen oder jugendgefährdenden Inhalten erwarten Sie?

A: Solange das Zugangserschwerungsgesetz nicht ratifiziert ist, erübrigt sich jede weitergehende Beschäftigung damit. Wie schon der wissenschaftliche Dienst des Bundestages festgestellt hat: „Hält man sich das große Missbrauchspotenzial, das gerade bei zentralen technischen Filtersystemen besteht, und die Bedeutung der Kommunikationsfreiheit für eine freiheitliche Demokratie vor Augen, so muss diese Gefahr als besonders schwerwiegend angesehen werden." 27. Januar 2009; Die Piratenpartei lehnt das Zugangserschwerungsgesetz strikt ab. Kinderpornografie im Internet muss durch geeignete Maßnahmen, wie z.B.: das Löschen entsprechender Seiten oder bessere personelle, finanzielle und technische Ausstattung der Ermittlungsbehörden bekämpft werden.

Themenkomplex4: Allgemeines

Frage: Ganz allgemein gefragt: Welche Rolle spielen in der Bildungs- und Forschungspolitik Ihrer Partei offene Projekte wie die Wikipedia? Wie bewerten Sie die Qualität der Inhalte im Licht Ihrer bildungs- und forschungspolitischen Schwerpunkte?

A: Offene Wissens- und Nachschlageprojekte wie Wikipedia werden durch die Piratenpartei unter anderem im Sinne der Lehrmittelfreiheit gefördert. Diese ist am besten dadurch herzustellen, dass die Verwendung und das Schaffen von freien Werken zur Vermittlung von Wissen unterstützt und ausgebaut wird. Freie Werke sind nicht nur kostenfrei in der Bildung einsetzbar, sondern ermöglichen dazu dem Lehrenden ohne rechtliche Hürden innerhalb der Grenzen der gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung seine Ausbildung an strukturelle Gegebenheiten anzupassen. Der offene Charakter des Wikipedia-Nachschlageprojektes stellt die Qualität der Inhalte sicher, ähnlich dem Peer-Review-Prozess in der Forschung. Natürlich ist die Gefahr der Einstellung von mangelhaften Inhalten oder mangelhaften Korrekturen gegeben, die Verbreitung ist aber durch die Einsicht für Jedermann zeitlich begrenzt. Letztendlich fördert ein solches Projekt die Mündigkeit des Bürgers in einer Gesellschaft, indem er lernt, selbständig Sachverhalte zu recherchieren und sich so eine eigene, unabhängige Meinung zu bilden. Der daraus entstehende Nutzen für die Demokratie als einzig menschenwürdige Regierungsform ist kaum zu unterschätzen.