AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaReverseBanking

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Reverse Banking

Ausgangspunkt

Der nachfolgende Abschnitt soll der Versuch einer Zusammenfassung einer Diskussion sein, die im Forum unter dem Titel "Freikarten" geführt wurde.

Die Diskussion fand in chronolgischer Reihenfolge in diesen Foren statt:

BuBa-Bilanz: https://news.piratenpartei.de/showthread.php?tid=209310
Freikarten: https://news.piratenpartei.de/showthread.php?tid=212106
Vorschlag eines Antrags zur Systemänderung (war: Freikarten) (Alexander Barth): https://news.piratenpartei.de/showthread.php?tid=214829

Mit Bezug zu den "ungedeckten" Target2-Salden entbrannte die Diskussion an der Frage, inwieweit eine "Deckung" des aktuellen Geldes überhaupt notwendig ist, was Voraussetzung für Vertrauen in Geld ist und schliesslich, ob die Geschäftsbanken als privatwirtschaftlich organisiserte Geldemittenten überhaupt geeignet und in der Lage sind, ihre Rolle als "vertrauenswürdige" Geldverwalter wahrzunehmen.

Als Reaktion auf diese Fragestellung wurde auch intensiv darüber diskutiert, ob es möglich wäre, einen direkten Leistungsaustausch zwischen den Menschen ohne Vermittlung durch die Geschäftsbanken zu realisieren, oder ob dies aufgrund der Vielzahl unterschiedlichster Leistungsarten zu unübersichtlich, umständlich, aufwändig, sprich "ineffizient" wäre.

Voraussetzungen

Vertrauen

Die erste Frage befasste sich mit den Voraussetzungen für Vertrauen in des Geldsystem und ob unser aktuelles Geldsystem geeignet ist langfristig Vertrauen zu schaffen.

Als Ergebnis dieser Diskussion kann man zusammenfassen, dass einerseits eine Deckung des Geldes durch die aktuelle und zukünftige Wirtschaftsleistung vonnöten ist, Geld also nicht "einfach so" geschöpft wird, es Regeln gibt die festlegen, welche Sicherheiten geeignet sind das Geld zu decken - sprich: ihm einen Wert zu verleihen - und man davon ausgehen darf, dass diese Regeln von den Geldemittenten auch zuverlässig eingehalten werden.

Man muss konstatieren, dass diese Voraussetzungen heute nicht gegeben sind; den meisten Menschen ist der Prozess der Geldschöpfung unbekannt, sie wissen nicht welche Sicherheiten als Deckung akzeptiert werden oder nach welchen Regeln diese bewertet werden; deshalb können sie auch nicht einschätzen, ob die aktuelle Geldmenge tatsächlich einen Bezug zu einer wie auch immer gearteten Leistung hat.

Ein Geldsystem das nachhaltig Vertrauen schaffen kann muss demnach wie folgt funktionieren:

  1. Die Regeln sind allen bekannt
  2. Die Regeln werden von allen verstanden
  3. Die Regeln entsprechen den Erwartung (sind also intuitiv)
  4. Die Regeln sind für alle gleich
  5. Die Regeln führen zum gewünschten Ergebnis
  6. Die Regeln können nur konsensual verändert werden

Weiterhin wurde festgestellt, dass die Regeln folgende Eigenschaften des Geldsystems sicherstellen sollen:

  1. dass es allgemein zugänglich ist (jeder immer überall teilnehmen kann)
  2. dass es stabil ist (im Sinne eines Regelkreises)
  3. dass es flexibel ist (weil sich die Welt ständig verändert)
  4. dass es nachvollziehbar ist (weil sonst nur die "Experten" daraus Nutzen ziehen, zulasten der anderen)

Stabilität

In der Folge wurde diskutiert, wie die Punkte "Zugänglichkeit" und "Stabilität" am besten erreicht werden könnten.

Hierbei wurde der Vorschlag einer "Bedarfsdatenbank" gemacht, in die jeder unbeschränkt seine Bedarfe eintragen kann, ohne als Voraussetzung Zahlungsmittel halten zu müssen, um seine Bedürfnisse am Markt überhaupt kommunizieren zu können, so wie es heute der Fall ist.

Das Geldsystem wird hierbei als Kommunikationssystem interpretiert, welches Angebot und Nachfrage zusammenbringen soll. In unserem aktuellen System darf nur kommunizieren, wer zuvor die Zahlungsmittel gegen Hinterlegung von Sicherheiten bekommen hat.

Das Problem daran ist die Tatsache, dass der Großteil des Geldes von privaten Banken emittiert wird, die unter zugrundelegung intransparenter Verfahren und Bewertungskriterien selbst entscheiden, wer Geld kriegt und wer nicht. In der Folge kommt es regelmäßig vor, dass Menschen aufgrund fehlender Sicherheiten kein Geld bekommen und so zwar Bedürfnisse haben, diese aber aufgrund mangelnder Kaufkraft nicht als Bedarfe am Markt kommunizieren können. Der Markt kann deren Bedürfnisse also gar nicht befriedigen, weil er sie schlicht nicht kennt.

Die Bedarfsdatenbank soll dieses Problem lösen, weil hierzu jeder freien Zugang hat und jederzeit seine Bedarfs kommunizieren kann. Weiterhin kann sie sich jederzeit einer veränderten Bedarfslage anpassen und es ist jederzeit nachvollziehbar - mithin transparent - wer was nachfragt und wer was anbietet. Somit würde diese Datenbank die o.g. Kriterien erfüllen.

Die jeweiligen Gegenleistungen zur Bedarfsdeckung sollen auf Grundlage der Datenbank zueinanderfinden und frei verhandelt werden; dabei kann es durchaus möglich sein, dass die Gegenleistung nicht gleich erbracht werden wird, sondern in Form von Freikarten, die konkrete Leistungsversprechen von konkreten Personen darstellen, im Gegensatz zum aktuellen Geld, welches als allgemeiner unspezifischer Anspruch an die Allgemeinheit interpretiert werden kann. Dieser Umstand wurde als "Konkretisierung" bezeichnet.

An diesen "Freikarten" entzündete sich die Debatte, ob solch ein System nicht einem "Währungswust" entspräche, der letztlich wieder im vorzeitlichen Tauschhandel enden müsste. Alternativ wurde diskutiert, ob es einen "Leistungskatalog" geben müsste, der nur bestimmte Leistungen umfasst, die als Basis für eine einheitliche "Freikarte" dienen müsste.

Effizienz versus Komplexität

Letzlich kann man die auf einem "Leistungskatalog" basierende Freikarte als Einheitswährung bezeichen, das System konkretisierter Freikarten als "Währungswust". Es wurde kritisiert, dass dieser Währungswust konkretisierter Freikarten einen hohen Aufwand beim Leistungsaustausch erzeugen würde, weil nicht sichergestellt werden kann, dass sich immer zwei deckende Leistungen finden. Demnach müsse es also zu langen Tauschketten kommen, deren Organisation sehr zeitaufwendig seien. Das System der konkretisierten Freikarten müsse also zwangsläufig weit weniger Effizient sein als das aktuelle und sei daher abzulehnen.

In diesem Zusammhang gab es bereits Untersuchungen zu Ökosystemen, die festgestellt haben, dass komplexe Ökosysteme gegenüber Umweltveränderungen weit stabiler sind als Monokulturen. In Analogie dazu kann man sich also fragen, ob ein "System komplemantärer Währungen" nicht stabiler wäre als ein einheitliches Fiatgeld. Wäre dem so, dann könnte man den höheren Aufwand, der beim Unterhalt mehrer komplementärer Geldarten entsteht, dadurch rechtfertigen, dass man im Gegenzug eine höhere Stabilität des Geldsystems erwarten könnte, die vertrauensbildend wirkt.

Es wurde vorgeschlagen, die "Konkretisierung" im bestehenden Geldsystem dadurch umzusetzen, dass den Geldhalter ein direkter Zugriff auf die Sicherheiten der Geldemittenten (im Wesentlichen Geschäftsbanken) gewährt werden sollte. Diese Lösung ist aber nur der halbe Weg, denn es müssten folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Die Sicherheiten müssen vollständig transparent sein
  2. Der Geldhalter muss sich jederzeit frei aussuchen können, welche Sicherheit er denn ausgehändigt bekommen will
  3. Um sicherzustellen, dass immer die gewünschte Sicherheit vorhanden ist, muss sich der Geldhalter vollumfänglich über die Situation der Bank und ggf. der "Reservierungen" auf den vorhandenen Sicherheiten informieren

Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich eine solche Lösung umsetzen lässt.

Zielkatalog

Da es nicht möglich war, zu einer einheitlichen Einschätzung zu kommen, ob die Komplexität tatsächlich die Stabilität erhöht, in jedem Fall aber die Effizienz senkt, wurde vorgeschlagen, potentielle Geldsysteme anhand eines Zielkataloges zu beurteilen. Folgender Zielkatalog wurde vorgeschlagen, aber noch nicht vereinbart:

Das Geldsystem muss gewisse Grundsätze erfüllen:

  1. Effizienten Tausch ermöglichen
  2. Gerechtigkeit und Freiheit
  3. Wertaufbewahrung
  4. Geld als Vorschuss
  5. Abbild menschlicher Arbeitskraft
  6. Freiheitlich und daher anonym

Alternativ wurde folgender Katalog entworfen:

a) Transparent
b) Stabil
c) Allgemein zugänglich
d) Demokratisch kontrolliert
e) mit systematischen Bezug zur Realwirtschaft
f) Verständlich für jedermann
g) gerecht
h) effizient auf dem Weltmarkt

Klassifizierung der Geldsysteme

Weiterhin sollen die untersuchten Geldsysteme klassifiziert werden, um sie vergleichberer zu machen, bspw.

  1. Besitzt es die Eigenschaft Zahlungsmittel zu sein? (also Umlauffähigkeit) und zu welchem Grad (und wie wird dieser definiert?)
  2. Stellt es einen rechtlichen Anspruch dar?
  3. Wie wird es erzeugt/geschaffen & In-Umlauf-gegeben? (Und wer kann das tun?)
  4. Wie wird es vernichtet bzw. aus dem Umlauf genommen? (Und wer kann das tun?)
  5. ....

Mit bezug auf das "System komplementärer Währungen" wurde unter diesen Gesichtspunkten folgende Kombination vorgeschlagen:

Das Geldsystem besteht nicht aus einer Geldart, sondern aus mehreren sich gegenseitig ergänzenden:

a) Fiatgeld (de facto ungedecktes Geld)
b) Gütergedecktes Geld
c) Leistungsgedecktes Geld (Freikarten)
d) Die Tauschbörse

Wieder entbrannte die Diskussion um die Effizienz; als Ausweg wurde angeregt unsere nominale Einheitswährung durch eine realwirtschaftliche auszutauschen, um einerseits ein einheitliches Maß zu haben, aber andererseits systematisch die übermäßige Ausdehnung der Geldmenge zu vermeiden. Genauso wie hinter dem einheitlichen Wert 1€ eine heterogene Menge von Sicherheiten steht, könnte hinter "1 Arbeitsstunde" eine heterogene Menge von Arbeitsleistungen stehen. Hier konnte keine Einigung erzielt werden und abermals wurde auf das "Tauschkettenproblem" hingewiesen.

Schlussfolgerung

Schlussendlich sind wir zu der Einschätzung gekommen, dass die Leistung der Banken im Wesentlichen darin bestehen müsste, dass diese die Qualität der Leistungsversprechen prüft und das Ausfallrisiko übernimmt, und dafür ein einheitliches allgemein akzeptiertes Geld anbietet, für das sie als Kompensation Gebühren und Zinsen erhält. Ein System ohne Banken verlagert diese Arbeit wieder auf die individuelle Ebene.

Lösungsansatz

Folgende Idee wurde zur Lösung des "Tauschkettenproblems" entworfen:

Die Banken sind (oder sollten sein, aktuell machen sie ja leider was anderes), die Verwalter von langen Tauschketten. In einer Tauschkette muss immer einer der erste sein, der eine Leistung bekommt. Das ist der Kreditnehmer. Derjenige der die erste Leistung erbringt, verwandelt den Kredit dann in Geld (macht also aus einem Vorschuss einen Nachweis für erbrachte Leistung). Ist die Tauschkette abgeschlossen - hat also der Kreditnehmer endlich seine Gegenleistung erbracht - dann verschwindet dieses Geld wieder, weil er seinen Kredit damit abbezahlt hat.

->Stephan: Was erstmal da ist, kann problemlos weitergegeben - in Umlauf gegeben - werden, ohne das Geld-Aggregat tilgen zu müssen. Der Geldhalter kann selbst als Finanzier am Markt auftreten. Wieso sollte man das Kreditgeld wieder tilgen - und die Dienstleistung (Prüfung der Tauschkette..) der Bank erneut in Anspruch nehmen müssen? Die Zentralbank kann ja am Ende jedes Emittierungs-Zyklus' den volkswirtschaftlichen "Tilgungs-Bedarf" pauschal abschließend bestimmen und die gemeinsam getragenen Öffentlichen Haushalte entsprechend belasten?!

Das mag ein Ansatz sein, um den Widerspruch von Komplexität und Effizienz zu lösen, allerdings hängt auch hier allem Vertrauen in die Redlichkeit des Banken.

Als Gegenentwurf zum System komplementärer Währungen wurde auch das Vollgeld diskutiert, doch die Zusammenfassung zu diesem Thema befindet sich hier:

https://aggeldordnungundfinanzpolitik.piratenpad.de/166