BE:Friedrichshain-Kreuzberg/Wahlprogramm 2016/Baupolitik
In der vergangenen Legislaturperiode haben wir den Planungsausschuss von einem Abnickgremium zu einem politischen Gremium gemacht. Zentral sind für uns die Punkte Erhalt von Freiflächen, qualifizierte und nachhaltige Planung und echte Bürgerbeteiligung. In all diesen Punkten sind wir regelmäßig mit dem Grünen Baustadtrat Hans Panhoff aneinandergeraten, der dort andere Vorstellungen hat. In den Debatten um große Neubauplanungen waren wir meist die treibende Kraft, um höhere Qualitäten und Sozial- und Umweltstandards zu erreichen. Insgesamt haben wir 72 Anträge und Anfragen im Bereich Stadtentwicklung gestellt. Wir waren das Korrektiv, das die allzu weiche Haltung des Bezirksamtes gegenüber den an Profitmaximierung ausgerichteten Bauwünschen der Investoren thematisiert und nachdrücklich kritisiert hat, wodurch ein öffentlicher Diskussionsprozess häufig überhaupt erst zustande kam. Vielfach wurden von uns Alternativmöglichkeiten aufgezeigt, die einem nach unserem Verständniss qualitativ besseren Städtebau entsprechen. In unseren Auseinandersetzungen im Stadtplanungsausschuss ging es regelmäßig um zu hohe Baudichten und die Haltung der grünen Stadträte dazu. Stadtrat Hans Panhoff hat die Baunutzungsverordnung und die Grünflächenversorgungsrichtlinien – eigentlich die scharfen Waffen der Kommunen gegen die Allmacht der Grundstückseigentümer – als überholt und unzeitgemäß dargestellt. Hohe Baudichten entsprechen seiner Überzeugung. Deshalb ist der vorauseilende Gehorsam für ihn Programm – die Investoren reiben sich ungläubig die Augen über so viel Entgegenkommen des „grünen“ Bezirks und mangelnden Gestaltungswillen. In einem der am höchsten Verdichteten Stadträume Berlins sollten aber andere Maßstäbe gelten. Hier steht eigentlich eine maßvolle Nachverdichtung mit dem Augenmerk auf die Versorgung mit sozialer Infrastruktur auf dem Programm und nicht kopfloser Bauwahn. Aktuell steht z.B. der Bezirksteil Friedrichshain-Ost bezüglich der Versorgung mit Grundschul-/Kita-/Grünflächen vor dem Kollaps, weil es eine jahrelang vom grünen Bezirksamt völlig unregulierte Bautätigkeit nach §34 BauGB gab. Nun wäre zwar Geld für soziale Infrastruktur vorhanden, es fehlen aber die Grundstücke.
Mit Tricks, Informationsverschleppung und Überrumpelung wurden Prozesse entweder verschleppt oder eilig an den Gremien vorbei durchgewunken. Wir haben alles erlebt. Das Baurecht wurde stets zu Ungunsten der öffentlichen Interessen ausgelegt. Beim Freudenberg-Areal hat es sogar eine Verbandsklage gegen das Bauprojekt gegeben, die vom Bezirk heftig attackiert wurde. Nun drehen sich dort die Baukräne und das letzte große Grundstück in Friedrichshain-Ost ist dem Luxuswohnungsbau zum Opfer gefallen. Der Bezirk rühmt sich mit einer politisch aktiven Bevölkerung, die ständig Unterschriften für Bürgerbegehren und Anwohneranträge sammelt. Dies hat aber in erster Linie mit den ständigen Planungsversagen des grünen Bezirksamtes zu tun. Unseres Wissens wird in keinem anderen Bezirk so willkürlich großzügig zu Gunsten privater Investoren entschieden, auf Bauleitplanung verzichtet und die Bürgerbeteiligung so lapidar abgefrühstückt. Dagegen haben wir uns zur Wehr gesetzt. Unsere zahlreichen Anträge haben wir meist im Schulterschluss mit den örtlichen Bürgerinitiativen in die BVV und in diesen wichtigen Ausschuss eingebracht. Zwar wurden die meisten unserer Anträge von den Mehrheitsfraktionen abgelehnt, aber häufig fanden sich unsere Inhalte abgeschwächt in Folgeanträgen wieder. Insbesondere die Faktion der Grünen wird im Wahlkampf mit Initiativen in der Stadtplanung für sich werben, die sie von uns durch Ersetzungsanträge übernommen haben. Wie auch immer, wir verzeichnen nach unserem jahrelangen Wirken einen Bewusstseinswandel hin zu einem kritischeren Umgang mit Baudichten, Mieten und Fragen der sozialen Infrastruktur. Der Planungsausschuss ist durch unsere Anträge, die einen weit gehenden Gestaltungsanspruch hatten, zunehmend zu einem Gremium echter Auseinandersetzung mit Stadtentwicklung geworden. Die politische Arroganz des grünen Stadtrates Panhoff haben wir, als sie im Fall der Entwicklung des ehemaligen YAAM-Grundstücks nicht mehr hinnehmbar war, mit einem Missbilligungsantrag skandalisiert. Sein Verhalten hat sich daraufhin nicht verbessert, im Gegenteil. Wir brauchen einen Stadtrat für Stadtentwicklung, der weniger zusätzliche Aufgaben hat und motiviert und qualifiziert ist, die Entscheidungen des Stadtplanungsamtes entsprechend dem Wählerauftrag zu steuern und nicht einfach alles passieren lässt. Die „beleidigte Leberwurst“ haben wir uns schon viel zu lange geben müssen. Der Bezirk hat über seine Planungshoheit einen hohen Gestaltungsspielraum im Bereich der Stadtentwicklung, auch wenn dies vom Stadtrat gerne bestritten wurde. Diesen stärker zu nutzen als bisher, das wird weiterhin unsere intensive Bestrebung sein.
Handlungsfelder
- Beim Freudenbergareal haben wir die berechtigten Sorgen der örtlichen Bürgerinitiative mit 15 Anträgen und Anfragen unterstützt. Denn die zu hohe Anzahl der Wohnungen verschärft die ohnehin schwierige Grundschul- und Kitasituation im Kiez sowie den Freiflächenmangel im dichtest besiedelten Bezirkteil Berlins. Der Investor freute sich, als der Bezirk seine Bauanfrage nicht zurückstellte sondern brav beantwortete. Damit gab der Bezirk bewusst sein Bebauungsplanverfahren auf, mit dem er die Baudichte auf ein vernünftiges Maß hätte reduzieren und sozialen Wohnungsbau erreichen können. Der Senat genehmigte, nun trägt der Landeshaushalt den Sozialanteil.
- Für das RAW-Gelände werden wir uns für eine Entwicklung ohne Abriss einsetzen, für eine Grünfläche und den Erhalt der soziokulturellen Nutzung. Und für eine echte Beteiligung der AnwohnerInnen! Stadtrat Panhoff hat sich bereits fahrlässig für eine große Baumasse mit bis zu neun Geschossen ausgesprochen und damit die Diskussion und Beschlusslage der BVV unterlaufen.
- Für die Revaler Spitze haben wir uns für den üppigen Baumbestand, die Fortführung der ursprünglich geplanten Grünflächenfestsetzung und den Erhalt der Clubkultur eingesetzt. Nicht einmal die eigene Bauleitplanung, wenigstens Öffentlichkeit in den Baufeldern und eine große Kita vorzusehen, wurde vom grünen Bezirksamt weiterverfolgt und stattdessen hochpreisiger Wohnungsbau nach §34 BauGB ohne Bürgerbeteiligung genehmigt. Damit wurden sogar einige BVV-Beschlüsse ignoriert.
- Im Falle des ehemaligen YAAM-Geländes haben wir uns für eine behutsame Entwicklung eingesetzt, die den Willen des Bürgerentscheides "Spreeufer für alle" beachtet. Dafür hätte es einen Investor gegeben, der trotz bestehenden Baurechts weniger Baumasse und mehr Freiflächen realisiert hätte. Leider hat das grün geführte Bauamt diesen Investor auflaufen lassen und stattdessen eine Maximalbebauung mit 12 Geschossen direkt am Wasser befördert. Dabei wurde die wesentliche Bauvoranfrage der BVV vorenthalten und die BVV dabei in ihren politischen Eingriffsmöglichkeiten beschnitten. Eine von Stadtrat Panhoff positiv beschiedene Bauvoranfrage hat das Bauprojekt besiegelt. Diese Hinterzimmerpolitik des Baustadtrats der Grünen wurde von allen Parteien der BVV, von CDU bis Linke einhellig kritisiert und in der BVV offiziell auf unseren Antrag hin missbilligt.
- Zwischen Ostbahnhof und Volkspark Friedrichshain möchte die WBM mit Unterstützung des Bezirksamtes erst 38, jetzt 20 Punkthochhäuser ohne Bauleitplanung und Bürgerbeteiligung errichten. Auf ein auf unseren Antrag von der BVV gefordertes städtebauliches Verfahren zur Qualifizierung der Entwürfe verzichtete das grün geführte Bezirksamt, weil es keine Notwendigkeit sah. Auch mit unserer Forderung nach Bürgerbeteiligung konnten wir uns nicht durchsetzen. Die immer gleiche Bauform der Punkthochhäuser wird in der Anwohnerschaft heftig kritisiert. Wir bleiben dran.
- In der Rigaer Straße entstehen immer neue Luxuspaläste, die viel zu den sozialen Unruhen in der Anwohnerschaft beitragen. Das grüne Bezirksamt unternahm nichts, um die Profitgier der Investoren zu zügeln, sondern hat sich mit minimalen Zugeständnissen zufrieden gegeben. Die Überzeugung von Stadtrat Panhoff und dem Stadtplanungsamt, dass diese brutale Form der Nachverdichtung richtig sei, hat in der Rigaer Straße besonders heftige Konsequenzen.
- Mit unserer Unterstützung konnten die Prinzessinnengärten als innerstädtisches Urban Gardening-Projekt gesichert werden, die landeseigenen Liegenschaftsgesellschaft wollte die Gärten kündigen zugunsten einer Gewerbebebauung.
- Am Fraenkelufer sollte gegen den erklärten Bürgerwillen eine Zerstörung des Großgrüns und eine sterile und durchgeplante Anlage der Freiflächen durchgesetzt werden. Durch ein grünes Bezirksamt!
- Auch an der Gerhart-Hauptmann-Schule setzen die Grünen auf maximale Baumasse und maximale Fällung von Bäumen. Wir unterstützen das Flüchtlingszentrum, wollen aber die Bäume erhalten und bessere Lebensbedingungen. Die dort entstehende Enge soll vermieden werden. Wir setzten uns für ein städtebauliches Verfahren ein, das zu einem guten Ergebnis mit vernünftigen Wohn- und Lebensbedingungen führen soll - vergebens. Die dortige Grünvernichtung als Resultat grüner Bezirkspolitik reiht sich ein in die Vernichtung großer Baumbestände in der Revaler Straße, Chorinthstraße und Boxhagener Straße.
- Für den Komplex Pufendorfstr/Friesenstr/Landsberger Allee unterstützten wir die lokale Bürgerinitiative und fordern eine dem Straßenverlauf entsprechend abgestufte Bebauung statt einer Wand. Das grüne Bezirksamt hat dies ignoriert, nun entsteht ein fast zehn Meter hoher Sockel, auf der die exklusive Wohnbebauung „thront“.
- Auch bei Frage der geplanten Verlegung der Tram 21 von der Boxhagener Straße in die Sonntagstraße unterstützen wir die Alternativvorschläge der örtlichen Bürgerinitiative. In den Zwischentönen wurde deutlich, dass die Tramverlegung eigentlich Platz für den zusätzlichen A100-Autoverkehr in der Boxhagener Straße machen soll. Das lehnen wir ab – die Tram mit eigener Trasse wäre ein guter Bremsklotz gegen den automobilen Verkehrsinfarkt im Kiez. In der Sonntagstraße und auf dem Ostkreuz-Vorplatz wird die Tram und der Bus alle nerven, es ist dort zu wenig Platz und zu viel Fuß- und Radverkehr. Leider konnten wir uns auch mit dieser Ansicht nicht durchsetzen.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode ordentlich Stunk gemacht. Dass die Grünen solche Betonmischer sind, hätten wir uns vorher nicht träumen lassen. Es ist für den Bezirk wichtig, dass im Planungsausschuss auch in der nächsten Legislaturperiode ordentlich Kontra gegeben wird, sonst wird die Bauwut und die Verdrängung nicht aufzuhalten sein.
Bausenator Geisel (SPD) sagt „Wir müssen endlich bauen, bauen, bauen!“. Der grüne Unterschied? Bauen, bauen, bauen, aber nicht so viele Tiefgaragenplätze, und mehr Gründächer.
Die Piraten Xhain stehen für den Erhalt von Freiflächen, wenn schon Bebauung, dann mit Augenmaß, und ein Ende der roter-Teppich-Politik des Baustadtrats für Investoren jedweder Couleur.
Ohne sachkundige Opposition in der BVV droht im Bezirk eine ganz große Baukoalition aus Grünen, SPD und CDU.