ACTA/Factsheet
Warum adACTA-Day?
Weltweiter Aktionstag zur neunten Verhandlungsrunde vom 28. Juni - 2. Juli in Luzern (CH).
Was ist ACTA?
Mit dem ACTA-Abkommen sollen erneut, unter dem Deckmantel der Pirateriebekämpfung, durch Einführung eines internationalen Standards zur zivil- und strafrechtlichen Durchsetzung, die Bürgerrechte eingeschränkt werden.
ACTA wurde initiiert, da die USA und die EU, die hier nur an die Interessen der Rechteverwerter denken, wissen, dass sie über die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) keine Mehrheit für derartige Einschränkungen bekommen würden. Der Inhalt des Abkommens wurde geheimgehalten, um potentielle Opposition gegen das Abkommen im Keim zu ersticken.
ACTA wird verhandelt von Australien, Kanada, der EU (und ihren 27 Mitgliedsstaaten), Japan, Korea, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Singapur, Schweiz, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA.
Die Gegnerschaft von ACTA formiert sich aus Bürgerrechtsorganisationen und Staaten, die sogar an Abkommen wie TRIPS teilnehmen, insbesondere Indien und China. Breite Unterstützung erhalten China und Indien von Mauritius, Peru, Kuba, Bolivien, Ecuador, Ägypten, Südafrika, Brasilien und der Afrikangruppe (Nigerianischsprachige). Deren Argumente sind, dass ACTA mit TRIPS und anderen WTO Vereinbarungen im Konflikt steht. Dadurch
- entsteht Rechtsunsicherheit,
- wird der Handel verzerrt bzw. werden Handelsbarrieren aufgebaut und Güter im Verkehr behindert,
- wird die Flexibilität des TRIPS Abkommens untergraben,
- werden die Freiheiten der Regierungen genommen, mit eigenen Mitteln gegen IP-Verstöße vorzugehen, da man zur reinen Vollstreckung gezwungen wird, und
- regionale Abkommen müssten sich den Regelungen von ACTA unterwerfen.
Außerdem wird der Entwicklungsstand der jeweiligen Staaten nicht beachtet. Ihre Forderung lautet: "ein solches Abkommen muss aus einem multilateralen und transparenten Prozess entspringen".
Facts
Providerhaftung
Straftatbestände für Unterstützungshandlungen bei Urheberrechtsverletzungen sollen eingeführt werden was gegen aktuell geltendes EU-Recht verstößt. Das Ganze zielt bewusst auf Internetprovider ab: Wenn diese keine Maßnahmen à la "Three-Strikes" einführen, sind sie schadenersatzpflichtig. Denkbare Alternativen wären auch Netzsperren und Inhaltsfilterung (DPI).
Three-Strikes-Regelung
Provider müssen sicher stellen, dass keine Urheberrechtsverletzungen stattfinden. "Three-Strikes" stand explizit in den Fußnoten eines durchgesickerten Dokuments. Im später offiziell veröffentlichten Dokument wurden diese Fußnoten aber offensichtlich bewusst weggelassen.
Zolldurchsuchung & Beschlagnahme
Zollbeamte müssen aufgrund der bloßen Vermutung des Rechteinhabers Geräte mit Datenträgern wie Mobiltelefone, Notebooks und MP3-Player durchsuchen und beschlagnahmen. Der Besitzer muss dann nachweisen, dass darauf gespeicherte urheberrechtlich geschützte Daten rechtmäßig erworben wurden.
DRM Umgehung
Das Umgehen des Digital Rights Managements (DRM), also Umgehen des Kopierschutzes, soll konsequent bestraft werden. So ist es beispielsweise verboten, einen gekauften DVD-Film auf das iPad zu kopieren, wenn die DVD einen Kopierschutz hat, im Ausland käuflich erworbene Video-DVDs dürfen nicht derart manipuliert werden, dass sie auf heimischen DVD-Geräten abgespielt werden können, usw..
Kriminalisierung
Das Abkommen sieht vor, dass eine einfache, nichtkommerzielle Urheberrechtsverletzung (z.B. Filesharing) die Grundlage für Schadensersatzforderungen bietet. In der Vergangenheit hat die Content-Industrie hier gerne einen sechsstelligen Bereich für wenige Werke angesetzt was einen hohen zweistelligen Prozentsatz der Bevölkerung mit Privatinsolvenz bedroht. Damit nicht genug: ACTA verpflichtet seine Unterzeichner, im Strafmaß für Urheberrechtsverletzungen auch Gefängnisstrafen ausdrücklich vorzusehen. So werden Millionen von Menschen zu potentiellen Verbrechern gemacht.
Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt
Die theoretische Balance der Interessen im Urheberrecht wird hierdurch weiter zu Gunsten der Verwerter verschoben. Die ursprüngliche Funktion des Urheberrechts als Interessensausgleich zwischen den Beteiligten wird immer mehr zur Sicherung eines überholten Geschäftsmodells missbraucht.
Patentrecht
Durch ACTA entstehen Nachteile für wirtschaftlich schwache Länder, was beispielsweise die Beschaffung von Generika, Informationstechnologie und anderer preiswerter Produkte angeht. Die größten Ängste liegen bei der Versorgung mit Medikamenten. Hier gibt es z.B. im TRIPS-Abkommen flexible Ausnahmeregelungen um die Versorgung sicherstellen zu können. Produkte und Medikamente können mit ACTA schon beschlagnahmt werden, wenn im Durchreiseland ein vermeintliches Patent dafür existiert, auch wenn im Ursprungs- und Zielland nachgewiesenermaßen kein Patent gültig ist (Bsp: Indien liefert über USA nach Mexiko). Das Problem mit fälschlich beschlagnahmten Waren existiert heute schon und wird mit ACTA noch weiter verschärft. Sich rechtlich zu widersetzen ist sehr schwierig.
Geheimverhandlungen
Details zu den getroffenen Absprachen zwischen den Regierungen sind nicht öffentlich sondern geheim. Die Beratungen in einzelnen Ländern sind handverlesenen Wirtschafts- und Lobbyistenvertretern vorbehalten. Die Zivilgesellschaft ist weitgehend ausgeschlossen.
keine parlamentarische Kontrolle
Insbesondere die Verweigerung der handlungsführenden Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament (EP) Informationen weiterzuleiten, ist nach Einführung des AEUV (Lissabonvertrags) höchst zweifelhaft, denn das EP muss seitdem in allen Phasen eines Verfahrens unverzüglich und umfassend durch die Kommission unterrichtet werden.
Öffentlichkeit wurde bewusst fehlinformiert
Es wurde offensichtlich, dass die Europäische Kommission bei einem Meeting am 22. März 2010 in Brüssel, das nur aufgrund von Druck aus dem EP und der Zivilgesellschaft stattfand, den Teilnehmern gefälschte Verhandlungsdokumente vorlegte.
Entgegen den Beteuerungen der Europäischen Kommission ist aus durchgesickerten Dokumenten nämlich ersichtlich, dass auch Regelungen, die über bestehendes EU-Recht hinausgehen, ernsthaft diskutiert wurden (Three-Strikes). Auch das Bundesjustizministerium hat die Unwahrheit verbreitet. Der Tenor war hier: "Es würden keine Rechte eingeschränkt oder Bürger schikaniert"
Länder mit gegenläufigen Interessen
Um Länder mit gegenläufigen Interessen auszuschließen, wird dieses Abkommen abseits der bereits existierenden Strukturen, der WIPO und der Welthandelsorganisation (WTO), ausgehandelt. ACTA spiegelt eindeutig die Interessen der Industriestaaten wider, nämlich die Erweiterung des Schutzes von geistigen Monopolrechten. Diese stehen den Interessen von Entwicklungs- und Schwellenländern sowie Bürgerrechtlern weltweit entgegen. In der WIPO herrscht diesbezüglich eine Pattsituation. Aber auch die unterschiedlichen Urheberrechtsphilosophien der Staaten stellen ein Problem für ein globales Abkommen dar. So zum Beispiel ist das Recht in der Bundesrepublik Deutschland urheberzentriert, in den USA hingegen wirtschaftlich ausgerichtet.
Ausweitung schon bestehender Abkommen und Organisationen wie TRIPS, WTO Agreement, WIPO, WZO
ACTA soll mit einer eigenständigen Organisation neben diese treten.
Forderungen
Handlungsempfehlung aus PIRATEN-Positionspapier
ACTA ist vollumfänglich abzulehnen und die Verhandlungen sind zu stoppen. Die Art und Weise der Entstehung ist einer demokratischen Gesellschaft unwürdig, die Eingriffe in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stehen in keinem Verhältnis zu dem erhofften Nutzen. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Geschäftsmodelle aus der analogen Zeit in das digitale Zeitalter zu retten. Die Verwertungsgesellschaften müssen neue Geschäftsmodelle entwickeln, wenn sie überleben wollen. Die Piratenpartei Deutschland lehnt des Weiteren die in ACTA vorgesehene Ausweitung des Patentrechtes ab und verlangt ein Überdenken des Patentrechtes auf internationaler Ebene.
Sonstige
Es wird Zeit, dass die ACTA-Verhandlungen gestoppt und von der EU-Kommission und der Bundesregierung transparent gemacht werden. Die Geheimverhandlungen sind einer demokratischen Debatte über die Zukunft der digitalen Gesellschaft unwürdig. Bundesregierung und Bundestag müssen sich im Rahmen ihrer Beteiligungsrechte hierfür einsetzen.
Legende
- ACTA
- steht für Anti-Counterfeiting Trade Agreement und bezeichnet ein Handelsabkommen zwischen vielen Industrienationen und einigen Schwellenländern, welches seit 2007 hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird.
- AEUV
- Konsolidierte Fassung des Lissabonvertrag über die Arbeitsweise der EU
- DACHL
- Deutschland, Österreich, Schweiz, Luxemburg
- DPI
- Deep Packet Inspection. Hier wird jedes einzelne Paket im Internet mitgelesen und anhand des Inhalts gefiltert
- IP
- Intellectual Property
- Three-Strikes-Regelung
- Führt dazu, dass Personen, die drei Mal der Verletzung von Urheberrechten bezichtigt wurden, der Internetanschluss gekappt wird. Vom Europäischen Parlament als unverhältnismäßig und eines Rechtsstaates unwürdig abgelehnt
- TRIPS
- Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights
- WIPO
- World Intellectual Property Organization
- WTO
- World Trade Organization
- WZO
- Weltzollorganisation
Über dieses Dokument
Dieses Dokument hat zum Ziel, Argumente für Piraten zu sammeln, die sich an Infoständen beteiligen möchten und sich noch nicht in ACTA eingelesen haben.