RP:2010-02-21 - LPT Rheinland-Pfalz/Sonstige Anträge

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sonstige Anträge

Informationsfreiheit im 21. Jahrhundert - Offene Daten für mündige Bürger!

PDF-Fassung dieses Antrags

Antrag an den Landesparteitag der Piratenpartei Rheinland-Pfalz am 21.02.2010

Der Landesparteitag möge folgende Stellungnahme beschließen:

Informationsfreiheit im 21. Jahrhundert - Offene Daten für mündige Bürger!

Der Zugang zu Wissen und Information ist die Grundlage für unsere freiheitlich-demokratische Informations- und Wissensgesellschaft. Wir PIRATEN fordern daher eine Stärkung der Informationsfreiheit und einen freien und offenen Zugang zu allen staatlichen und staatlich geförderten Informationsbeständen.

Informationsfreiheit ist Bürgerrecht!

Die alte Weisheit „Wissen ist Macht“ gilt in der Informationsgesellschaft mehr denn je. Nur wer umfänglich informiert ist, kann fundierte Entscheidungen fällen. Eine umfassende Information von Bürgern und Bürgerinnen ist auch Voraussetzung für politisches Engagement und demokratische Kontrolle der vom Volk legitimierten Macht. Jeder Bürger kann staatliche Angaben selbst überprüfen, aus neuen Blickwinkeln betrachten und neue, vorher unbekannte Zusammenhänge entdecken. Dies führt zu einer Demokratisierung der Informationskanäle und erhöht die Kontrollmöglichkeiten der Zivilgesellschaft gegenüber dem Staat. Gemäß dem Mehr-Augen-Prinzip können Angaben gemeinschaftlich besser überprüft, Entscheidungen hinterfragt und kritisiert werden. Verbesserungsvorschläge können von Allen erarbeitet werden und die besten Lösungen können umgesetzt werden. Dem Missbrauch und der Willkür Einzelner wird vorgebeugt.

Wir PIRATEN wollen daher Parlamente und Behörden und die rechtlichen Grundlagen so umgestalten, dass sie diesem gesamtgesellschaftlichen Anspruch der Informationsfreiheit für alle Bürger Rechnung tragen. Wir fordern, dass sich der Staat vom Prinzip der Geheimhaltung abkehrt und ein Prinzip der Öffentlichkeit einführt, welches den mündigen Bürger in den Mittelpunkt staatlichen Handelns und Gestaltens stellt. Dies schafft nach der festen Überzeugung der Piratenpartei die unabdingbaren Voraussetzungen für eine moderne Wissensgesellschaft in einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung. Sämtliche staatlich relevanten Informationen müssen daher grundsätzlich der Öffentlichkeit und damit jedermann frei zugänglich gemacht werden. Nur in wenigen klar definierten und begründeten Ausnahmefällen, wie dem Schutz persönlicher Daten, dürfen Informationen als nicht-öffentlich behandelt werden.

Moderne Verwaltung mit offenen Daten!

Staatliches und staatlich finanziertes Wissen muss allen Bürgern zur Verfügung stehen und darf nicht länger großen Teilen der Gesellschaft vorenthalten werden. Die heutige Informationspolitik schließt wertvolle Daten in Aktenschränken oder nicht allgemein verarbeitbaren Dateiformaten ein. Bürger bekommen wichtige Informationen nur auf Nachfrage. Wir wollen das Potential der weltweiten Vernetzung ausschöpfen und fordern offene Schnittstellen zum Abruf aller Daten für jedermann.

Die modernen Informationstechnologien machen eine proaktive, zeitnahe Veröffentlichung und Verbreitung von staatlichen Informationen in offenen und strukturierten Datenformaten kostengünstig und schnell möglich. Die Piratenpartei fordert, dass alle staatlichen Stellen von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen, statt der Verbreitung dieser Informationen Steine in den Weg zu legen. Wir fordern Rohdaten in maschinenlesbaren Formaten, die eine schrankenlose Weiterverarbeitung durch Nicht-Regierungsorganisationen, Forschungseinrichtungen und interessierte Bürger zulassen. Eine Veröffentlichung von Daten in Rohform und der Zugriff über offene Schnittstellen ermöglicht vielfältige Anwendungen. Die Piratenpartei betrachtet daher die Veröffentlichung von staatlichen Informationen in offenen, strukturierten Formaten als ein wesentliches Merkmal eines demokratischen Informationszeitalters. Open-Data- und Semantic-Web-Initiativen wollen wir deshalb explizit fördern. Ebenso wollen wir den Einsatz freier Software in allen Einrichtungen des Landes forcieren. Langfristige Verträge mit Monopolisten lehnen wir ab.

Auskunftsanspruch verbessern!

Wir wollen gewährleisten, dass jeder Bürger unabhängig von der Betroffenheit und ohne den Zwang zur Begründung sein Recht durchsetzen kann, auf allen Ebenen der staatlichen Ordnung, Einsicht in die Aktenvorgänge und die den jeweiligen Stellen zur Verfügung stehenden Informationen zu nehmen. Dies gilt ebenso für schriftliches Aktenmaterial wie digitale oder andere Medien. Ausnahmeregelungen sind eng und eindeutig zu formulieren und dürfen nicht pauschal ganze Behörden oder Verwaltungsgebiete ausnehmen. Die Auskunftsstelle ist verpflichtet, zeitnah und in einer klaren Kostenregelung, Zugang in Form einer Akteneinsicht oder einer Materialkopie zu gewähren, um eine breite, effiziente Nutzung der Daten zu ermöglichen. Verweigerung des Zugangs muss schriftlich begründet werden und kann vom Antragsteller, sowie von betroffenen Dritten gerichtlich überprüft werden lassen, wobei dem Gericht zu diesem Zweck voller Zugang durch die öffentliche Stelle gewährt werden muss. Alle öffentlichen Stellen sind verpflichtet, regelmäßig sowohl Organisations- und Aufgabenbeschreibungen zu veröffentlichen, einschließlich Übersichten der Arten von Unterlagen, auf die zugegriffen werden kann, als auch einen jährlichen öffentlichen Bericht über die Handhabung des Auskunftsrechts.

Korruption erschweren!

Damit für die Rheinland-Pfälzischen Bürgerinnen und Bürger klar ersichtlich ist, wer die Politik im Land beeinflusst, fordern wir ein vollständiges Lobbyistenregister auf Landesebene, in dem alle Verbände und Vertreter aufgeführt werden, die Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse oder deren Ausgestaltung durch Verordnungen haben. In den Ministerien dürfen keine Mitarbeiter von Unternehmen dauerhaft ihre Arbeit verrichten. Lediglich in transparenten Anhörungen dürfen diese als Sachverständige angehört werden. Anhörungen zu Gesetzesinitiativen oder anderen Vorhaben der Landesregierung müssen stets öffentlich angekündigt werden und für jeden zugänglich sein. Insbesondere Verbraucherverbände, Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen müssen von Anfang an in Gesetzgebungsprozesse eingeweiht werden und Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen. Alle Stellungnahmen von Interessenverbänden müssen öffentlich z.B. über das Internet zugänglich gemacht werden.

Konkrete Maßnahmen für Rheinland-Pfalz:

Um die Informationsfreiheit im obigen Rahmen vollumfänglich zu gewährleisten, fordern wir Rheinland-Pfälzischen PIRATEN:

  • die Digitalisierung aller staatlichen Unterlagen, die neu erstellt werden
  • Forschungsprojekte zur Digitalisierung alter Unterlagen sowie die Erforschung von Langzeitarchivierungsstrategien
  • den freien Zugang zu allen Gesetzen und Gesetzesentwürfen, bereits in der Entstehungsphase
  • den freien Zugang zu allen Beschlüssen des Landtages und anderer politischer Gremien
  • die komplette Offenlegung des Abstimmungsverhaltens im Rheinland-Pfälzischen Landtag und seinen Ausschüssen
  • die komplette Offenlegung des Abstimmungsverhaltens der Landesregierung im Bundesrat
  • die komplette Offenlegung der Nebeneinkünfte der Landtagsabgeordneten und Minister
  • den freien Zugang zu allen finanziellen Ausgaben der Landesregierung, der Ministerien, des Landtags und seiner Fraktionen
  • den freien Zugang zu allen Messdaten, die staatlichen Institutionen vorliegen (Wetterdaten, Flugverkehrsdaten, Gewässerdaten, Katasterdaten, Luftbilder, u.v.m)
  • den freien Zugang zu allen statistischen Erhebungen, die durch die Verwaltung oder in deren Auftrag vorgenommen werden
  • das Angebot von offenen Schnittstellen zur automatischen Abfrage der bereitgehaltenen Dokumente, Daten und Informationen in standardisierten, offenen Formaten
  • die Einrichtung einer kostenlosen Beratungsstelle, die den Bürgern und Bürgerinnen offene Fragen und komplexe Sachverhalte erläutert
  • die finanzielle Förderung von Open-Data- und Semantic-Web-Initiativen und Forschung in diesem Bereich
  • die Zusammenarbeit mit Rheinland-Pfälzischen Hochschulen zur Digitalisierung, Aufbereitung und Zurverfügungstellung aller Daten in offenen Formaten
  • die Unabhängigkeit des Landesbeauftragten für Informationsfreiheit und eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Behörde
  • das Angebot aller Ausschreibungen in einem standardisierten, maschinenlesbaren Datenformat
  • die Einführung einer Meldepflicht für alle Behörden bei Datenpannen und ein standardisiertes Verfahren zur Benachrichtigung der Betroffenen
  • die Veröffentlichung aller Verträge der Landesregierung und der Ministerien mit Unternehmen
  • die Einführung eines vollständigen Lobbyistenregisters auf Landesebene
  • eine klare Kennzeichnung, welche Passagen in Gesetzesentwürfen von wem hinzugefügt wurden
  • die umgehende Bekanntmachung von Art und Umfang aller Abhörmaßnahmen, Observationen oder Datenabfragen inklusive der Information von welcher Polizeibehörde oder welchem Geheimdienst diese auf welcher rechtlichen Grundlage durchgeführt werden, sowie die umfassende Information der Betroffenen sofort nach Ende der Maßnahme
  • die ausschließliche Verwendung quelloffener Software durch die Verwaltung

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

Antrag an den Landesparteitag der Piratenpartei Rheinland-Pfalz am 21.02.2010

Der Landesparteitag möge folgende Stellungnahme beschließen:

Artikel 10 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz

(1) Jedermann hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Niemand darf ihn deshalb benachteiligen. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag soll laut vorliegendem Entwurf unter anderem:

  • Inhaber vom Websites, auf denen Leser Kommentare hinterlassen können, verpflichten, diese ständig zeitnah zu kontrollieren, zu zensieren und das auch nachzuweisen. (Beispiele: Blog, Forum, Wiki, Gästebuch)
  • Sendezeiten im Internet einführen, so dass "jugendgefährdende" Inhalte nur nach bestimmten, abgestuften Uhrzeiten im Internet "gesendet" werden dürfen.
  • Provider verpflichten, ausländische Inhalte zu filtern, die sich nicht an die deutschen Jugendschutzbestimmungen halten.

Zur Umsetzung dieser Verpflichtungen wäre eine Zensur-Infrastruktur notwendig, die die "Zensursula"-Pläne bei weitem übersteigen würde. Die Einrichtung einer Zensur-"Firewall" rund um Deutschland unter dem Vorwand des Jugendschutzes lehnt die Piratenpartei Rheinland-Pfalz entscheiden ab!

Auch in China wird unter dem Deckmantel des Jugendschutzes das Internet zensiert. Zu Recht wird dies von Politikern aller demokratischen Parteien in Deutschland kritisiert. Es ist sehr erstaunlich, dass die deutschen Landesregierungen nun dem Beispiel Chinas folgen.

Absatz 2 des Artikels 10 unserer Landesverfassung (Jugendschutz und Schutz der Ehre) darf nicht dazu genutzt werden, den Sinn des Artikels 10 (Zensurverbot) in sein Gegenteil zu verkehren!

Die Piratenpartei Rheinland-Pfalz fordert die Landesregierung auf, den Staatsvertrag nicht zu unterzeichnen! Der Jugendmedienschutz ist zu überarbeiten mit dem Ziel Informationsfreiheit und damit unsere freiheitliche Demokratie zu erhalten! Dabei ist die Öffentlichkeit von Anfang an mit einzubeziehen!