NRW:Bürgerbegehren und Bürgerentscheid

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Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in NRW

Die Kommunalverfassung gibt im § 26 den Bürgerinnen und Bürgern das Recht, in einer Vielzahl kommunaler Angelegenheiten selbst zu entscheiden. Wollen sie z.B. einen zusätzlichen Kindergarten, eine weitere verkehrsberuhigte Zone oder den Umbau eines Hallenbades in ein Spaßbad, so können sie diese Entscheidung selbst in die Hand nehmen.


Bürgerbegehren und Bürgerentscheid - Mehr unmittelbare Demokratie in den Gemeinden wagen

Nach dem Grundgesetz und der Landesverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen (Art. 28 Abs. 1 GG und Art. 78 Abs. 1 LV NRW) gilt auch für die Gemeinden der Grundsatz der repräsentativen Demokratie. Die Bürgerschaft wird also durch den Rat und die/den Bürgermeister/in vertreten, die sie in den Kommunalwahlen wählt. Die Verfassung schließt aber die ergänzende Einführung unmittelbar demokratischer Elemente nicht aus.

Mit der Einführung des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids hat der Gesetzgeber ein wichtiges Element „unmittelbarer oder direkter Demokratie“ geschaffen. Dieses unmittelbar demokratische Element durchbricht das repräsentative System. Es dient der Verbesserung der bürgerschaftlichen Beteiligung an der kommunalen Selbstverwaltung, denn mit der Einführung des Bürgerentscheides ist der kommunale Willensbildungsprozess in einem bisher unbekannten Maß der direkten Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger zugänglich gemacht worden. Die Einführung des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheides entspricht dem vielfach geäußerten Wunsch nach mehr unmittelbarer Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger.

Konnten bislang Bürgerinnen und Bürger nur alle 5 Jahre mit dem Stimmzettel auf die Willensbildung im Rat einer Gemeinde Einfluss nehmen, so ist ihnen nunmehr eine Letztentscheidungsbefugnis in einzelnen kommunalen Angelegenheiten eingeräumt.

Die Kommunalverfassung gibt den Bürgerinnen und Bürgern das Recht, in einer Vielzahl kommunaler Angelegenheiten selbst zu entscheiden. Der Beschluss der Bürgerschaft tritt an die Stelle der Entscheidung des Rates, denn der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Ratsbeschlusses.

Setzen sich Bürgerinnen und Bürger z.B. für den Erhalt eines Hallen- oder Freibades, einen zusätzlichen Kindergarten, eine weitere verkehrsberuhigte Zone oder für oder gegen den Neubau einer Schule ein, dann können sie diese Entscheidung nunmehr selbst in die Hand nehmen.

Seit der Einführung im Jahr 1994 sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheide beispielsweise zu Erholungs-, Freizeit- und Sportangelegenheiten, Schulangelegenheiten, Verkehrsangelegenheiten, Umwelt-, insbesondere Abfallangelegenheiten oder Wohnungs-, Bau- und Grundstücksangelegenheiten durchgeführt worden.

Was ist zu beachten bei Beginn des Verfahrens?

Kern des Bürgerbegehrens ist "die zur Entscheidung zu bringende Frage", die so formuliert sein muss, dass sie mit ja oder nein beantwortet werden kann. Eine Formulierung, die sich an der Formulierung der Beschlussvorschläge für den Rat orientiert, verlangt das Gesetz nicht. Gleichwohl sollte die Frage aus sich selbst heraus so verständlich sein, dass sie - den Erfolg des Bürgerentscheids unterstellt - als klarer Handlungsauftrag für die Verwaltung angesehen werden kann.

Neben der Frage muss das Bürgerbegehren auch eine Begründung enthalten und bis zu drei Vertretungsberechtigte benennen. Schließlich muss ein Begehren, dessen Umsetzung Kosten verursacht, auch einen Kostendeckungsvorschlag enthalten, der die Kosten der Umsetzung des Begehrens wirklichkeitsnah darstellt. Nun kann man Bürgerinnen und Bürger nicht dadurch überfordern, dass man ihnen einen ausgefeilten Kostendeckungsvorschlag abverlangt, wie ihn nur ein Kämmerer vorlegen kann.

Unverzichtbar ist jedoch die Bezifferung der Kosten, da anderenfalls die Signal- und Warnfunktion, die der Kostendeckungsvorschlag haben soll, ins Leere liefe. Dabei unterscheidet das Gesetz nicht danach, ob eine Gemeinde ein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt hat oder nicht. An den vom Gesetz geforderten Kostendeckungsvorschlag sind auch in diesen Fällen keine strengeren Anforderungen zu stellen, wohl aber an die Finanzierungsverantwortung aller Bürgerinnen und Bürger. Es wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob der Kostendeckungsvorschlag "nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbar" ist oder nicht.

Themen eines Bürgerbegehrens

Die Bürgerinnen und Bürger beschließen bei einem Bürgerbegehren und einem Bürgerentscheid an Stelle des Rates. Da ist es einleuchtend, dass ihnen diese Kompetenz auch nur für solche Angelegenheiten zusteht, die sonst vom Rat oder vom Kreistag entschieden worden wären. Deshalb sind die Möglichkeiten des Bürgerbegehrens nicht unbeschränkt.

Darüber hinaus enthält § 26 der Gemeindeordnung NRW (GO) einen "Negativkatalog", der bestimmte kommunalpolitische Entscheidungen dem Rat oder dem Hauptgemeindebeamten vorbehält. Nicht zulässig ist beispielsweise ein Bürgerbegehren, das die Auflösung der Ämter einer Gemeindeverwaltung und die Einführung von Fachbereichen zum Ziel hat. Ebenfalls nicht zulässig wäre ein Bürgerbegehren über die Aufstellung eines Bebauungsplans. Auch die kommunalen Steuern und Abgaben können nicht über ein Bürgerbegehren abgeschafft oder gesenkt werden.

Dies wiederum heißt nun nicht, dass alle diejenigen Fragestellungen unzulässig sind, die auch nur entfernt etwas mit Gebühren zu tun haben. Die Frage, ob in einer Stadt kompostierbare Abfälle getrennt erfasst und eingesammelt werden, hat durchaus Auswirkungen auf die Höhe der Abfallgebühren. Im Vordergrund derartiger Diskussionen steht jedoch nicht die fiskalische Überlegung des Kämmerers, die Kosten der Abfallentsorgung zu decken, sondern das politische Ziel, Abfälle möglichst zu vermeiden oder zu verwerten, statt sie zu entsorgen. Hier eine auf die örtlichen Verhältnisse zugeschnittene Lösung zu finden, ist eine Entscheidung, die ohne weiteres auch an Stelle des Rates die Bürgerschaft insgesamt treffen kann.

In diesem Sinne sind beispielsweise auch Bürgerbegehren zulässig, die sich mit der Frage befassen, wo Parkplätze zur Verfügung gestellt werden sollen, ob besondere Parkplätze für Frauen auszuweisen sind und wie Anwohner bevorzugt werden können. Erst wenn die Parkgebühren zum eigentlichen Kern eines Bürgerbegehrens werden oder gar der einzige Inhalt des Begehrens sind, ist das Begehren als unzulässig anzusehen.

Wie müssen die Unterschriftenlisten aussehen ?

Das Bürgerbegehren ist der formalisierte Antrag einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern auf die Herbeiführung eines Bürgerentscheids. Auf einige wenige Förmlichkeiten kann man deshalb nicht verzichten:

Unterschriften können nur auf solchen Listen geleistet werden, auf denen die Frage, die Begründung - jedenfalls in einer aus sich heraus verständlichen Kurzfassung - und der Kostendeckungsvorschlag enthalten sind. Nur so ist letztlich sichergestellt, dass sich jeder über die Tragweite seiner Unterschrift klar werden kann.

Daneben müssen die Listen den Namen, den Vornamen, die Anschrift und das Geburtsdatum der Unterzeichner enthalten. Sinn dieser Vorgaben ist es, der jeweiligen Verwaltung die Überprüfung der Abstimmungsberechtigung zu ermöglichen.

Muster einer Unterschriftenliste für ein Bürgerbegehren

Ich unterstütze mit meiner Unterschrift die Initiative, die einen Bürgerentscheid mit folgender Fragestellung herbeiführen will: „Soll die Musterstraße für den Autoverkehr gesperrt werden?“

Begründung: Seit der Errichtung des neuen Gewerbegebietes hinter der Musterstraße, wird diese Straße immer mehr als „Schleichweg“ genutzt. Der Lärm ist für die Anwohner nicht mehr erträglich, außerdem kommt es nahezu täglich zu gefährlichen Situationen für Fußgänger und Radfahrer.

Kostendeckungsvorschlag: Die Anschaffung und Aufstellung entsprechender Verbotsschilder kosten rund 1.500 €. Dieser Betrag kann bei den Ausgaben für die Bepflanzung der Grünanlagen des neuen Gewerbegebietes eingespart werden.

Vertretungsberechtigte: Frau Schmidt, Musterstr. 17, 00000 Kleinstadt Herr Müller, Musterstr. 5, 00000 Kleinstadt Herr Meier, Musterstr. 29, 00000 Kleinstadt

Name Vorname Geburtsdatum Anschrift Unterschrift

Wieviele Unterschriften muss man sammeln?

Um zu verhindern, dass jede noch so kleine Minderheit einer Bürgerschaft eine Abstimmung aufzwingen kann, sieht die Gemeindeordnung schon für das Bürgerbegehren abgestufte Quoren vor.

Ein Bürgerbegehren auf Gemeindeebene muss von einer bestimmten Zahl von Wahlberechtigten unterstützt werden. Die erforderliche Zahl der Unterstützungsunterschriften richtet sich nach der Zahl der Einwohner. Die erforderlichen Quoren sind in der folgenden Tabelle aufgeführt: Einwohner bis 10.000 10 % der Bürger bis 20.000 9 % der Bürger bis 30.000 8 % der Bürger bis 50.000 7 % der Bürger bis 100.000 6 % der Bürger bis 200.000 5 % der Bürger bis 500.000 4 % der Bürger über 500.000 Unterschriften von 3 % der Bürger

Diese Quoren gelten in gleicher Weise für Bürgerbegehren, die gem. § 26 Abs. 9 GO auf Stadtbezirksebene stattfinden.

Am Bürgerbegehren selbst können alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger, also auch Ausländerinnen und Ausländer aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union teilnehmen.

Welche Fristen sind zu beachten ?

Grundsätzlich sind die Initiatoren eines Bürgerbegehrens in der Wahl des Zeitpunktes frei. Sie entscheiden selbst, wann und wie lange sie Unterschriften sammeln oder wann sie die gesammelten Unterschriften als abgeschlossenes Bürgerbegehren der Gemeindeverwaltung vorlegen.

Eine Ausnahme ist nur für den Fall vorgesehen, dass sich das Bürgerbegehren gegen einen Ratsbeschluss wendet. Bedarf der Ratsbeschluss der Bekanntmachung nach den Vorschriften der Bekanntmachungsverordnung vom 26. August 1999 (GV. NRW. 1999 S. 516) muss der Antrag innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntmachung des Ratsbeschlusses eingereicht sein. Handelt es sich um einen Beschluss, der nicht der Bekanntmachung bedarf , so verlängert sich diese Frist - gerechnet ab dem Tag nach der Entscheidung in der Ratssitzung an - auf 3 Monate.

Immer wieder stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob Ratsbeschlüsse, die länger als 3 Monate zurückliegen oder gar noch in zurückliegenden Amtsperioden gefasst worden sind, für alle Zukunft vor einer Veränderung durch einen Bürgerentscheid geschützt sind. Prinzipiell müssen die Bürgerinnen und Bürger nämlich darauf vertrauen können, dass Ratsbeschlüsse gelten und jedenfalls nicht ohne weiteres verändert werden können.


Bisher vertrat das Innenministerium die Auffassung, dass ebenso wie Bürgerentscheide nach Ablauf von zwei Jahren geändert werden können, auch eine Änderung „alter“ Ratsbeschlüsse nach Ablauf von zwei Jahren möglich sein müsse. Dies wurde damit begründet, dass es nicht einsichtig sei, wenn Ratsbeschlüsse einen größeren Bestandsschutz hätten als Bürgerentscheide.

Diese Auffassung wird auf der Grundlage der nunmehr vorliegenden Rechtsprechung aufgegeben. Bei der in § 26 Abs. 3 GO bestimmten Frist von 6 Wochen bzw. 3 Monaten handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Deshalb und aus Gründen der Rechtssicherheit ist ein Bürgerbegehren, das sich gegen einen Gemeinderatsbeschluss wendet, nur innerhalb der genannten Ausschlussfrist zulässig.

Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes kommt nur dann in Betracht, wenn jedenfalls seit dem Ratsbeschluss eine so erhebliche Zeit verstrichen ist, dass die ursprüngliche Bewertung des Rates praktisch obsolet geworden ist. Dies wird nur in ganz besonderen Ausnahmesituationen anzunehmen sein.

Für den umgekehrten Fall, in dem es um die Änderung eines Bürgerentscheides geht, der ja die Wirkung eines Ratsbeschlusses hat, trifft die Gemeindeordnung eine klare Regelung: Bürgerentscheide können vom Rat frühestens nach 2 Jahren abgeändert werden. Soll dies vorher geschehen, so bleibt dem Rat nur die Möglichkeit, einen neuen Bürgerentscheid zu initiieren.

Die Sperrwirkung des vom Rat für zulässig erklärten Bürgerbegehrens

Neue Gesetzeslage seit dem 17.10.2007:

Entscheidet der Rat: "Das eingereichte Bürgerbegehren ist zulässig.", so löst das bis zur Abstimmung über den Bürgerentscheid eine Entscheidungssperre für die Gemeinde aus.

Mit dem in Kraft Treten des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 9.10.2007 (GV.NRW.S.380) am 17.10.2007 ist in § 26 Abs. 6 GO NRW folgender Satz 6 eingefügt worden:


„Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt,

darf bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids

eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden,

es sei denn,


zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu bestanden (Sperrwirkung des zulässigen Bürgerbegehrens).“

Das bedeutet:

Haben die Initiatoren die Unterstützungsunterschriften bei der Verwaltung abgegeben und

hat der Rat entschieden:

„Das Bürgerbegehren ist zulässig.“,

so ist die Gemeinde an gegenläufigen Entscheidungen oder Maßnahmen gehindert.

Entscheidet der Rat zugleich, dass er „dem Bürgerbegehren entspricht“ - d.h., beschließt er das, was mit dem Bürgerbegehren beantragt wird, so findet kein Bürgerentscheid mehr statt.

Die Sperrwirkung hat sich dann sofort erledigt.


Die Verwaltung ist dann verpflichtet, den Ratsbeschluss - der dem Inhalt des Bürgerbegehrens entspricht - durchzuführen. Hierauf haben die Initiatoren des Bürgerbegehrens ein Recht (OVG NRW Beschl. vom 04.04.2007 - 15 B 266/07 -)

Dabei ist zu beachten: Nur ein Ratsbeschluss, der den Inhalt des Bürgerbegehrens im vollen Umfang übernimmt, „entspricht“ dem Bürgerbegehren. Über den nicht erledigten Inhalt des Bürgerbegehrens müsste ein Bürgerentscheid stattfinden (OVG NRW Urteil vom 25.9.2001 - 15 A 2445/97 -, NWVBl.2002,110 juris). Insoweit bliebe also die Sperrwirkung bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheides bestehen.


Das vom Rat für unzulässig erachtete Bürgerbegehren entfaltet keine Sperrwirkung.

Die Entscheidung des Rates kann unmittelbar mit der Klage angegriffen werden (siehe dazu unter Gerichtsverfahren). Die Klage wird darauf gerichtet sein, das Gericht möge den Rat verpflichten, das Bürgerbegehren gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW für zulässig zu erklären.

Erst die darauf vom Rat getroffene Entscheidung im Sinne des Klageantrags löst dann die Sperrwirkung des § 26 Abs. 6 Satz 6 GO NRW aus.


Zwischen Bürgerbegehren und Bürgerentscheid: Welche Möglichkeiten hat der Rat ?

Das vom Rat für zulässig erklärte Bürgerbegehren

Ist das Bürgerbegehren eingereicht, dann ist der Rat am Zuge. Er ist aufgerufen, über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu entscheiden. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen bei dieser Entscheidung keine Rolle spielen. Ist das Begehren form- und fristgerecht eingereicht und sind auch alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt, dann muss der Rat beschließen: "Das Bürgerbegehren ist zulässig".

Danach muss der Rat auch den nächsten Schritt tun. Er muss sich entscheiden,

ob er dem Bürgerbegehren entsprechen will, so dass der Bürgerentscheid entfällt oder

ob er sich mit den Bevollmächtigten des Bürgerbegehrens auf eine einvernehmlicheRegelung verständigen will und kann, so dass der Entscheid überflüssig wird, oder

ob er einen Termin für den Bürgerentscheid festsetzen will, der innerhalb von 3 Monaten durchgeführt werden muss.

Eine Einigung in der Sache ist oftmals auch ohne das förmliche Verfahren des Bürgerentscheids möglich und von der Vollmacht der auf den Unterschriftenlisten aufgeführten Vertretern des Bürgerbegehrens gedeckt.

Dabei ist jedoch folgendes zu beachten: Handeln die Vertreter eines Bürgerbegehrens mit dem Rat einen Kompromiss aus, der den Text des Bürgerbegehrens nicht uneingeschränkt umfasst, so erledigt sich das eingereichte Bürgerbegehren dadurch nicht. Soll der ausgehandelte Kompromiss rechtsverbindlich abgesichert werden, so kann dies nur durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen den Vertretern des Bürgerbegehrens und dem Rat gemäß § 57 VwVfG geschehen.

Seit der Einführung durch das Innenministerium bis zum Sommer 2007 sind 382 Bürgerbegehren auf den Weg gebracht worden. In 75 Fällen machte sich der Rat das Bürgerbegehren zu Eigen. In 120 Fällen ist es zu einem Bürgerentscheid gekommen.

Das vom Rat für unzulässig erklärte Bürgerbegehren

Sind dagegen die gesetzlichen Voraussetzungen des Bürgerbegehrens nicht erfüllt, muss der Rat eine Entscheidung über die Unzulässigkeit treffen. Die Entscheidung des Rates wird in einem förmlichen Bescheid, der mit entsprechender Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist, den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens unverzüglich zugestellt.

Nach dem bis zum 31.Oktober 2007 geltenden Recht konnten die Vertretungsberechtigten gegen diese Entscheidung Widerspruch einlegen (§ 26 Abs. 6 Satz 2 GO NRW). Die Gemeindeordnung hat damit bestimmt, dass die Vertretungsberechtigten das Widerspruchsverfahren - in eigenem Namen, aber zugleich im Interesse der Unterstützer des Bürgerbegehrens - nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durchführen können.

Wurde der Widerspruch von der Gemeinde zurückgewiesen, so konnten die Vertretungsberechtigten im eigenen Namen - aber zugleich im Interesse der Unterstützer des Bürgerbegehrens - Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben.

Dieses Verfahren ist infolge des am 1. November 2007 in Kraft getretenen Zweiten Bürokratieabbaugesetzes (GV.NRW S. 393) vereinfacht worden. Die Vertretungsberechtigten können auf den Bescheid der Gemeinde, mit dem das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt wird, unmittelbar Klage beim Verwaltungsgericht erheben.

Das Widerspruchsverfahren (§ 68 VwGO) ist durch die nachstehende Regelung abgeschafft worden:

"§ 6 des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung (AG VwGO) - neu (1) Vor Erhebung einer Anfechtungsklage bedarf es einer Nachprüfung in einem Vorverfahren abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht, wenn der Verwaltungsakt während des Zeitraums vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2012 bekannt gegeben worden ist. Vor Erhebung einer Verpflichtungsklage bedarf es einer Nachprüfung in einem Vorverfahren abweichend von § 68 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung nicht, wenn die Ablehnung der Vornahme des Verwaltungsaktes innerhalb des in Satz 1 bezeichneten Zeitraumes bekannt gegeben worden ist."

Die Entscheidung des Rates, die in einem förmlichen Bescheid die Gründe für die ablehnende Entscheidung darlegt, wird also künftig in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf hinweisen, dass gegen die Entscheidung der Gemeinde die Klage beim Verwaltungsgericht zulässig ist.

Zu den Möglichkeiten, den Beschluss des Rates gerichtlich prüfen zu lassen, siehe unter Gerichtsverfahren.

Ausführliche Informationen zur Rechtsprechung zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Nordrhein-Westfalen finden Sie hier.

Wie wird der Bürgerentscheid durchgeführt ?

Die Gemeindeordnung (§ 26 GO) macht nur wenig Vorgaben für das Verfahren zum Bürgerentscheid. Trotz dieser Zurückhaltung ist der Wille des Gesetzes offenkundig: Die Gemeinde soll den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich auf sachlich fundierter Grundlage und ohne größeren persönlichen Aufwand am Bürgerentscheid beteiligen zu können. Dabei soll die Gemeinde den Weg wählen, auf dem sie dieses Ziel am besten erreichen kann.

Allerdings ist sie dabei an die Vorgaben der Verordnung zur Durchführung eines Bürgerentscheids (Bürgerentscheid DVO vom 10.7.2004 GV. NRW. S. 383) gebunden.

Diese Rechtsverordnung gibt der Gemeinde auf, zeitnah nach dem Inkrafttreten der Verordnung am 01. Oktober 2004 eine Satzung zu erlassen, die als Mindestinhalt enthalten muss

wie die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen am Bürgerentscheid erleichtert wird;

dass die Bürgerinnen und Bürger eine Abstimmungsbenachrichtigung erhalten und in geeigneter Weise über die Auffassungen der Vertreter des Bürgerbegehrens sowie der politischen Kräfte in der Kommunalvertretung unterrichtet werden;

dass auch durch Brief abgestimmt werden kann.


Auf der Grundlage dieser Rechtsverordnung haben sowohl der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund als auch der Landkreistag Nordrhein-Westfalen Mustersatzungen erarbeitet.

Wann ist der Bürgerentscheid erfolgreich ?

Wie bei allen Abstimmungen kommt es auch beim Bürgerentscheid auf die Mehrheit an. Dies allein reicht aber noch nicht aus, denn die Mehrheit muss aus mindestens 20 % aller zur Stimmabgabe bei der Kommunalwahl berechtigten Bürgerinnen und Bürgern bestehen. Damit soll vermieden werden, dass sich Interessen einer kleinen Minderheit durchsetzen, die in keiner Weise den Willen der Bürgerinnen und Bürger insgesamt widerspiegeln.

Der Ratsbürgerentscheid

Mit dem in Kraft Treten des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 9.10.2007 (GV.NRW. S.380) am 17.10.2007 sind in § 26 Abs. 1 der Gemeindeordnung NRW folgende Sätze zwei und drei eingefügt worden:

„Der Rat kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder beschließen, dass über eine Angelegenheit der Gemeinde ein Bürgerentscheid stattfindet (Ratsbürgerentscheid). Absatz 2 Satz 1 sowie die Absätze 5, 7, 8 und 10 gelten entsprechend.“

In der Frage, ob das System der repräsentativen Demokratie durch das direkt demokratische Element des Bürgerentscheides ergänzt werden solle, hatte 1994 in den Beratungen des Landtages große Übereinstimmung bestanden.

Seinerzeit war ebenfalls diskutiert worden, ob auch der Rat die Möglichkeit haben solle, die Bürger zu einem Bürgerentscheid aufzurufen („Ratsbürgerentscheid“). Diesem Vorhaben hatte seinerzeit die Mehrheit im Landtag mit dem Hinweis widersprochen, dies sei mit dem System der repräsentativen Demokratie nicht vereinbar. Es bestand die Sorge, der Rat könne das ihm übertragene Mandat leichtfertig an die Bürger zurück geben.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 9.10.2007 (GV.NRW. S.380) sollte beiden Argumenten Rechnung getragen werden. Dazu bestimmt die Gemeindeordnung NRW: Die Verwaltung der Gemeinde wird ausschließlich nach dem Willen der Bürgerschaft bestimmt. Die Bürgerschaft wird durch den Rat und den Bürgermeister vertreten (§ 40).


Der Rat soll das ihm übertragene Mandat nur dann an die Bürgerschaft zurück geben können (Referendum), wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder (der Bürgermeister zählt mit und stimmt mit ab) für einen Ratsbürgerentscheid stimmen.

Eine solche Entscheidung des Rates kommt vor allem dann in Betracht, wenn eine Frage sowohl in der Gemeinde wie im Rat hoch umstritten ist, und wenn von der Abstimmung durch die Bürger erwartet werden kann, dass diese - ganz gleich wie sie ausgeht - zu einer Befriedung in der Gemeinde führen wird.

Nach einem solchen Ratsbeschluss gelten für den Ratsbürgerentscheid die gleichen Regeln, wie für einen von den Bürgern beantragten Bürgerentscheid. Deshalb sind auch die Vorgaben der Verordnung zur Durchführung eines Bürgerentscheides vom 10.07.2004 (GV.NRW.S.245) darauf anzuwenden.

So darf in einem Ratsbürgerentscheid nur über solche Themen abgestimmt werden, die auch einem Bürgerbegehren zugänglich wären. Der Ausschlusskatalog des § 26 Abs. 5 gilt also auch für den Ratsbürgerentscheid. Werden die Bürger zur Abstimmung aufgerufen, so muss die Abstimmungsvorlage auch eine Aussage zur Kostendeckung enthalten. Für das Verfahren der Abstimmung sind die Vorgaben der der Durchführungsverordnung zu beachten.

Am Tag der Abstimmung haben es die Bürger dann in der Hand, an Stelle des Rates zu entscheiden.

Gerichtsverfahren

Verpflichtungsklage

Die Vertreter des Bürgerbegehrens haben einen Anspruch darauf, dass der Rat unverzüglich feststellt, ob das Bürgerbegehren nach § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW zulässig ist (OVG NRW: Beschluss vom 11.12.2007 - 15 B 2004/07, www.ovg.nrw.de).

Deshalb können die Vertreter des Bürgerbegehrens die Entscheidung des Rates nach § 26 Abs. 6 Satz 2, das Bürgerbegehren sei unzulässig, mit der Klage angreifen. Über den Wortlaut des § 26 Abs. 6 Satz 2 GO NRW ist die unmittelbare Klage durch das am 1. November 2007 in Kraft getretene Zweite Bürokratieabbaugesetz (GV.NRW.S.393) ermöglicht worden. Das Widerspruchsverfahren (§ 68 VwGO) ist durch dessen § 6 abgeschafft worden:

Die Klage wird darauf gerichtet sein, das Gericht möge den Rat verpflichten, das Bürgerbegehren gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW für zulässig zu erklären.


Eilverfahren nach § 123 VwGO

Generell gilt: Besteht die Gefahr, dass die gerichtliche Entscheidung „in der Hauptsache“ zu spät kommt, weil sich das Bürgerbegehren durch eine gegenläufige Entscheidung des Rates erledigt oder das Bürgerbegehren unzulässig wird, so kommt ein Eilverfahren nach § 123 VwGO in Betracht, um den Anspruch des Bürgerbegehrens auf eine Feststellung des Rates nach § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW zu sichern.


Dabei kann der Anspruch des Bürgerbegehrens, dass der Rat unverzüglich feststellt, ob das Bürgerbegehren nach § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW zulässig ist (OVG NRW: Beschluss vom 11.12.2007 - 15 B 2004/07, www.ovg.nrw.de) „in besonderen Fällen… einschließen, dass Handlungen unterlassen werden, die die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens treuwidrig herbeiführen“ (OVG NRW: Beschluss vom 12.12.2007 - 15 B 2013/07, www.ovg.nrw.de). Zum treuwidrigen Herbeiführen der - künftigen - Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens hat das OVG NRW in einer anderen Entscheidung festgestellt:

„1. Die Gemeindeorgane unterliegen den Handlungsschranken, die sich aus dem im Staatsrecht entwickelten und auf das Verhältnis der Gemeindeorgane zur Bürgerschaft im Rahmen eines Bürgerbegehrens übertragbaren Grundsatz der Organtreue ergeben.

2. Eine Treuwidrigkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass das Handeln eines Gemeindeorgans - sei es in der Sache selbst oder hinsichtlich des dafür gewählten Zeitpunkts - bei objektiver Betrachtung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt war, sondern allein dem Zweck diente, dem Bürgerbegehren die Grundlage zu entziehen und damit eine Willensbildung auf direkt-demokratischem Wege zu verhindern.

3. Die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens erfordert im Regelfall die positive Feststellung, dass die Angelegenheit noch in dem vom Bürgerbegehren verfolgten Sinne entschieden werden darf. Zum Schutz des Instituts des Bürgerbegehrens kann es bei gegen die Organtreue verstoßenden Handlungen der Gemeinde ausreichen, dass offen ist, ob das Ziel des Bürgerbegehrens noch erreicht werden kann" (OVG NRW: Beschluss vom 6.12.2007 - 15 B 1744/07, www.ovg.nrw.de).

Stellt das Gericht einen solchen Sachverhalt fest, so wird es die geeignete Sicherungsentscheidung treffen.


Sonderfall

Eine Entscheidung, mit der der Rat verpflichtet werden soll, das Bürgerbegehren für zulässig zu erklären, kommt aber nur ausnahmsweise in Betracht, weil das Eilverfahren die Entscheidung im Hauptsacheverfahren - in der Regel - nicht vorweg nehmen darf.

Das OVG NRW hatte - unter dem bis zum 16.10.2007 gültigen § 26 Abs. 6 Gemeindeordnung - erst in zwei Eil-Verfahren den Rat verpflichtet, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen.

Im ersten Fall war für das Gericht maßgeblich, dass die Frage der Zulässigkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW („Anordnungsanspruch“) als reine Rechtsfrage sich eindeutig klären ließ und der Abwägungsprozess der Interessen des Bürgerbegehrens und der Interessen der Gemeinde im Rahmen des § 123 VwGO eindeutig zu Gunsten des Instituts Bürgerbegehren („Anordnungsgrund“) ausgehen musste (OVG NRW: Beschluss vom 19.3.2004 - 15 B 522/04, NWVBl. 2004, S.346).

Im zweiten Fall konnte das Gericht ebenfalls die Frage der Zulässigkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW eindeutig entscheiden („Anordnungsanspruch“). Den Anordnungsgrund hat das Gericht darin gesehen, dass nach seiner Erkenntnis das von der Gemeinde gewählte Verfahren nur so zu verstehen sei, dass es den Gegenstand des Bürgerbegehrens vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache zur Erledigung bringen solle.

Im Interesse des effektiven Schutzes des direkt-demokratischen Instituts hat das Gericht eine Eilentscheidung getroffen, die die Hauptsache - teilweise - vorweggenommen hat. Es hat den Rat verpflichtet, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen (OVG NRW: Beschluss vom 6.12.2007 - 15 B 1744/07 - juris).

Mit dieser Entscheidung des Rates tritt dann die Sperrwirkung des § 26 Abs. 6 Satz 6 GO NRW ein.

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