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Ein Positionspapier der Piraten im Freistaat Sachsen.

In Sachsens Kindertageseinrichtungen entscheidet sich die Zukunft des Freistaats.

Weil wir einen guten Start für jedes Kind durch gute Bildung wollen. Weil von Anfang an individuelle Förderung wichtig ist. Weil Zuwendung Zeit braucht und ein Bildungsplan ohne entsprechende Ressourcen nur ein Plan bleiben kann. Deshalb gehören die Rahmenbedingungen der sächsischen Kindertageseinrichtungen in den Blickpunkt unseres Interesses.

Standortbestimmung

Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Entwicklungen in den Kindertageseinrichtungen hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein quantitativ ausreichendes Angebot an Betreuungsplätzen für Krippen-, Kindergarten- und Hortkinder von hoher Bedeutung. Deshalb gibt es politische Initiativen, die darauf abzielen, das vorhandene Angebot zu stabilisieren und auszubauen.

Angestoßen durch neue Erkenntnisse der Hirnforschung und durch verschiedene internationale Studien zur Bildungsqualität in Deutschland ist eine intensive Diskussion über die Qualität der frühkindlichen Bildung in Gang gekommen. Kindertageseinrichtungen werden deutlicher als bisher als Orte der Bildung verstanden. Zudem sind sie auch gefordert, auf gesellschaftliche Veränderungen, wie zunehmende Armut, steigender Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund, größere Zahl an Kindern mit Sprachentwicklungsverzögerungen, zu reagieren.

Deshalb wurden in den vergangenen Jahren durch den Freistaat Sachsen neue Anforderungen an die inhaltliche und qualitative Arbeit in den Kindertageseinrichtungen formuliert. Dazu gehören u.a.:

  • die gesetzlich geforderte Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes
  • die gesetzlich geforderte Einführung von Maßnahmen der Qualitätssicherung

und –entwicklung

  • die gesetzlich geforderte Durchführung eines Schulvorbereitungsjahres
  • die Beobachtung von Bildungsprozessen der Kinder und die Dokumentation

der pädagogischen Arbeit

  • die verbindliche Kooperation zwischen Kindertageseinrichtungen und Schulen
  • die Beteiligung bei der Umsetzung von Ganztagesangeboten
  • die Zusammenarbeit mit den Eltern hin zu Angeboten der Familienbildung

Die qualitative Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung wird von den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege seit Anbeginn unterstützt.

Viele Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen setzen sich intensiv mit den veränderten Anforderungen an die Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsleistungen auseinander und haben mit hohem persönlichen Engagement vieler Erzieher/innen praxisnahe Konzepte für die Umsetzung entwickelt.

Unzureichend sind jedoch die strukturellen Bedingungen, die einer Umsetzung der hohen Qualitätsansprüche in der Praxis häufig entgegenstehen und diese konterkarieren.

In den nächsten Jahren sollen deshalb entsprechende Rahmenbedingungen zur Umsetzung eines den Bedürfnissen der Kinder entsprechenden Bildungsangebotes geschaffen werden. Darum wird über die Finanzierung der höheren Qualitätsstandards unter Einbeziehung von Kommunen, Freistaat und Trägern verhandelt werden müssen, da dauerhafte Verbesserungen ohne zusätzliche Mittel nicht zu erreichen sind.

Im Ländervergleich der pro Kind-Ausgaben von Land und Kommunen nimmt Sachsen derzeit nur den elften Platz ein.

Zu den zu verbessernden Rahmenbedingungen gehören:

  • die Fachkraft-Kind-Relation,
  • die Anerkennung der kinderfreien Zeit in der pädagogischen Arbeit,
  • die Anrechnung von Ausfallzeiten auf den Personalschlüssel,
  • die Freistellung für Leitungsaufgaben sowie
  • die Möglichkeit, die Fachberatung in Anspruch nehmen zu können.
  • die Ausbildung und Qualifizierung der pädagogischen Mitarbeiter

Fachkraft-Kind-Relation

In der breiten sächsischen Fachöffentlichkeit ist bekannt, dass die Fachkraft-Kind-Relation im Freistaat im bundesdeutschen Vergleich zu den schlechtesten gehört und unzureichend ist. Eine im August 2008 veröffentlichte, umfangreiche Untersuchung im Auftrag des Sächsischen Sozialministeriums durch die PädQUIS gGmbH zeigt deutlich auf, dass der Personalschlüssel verbessert werden muss, um den erweiterten Bildungsauftrag in Kindertageseinrichtungen umzusetzen. Der im Mai 2008 veröffentlichte Länderreport der Berthelsmann-Stiftung zur Kindertagesbetreuung legt dar, dass Sachsen in der Personalausstattung der Einrichtungen im letzten Viertel der Bundesländer liegt.

Ausgehend von den Empfehlungen des europäischen Kinderbetreuungsnetzwerks fordert Prof. Dr. Fthenakis die notwendige Betreuungsrelation für die einzelnen Altersgruppen von Kindern wie folgt:

Datei:Erzieher-kind-relation-sachsen.png

In den Pädagogischen Standards zur Fachkraft-Kind-Relation nach Fthenakis werden die Zeiten für die mittelbare pädagogische Arbeit berücksichtigt. Zu beachten ist jedoch, dass in diesem Modell die Ausfallzeiten (z.B. Urlaub, Krankheit) nicht mit eingerechnet sind.

Die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung gehen beim Schlüssel für die Erzieher/in-Kind-Relation von der Zeit der Erzieher/in für die direkte pädagogische Interaktion zwischen Erzieher/in und Kind aus. Da die Stiftung gleichzeitig 25% Arbeitszeit ohne Kind empfiehlt, ergibt sich ein notwendiger Personalschlüssel von 1:3 (Krippe) und 1:7,5 (Kindergarten).

Zusätzlich wird die Betreuungszeit durch den im Sächsischen Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen vorgegebenen Berechnungsmodus reduziert. Als Basis für die Berechnung des Schlüssels werden für Kinder in Krippe und Kindergarten neunstündige Betreuungszeiten festgelegt. Da die Erzieher/innen im Rahmen von Vollzeitstellen maximal 8 Stunden täglich zur Verfügung stehen, führt zusätzlich zu den Ausfallzeiten allein diese Tatsache zu einem schlechteren Personalschlüssel.

Forderungen zum Personalschlüssel

  • Die Personalschlüssel für Kinder im Alter von 0-3 Jahren werdenauf 1:4, für Kinder im Alter von 3-6 Jahren auf 1:10 und für Kinder im Alter von 7-10 Jahren auf 1:16 verändert. Als Berechnungsgrundlage wird eine achtstündige Betreuungszeit zugrunde gelegt.

Mittelbare pädagogische Arbeit

Das Kinderbetreuungsnetzwerk der EU hat in den 1996 veröffentlichten „40 Qualitätszielen für Kindertageseinrichtungen“ die Berücksichtigung von wöchentlicher Arbeitszeit ohne Kontakt zu Kindern empfohlen. Arbeitszeit ohne Kontakt zu Kindern wird daher als mittelbare pädagogische Arbeit bezeichnet. Die fachlichen Anforderungen sind in den letzten Jahren erheblich gewachsen, insbesondere durch die aktuelle Bildungsdiskussion und die Anforderung an eine entsprechende Bildungsarbeit. Dies ist in die Berechnung der benötigten mittelbaren pädagogischen Arbeitszeit entsprechend einzubeziehen.

Die mittelbare pädagogische Arbeitszeit beinhaltet:

• Beobachtungen und Dokumentationen • Reflexion der Arbeit • Planung, Vor- und Nachbereitung von pädagogischer Arbeit inklusive Projekten • Zusammenarbeit mit den Eltern • Teamberatung, fachlicher Austausch • Teilnahme an Fachberatung • Kooperationen mit Institutionen (Grundschulen, Partner der Familienbildung, etc.) • Teilnahme an einrichtungs- und trägerübergreifenden Arbeitskreisen, Fachgruppen • Fachbezogene Fort- und Weiterbildung, • Teilnahme an Supervision

Forderung zur mittelbaren pädagogischen Arbeitszeit

Die mittelbare pädagogische Arbeitszeit der Fachkräfte wird mit 20 Prozent der jährlichen Arbeitszeit zusätzlich zu der Fachkraft-Kind- Relation berücksichtigt.

Pädagogische Anleitung, Organisation und Management von Kindertageseinrichtungen brauchen wie jede funktionierende Institution oder jedes leistungsfähige Unternehmen Leitungskräfte, die sich überwiegend oder vollständig den organisatorischen und strategischen Aufgaben widmen. Auch in diesem Arbeitsfeld sind, insbesondere hinsichtlich der Qualitätssicherung und -entwicklung, die Anforderungen und Aufgaben erheblich gewachsen.

Dazu gehören:

• Umsetzung des Bildungsauftrages, Verantwortung für Konzeptentwicklung und Konzeptsicherung • Personalführung • Evaluation und Qualitätssicherung • Verwaltung, Abrechnung und Planung, • Einhaltung und Überwachung der Schutzbestimmungen • Vernetzung mit anderen Einrichtungen und im Sozialraum • Erstellung und Begleitung von Förderplänen • Wahrnehmung von Kinderschutzaufgaben • Elternberatung in Krisensituationen • Akquise, Öffentlichkeitsarbeit • Belegungsplanung • fachliche Begleitung des Übergangs von Kindertageseinrichtung zur Schule • Zusammenarbeit mit dem Träger (Vorstand), Mitverantwortung für betriebswirtschaftliche Aufgaben

Die Wahrnehmung dieser vielfältigen Aufgaben ist nur möglich, wenn Leitungskräfte in einem größeren Umfang, als in § 12, 2 SächsKitaG definiert, für Leitungsaufgaben freigestellt werden.

Forderung zur Leitungsfreistellung

Die Leitungsfreistellung wird auf 0,01 Leitungsanteil je Platz verändert.

Fachberatung

Ein quantitativ gut ausgebautes und qualifiziertes Netz von Fachberatung ist unverzichtbar, um dem Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsanspruch von Kindern inKindertageseinrichtungen zu entsprechen. Deshalb ist es erforderlich, Fachberatung als integralen Bestandteil des gesamten Systems der Kindertageseinrichtungen sicherzustellen und deren Finanzierung zu gewährleisten.

Fachberatung in Kindertageseinrichtungen ist ein wichtiges Instrument zur Qualifizierung von Bildungsprozessen, der Struktur- und Organisationsentwicklung sowie zur Qualitätssicherung und -entwicklung. Sie ist eine wesentliche Rahmenbedingung für eine erfolgreiche Implementierung des Sächsischen Bildungsplanes als auch für die Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte.

Das jetzige System von Fachberatung ist nicht ausreichend, um den gestiegenen Beratungsbedarf abzudecken und muss den Bedarfen der Praxis angepasst werden.

Forderung zur Fachberatung

Um eine qualifizierte Fachberatung sicherzustellen, wird darauf hin gearbeitet das in Zukunft 1 Fachberater/in für maximal 30 pädagogische Mitarbeiter/innen zuständig ist. Die Anbindung an freie und öffentliche Träger wird beibehalten.

Schlusswort

Um den landesgesetzlich verankerten Sächsischen Bildungsplan in den Kindertageseinrichtungen nachhaltig zu implementieren, ist die Verbesserung des Personalschlüssels erforderlich. Nur damit wird eine kontinuierliche, von Qualität geprägte pädagogische Arbeit gemäß den Vorgaben des Sächsischen Bildungsplans möglich.

Im Ländervergleich der Fachkraft-Kind-Relationen findet sich Sachsen derzeit im letzten Viertel der Bundesländer wieder. Es ist den Kindertageseinrichtungen dauerhaft nicht möglich, unter nahezu unveränderten Rahmenbedingungen umfangreiche, zusätzliche Qualitätsstandards zu erfüllen. Frühkindliche Bildung ist immer auch an Beziehungen gebunden, die unter den jetzigen Fachkraft-Kind- Relationen nicht im notwendigen Umfang aufgebaut werden können.

Dauerhafte Verbesserungen sind ohne zusätzliche Mittel nicht zu erreichen.

Da der Freistaat Sachsen im Ländervergleich der pro Kind-Ausgaben von Land und Kommunen derzeit nur den elften Platz einnimmt, sollten hier deutliche Verbesserungen möglich sein. Da die notwendigen Veränderungen nicht in einem Schritt erfolgen können, schlägt die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege im Freistaat Sachsen einen Stufenplan vor, der sich an den jeweiligen Doppelhaushalten orientiert.

Doppelhaushalt 2011/2012
Veränderung im SächsKitaG §12

  • Personalschlüssel Kinderkrippe 1:5
  • Personalschlüssel Kindergarten 1:12
  • Personalschlüssel Hort 1:18
  • Einführung der achtstündigen Betreuungszeit als Bemessungsgrundlage

Doppelhaushalt 2013/2014 Veränderung im SächsKitaG §12

  • Personalschlüssel Kindergarten 1:11
  • Personalschlüssel Kinderkrippe 1:4
  • Personalschlüssel Hort 1:16
  • Einführung eines dichteren Netzes an Fachberatung.

Doppelhaushalt 2015/2016
Veränderung im SächsKitaG §12

  • Personalschlüssel Kindergarten 1:10
  • Veränderung des Leitungsschlüssels auf 0,01 je Platz
  • Festlegung von 20 Prozent mittelbarer pädagogischer Arbeit

"Eine Gesellschaft offenbart sich nirgendwo deutlicher als in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern umgeht." - Nelson Mandela

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