Parteiprogramm/Änderungsanträge/Einführung eines Lobbyisten-Registers

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Die Piratenpartei Deutschland fordert die Einführung eines Lobbyisten-Registers, denn ein Lobbyisten-Register in Deutschland kann Einfallstore für Korruption im Austausch zwischen Interessenvertretern/Lobbyisten und Parlamentariern sowie der Verwaltung eindämmen.

Der ständige Informationsaustausch zwischen Verbänden, Unternehmen und Interessengruppen auf der einen Seite und Politik, Parlament und Verwaltung auf der anderen Seite ist Bestandteil unseres politischen Systems und an sich nichts Negatives. Dies gilt allerdings nur, solange dieser Austausch hinreichend offen und transparent ist. Findet dieser Austausch im Dunklen statt – und dies ist in Deutschland häufig der Fall – entspricht dies nicht demokratischen Anforderungen.

Beispielsweise hat es eine ganze Weile gedauert, bis in der Öffentlichkeit deutlich wurde, dass die sogenannte „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ eine durch den Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanzierte Lobbyorganisation ist. Für Wählerinnen und Wähler ist es enttäuschend zu erleben, dass ihr Einfluss auf die Politik gegenüber dem Einfluss organisierter Wirtschaftsinteressen ständig schwindet.

Politische Willensbildung wird zu einem Großteil in informellen Netzwerken außer halb des formalen Gesetzgebungsprozesses entwickelt. Die Übersendung eines Positionspapiers an einen Abgeordneten oder die Ansprache eines Ministerialbeamten im Rahmen einer Veranstaltung sind individuell betrachtet zulässige Formen der Einflussnahme. In ihrer Summe kann sich jedoch daraus ein so engmaschiges Beziehungsnetzwerk entwickeln, dass ein vertretbares Ausmaß zulässiger Einflussnahme überschritten wird.

Der Zugang zu diesen informellen Netzwerken bestimmt wesentlich über die Ein- flussmöglichkeiten von Interessen. Die Zugangsmöglichkeiten sowie die Möglichkeit der Flankierung durch Medien- und PR-Kampagnen hängt wesentlich von den finamziellen Mitteln ab, über welche die jeweiligen Interessen, beispielsweise die Wirtschaftsverbände, verfügen. Da eine „Subventionierung“ von Interessengruppen durch den Staat an sich nicht wünschenswert ist, aber durch die Steuerabzugsfähigkeit von Aufwändungen hierfür stattfindet, sollte der konkrete Einsatz finanzieller Mittel durch Interessengruppen bei ihrer Einflussnahme auf Politik und Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein. Erfahrungen anderer Länder, z.B. aus Kanada zeigen, dass ein Lobbyisten-Register dazu ein wirksamer erster Schritt sein kann.

In den vergangenen Monaten sind die Politikerinnen und Politiker wegen Nebentätigkeiten auf der einen Seite zurecht im Blickpunkt der öffentlichen Debatte gewesen. Allerdings ist die Rolle der Lobbyisten auf der anderen Seite bisher nicht ausreichend thematisiert worden. Welche Personen, Verbände, Unternehmen und Interessengruppen mit Informationen auf gesetzliche Regelungen Einfluss nehmen, muss transparent werden.

Derzeit gibt es keine Regelungen, die Transparenz zwischen Interessenvertretern bzw. Lobbyisten und Parlament bzw. Verwaltung herstellen könnten. Wer bei uns wissen will, welche Lobbygruppe, welcher Lobbyist mit welchen Mitteln die Kontakte zu Parlamentariern und zu den Verantwortlichen der Verwaltung schafft und pflegt, muss sich sehr zeitaufwändiger journalistischer, ja kriminalistischer Recherchemethoden bedienen.

Einen systematischen Überblick wird er trotzdem nicht bekommen. Allein eine „Öffentliche Liste der registrierten Verbände und deren Vertreter“ wurde 1972 beim Deutschen Bundestag eingeführt. Weder gibt es bis heute eine Pflicht zur Registrierung auf dieser Liste, noch bietet sie ansatzweise aufschlussreiche Informationen, beispielsweise über welche finanziellen Mittel diese Verbände verfügen. Auf europäischer Ebene wird im Rahmen der „European Transparency Initiative“ (ETI) überlegt, verpflichtende Registrierungs- und Transparenzregeln für EU-Lobbyisten einzuführen.

Die Piratenpartei Deutschland unterstützt diese Überlegungen und fordert auch ein Lobbyistenregister für Deutschland.

Ein Gesetz zur Einführung eines Lobbyistenregisters ist ein wesentlicher Baustein zur Stärkung der Transparenz im Verhältnis von Politik und Wirtschaft und muss folgende Standards erfüllen:

  1. Lobbyisten haben die Pflicht, sich in ein neu zu schaffendes Register einzutragen. Als Lobbyisten gelten alle, die berufsmäßig im eigenen Interesse oder im Auftrag anderer oder ehrenamtlich wiederkehrend auf die Gesetzgebung, Verordnungsgebung, andere staatliche Direktiven Einfluss ausüben wollen und zu diesem Zweck Kontakte mit Parlamentsmitgliedern, ihren Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen, Funktionsträgern der Parteien, Regierungsmitgliedern sowie Mitgliedern der Ministerien und von Verwaltungseinrichtungen etc. suchen, herstellen und pflegen.
  2. Die registrierten Lobbyisten haben die Pflicht, ihre Aufwendungen und die Nutznießer ihrer Aufwendungen offenzulegen.
  3. Ferner sind, sofern die Lobbyisten nicht im eigenen Interesse handeln, die Auftraggeber der Lobbyisten und deren Aufwendungen anzuzeigen.Dabei muss auch ein Weg gefunden werden, Rechtsanwälte dieser Offenlegungspflicht zu unterwerfen. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht wurde nicht mit dem Zweck verankert, Auftragslobbyismus von Anwälten berufsrechtlich zu schützen.
  4. Damit Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, welche Personen, Verbände, Unternehmen und Interessengruppen auf gesetzliche Regelungen und auf behördliche Maßnahmen und Vorgehensweisen Einfluss haben und welche Informationen auf welchen Wegen wen beeinflussen können oder sollen, sind das Register und die Aufstellungen über Aufwendungen öffentlich zu machen – am besten im Internet und übersichtlich zu strukturieren.
  5. Die Verpflichtung für Lobbyisten, sich in das Register einzutragen, muss bei Fehlverhalten sanktioniert sein. Die Sanktionen müssen effektiv durchgesetzt werden könnn. Daher ist das Register durch eine Stelle mit Ombudsmann-Funktionen zu verwalten und zu kontrollieren. Deren Aufgabe ist es, Hinweise auf mögliche Verstöße entgegenzunehmen und zu prüfen, eigenständig Prüfungen durchzuführen und im Falle von fehlerhaften oder verspäteten Registrierungen oder Angaben Sanktionen zu erlassen.