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Benutzer:Janhemme/Stellungnahme-Spiegel

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Berlin – 05. April 2012

Über meine Aktivität als einfaches Mitglied der Piratenpartei

Eine Stellungnahme zum SPIEGEL-Artikel „Das Computerspiel Politik“

Am Montag dieser Woche, genauer am 02.04.2012, erschien in der Ausgabe 14/2012 des Politikmagazins DER SPIEGEL ein Artikel über den von mir entwickelten Entschließungsantrag „Datenschutzniveau des Landes Berlin durch die Novellierung der EU-Datenschutzrichtlinien erhalten und ausbauen!“

Dieser Antrag wurde am 13. Februar mit 93% Zustimmung im Berliner Landesliquid angenommen und von mir an die Berliner Abgeordnetenhausfraktion unserer Partei herangetragen. Die Fraktionsversammlung der PIRATEN gab dem Entwurf am 13. März mit der knappen Mehrheit von sechs zu fünf Stimmen in dritter Auszählung den Vorzug vor einem kurzfristig vom Abgeordneten Fabio Reinhardt eingebrachten Alternativantrag und nahm ihn schlussendlich mit zwei Enthaltungen an. In der Plenarsitzung vom 22. März wurde der Datenschutz-Antrag in einer von der Regierungsmehrheit paraphrasierten und erweiterten Version vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet.

Der SPIEGEL illustriert in seinem Artikel am Beispiel der Entwicklungsstufen des Antrages das Meinungs- und Abstimmungstool Liquid Feedback sowie die offenen Politikstrukturen der Piratenpartei und führt mich als Exempel für unseren erfolgreichen Bottom-up Politikansatz an. Die unmittelbaren Reaktionen auf den aus meiner Sicht gut recherchierten und journalistisch ebenso gut aufbereiteten Bericht fielen, zumindest in meinem näheren Umfeld, ausgesprochen positiv aus. Der Artikel zeigt auf anschauliche Weise, dass es in unserer Partei möglich ist, als engagiertes Basismitglied eine Liquid-Feedback-Initiative an parlamentarische Mandatsträger heranzutragen, in der Fraktionsversammlung selbst vorzustellen und erfolgreich zu verteidigen. Er macht deutlich, dass wir unser Versprechen von Politik als offene Plattform nicht nur propagieren, sondern entgegen anderweitiger Behauptungen auch einlösen.

Nachdem ich über ein Mitglied der Piratenfraktion von einem Redakteur des SPIEGEL angesprochen wurde, ob ich bereit sei, für einen Bericht über piratische Basispolitik am Beispiel des Datenschutzantrages zur Verfügung zu stehen, habe ich lange überlegt, ob ich mich in dieser Art und Weise innerparteilich und gegenüber der Öffentlichkeit exponieren sollte.

Leider musste ich in den letzten Tagen feststellen, dass, die Entscheidung für diesen Artikel möglicherweise ein Fehler und meine Bedenken begründet waren, denn es wird im Rahmen des aktuellen Media-Backlash versucht, die offenen Strukturen der PIRATEN zu diskreditieren. Ich soll anhand des SPIEGEL-Artikels und meiner beruflichen Tätigkeit offenbar als „Kronzeuge“ dafür herhalten.

Ich habe seit meinem Parteieintritt offen dazu gestanden, dass ich als Berater für strategische Kommunikation bei einer Agentur angestellt bin und habe meinen Beruf für jeden einsehbar auch auf meinem Wikiprofil angegeben. Auch bei meiner erfolgreichen Bewerbung um die Durchführung eines Strategieworkshops für und mit dem Bundesvorstand der PIRATEN im Januar diesen Jahres habe ich meinen beruflichen Hintergrund klar und deutlich kommuniziert. Auf Twitter, im PIRATEN-Wiki und in den Liquid-Instanzen auf Bundes- und Landesebene trete ich grundsätzlich unter meinem Klarnamen auf, da ich der Meinung bin, dass man zu den eigenen politischen Aktivitäten auch mit seinem Namen stehen sollte.

Auch gegenüber dem SPIEGEL habe ich aus meinem Beruf nie einen Hehl gemacht, und betont, dass es zur Professionalität gehört, berufliches und privates, wie z.B. das starke Engagement in einer Partei, zu trennen. Auch gegenüber meinem Arbeitgeber habe ich mich als Mitglied der Piratenpartei zu erkennen gegeben und ich möchte feststellen, dass ich aktuell keine Mandaten im Bereich Datenschutzrecht berate und dies auch in Zukunft nicht tun werde. Genauso habe ich stets deutlich gemacht, dass ich in der zweiten Jahreshälfte 2011 ehrenamtlich für die politische Kommunikation einer Berliner Bürgerinitiative gegen Fluglärm verantwortlich war, da ich in naher Zukunft an meinem Wohnort im Südosten Berlins von diesem Problem direkt betroffen sein werde.

Trotz dieser, für jeden einsehbaren und über gängige Internet-Suchmaschinen schnell auffindbaren Informationen, wurde ich nach dem Erscheinen des Artikels von einem Vertreter einer bekannten Watchdog-Organisation sowie einer Fernsehjournalistin eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders kontaktiert und mit Vorwürfen konfrontiert, ich sei ein von meinem Arbeitgeber ferngesteuerter Agent zur datenschutzrechtlichen Unterwanderung der Piratenpartei.

Diese Behauptung ist nicht nur zutiefst ehrverletzend sondern auch völlig an den Haaren herbeigezogen - insbesondere, wenn man sich ansieht, in welcher thematischen Tiefe ich mich im letzten halben Jahr für die Partei engagiert habe - sowohl in der Berliner Landesarbeitsgruppe Wirtschaft und Umwelt, im Orga-Team und in meiner Crew im Bezirk Treptow-Köpenick. Mir einen solch diabolischen Plan zuzutrauen und aus meinem Beruf zu schlussfolgern, ich ließe mich von dunklen Hintermännern für eine sinistre Aktion dieser Art instrumentalisieren, ist wahnwitzig und an Absurdität nicht zu überbieten. Es zeugt nicht nur von einem tiefen Unverständnis unserer informellen innerparteilichen Kontrollmechanismen und sozialen Prüfsummen, sondern ignoriert auch völlig, wie in unserer Partei Politik überhaupt erst entsteht. Nämlich nicht wie bei den sogenannten etablierten Parteien im Hinterzimmer, sondern kollaborativ in offenen Arbeitsgruppen und unter der Transparenz des Internets.

Auf die Gesprächsanfragen des Watchblogs und des öffentlich-rechtlichen Senders habe ich trotzdem mit Offenheit reagiert und mir die Zeit genommen, mich den Fragen zu stellen, um die Vorwürfe auszuräumen. Aus dem gleichen Grund bin ich ebenso dem Drängen des Senders nach einem TV-Interview nachgekommen und habe meine Freigabe für die Verwendung des gedrehten Materials erteilt – obwohl ich den Eindruck hatte, dass ich nach dem Ausräumen der Vorwürfe nun ersatzweise als Aufhänger für die Darstellung vermeintlich grundsätzlicher Dysfunktionalitäten im Liquid Feedback System benutzt werden soll und, dass die Gefahr besteht, dass meine Aussagen zu diesem Zweck aus dem Zusammenhang gerissen werden könnten.

Mir ist, wie den meisten PIRATEN, völlig klar, dass die Liquid Feedback Plattform weit davon entfernt ist, perfekt zu sein. Und trotzdem machen wir sie aus guten Gründen zu unserem zentralen Willensbildungstool, zumindest im Berliner Landesverband - obwohl der Beteiligungsgrad aus verschiedenen Gründen nicht so hoch ist, wie wir uns das vielleicht wünschen und obwohl wir noch keinen Kompromiss in der mit harten Bandagen geführten Auseinandersetzung um Klarnamen haben, der ein hinreichendes Schutzniveau vor Wahlcomputern und Sockenpuppen gewährleistet und mit dem eine breite Mehrheit der Partei leben kann. Eine Überhöhung dieser Probleme zu vermeintlichen Einfallstoren für eine klandestine Unterwanderung der Piratenpartei ist völlig unangemessen und sensationalistisch.

Ich möchte explizit betonen, dass mich insbesondere die Tatsache stört, dass eine Watchdog-Organisation, die sich die Förderung der Transparenz bei der Vertretung politischer Interessen auf die Fahnen schreibt, absurderweise gerade eine Person als Zielscheibe aussucht, die inhaltlich auf ihrer Seite steht, sich kritisch mit dem eigenen Berufsbild auseinandersetzt und mehrere Anträge in diesem Sinne auf Parteitagen der Piratenpartei gestellt hat – nicht zuletzt den auf der letzten Berliner LMV mit überwältigender Mehrheit angenommenen Satzungsänderungsantrag zum Verbot von Promotionsständen auf Landesmitgliederversammlungen.

Es ist in diesem Fall im übrigen bezeichnend, dass sich weder der Watchblog noch die Journalistin mit den beiden anderen am 22. März im AGH behandelten und unter meiner Federführung erarbeiteten Anträgen auseinandergesetzt haben: dem im Hauptausschuss von der Koalition in einen Prüfauftrag verwandelten Antrag zur Offenlegung der Spreepark-Verträge (im übrigen der erste Antrag, der von der Berliner Basis erfolgreich an die AGH-Fraktion herangetragen wurde) sowie dem kurzfristig aus unserem energiepolitischen Positionspapier abgeleiteten Änderungsantrag zu den Energiewende-Anträgen der Grünen.

Das ist aber auch klar, denn in diesen Fällen kann man eben nicht so schön aus der journalistischen Arbeit anderer vermeintliche Zusammenhänge konstruieren, welche plakativ die eigene Watchdog-Funktion rechtfertigen oder eine schnelle Story versprechen.