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Argumente für ein Wahlverfahren mit Kumulieren und Panaschieren

Ich möchte hier einen Text platzieren, den ich als Brief an den Verein "Mehr Demokratie e.V." geschickt hatte, als Mehr Demokratie das Volksbegehren zur Änderung des Wahlverfahrens betrieb:

»Mir erscheint das vorgeschlagene Wahlverfahren für das Abgeordnetenhaus zu umständlich und durch die nebeneinander tretenden verschiedenen Elemente des Verfahrens (Hauptstimme und Ersatzstimme, jeweils auch noch für „landesunmittelbare“ und Wahlkreismandate) zum Teil schwer verständlich. Dem angestrebten Zweck, dem Wahlbürger neben der prozentualen Einflussnahme auf das Wahlergebnis zusätzlich auch einen direkten Einfluss auf die personale Zusammensetzung des Parlaments zu verschaffen, würde für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus eine klare „Halbierung“ des vorgeschlagenen Verfahrens in gleicher Weise gerecht. Zu entscheiden wäre dann,ob das vorgeschlagene Wahlverfahren entweder auf der Ebene von Landesbewerberlisten oder aber auf der Ebene von „Mehrmandatswahlkreisen“ (vielleicht der Einfachheit halber auf der Basis von Bezirkslisten?) angewandt wird. Es sei mir gestattet, ein wenig auf die Geschichte des inzwischen bei Bundestags- und Landtagswahlen angewandten „personalisierten Verhältniswahlrechts“ einzugehen. Das reine Verhältniswahlrecht mit starren Listen erlaubt dem Wahlbürger nicht, Einfluss auf die personale Zusammensetzung des Parlaments innerhalb der einzelnen Parteien / Frraktionen zu nehmen. Mit seiner Stimme entscheidet er sich für eine Partei, deren starre Liste dadurch entsprechend den auf die Partei entfallenden Stimmenzahlen für die Mandatsverteilung herangezogen wird. Mit diesem starren „Ein-Stimmen-Wahlrecht“ wurden zunächst die meisten Landtage gewählt. Allein auf der Bundesebene gab es zusätzlich zu den Listen auch eine Wahlmöglichkeit in Wahlkreisen („personalisiertes Verhältniswahlrecht“). Das war von vornherein als „Krücke“ gedacht, um eine direktere Verbundenheit der Wahlkreis-Mandatsträger mit „ihrer“ Wahlbevölkerung zu schaffen. Die Ausdehnung dieses Wahlverfahrens auf die Landtagswahlen geschah in den siebziger und achtziger Jahren. Einen realen Einfluss auf die personale Zusammensetzung des Parlaments hatten die Wähler damit jedoch kaum. Es ergaben sich indes Komplikationen durch Überhang- und damit dann erforderliche Ausgleichsmandate, die das Verfahren zusätzlich komplizierter machten. Die Wahlverfahren in den Ländern waren zudem nicht überall einheitlich. So wurde das Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 1971 ohne jede Kandidatenliste allein auf der Basis von Wahlkreiskandidaten gewählt. Es war dennoch eine Verhältniswahl, da alle Stimmen auf der Landesebene zusammengefasst und danach die Mandatsverteilung im Abgeordnetenhaus auf die kandidierenden Parteien errechnet wurde. In weiteren Schritten wurden diese Mandate dann auf die Bezirke und die Wahlkreise umgerechnet. Auf diese Weise wurde im Wahlkreis Schöneberg Nord ein FDP-Kandidat Mitglied des Abgeordnetenhauses, der nach der „Papierform“ der vorangegangenen Wahlergebnisse eigentlich keine Chance gehabt hätte. Sein Erfolgsrezept: Intensive Mieterberatung im eigenen, sanierungsbedrohten Wahlkreis verhalf ihm zu den zusätzlich erforderlichen Stimmen. Natürlich wurde das Wahlverfahren sofort nach der Wahl geändert – zu jenem Verfahren der „personalisierten Verhältniswahl“ mit Erst- und Zweitstimmen. Im Bereich der Kommunalwahlen gibt es eine lange Tradition mit Einfluss-Möglichkeiten der Wähler auf die personale Zusammensetzung. Neben den bundesweit bekannten Wahlverfahren der bayerischen und baden-württembergischen Kommunalwahlen mit der Möglichkeit jeweils so viele Stimmen abzugeben wie Mandate für Kreistag und Stadtvertretung zu vergeben sind, gibt es aber auch einfachere Verfahren: In Niedersachsen wurden in den siebziger Jahren die Rats-Mandate in Wahlbezirken (Mehrmandatswahlkreisen) vergeben. Der Wähler konnte drei Stimmen vergeben – entweder gebündelt auf eine Parteienliste oder aber für einzelne Bewerber und das durchaus auch quer zu den Listen. Dieses ist ein relativ einfaches Verfahren, mit dem die von den Parteien vorgeschlagenen Listen im Zuge der Wahl von den Bürgern verändert werden können. Das Prinzip findet sich ein der Möglichkeit, bis zu fünf Stimmen verteilen zu können, ja auch im aktuellen Volksbegehren. Zusammenfassung: Die ursprünglich als „Personalisierungskrücke“ eingeführte Aufteilung in Listenstimmen und Wahlkreisstimmen scheint mir für ein Wahlverfahren entbehrlich, das dem Wähler die Möglichkeit zur Beeinflussung der personalen Zusammensetzung des Parlaments insgesamt verschafft. Man kann so die Hälfte des Wahlverfahrens für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus einsparen und das Verfahren dadurch entscheidend vereinfachen. Zu entscheiden bliebe danach,ob die Wahlen zum Abgeordnetenhaus mit Hilfe von Landeslisten oder aber mit Hilfe von Bezirks- oder Wahlkreislisten realisiert wird. Mir schiene ein Verfahren durchaus praktikabel, das allein auf der Basis von Bezirks- oder Wahlkreislisten realisiert wird, wenn wie beim 1971-er Wahlverfahren die Mandatsverteilung zum Abgeordnetenhaus auf der Grundlage aller in Berlin abgegebener Stimmen für die jeweiligen Parteien ausgezählt wird.« --etz 08:05, 6. Jul. 2010 (CEST)