Benutzer:Twix/Ueber die Pflicht

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Anmerkung: Das kam über eine ML, ich bin nicht der Autor --Twix 22:01, 5. Jun. 2010 (CEST)


Ahoi Piraten,

ich habe mir kürzlich das Buch "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat" von H.D. Thoreau gekauft. Leider hat das Buch mir nur ca. 90 Minuten Freude bereitet, denn dann hatte ich das Buch bereits gelesen. Kosten: ca. 14,00 Euro

Nun denke ich aber, dass der Inhalt dieses Buches wirklich sehr lesenswert ist und ich diesen mit euch teilen möchte... deswegen habe ich mir die Arbeit gemacht das Buch abzutippen (habe nur einen Billigscanner) und stelle es hiermit jedem zur Verfügung. Natürlich passieren beim abtippen immer Fehler... deswegen bitte ich euch mich auf diese hinzuweisen.


PS: moralische Bedenken bezüglich Urheberrecht habe ich keine, da der Autor bereits seit 1862 verstorben ist.


Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat von H.D. Thoreau


Ich habe mir den Wahlspruch zu eigen gemacht:”Die beste Regierung ist die, welche am wenigsten regiert”; und ich sähe gerne, wenn schneller und gründlicher nach ihm gehandelt würde. Wenn er verwirklicht wird. Dann läuft es auf dies hinaus - und daran glaube ich auch: “Die beste Regierung ist die, welche gar nicht regiert”; und wenn die Menschen einmal reif dafür sein werden, wird dies die Form der Regierung sein. Eine Regierung ist bestenfalls ein nützliches Instrument; aber die meisten Regierungen sind immer – und alle sind manchmal – unnütz. Die Einwände, die man gegen ein stehendes Heer vorgebracht hat – und davon gibt es viele und gewichtige die sich durchsetzen sollten-, können letzlich auch gegen eine ständige Regierung erhoben werden. Das stehende Heer ist doch nur ein Arm der ständigen Regierung. Diese Regierung aber, die nichts weiter als die Form ist, welche das Volk zur Ausführung seines Willens gewählt hat, kann leicht missbraucht und verdorben werden, bevor das Volk Einfluß darauf nehmen kann. Der Krieg in Mexiko beweist es, das Werk einer vergleichsweise geringen Zahl von einzelnen, welche die ständige Regierung als Werkzeug benutzen: Das Volk hätte dieser Maßname von vornherein nicht zugestimmt.

Was ist die amerikanische Regierung anderes als eine Tradition – wenn auch eine recht junge -, die dannach strebt, sich selbst ohne Machteinbuße für die Nachwelt zu erhalten, die dabei aber in jedem Augenblick mehr von ihrer Glaubwürdigkeit verliert? Sie hat ja nicht einmal die Lebenskraft und Energie eines einzigen Mannes, denn ein einzelner kann sie nach seinem Willen zurechtbiegen. Sie ist eine Art Holzgewehr für das Volk; wenn man es tatsächlich zum Schießen verwenden wollte – es würde ganz sicher bersten. Deshalb ist sie aber nicht weniger notwendig; die Leute brauchen einfach irgendeine umständliche Maschine, sie wollen ihren Lärm hören, um die Vorstellung zu befriedigen, die sie von einer Regierung haben. Regierungen führen uns also vor, wie leicht man die Menschen betrügen kann, ja, wie sie sich sogar selbst betrügen – und zwar zu ihrem eigenen Vorteil. Wir müssen zugeben: es ist eindrucksvoll. Nur, von sich aus hat die Regierung noch nie irgendeine Unternehmung gefördert, höchtens durch die Behendigkeit, mit der sie ihr aus dem Weg gegangen ist. Sie bewahrt nicht die Freiheit des Landes. Sie besiedelt den Westen nicht. Sie erzieht nicht. Alles was erreicht wurde, verdanken wir unserem ureigenen Charakter des amerikanischen Volkes; und der würde mehr ausgerichtet haben, wenn die Regierung nicht so oft im Wege gestanden hätte. Denn die Regierung ist ein Istrument, mit dessen Hilfe sich die Menschen endlich gegenseitig in Ruhe lassen könnten; und sie ist, wie gesagt, um so nützlicher, je mehr die Regierten von ihr in Ruhe gelassen werden. Wenn sie nicht aus Gummi wären, könnten Handel und Wirtschaft niemals die Hindernisse überspringen, welche die Gesetzgeber ihnen unaufhörlich in den Weg legen. Wenn man diese Leute nur nach den Auswirkungen ihres Handelns und nicht teilweise auch nach ihren Absichten beurteilte, dann verdienten sie, zusammen mit jenem Gesindel eingestuft und bestraft zu werden, welches Hindernisse auf Eisenbahnschienen legt.

Ich will sachlich reden und nicht wie die Leute, die sich gegen jegliche Regierung aussprechen. Ich sage nicht: von jetzt an keine Regierung mehr, sondern: von jetzt an eine bessere Regierung. Jedermann soll erklären, von welcher Art von Regierung er Achtung haben könnte, und das wird ein Schritt auf dem Weg zu ihr sein.

Der praktische Grund, warum die Mehrheit regieren und für längere Zeit an der Regierung bleiben darf, wenn das Volk die Macht hat, ist schließlich nicht, dass die Mehrheit gegenüber fair ist, sondern ganz einfach, dass sie physisch am stärksten ist. Aber eine Regierung, in der die Mehrheit in jedem Fall den Ausschlag gibt, kann nicht auf Gerechtigkeit gegründet sein, nicht einmal soweit Menschen die Gerechtigkeit verstehen. Könnte es nicht eine Regierung geben, in der nicht die Mehrheit über falsch und richtig befindet, sondern das Gewissen? - in der die Mehrheit nur solche Fragen entscheidet, für die das Gebot der Nützlichkeit gilt? Muss der Bürger auch nur einen Augenblick, auch nur ein wenig, sein Gewissen dem Gesetzgeber überlassen? Wozu hat denn jeder Mensch ein Gewissen? Ich finde, wir sollten erst Menschen sein und danach Untertanen. Man sollte nicht den Respekt vor dem Gesetz pflegen sondern vor der Gerechtigkeit. Nur eine einzige Verpflichtung bin ich berechtigt einzugehen, und das ist, jederzeit zu tun, was mir recht erscheint. Man sagt, dass vereinte Masse kein Gewissen hat – und das ist nur zu wahr; gewissenhafte Menschen aber verbinden sich zu einer Vereinigung mit Gewissen. Das Gesetz hat die Menschen nicht um ein Jota gerechter gemacht, gerade durch ihren Respekt vor ihm werden auch die Wohlgesinnten jeden Tag zu Handlangern des Unrechts. Ein allgemeines und natürliches Ergebnis dieses ungebührlichen Respekts vor dem Gesetz sieht man zum Beispiel in einer Kolonne von Soldaten: Oberst, Hauptmann, Korporal, Gemeine, Pulverjungen und alles, wie sie in bewundernswerter Ordnung über Berg und Tal in den Krieg marschieren, wieder ihren Willen, ja wieder ihren gesunden Menschenverstand und ihr Gewissen - weshalb es ein recht anstrengender Marsch wird und beträchtliches Herzklopfen verursacht. Sie zweifeln nicht daran, dass es ein verdammenswertes Geschäft ist, mit dem sie sich da befassen; sie möchten alle friedlich sein. Aber was sind sie denn eigentlich? Sind sie überhaupt Männer, oder kleine bewegliche Verschanzungen und Waffenlager, und irgendeinem skrupellosen Menschen, der gerade an der Macht ist, zu Diensten? Geht doch einmal zu einem Kriegshafen und seht euch einen Matrosen an, eine Art Mensch, wie nur die amerikanische Regierung sie zustande bringt. Ein Ding, dass sie mit ihren bösen Künsten aus einem Menschen gemacht hat - es ist nur noch ein Schatten und eine schwache Erinnerung von Menschentum, ein Mann, lebendig aufgebahrt und aufrecht, doch sozusagen schon unter Waffen begraben und von einem Leichenzug begleitet, obgleich es auch noch anders sein kann:

“Kein Begräbniss, kein Trommelgruß, Als wir seinen Leichnam zu den Wällen trugen. Kein Soldat gab einen Abschiedsschuss Über dem Grab, in das wir unsern Helden legten.”


Die Mehrzahl der Menschen dient dem Staat mit ihren Körpern; nicht als Menschen, sondern als Maschinen. Sie bilden das stehende Heer und die Miliz, die Gefängniswärter, die Konstabler, Gendarmen etc. In den meisten Fällen bleibt da kein Raum mehr für eigenes Urteil oder moralisches Gefühl; sie stehen auf derselben Stufe wie Holz und Steine; vielleicht könnte man Holzmänner herstellen, die ebenso zweckdienlich wären. Solche Wesen flößen nicht mehr Achtung ein als Strohpuppen oder ein Dreckklumpen. Sie sind nicht mehr wert als Pferde oder Hunde. Und doch hält man solche Menschen gewöhnlich sogar für gute Bürger. Andere, wie die meisten Gesetzgeber, Politiker, Advokaten, Pfarrer und Würdenträger, dienen dem Staat vor allem mit Ihren Köpfen; doch weil sie selten moralische Urteile fällen, könnten sie – ohne es zu wollen – ebensowohl dem Teufel dienen wie Gott. Nur wenige Helden, Patrioten, Märtyrer, wirkliche Reformer und Menschen dienem dem Staat auch mit dem Gewissen, weshalb sie sich ihm oft widersetzen müssen; sie werden gewöhnlich von ihm als Feinde behandelt. Ein Weiser wird immer nur als Mensch dienlich sein wollen, er wird sich nicht dazu hergeben, “Lehm” zu sein, um ein Loch zu stopfen, um den Wind abzuhalten, sondern er wird diese Aufgabe dem Staub überlassen:



“Zu hoch ist jeder Mensch geboren, um jemals Eigentum, der zweite nur zu sein am Steuer, nützlicher Dienstmann und Werkzeug für irgendeine Macht auf dieser Erde.“


Wer sich ganz den Mitmenschen hingibt, erscheint ihnen nutzlos und selbstsüchtig; wer sich aber nur zum Teil gibt, wird zum Wohltäter und Menschenfreund erklärt. Wie also soll man sich heutzutage zu dieser amerikanischen Regierung verhalten? Ich antworte, dass man sich nicht ohne Schande mit ihr einlassen kann. Nicht für einen Augenblick kann ich eine politische Einrichtung als meine Regierung anerkennen, die zugleich auch die Regierung von Sklaven ist. Alle Menschen bekennen sich zum Recht auf Revolution; dass heißt zu dem Recht, der Regierung die Gefolgschaft zu verweigern und ihr zu widerstehen, wenn ihre Tyrannei oder ihre Untüchtigkeit zu groß und unerträglich wird. Aber fast alle sagen, das sei jetzt nicht der Fall. Wohl aber glauben sie, während der Revolution von 1775 sei es der Fall gewesen. Wenn mir jetzt jemand damit käme, unsere Regierung sei schlecht, weil sie gewisse ausländische Waren besteuerte , die in Ihre Häfen gebracht worden sind, dann würde ich kein großes Lamento darüber anstimmen, denn ich kann ohne diese Waren auskommen. Alle Maschinen haben eine gewisse Trägheit, und diese leistet vielleicht auch genug Gutes, um das Schlechte aufzuwiegen. Auf jeden Fall ist es ein großer Fehler, deshalb solchen Lärm zu schlagen. Wenn aber die Trägheit einen eigenen Apparat erhält, wenn Unterdrückung und Raub organisiert werden, dann sag ich: Wir wollen einen solch Apparat nun nicht länger dulden. Mit anderen Worten, wenn ein sechstel der Bevölkerung einer Nation, die sich selbst zu einer Zuflucht der Freiheit gemacht hat, versklavt ist und wenn ein ganzes Land widerrechtlich überrannt, von einer fremden Armee erobert und dem Kriegsrecht unterworfen wird, dann, meine ich, ist es nicht zu früh für ehrliche Leute, aufzustehen und zu rebellieren. Und es wird nur noch dringender zur Pflicht durch die Tatsache , dass es nicht unser Land ist, welches man derart überrannt hat, sondern, dass es unsere Armee ist die dort einfällt.

Paley, eine bekannte Autorität für Fragen der Moral, führt in seinem Kapitel über die “Pflicht zu Unterwerfung unter die Staatsgewalt” alle Bürgerpflicht auf die zweckmäßigkeit zurück; dann fährt er mit den Worten fort: “Solange das Interesse des Ganzen es erfordert, das heißt, solange wie man sich der bestehenden Regierung nicht widersetzen oder sie ohne allgemeine Unbequemlichkeit verändern kann, ist es Gottes Wille, dass man der bestehenden Regierung gehorcht – und nicht länger. Folgt man diesem Prinzip, dann kann man die Berechtigung jedes einzelnen Falles von Widerstand ermitteln: die Größe der Gefahr und des Ärgernisses auf der einen, die Erfolgschancen und die Kosten auf der anderen Seite der Abrechnung. Er sagt, darüber solle jedermann selbst urteilen. Aber Paley hat anscheinend niemals über die Fälle nachgedacht, auf die man das Gesetz der Zweckmäßigkeit nicht anwenden kann, die Fälle, in denen ein Volk, ebenso wie der Einzelmensch, Gerechtigkeit üben muss, koste es, was es wolle. Wenn ich einem Ertrinkendem das Holzbrett entrissen habe, mit dem er sich über Wasser gehalten hat, dann muss ich es ihm zurückgeben, und wenn ich dabei selbst ertrinke!!! Paley zufolge wäre das unangemessen. Wer aber in solcher Lage sein Leben rettet, der wird es verlieren. Dieses Volk muss aufhören, Sklaven zu halten und in Mexiko Krieg zu führen, und wenn es seine Existenz als Volk kosten würde. In der Praxis verfahren die Nationen nach Paleys Rezept, glaubt aber jemand, dass Masachusetts in der gegenwärtigen Krise das Richtige tut?

“Ein miserables Land, eine rechte Talmi-Schlampe Lässt sich die Schleppe tragen, und die Seele schleift im Schmutz.”


Die Gegner einer Reform in Massachusetts sind in Wirklichkeit nicht hunderttausende Politiker im Süden, sondern hunderttausend Krämer und Bauern bei uns, die sich mehr für Handel und Landwirtschaft interessieren als für die Menschlichkeit und die nicht bereit sind, den Sklaven und dem Lande Mexiko Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, koste es, was es wolle. Ich kämpfe nicht gegen Feinde an, die weit weg sind, sondern gegen die Feinde hier, in der Nähe, die mit denen im Süden zusammenarbeiten, gegen ihre Fürsprecher, ohne die sie machtlos wären. Wir sagen gewöhnlich, die Masse der Menschen sei unreif; aber dieser Zustand bessert sich nur deshalb so langsam, weil die “wenigen” nicht wesentlich besser oder klüger sind als die “vielen”. Es ist nicht so wichtig, dass die große Menge ebenso gut ist wie ihr, sondern dass es überhaupt irgendwo vollkommene Güte gibt; denn schon ein bisschen Hefe wird den Teig aufgehen lassen. Es gibt Tausende, die im Prinzip gegen Krieg und Sklaverei sind und die doch praktisch nichts unternehmen, um sie zu beseitigen; die sich auf den Spuren Washingtons oder Franklins glauben und zugleich ruhig sitzen bleiben, die Hände in den Taschen; sie sagen, sie wüßten nicht, was zu tun sei, und tun eben auch nichts; Menschen, für die die Frage der Freiheit hinter der des Freihandels zurücktritt und die nach dem Essen in aller Ruhe die Tagespreise zugleich mit den letzten Nachrichten aus Mexiko lesen und vielleicht über dieser Lektüre einschlafen. Wie hoch steht heute wohl der Tagespreis für einen Ehrenmann? Sie zögern, sie bedauern, und manchmal unterschreiben sie auch Bittschriften, aber sie tun nichts ernsthaft und wirkungsvoll. Sie warten -wohlsituiert-, dass andere den Missstand abstellen, damit sie nicht mehr daran Anstoß nehmen müssen. Höchstens geben sie ihre Stimme zur Wahl, das kostet nicht viel, und der Gerechtigkeit geben sie ein schwaches Kopfnicken und die besten Wünsche mit auf den Weg, während sie an ihnen vorübergeht. Es gibt neunhundertneunundneunzig Tugendwächter auf einen tugendhaften Mann. Aber es ist besser, mit dem wirklichen Besitzer einer Sache zu verhandeln als mit ihrem zeitweiligen Hüter.

Alle Wahlen sind eine Art Spiel, wie Schach oder Backgammon, nur mit einem winzigen moralischen Beigeschmack, ein Spiel um Recht und Unrecht, um moralische Probleme; natürlich setzt man auch Wetten darauf. Doch für den wähler steht nichts auf dem Spiel. Ich wähle so, wie es mir eben recht erscheint; ich versteife mich nicht darauf, dass die Billigkeit sich dabei durchsetzt. Das überlasse ich gerne der Mehrheit. Die Verpflichtung geht hier nicht über die Zweckmäßigkeit hinaus. Auch für Rechte stimmen heißt nichts dafür tun. Allenfalls gibt man den Menschen sanft zu verstehen, man wünsche, es möge sich durchsetzen. Ein kluger Mensch wird die Gerechtigkeit nicht der Gnade des Zufalls überlassen, er wird auch nciht wollen, dass sie durch die Macht der Mehrheit wirksam werde. Denn in den Handlungen von Menschenmassen ist die Tugend selten zu Hause. Wenn die Mehrheit schließlich für die Beseitigung der Sklaverei stimmen wird, dann ohne Anteilnahme oder deshalb, weil es dann kaum noch Sklaverei geben wird, die durch ihre Stimme beseitigt werden kann. Sie werden dann die einzigen Sklaven sein. Nur wer seine Stimme als Ausdruck seiner eigenen Freiheit begreift, kann mit dieser Stimme die Befreiung der Sklaven beschleunigen.

Ich hörte, dass man in Baltimore oder sonstwo eine Versammlung abhalten will, um den Präsidentschaftskandidaten zu wählen; es ist eine Versammlung vor allem von Journalisten und Berufspolitikern; aber was bedeutet schon ihre Entscheidung für einen unabhängigen, intelligenten und achtbaren Menschen? Sollten wir nicht wenigstens die Vorzüge der Weisheit und Ehrlichkeit genießen? Können wir nicht auch auf einige Unabhängige Wahlstimmen rechnen? Gibts es in diesem Land nicht viele, die den Versammlungen gar nicht beiwohnen? Aber nein: ich sehe schon, dass der sogenannte Ehrenmann eiligst von seiner bisherigen Haltung abrückt und an seinem Land zweifelt, obwohl das Land mehr Grund hat, an ihm zu verzweifeln. Und gleich erklärt er sich für den derart gewählten Kandidaten – dieser sei nämlich der einzig verfügbare – und beweist damit, dass er selbst für alle demagogischen Zwecke verfügbar ist. Seine Stimme hat nicht mehr Wert als die eines Fremden, der mit unseren Grundsätzen nicht vertraut ist, oder die eines eingeborenen Söldners, den man gekauft hat. Denn ein Mann, der wirklich einer ist, hat ein Rückrat, durch das man – wie mein Nachbar es sagt – nicht seine Hand stecken kann! Es stimmt etwas nicht mit unseren Statistiken: die Bevölkerungszahl, welche sie angeben, ist zu hoch. Wie viele Männer gibt es wirklich in diesem Land auf tausend Meilen im Quadrat? Kaum einen. Hat Amerika etwas zu bieten für Männer, die sich hier niederlassen wollen? Der Amerikaner hat sich zu einem”Odd Fellow” zurückentwickelt, den man an seinem ausgeprägten Herdentrieb, seinen Mangel an Verstand und seiner fröhlichen Selbstgefälligkeit erkennen wird; wenn er in diese Welt tritt, ist sein ersten Hauptanliegen, ob die Armenhäuser auch in gutem Zustand sind, und, bevor er alt genug ist, um Männerkleidung zu tragen, einen Fonds zur Unterstützung von Witwen und Waisen zu sammeln. Kurz, der es nur mit Hilfe einer Versicherungsgesellschaft zu leben riskiert, die ihm ein anständiges Begräbnis versprochen hat. Der Mensch ist nicht unbedingt verpflichtet, sich der Austilgung des Unrechts zu widmen, und sei es noch so monströs. Er kann sich auch anderen Angelegenheiten mit Anstand widmen; aber zum mindesten ist es seine Pflicht, sich nicht mit dem Unrecht einzulassen, und wenn er schon keinen Gedanken daran wenden will, doch wenigstens nicht praktisch zu unterstützen. Wenn ich mich mit anderen Gegenständen und Betrachtungen befassen will, dann muss ich mindestens darauf achten, dass auch er seinen Belangen nachgehen kann. Aber seht nur, welche Inkonsequenz man hinnimmt. Ich hörte, wie zwei Mitbürger miteinander sprachen: “Sie sollen nur kommen und mir befehlen, den Sklavenaufstand zu unterdrücken oder gegen Mexiko zu marschieren – und wir werden ja sehen, ob ich es täte!” Und diese Leute haben doch gerade selbst für Ersatz gesorgt, unmittelbar, indem sie damit einverstanden sind, dass es geschieht, und mittelbar durch ihr Geld. Dem Soldaten, der sich weigert, in einen ungerechten Krieg zu ziehen, spenden dieselben Leute Beifall, die sich nicht weigern, die ungerechte Regierung zu stützen, die diesen Krieg führt; es sind dieselben Leute, deren Handlungen und Auftrag der Soldat ignoriert und für nichtig erklärt; es ist gerade, als ob der Staat so reuig sei, dass er jemanden bestellt, der ihn geißeln soll, wenn er sündigt, doch so reuig auch wieder nicht, dass er auch nur einen Augenblick damit aufhörte. So bringt man uns im Namen der Ordnung und der Zivilisation dazu, uns schließlich unserer eigenen Bösartigkeit zu beugen und sie zu unterstützen. Aus das erste Erröten vor der Sünde folgt Gleichgültigkeit; war sie zuerst unmoralisch, so wird sie nun amoralisch, und das ist nicht einmal so abwegig bei dem Leben, das wir uns eingerichtet haben.

Um einen allgemeinen und weitverbreiteten Irrtum aufrechtzuerhalten, bedarf es der selbstlosen Tugend. Dem kleinen Fehler, welcher der Tugend des Patriotismus anhaftet, verfallen gerade die Edlen am leichtesten. Diejenigen, die zwar Einstellungen und Maßnahmen der Regierung mißbilligen, ihr aber loyale Gefolgschaft gewähren, sind zweifellos ihre gewissenhaftesten Unterstützer – und sie bilden die ernstesten Hindernisse für Reformen. Einige verlangen in Bittschriften vom Staat, er möge doch die Union auflösen und die Anordnungen des Präsidenten mißachten. Warum lösen sie sie nicht selber auf? Nämlich die Union zwischen sich selbst und dem Staat, und warum weigern sie sich nicht, ihren Anteil in den Staatsschatz zu zahlen? Stehen sie denn zu ihrem Staat nicht in demselben Verhältnis, in dem der Staat zur Union steht? Und haben nicht den Staat die gleichen Gründe daran gehindert, sich der Union zu widersetzen?

Wie kann sich jemand nur damit zufrieden geben, dass er eine Meinung hat! Was für eine Genugtuung liegt darin, wenn es seine Meinung ist, dass er bedrückt sei? Wenn dein Nachbar dich auch nur um einen Dollar betrügt, dann genügt es dir nicht zu wissen, dass du betrogen worden bist, und auch nicht ihm eine Bittschrift zuzustellen, er möge dir die Schuld zurückzahlen; vielmehr wirst du sofort wirksame Schritte unternehmen, um die ganze Summe zurückzubekommen und sicherstellen, dass du nicht wieder betrogen werden wirst. Wer nach nach Grundsätzen handelt, das Recht wahrnimmt und es in Taten umsetzt, verändert die Dinge und Verhältnisse; dies ist das Wesen des Revolutionären, es gibt sich nicht mit dem vergangenen Zuständen zufrieden. Es trennt nicht nur Staaten und Kirchen, es spaltet Familien. Ja, es spaltet den Einzelmenschen, indem es das Teuflische in ihm von dem Göttlichen scheidet.

Es gibt ungerechte Gesetze: Sollen wir uns damit bescheiden, ihnen zu gerhorchen, oder sollen wir es auf uns nehmen, sie zu bessern, und ihnen nur so lange gehorchen, bis wir das erreicht haben, oder sollen wir sie vielleicht sofort übertreten? Die Leute glauben im allgemeinen, unter einer Regierung, wie wir sie jetzt haben, sollten sie warten, bis sie die Mehrheit zu den Änderungen überredet haben. Wenn sie Widerstand leisteten, so glauben sie, wäre die Kur schlimmer als die Krankheit. Aber es ist die Regierung, die allein schuld hat, dass die Kur tatsächlich schlimmer als die Krankheit ist. Sie macht sie schlimmer. Warum tut sie nicht mehr dafür, Reformen vorzusehenund einzuleiten? Warum achtet sie nicht auf ihre verständige Minderheit? Warum muss sie lärmen und sich sträuben, bevor sie noch Schaden gelitten hat? Warum ermutigt sie die Bürger nicht, wachsam zu sein und ihre Fehler anzuzeigen und ihr damit Besseres zu tun, als an ihnen getan wurde? Warum wird Christus immer aufs neue gekreuzigt, werden Kopernikus und Luther exkommuniziert und Washington und Franklin noch immer zu Rebellen erklärt?

Es scheint, dass eine bewußte und aktive Verleugnung ihrer Staatsgewalt der einzige Angriff ist, auf den Regierungen nicht gefaßt ist; oder warum hat sie dafür keine angemessene Strafe eingeführt? Wenn jemand, der nichts besitzt, sich nur einmal weigert, für den Staat neun Schillinge zu verdienen, steckt man ihn dafür für eine Zeit ins Gefängnis, die durch kein mir bekanntes Gesetz befristet und nur nach dem Ermessen derer begrenzt wird, die ihn da hingebracht haben; hätte er aber neunzig mal neun Schillinge vom Staat gestohlen, dann wäre er bald wieder auf freien Fuß. Wenn die Ungerechtigkeit nur eine unvermeidliche Folge der Trägheit der Regierungsmaschine ist, dann laßt es in Gottes Namen dabei: Irgendwann wird sich das einspielen – auf jeden Fall wird die Maschine ausleiern. Wenn die Ungerechtigkeit einen Ursprung hat, eine Feder oder einen Übertragungsriemen oder eine Kurbel, wovon sie ausschließlich herstammt, dann kann man vielleicht erwägen, ob die Kur möglicherweise schlimmer als das Übel; wen aber das Gesetz so beschaffen ist, dass es dich zwingt, einem anderen Unrecht anzutun, dann, sage ich, brich das Gesetz. Mach dein Leben zu einem Gegengewicht, um die Maschine aufzuhalten. Jedenfalls muss ich zusehen, dass ich mich nicht zu dem Unrecht hergebe, das ich verdamme.

Was die Auswege angeht, welche der Staat angeblich bietet, um das Übel zu heilen, so kenne ich keine. Sie sind zu langwierig, und ein Menschenleben ginge darüber hin. Ich habe schließlich andere Angelegenheiten, um die ich mich kümmern muss. Ich bin in diese Welt gekommen, um darin zu leben, ob nun schlecht oder recht, aber nicht unbedingt um sie zu verbessern, dass man gut darin lebt. Ein Mensch soll nicht alles tun, sondern etwas; und weil er nicht alles tun kann, soll er nicht ausgerechnet etwas unrechtes tun. Meine Sache ist es nicht, mehr Bittschriften an den Gouverneur oder an den Gesetzgeber zu richten als sie an mich; und wenn sie dann meine Bitten gar nicht anhören wollten, was sollte ich dann tun? Für einen solchen Fall hat der Staat eben keine Abhilfe vorgesehen; der Fehler liegt in der Verfassung selbst. Vielleicht scheint dies schroff, stur und unnachgiebig; aber ich kann verlangen, dass man dieser Haltung mit der größtmöglichen Achtung und dem größtmöglichen Verständnis begegnet, sie verdient es. Jede Wende zum besseren erschüttert den Körper in Krämpfen wie Geburt und Tod. Ohne zu zögern, sage ich, dass die, welche sich Abolitionisten nennen, unverzüglich und umfassend der Regierung von Massachusetts ihre Unterstützung versagen sollen, sowohl mit ihrer Person wie mit ihrem Eigentum, und dass sie nicht warten sollen, bis sie eine Mehrheit von einer Stimme haben, damit das Recht durch die Oberhand gewinnt. Ich finde, es reicht, wenn sie Gott auf ihrer Seite haben, auf den anderen brauchen sie nicht zu warten. Im übrigen bildet jeder, der mehr im Recht ist als seine Nachbarn, schon eine Mehrheit von einer Stimme. Ich begegne dieser amerikanischen Regierung, oder vielmehr ihrer Vertretung, der Regierung dieses Bundesstaates, einmal im Jahr – unmittelbar, Auge in Auge -, und zwar in der Person des Steuereinnehmers; das ist die einzige Art und Weise, in der jemand in meiner Lage ihr unweigerlich begegnet; und dann sagt sie klar und deutlich: Erkenne mich an. Nun, dann ist die einfachste, wirkungsvollste und- so wie die Dinge jetzt liegen- unumgänglichste Methode des Verkehrs mit ihr, durch welche ich zugleich auch meine Unzufriedenheit und meine Zuneigung ausdrücke: ihr diese Anerkennung zu versagen. Der Mann, mit dem ich zu verhandeln habe, mein guter Nachbar, der Steuereinnehmer- schließlich streite ich doch mit Menschen und nicht mit Papier-, er ist freiwillig ein Organ der Regierung geworden. Wie soll er je erfahren, was er darstellt und was er als Beamter der Regierung tun muss, oder vielleicht auch als Mensch, solange er nicht zu der Entscheidung gezwungen ist, ob er mich, seinen achtbaren Nachbarn, auch als Nachbarn und ordentlichen Menschen behandeln soll oder als einen Verrückten und Friedensstörer, und solange er sich nit bemühen muss, mich über solche Hindernisse hinweg gutnachbarlich zu behandeln, ohne sein Tun mit unnötig rauhen und heftigen Gedanken und Worten zu begleiten? Ich weiß ganz genau, wenn nur tausend Menschen, hundert, zehn, ja sogar nur ein einziger Ehrenmann im Staate Massachusetts, weil er keine Sklaven mehr halten will, nicht mehr an dieser Gemeinschaft teilhaben wollte und dafür ins Gefängnis gesperrt würde: Es wäre das Ende der Sklaverei in Amerika. Denn es spielt keine Rolle, wie gering die Anfänge zu sein scheinen: Was einmal wohlgetan ist, ist für immer getan. Aber wir reden lieber darüber; wir sagen, das sei unsere Aufgabe. Im Dienst der Reform stehen Dutzende von Zeitungen, aber keine einziger Mensch. Wenn mein werter Nachbar, der Abgesante des Staates, der, wie er sagt, seine Tage mit der Erörterung der Menschenrechte in der beratenden Versammlung zubringen möchte, einmal in Massachusetts gefangen säße, nicht irgendwo in Carolina bloß mit Gefängnis bedroht wäre, dann würden die Abgeordneten diesen Winter die Angelegenheit wohl nicht links liegenlassen. Wohlgemerkt: hier in Massachusetts, jenem Staat, der so gerne seinem Bruderstaat die Sklaverei vorwirft, obgleich man als Streitgrund nicht mehr entdecken kann als einen Mangel an Gastfreundschaft.

Unter einer Regierung, die irgend jemanden unrechtmäßig einsperrt, ist das Gefängnis der angemessene Platz für einen rechtschaffenen Menschen. Der rechte Platz, der einzige, den Massachusetts seinen freieren und weniger kleinmütigen Geistern anzubieten hat, ist eben das Gefängnis, wo sie von Staates wegen ausgesetzt und ausgeschlossen werden, nachdem die sich durch ihre Grundsätze schon selbst ausgeschlossen haben. Der entflohene Sklave, der auf Bewährung entlassene mexikanische Kriegsgefangene und der Indianer mit seinen Anklagen gegen das Unrecht, das man seinem Stamm zugefügt: nur hier sollen sie ihn finden, im Gefängnis; auf diesem abgeschiedenen, aber freieren und ehrbareren Boden, wo der Staat jene hinbringt, die nicht mit ihm, sondern gegen ihn sind – es ist das einzige Haus in einem Sklavenstaat, das ein freier Mann in Ehren bewohnen kann. Vielleicht glauben manche, dass sie dort ihren Einfluss verlieren, dass ihre Stimme das Ohr des Staates nicht mehr erreicht, sie glauben, dass ihre Gefangenschaft innerhalb dieser Mauwern unwirksam wäre – aber sie wissen nicht, um wieviel die Wahrheit stärker ist als der Irrtum und wieviel überzeugender und wirkungsvoller sie die Ungerechtigkeit bekämpfen können, wenn sie sie nur ein bisschen an sich selbst erfahren haben. Lege in deine Stimme dein ganzes Gewicht, wirf nicht nur einen Papierzettel, sondern deinen ganzen Einfluß in die Waagschale. Eine Minderheit ist machtlos, wenn sie sich der Mehrheit anpasst; sie ist dann noch nicht einmal eine Minderheit, unwiderstehlich aber ist sie, wenn sie ihr ganzes Gewicht einsetzt. Vor der Wahl, ob er alle anständigen Menschen im Gefängnis halten oder Krieg und Sklaverei aufegeb soll, wird der Staat mit seiner Antwort nicht zögern. Wenn tausend Menschen dieses Jahr keine Steuern bezahlen würden, so wäre das kein blutiger Akt – das wäre es nur, wenn sie ihre Steuern zahlten und damit dem Staat erlauben, Brutalitäten zu begehen und unschuldiges Blut zu vergießen. Das erstere ist, was wir unter einer friedlichen Revolution verstehen – soweit sie möglich ist. Wenn nun aber – wie es geschehen ist – der Steuereinnehmer oder irgendein anderer Beamter mich fragt: “Was soll ich aber jetzt tun?” so ist meine Antwort: “Wenn du wirklich etwas tun willst, dann lege dein Amt nieder.” Wenn einmal der Untertan den Gehorsam verweigert und der Beamte sein Amt niedergelegt hat, dann hat die Revolution ihr Ziel erreicht. Doch nehmen wir ruhig an, dass dabei auch Blut vergossen werden müsste. Wird denn nicht gewissermasßen auch Blut vergossen wenn das Gewissen verletzt wird? Durch diese Wunde fließt das wahre Menschentum eines Mannes und seine Unsterblichkeit, und er verblutet zu immerwährendem Tod. Heute sehe ich dieses Blut fließen.

Ich habe gefunden, dass man den Gesetzesbrecher lieber einsperrt, anstatt seinen Besitz zu beschlagnahmen – obgleich sonst beides des Strafzweck erfüllt -, weil diejenigen, welche am striktesten auf dem Recht bestehen und daher für einen verdorbenen Staat die größte Gefahr darstellen, sich meistens nicht viel Zeit zur Nasammlung von Besitztümern genommen haben. Der Staat ist für solche Menschen nur von geringem Nutzen, selbst eine bescheidene Steuer wird da schon übertrieben scheinen, besonders, wenn sie gezwungen sind, sie eigenhändig zu verdienen. Gäbe es jemanden, der gänzlich ohne Geld auskäme, sogar der Staat würde zögern welches von ihm zu verlangen. Aber der Reiche hat sich – ohne dass ich besonders neidisch wäre – immer an die Institution verkauft, die ihn reich macht. Um es überspitzt auszudrücken: je mehr Geld, desto weniger Anstand; denn das Geld tritt zwischen den Menschen und die gewünschten Gegenstände, und es erwirbt sie an seine Statt; und es war sicherlich keine große Tugend, Geld zu erwerben. Geld erstickt viele Fragen im Keim, die sonst unangenehme Antworten gefordert hätten; die einzige neue Frage, die es aufwirft, ist, wie man es ausgeben soll. So wird dem Reichen der moralische Boden unter den Füßen weggezogen. Die Möglichkeiten zu leben verringern sich in dem Maße, in dem Maße, in dem die sogenannten „Mittel“ anwachsen. Das Beste, was ein Reicher zur Bewahrung und Förderung seiner Menschlichkeit tun kann, ist, die Wünsche zu verwirklichen, die er als armer Mensch gehegt hat. Christus wies die Häscher des Herodes zurecht, wie es ihnen zukam: „Zeiget mir einen Groschen!“ sagte er - und sog einen Penny aus seiner Tasche. Wenn ihr das Geld des Kaisers benutzt, dem er Wert gegeben und das er in Umlauf gesetzt hat, also,wenn ihr Menschen dieses Staates seid und gerne die Vorteile von des Kaisers Regierung 'genießt, dann zahlt ihm auch etwas von seinem Eigentum zurück, wenn er es verlangt: „So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“- und damit waren sie genauso schlau wie zuvor und wußten nicht, wem was zustand;weil sie es auch gar nicht wissen wollten.

Auch wenn ich mich mit dem freisinnigsten meiner Nachbarn unterhalte, stelle ich fest: Was sie auch über die Bedeutung und den Ernst der Frage, über die Bedeutung und den Ernst der Frage, über ihre Sorge um den öffentlichen Frieden sagen mögen – die Sache läuft immer darauf hinaus, dass sie auf den Schutz der bestehenden Regierung nicht verzichten wollen und sich vor den Folgen des Ungehorsams für ihr Eigentum und ihre Familie fürchten. Was mich betrifft, ich glaube nicht, dass ich mich je auf Schutz des Staates verlassen werde. Falls ich diese Staatsgewalt abweise, sobald sie mir den Steuerbescheid präsentiert, dann wird mir sofort mein Eigentum genommen, und ich un meine Kinder werden endlos gequält. Das ist hart. So wird es dem Menschen unmöglich gemacht, ehrenvoll zu leben und zugleich angenehm, was die äußerlichen Dinge anbetrifft. Es lohnt sich eben nicht, Eigentum zu erwerben, es würde sehr bald wieder verloren sein. Man muß irgendwo taglöhnern oder pachten, muss eine möglichst kleine Ernte haben und bald aufessen. Man muss für sich leben, sich nur auf sich selbst verlassen, immer das Bündel gepackt haben und bereit sein, fortzugehn, und sich nicht um viele Dinge kümmern müssen. Es kann einer auch in der Türkei reich werden, wenn er in jeder Hinsicht ein guter Untertan der türkischen Regierung sein will. Konfuzius sagte: „In einem Staat. Der nach Grundsätzen der Vernunft regiert wird, wird man sich für Elend und Rmut schämen; in einem Staat, der nicht nach Grundsätzen der Vernunft regiert wird, schämt man sich für Reichtum und Ruhm.“ Nein: solange ich nicht den Schutz des Staates Massachusetts, in irgendeinemsüdlichen Hafen wünsche, wo meine Freihheit gefährdet ist, oder solange solange ich nicht ausschließlich darauf aus bin, mir hier durch friedliche Unternehmungen ein Vermögen aufzubauen, kann ich es mir leisten, dem Staat meine Loyalität und das Recht auf mein Eigentum und Leben zu verweigern. Mich kostet es in jeder Hinsicht weniger, die Strafe für Ungehorsam gegen den Staat anzunehmen, als wenn ich gehorchen würde. Im zweiten Fall käme ich mir ärmer vor.

Vor ein paar Jahren trat der Staat im Namen der Kirche an mich heran und befahl, ich sollte eine bestimmte Summe bezahlen, um einen Pfarrer zu unterhalten, den zwar mein Vater gehört hätte – ich aber nie. „Zahle“, wurde mir gesagt, „oder du wirst ins Gefängnis gesperrt. Ich lehnte es ab zu zahlen. Unglücklicherweise hielt es jemand für richtig, statt meiner zu zahlen. Ich konnte nicht einsehen warum ein Lehrer besteuert werden sollte, um den Pfarrer zu unterhalten, der Pfarrer aber nicht zugunsten des Lehrers; ich war zwar kein staatlicher Lehrer, aber ich verdiente mein Brot durch freien Unterricht. Ich konnte nicht einsehen, warum die Abendschule – gedeckt durch den Staat – nicht ebenso ihre Steuerrechnung präsentiert wie die Kirche. Aus Bitten der Stadträte ließ ich mich jedoch bewegen, eine schriftliche Erklärung der folgenden Art abzugeben: „Hiermit gebe ich, Henry Thoreau bekannt, dass ich nicht als Mitglied irgendeiner Vereinigung angesehen werden will, in die ich nicht eingetreten bin“. Diese Erklärung gab ich dem Stadtsekretär, und der hat sie jetzt. Nachdem er erfahren hatte, dass ich mich nicht als Mitglied dieser Kirche ansah, hat der Staat nie wieder eine ähnliche Forderung an mich gerichtet, obgleich er erkärte, dass er sich weiterhin an die ursprüngliche Annahme halten müßte. Wenn ich doch nur ihre Bezeichnung gekannt hätte, dann wäre ich systematisch aus allen Gesellschaften ausgetreten, in die ich nie eingetreten bin; aber ich wusste ja nicht, wo die vollständige Liste zu finden war.

Ich habe sechs Jahre keine Kopfsteuer bezahlt. Einmal wurde ich deshalb für eine Nacht ins Gefängnis gesteckt. Wie ich da stand und mir die massiven Steinmauern betrachtete, die zwei oder drei Fuß dick waren, die Tür aus Holz und Eisen – einen Fuß dick – und das Eisengitter, welches das Licht siebte, kam mir die ganze Dummheit dieser Institution zum Bewußtsein, die mich so behandelte, als wäre ich nicht mehr als Fleisch, Blut und Knochen, etwas dass man einschließen kann. Ich frage mich, ob sie nun zu dem Schluß gekommen war, dieses sei der beste Zweck, dem ich zugeführt werden könnte, und ob sie nie daran gedacht hätte, sich meiner guten Dienste zu versichern. Ich erkannte: Wenn zwischen mir und meinen Mitbürger auch eine Mauer war, so war die Mauer, die sie überklettern oder durchbrechen müssten, um so frei zu sein, wie ich es war, noch schwieriger zu überwinden. Nicht einen Augenblick lang fühlte ich mich beengt, und diese Mauern schienen mir eine große Verschwendung von Stein und Mörtel. Mir kam es vor, als hätte ich als einziger unter meinen Mitbürgern die Steuer bezahlt. Ganz offensichtlichwussten sie nicht, wie sie mich behandeln sollten, sie benahmen sich wie schlecht erzogene Leute. In jeder ihrer Drohungen und in jeder ihrer Höflichkeiten steckte ein dummes Missverständnis; sie dachten nämlich, mein größter Wunsch wäre auf der anderen Seite dieser Mauern zu stehen. Ich musste lächeln, wenn ich zusah, wie emsig sie die Tür vor meinen Betrachtungen abschlossen, welche dann ohne Mühe und Widerstand hinter ihnen hinausgingen – und sie waren doch in Wirklichkeit die eigentliche Gefahr! Da sie mich nicht fassen konnten, beschlossen sie, meinen Körper zu bestrafen; wie kleine Jungen, die , weil sie eine Wut auf jemanden haben, dessen Hund misshandeln. Ich erkannte, dass er seine Freunde nicht von den Feinden unterscheiden kann, und ich verlor die geringe Achtung vor ihm, die noch übrig war, und bedauerte ihn.

Mit dem inneren Wesen, sei es intellektuell oder moralisch, kann der Staat sich also niemals auseinandersetzen, sondern nur mit dem Körper, mit den Sinnen. Er verfügt weder über größere Vernunft noch Ehrlichkeit sondern nur über größere physische Gewalt. Ich bin nicht für den Zwang geboren. Ich werde nach meiner Art atmen. Wir wollen doch sehen, wer stärker ist. Was für eine Macht hat die Masse? Nur die können mich zwingen, die einem höheren Gesetz folgen als ich. Sie zwingen mich dann, so wie sie zu werden. Ich habe noch nie gehört, dass ein Mensch von einer Menschenmasse gezwungen worden wäre, so oder so zu leben! Wenn die Regierung vor mir steht und sagt: „Geld oder Leben“, warum sollte ich mich beeilen mein Geld herauszurücken? Vielleicht ist sie in einer Zwangslage und weiß nicht, was tun: Ich kann da nicht helfen. Die Regierung muss sich selbst helfen; sie soll es machen wie ich. Es lohnt sich nicht, darüber zu greinen. Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass die Maschine der Gesellschaft richtig funtioniere. Ich bin nicht der Sohn des Maschinenbauers. Ich beobachte: Wenn eine Eichel und eine Walnuß nebeneinanderfallen, dann verhält sich die eine nicht still, um der anderen Platz zu machen, sondern beide gehorchen ihren eigenen Gesetzen, um zu keimen, zu wachsen und zu blühen, so gut sie können, bis vielleicht die eine die andere überschattet und zugrunde richtet. Wenn eine Pflanze nicht nach ihrer Art leben kann, so stirbt sie. Dem Menschen geht es ebenso.

Die Nacht im Gefängnis war etwas Neues für mich und recht interessant. Als ich ankam, hielten die Gefangenen , die in Hemdsärmeln am Eingang standen, gerade ein Plauderstündchenin der Abendluft. Aber der Gefängniswärter sagte “ Los, Jungs, es ist Zeit zum Einschließen“. Sie zerstreuten sich, und ich hörte das Geräusch der Schritte, wie sie in ihre kahlen Wohnungen zurückkehrten. Mein Zellengenosse wurde mir vom Gefängniswärter als ein“prima Bursche und schlauer Kerl“ vorgestellt. Als die Tür verschlossen war, sagte er mir, wo ich meinen Hut aufhängen könnte und wie er sonst mit den Verhältnissen dort zurechtkam. Die Räume wurden einmal im Monat gekalkt; und dies war wohl die weißeste, am einfachsten möblierte Wohnung der ganzen Stadt. Er wollte natürlich wissen, wo ich herkäme und was mich dort hineingebracht hätte; und als ich ihm das erzählt hatte, fragte ich ihn meinerseits, wie er denn hergekommen wäre, natürlich in der Annahme, dass er ein ehrlicher Kerl sei; und wie es so geht in der Welt, ich glaube wirklich, dass er es war. „ Sie beschuldigen mich“, sagte er, „ich hätte eine Scheune angezündet; dabei habe ich ich es nie getan. „Soviel ich herausbringen konnte, hatte er sich wahrscheinlich betrunken in der Scheune schlafen gelegt und da seine Pfeife geraucht; und so war die Scheune verbrannt. Er hatte den Ruf, ein gewitzter Mann zu sein, er wartete dort schon drei Monate auf seine Verhandlung und sollte noch ebenso lange darauf warten; aber er war ganz zahm und auch zufrieden, da er doch umsonst lebte, und er glaubte sich gut behandelt.

Er belegte das eine Fenster mit Beschlag und ich das andere; offenbar würde es die Hauptbeschäftigung sein, aus dem Fenster zu sehen, wenn man sich länger hier aufhielt. Ich hatte bald alles gedruckte gelesen, das herumlag, hatte die Stellen besichtigt, wo frühere Gefangene ausgebrochen waren und wo ein Gitter gesägt worden war, ich hatte mir die Geschichte der verschiedenen Zelleninsassen angehört; denn ich stelle fest, dass es sogar hier Geschichten und Gerüchte gab, die außerhalb der Gefängnismauern nie in Umlauf kamen. Vielleicht ist dies der einzige Ort in der ganzen Stadt, wo Lieder komponiert und dann notiert wurden und so von Hand zu Hand gingen, aber nie veröffentlicht wurden. Man zeigte mir eine lange Reihe von Strophen von ein paar jungen Leuten, die man bei einem versuchten Ausbruck erwischt hatte und die sich nun rächten, indem sie diese Lieder sangen.

Ich quetsche meinen Mitgefangenen aus, so gut ich konnte, denn ich fürchtete, ich würde ihn nie wiedersehen; aber nach einiger Zeit zeigte er mir mein Bett und sagte, ich solle die Lampe ausblasen.

Dort für diese eine Nacht zu liegen war wie die Reise in ein fernes Land, das ich nie zu sehen erwartet hatte. Mir schien es, als hätte ich die Turmuhr vorher nie schlagen gehört und auch nicht die abendlichen Geräusche der Gemeinde; wir schliefen nämlich bei geöffneten Fenster, das innerhalb der Gitter war. Ich sah also meinen Heimatort im Licht des Mittelalters, unser Fluß Concord war in den Rhein verwandelt, und ich hatte Visionen von Rittern und Burgen, die an mir vorüberzogen. Es waren Bürger einer befestigten Stadt, deren Stimmen von der Straße zu mir hereinschallten. Ich war der unfreiwillige Zuhörer und Zuschauer in der Küche des benachbarten Wirtshauses – für mich ein vollkommen neues Erlebnis. Ich war ziemlich weit in ihn eingedrungen. Niemals vorher hatte ich seine öffentlichen Einrichtungen so recht gesehen. Das Gefängnis is eine seiner typischen Einrichtungen, denn es ist eine seiner typischen Einrichtungen, denn es ist eine Kreisstadt. Ich begann zu verstehen, worum es ihren Einwohnern zu tun war. Am Morgen schob man unser Frühstück durch ein Loch in der Tür, in kleinen länglich-viereckigen Blechnäpfen, die gerade durchpaßten. Sie enthielten etwa einen halben Liter Schokolade, braunes Brot und einen eisernen Löffel. Als sie die Gefäße später wiederverlangten, wollte ich Neuling das Brot zurückgeben, das übriggeblieben war; aber mein Genosse beschlagnahmte es und sagte, ich solle es für den Lunch oder das Dinner aufbewahren. Bald danach ließ man ihn hinaus, um auf einem benachbarten Feld beim Heumachen zu helfen, wohin er jeden Tag ging und erst gegen Mittag zurückkam; also wünschte er mir einen guten Tag ging und erst gegen Mittag zurückkam; also wünschte er mir einen guten Tag und sagte, dass er mich wohl nicht wiedersehen würde.

Als ich aus dem Gefängnis kam – denn jemand trat für mich ein und bezahlte die Steuer -, konnte ich im allgemeinen keine großen Veränderungen bemerken, nicht wie jemand sie fände, das als Jüngling einsperrt wurde und als wankender, grauhaariger Mann herauskam; und doch hatte sich das Bild in meinen Augen verwandelt – die Stadt, der Staat, das Land-, und es hatte sich mehr veraändert, als es die Zeit allein hätte bewirken können. Deutlicher als zuvor erkannte ich den Staat, in dem ich lebte. Ich sah auch, inwieweit man meinen Mitmenschen als guten Nachbarn und Freunden trauen konnte; daß nämlich ihre Freundschaft nur für gutes Wetter taugte; daß sie sich nicht bsonders bemühten, recht zu tun; daß sie ihren Vorurteilen und Aberglauben, einer anderen Rasse als sich zugehörten, so anders wie Chinesen oder Malien, so anders wie Einsatz für ihre Mitmenschen kein Risiko eingingen, icht einmal für ihr Eigentum; daß sie nicht gar so edelmütig waren, den Dieb so behandelten wie er sie und hofften, sie würden sich ihr Seelenheil mit Hilfe von gewissen Gebräuchen und ein paar Gebeten erhalten und indem sie von Zeit zu Zeit auf einem geraden, aber nutzlosen Pfad wandelten. Aber vielleicht urteile ic zu schroff über meinen Nachbarn; viele von ihnen wissen vielleicht noch nicht einmal, daß sie ein Gefägnis in ihrem Ort haben.

Früher war es Sitte in unserer Stadt, daß die Bekannten eines armen Schuldners diesen begrüßten, wenn er aus dem Gefägnis kam, wobei sie durch die Finger sahen, die sie gekreuzt hielten, um das Gitter des Gefägnisses darzustellen: „Guten Tag, wie geht’s?“ Meine Nachbarn begrüßten mich nicht in dieser Weise, sondern sie sahen erst mich an, dann einander, so, als ob ich von einer langen Reise zurückgekehrt wäe. Ich wurde ins Gefägnis gesteckt, als ich gerade auf dem Weg zum Schuster war, um dort einen geflickten Schug abzuholen. Als ich am nächsten Morgen herauskam, setzte ich diesen Gang fort, zog meinen geflickten Schuh abzuholen. Als ich am nächsten Morgen herauskam, setzte ich diesen Gang fort, zog meinen geflickten Schuh an und stieß zu einer Gruppe von Heidelbeersammlern, die schon darauf warteten, von mir angeführt zu werden. In einer halben Stunde – denn das Pferd war rasch angeschirrt – waren wir mitten in den Heidelbeeren auf einem unserer höchsten Hügel, zwei Meilen außerhalb, und vom Staat war nichts mehr zu sehen.

Dies ist die ganze Geschichte, soweit es „Meine Gefägnisse“ betrifft.

Ich habe mich nie geweigert, die Straßensteuer zu bezahlen, denn ich will so gerne ein guter nachbar sein wie ein schlechter Untertan. Was die Unterstützung der Schulen angeht, so leiste ich schon meinen Teil, um meine Landsleute zu unterrichten. Nicht wegen eines bestimmten Postens in der Steuerrechnung lehne ich es ab, sie zu bezahlen. Was ich will, ist: dem Staat die Gefolgschaft verweigern, mich abseits und entschieden außerhalb seiner Reichweite stellen. Mich interessiert nicht, wo mein Dollar hingeht, solange er nicht einen Mann und ein Gewehr kauft, um jemanden zu erschießen. Der Dollar ist unschuldig; mich beschäftigt vielmehr die Folge meiner Treue als Untertan. Ja, ich erkläre dem Staat den Krieg, ruhig, wie es meine Art ist, wenngleich ich noch immer soviel Vorteil und Nutzen wie möglich aus ihn ziehen will, wie es in solchen Fällen Brauch ist.

Wenn andere aus Sympathie für den Staat die Steuer bezahlen, die von mir gefordert wird, dann tun sie nur, was sie in ihren eigenen Fall schon getan haben, oder viel mehr, sie leisten der Ungerechtigkeit noch mehr Vorschub, als der Staat verlangt. Wenn sie die Steuer aus einem falsch verstandenen Interesse für das besteuerte Individuum bezahlen, um dessen Eigentum zu schützen oder um zu verhindern, daß es ins Gefägnis muss, so nur, weil sie nicht bedacht haben, wie weit sie mit ihren privaten Gefühlen dem öffentlichen Wohl in die Quere kommen.

So ist also meine gegenwärtige Lage. Aber man kann in so einem Fall nicht vorsichtig genug sein, damit das Handeln nicht einseitig von Starsinn oder untunlicher Rücksicht auf die Meinung der Leute bestimmt werde. Man muß zusehen, daß man nur tut, was einem selbst und der stundeangemeßen ist.

Manchmal denke ich, die Leute wollen schon das Gute, sie sind nur unwissend; sie würden besser handeln, wenn sie nur wüssten, wie: Warum bringt man seine Nachbarn in diese Notlage, dass sie dich anders behandeln müssen, als sie möchten? Aber dann wieder denke ich, das ist kein Grund, dass du tust, was sie tun, oder andere eine ganz andersartige Not leiden lässt. Manchmal aber sage ich wieder zu mir, wenn viele Millionen Menschen ohne Zorn, ohne bösen Willen, ohne irgendwelche persönlichen Gefühle nur ein paar Schillinge verlangen und wenn sie – nach der Verfassung – ihre Forderung nicht verändern oder rückgängig machen können und wenn du auf deiner Seite nicht andere Millionen anrufen kannst, warum setzt du dich dann dieser übermächtigen rohen Gewalt aus? Man widersteht doch auch der Kälte und dem Hunger nicht mit solcher Sturheit; man unterwirft sich gelassen tausend ähnlichen Notwendigkeiten. Man hält seinen Kopf auch nicht ins Feuer. Aber eben in dem Maße, indem ich sie nicht nur als rohe Gewalt, sondern auch als menschliche Macht betrachte, und da ich bedenke, dass ich ein Verhältnis zu diesen Millionen habe wie zu eben so vielen Menschen – nicht einfach wie zu rohen und unbelebten Sachen, sehe ich doch, dass ein Appell möglich ist; erstens unmittelbar, von ihnen an ihren Schöpfer, zweitens untereinander. Wenn ich aber meinen Kopf absichtlich ins Feuer halte, dann gibt es keinen Apell an das Feuer oder an den Schöpfer des Feuers, und ich bin nur selbst daran schuld. Könnte ich mich nur überreden, dass ich Grund habe, mit der Verfassung der Menschen zufrieden zu sein und entsprechend mit ihnen umzugehen, anstatt meinen Forderungen und Erwartungen an sie und mich entsprechend, ich würde mich ja wie ein guter Muselmane und Fatalist mit dem gegenwärtigen Zustand begnügen und sagen, das sei Gottes Wille. Jedoch ihrer Macht kann ich mit Erfolg entgegentreten, anders als einer rohen naturgewalt; die Natur der Steine, Bäume und Tiere zu ändern wie Orpheus, kann ich dagegen nicht erhoffen.

Ich möchte mit keinem Menschen und keinem Land Streit anfangen. Ich will keine Haarspalterei betreiben, nicht übergenau sein oder mich für besser als meine Nachbarn halten. Ich suche ja gerade nach einer Ausrede, um mich den Gesetzen des Landes anzupassen. Ich würde es nur zu gerne tun. Ich habe sogar Grund, mir selbst deshalb zu mißtrauen. Jedes Jahr, wenn der Steuereinnehmer herumgeht, finde ich mich sehr geneigt, die Taten und die Haltung der Bundesregierung und des Staates zu begutachtenund den Geist des Volkes, um seinen Vorwand für meine Anpassung zu entdecken.

Ich glaube fest, dass der Staat mir bald alle diese Sorgen abnehmen wird, und dann werde ich eben kein besserer Patriot als meine Landsleute sein. Von unten betrachtet ist die Verfassung sehr gut – bei allen ihren Fehlern , das Gesetz und die Gerichte sind achtenswert, sogar der Staat und die amerikanische Regierung sind in vieler Hinsicht zu bewundern, etwas Seltenes, Dankenswertes, wie viele es auch beschrieben haben. Von einem höheren Standpunkt aus gesehen aber sind sie so, wie ich sie beschrieben habe. Wer aber kann sagen, was sie von einem noch höheren und vom höchsten Standpunkt aus wert sind und ob es sich überhaupt lohnt, sie zu betrachten oder über sie nachzudenken?

Die Regierung interessiert mich aber nicht besonders, und ich werde so wenig Nachdenken an sie wenden wie irgend möglich. Sogar in dieser Welt gibt es nicht viele Augenblicke, in denen ich unter einer Regierung lebe. Wenn ein Mensch frei ist in seinen Gedanken, frei in seiner Phantasie und seiner Vorstellung, also in den Dingen, die dauerhaft sein Leben prägen, dann können unkluge Herrscher oder Reformapostel ihm nie gefährlich in die Quere kommen.

Ich weiß: Die meisten Menschen denken anders als ich; die aber, die ihr Leben aus Berufung dem Studium dieser oder verwandter Gegenstände widmen, sich mir am fernsten. Staatsmänner und Gesetzgeber, die so völlig innerhalb ihrer Institution leben, können sie nie klar und deutlich erkennen. Sie reden vonn einer Gesellschaft, die in Bewegung ist, haben aber keinen Ruhepunkt außerhalb derselben. Vielleicht sind es Männer mit Erfahrung und Urteil, sie haben zweifellos geistreiche und sogar nützliche Einrichtungen erfunden, für die wir ihnen aufrichtig danken; aber all ihr Witz und ihre Brauchbarkeit bleiben innerhalb gewisser, nicht sehr ausgedehnter Grenzen. Sie vergessen gerne, dass die Welt nicht von der Politik und der Nützlichkeit regiert wird. Webster hinterfragt die Regierung nie grundsätzlich, und so kann er auch nicht glaubwürdig darüber reden.Seine Worte sind Weisheiten für diejenigen Abgeordneten, die nie eine tiefgreifende Reform der gegenwärtigen Regierung erwägen; in den Augen denkender Menschen und derjenigen, die Gesetze für alle Zeiten machen, berührt er seinen Gegenstand noch nicht einmal flüchtig. Ich kenne Menschen, deren Thema sehr schnell die Grenzen seiner geistigen Weite und Aufgeschlossenheit bloßstellen würden. Dennoch, wenn man sie mit den billigen Kundgebungen der meisten Reformer und der noch schäbigeren Weisheit und Zungenfertigkeit der Politiker überhaupt vergleicht, sind seine Wort so ziemlich die einzig vernünftigen und brauchbaren, und wir danken dem Himmel für ihn. Im Vergleich ist er immer klug, originell und vor allem praktisch. Sein Vorzug ist jedoch nicht Weisheit, sondern Besonnenheit. Die Wahrheit eines Advokaten ist nicht Wahrheit, sondern Konsequenz oder eine konsequente Zweckmäßigkeit. Wahrheit ist immer mit sich selbst im Einklang, es ist ihr nicht hauptsächlichdarum zu tun, welche rechtliche Konsequenz eine Übeltat hat. Webster verdient den Beinamen, den man ihm gegeben hat: „Verteidiger der Verfassung“. Er kann in Wirklichkeit keine Vorstöße unternehmen, er kann nur verteidigen. Er ist kein Anführer, sondern ein Gefolgsmann. Seine Anführer sind die Männer von 87. „Nie habe ich mich bemüht“, sagt er, „und nie schlage ich vor, dass man sich bemühe; ich habe nie Anstalten gemacht, mich zu bemühen, und ich werde nie welche machen, umdas Übereinkommen zu schwächen, durch welches die verschiedenen Staaten in einem Bund zusammenkamen“. Wenn er daran denkt, dass die Verfassung die Sklaverei billigt, erklärt er: „ Da es zu dem ursprünglichen Vertrag gehört – lasst es dabei“. Er kann eben, trotz seiner besonderen Aufgeschlossenheit und Befähigung, einen Tatbestand nicht aus den bloß politischen Bezügen herauslösen und ihn vorbehaltlos und vernünftig betrachten, wie es etwa heute in Amerika hinsichtlich der Sklaverei erforderlich ist. Wie kann ein Mensch nur darauf verfallen, eine derart armselige Antwort wie die folgende zu geben und dann nochzu behaupten, er spräche unabhängig und als Privatmann! Und daraus soll sich dann ein neues Gesetzbuch der gesellschaftlichen Pflichten entwickeln! Er sagt: „Wie die Regierung von Staaten, in denen es Sklaverei gibt, diese ausüben, richtet sich nach ihren Ansichten, ihrem Verantwortungsbewußtsein gegenüber ihren Wählern, ihrem Eigentumsrecht, der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit und der Verantwortung gegenüber Gott. Vereinigungen, die anderswo aus einem Gefühl für Menschlichkeit oder aus anderen Gründen entstehen, geht das nicht das geringste an. Ich habe sie nie ermutigt und werde sie auch nie ermutigen“.

Es ist eben so: Diejenigen, welche keine reine Quelle der Wahrheit kennen, die ihre Spuren nicht weiter stromaufwärts verfolgt haben, bleiben aus guten Grund bei ihrer Bibel und ihrer Verfassung und schlürfen sie in Ehrerbietung und Demut. Die aber, welche sehen, wie die Wahrheit als dünnes Rinnsal in diesen See oder jene Pfütze einmündet, krempeln ihre Kleider noch einmal au und wandern weiter ihrem Ursprung zu.

Für die Gesetzgebung ist in Amerika kein Genie erschienen. Die findet man ohnehin selten in der Weltgeschichte. Es gibt Redner, Politiker und mundfertige Leute zu Tausenden. Aber der Redner hat seinen Mund noch nicht geöffnet, der fähig wäre, die heftig umstrittenen Fragen des Tages zu klären. Wir schätzen die Beredsamkeit um ihrer selbst willen, nicht wegen irgendwelcher Wahrheiten, die sie vielleicht äußern könnte, oder wegen eines Heldensinns, den sie vielleicht in uns weckt. Unsere Volksvertreter haben den Wert des freien Handels, der Freiheit, der Gemeinschaft und der Rechtschaffenheit für eine Nation noch nicht schätzengelernt. Sie haben nicht einmal Talent oder Befähigung für Verhältnismäßig bescheidene Fragen der Besteuerung, des Geldwesens, des Handels, der Industrie und Landwirtschaft. Wenn wir uns zu unserer Führung nur auf die wortreiche Schlauheit unserer Kongreß-Abgeordneten verlassen wollten, ohne dass diese durch die abgeklärte Erfahrung und nachdrückliche Beschwerden des Volkes in die rechte Bahn geleitet würde, dann würde Amerika seinen Rang unter den Nationen nicht lange behalten. Achtzehnhundert Jahre hat man am Neuen Testament geschrieben – obwohl ich vielleicht kein Recht habe, darauf hinzuweisen; aber wo ist der Volksvertreter, der genug Weisheit und Talent besitzt, das Licht zu nutzen, das es auf die Wissenschaft der Gesetzgebung wirft?

Die rechtmäßige Regierungsgewalt, auch von der Art, welcher ich mich gerne unterwerfe – denn ich gehorche leichten Herzens denen, die mehr wissen und besser handeln wie ich, und in vielen Angelegenheiten auch denen, die nicht einmal mehr wissen und besser handeln-, diese Regierungsgewalt ist immer unvollkommen: Um nämlich unbedingt gerecht zu sein, muss die Vollmacht und Zustimmung der Regierten haben. Sie kann kein umfassendes Recht über mich und mein Eigentum haben, sondern nur soweit ich zustimme. Der Fortschritt von einer absoluten zu einer eingeschränkten Monarchier zur Demokratie ist ein Fortschritt in Richtung auf wahre Achtung vor dem Individuum. Sogar der chinesische Philosoph war weise genug, das Individuum als die Grundlage des Reiches anzusehen. Ist die Demokratie, wie wir sie kennen, wirklich die letzte mögliche Verbesserung im Regieren? Ist es nicht möglich, noch einen Schritt weiter zu gehen bei der Anerkennung und Kodifizierung der Menschenrechte? Nie wird es einen wirklich freien und aufgekärten Staat geben, solange sich der Staat nicht bequemt, das Individuum als größere und unabhängige Macht anzuerkennen, von welcher sich all seine Macht und Autorität ableiten, und solange er den Einzelmenschen nicht entsprechend behandelt. Ich mache mir das Vergnügen, mir einen Staat wenigstens vorzustellen, der es sich leisten kann zu allen gerecht zu sein, und der das Individuum achtungsvoll als Nachbarn behandelt; einen Staat, der es nicht für unvereinbar mit seiner Stellung hielte, wenn einige ihm fernblieben, sich nicht mit ihm einließen und nicht von ihm einbezogen würden, solange sie nur alle nachbarlichen, mitmenschlichen Pflichten erfüllten. Ein Staat, der solche Früchte trüge und sie fallen liese, sobald sie reif sind, würde den Weg für einen vollkommeneren und noch ruhmreicheren Staat freigeben – einen Staat, den ich mir auch vorstellen kann, den ich bisher aber nirgends gesehen habe.