Benutzer:Nico.Ecke/Gutachten/001

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Gutachten

Das LSG möge überprüfen, ob durch den Ausfall des Vorsitzenden des Landesvorstandes § 8b (10) zum Tragen kommt und Neuwahlen durchgeführt werden müssen.

Sachverhalt:
Auf der Sitzung des Hamburger Vorstandes am 06.01.2010 wurde über die Abwesenheit des Vorsitzenden des Landesvorstandes berichtet. Zitat aus dem Protokoll: "Nils steht aus privaten Gründen auf unabsehbare Zeit für seine Tätigkeiten als Vorsitzender nicht mehr zur Verfügung. Es muss ausdrücklich erwähnt werden, dass er nicht zurückgetreten ist. Robert steht als Vetretung für Nils zur Verfügung." (http://piratenpad.de/5hAufBvplS) Nach Rückfrage des Antragstellers, ob durch Nils Rückzug die Stelle des Vorsitzenden nicht unbesetzt sei, wurde erwidert, er stehe für formelle Dinge noch zur Verfügung, nur für das Tagesgeschäft falle er aus. Der Rest-Vorstand sah den Tatbestand der Satzung (§ 8b Abs. 10) nicht erfüllt.

Begründung:
Der Vorsitzende ist durch den Landesparteitag für genau diese Funktion gewählt worden. Zwar hatte er bei dieser Gelegenheit gewarnt, es könne passieren, dass er auch mal für "1-3 Wochen nahezu von der Bildfläche verschwinden muß" (http://wiki.piratenpartei.de/index.php?title=Benutzer:Nilsk&oldid=302383). Ein Verschwinden auf unbestimmte Zeit war jedoch nie Thema. Die Erläuterung auf dem Vorstandstreffen hatte sich auch nicht danach angehört, als würde jemand mit der Rückkehr rechnen. Eine Stellungnahme des Vorsitzenden zu diesem Thema wurde nicht veröffentlicht.

In der Erläuterung des Rest-Landesvorstandes "Es muss ausdrücklich erwähnt werden, dass er nicht zurückgetreten ist" erkenne ich, dass die Problematik der Neuwahl bekannt ist und durch diesen Kunstgriff umgangen werden soll. Nils steht für die eigentliche Vorstandsarbeit nach § 8b (1) und (8), für die er vom LPT das Vertrauen geschenkt bekommen hat und ausgewählt wurde, nicht zu Verfügung. Satzung oder Geschäftsordnung (http://wiki.piratenpartei.de/Gesch%C3%A4ftsordnung_des_Hamburger_Vorstandes) kennen keine komissarische Vertretung des Vorsitzenden für längere Zeit sondern höchstens temporär für einzelne Aufgaben.

Demnach sehe ich den Posten als unbesetzt mit dem Ergebnis das es zur Neuwahl des Vorstandes kommen muss.


Auftrag

Es ist zu prüfen, ob die auf der Vorstandssitzung vom 06.01.2010 getätigte Aussage zur Verfügbarkeit des Vorstandsvorsitzenden Nils Ketelsen als Rücktrittserklärung zu werten sind.

Ergebnisfindung

Lt. der Satzung der Piratenpartei Landesverband Hamburg vom 21.10.2009 (Im folgenden "Landessatzung") gilt nach §8b(10) der Landesvorstand als nicht handlungsfähig, wenn zwei oder mehr Vorstandsmitglieder zurückgetreten sind oder ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können oder wenn die Posten des Vorsitzenden [...] unbesetzt sind [...]oder wenn der Landesvorstand sich selbst für handlungsunfähig erklärt.

Dieser Paragraph beinhaltet drei Bedingungen, von der jede für sich geeignet ist, die Handlungsunfähigkeit des Vorstandes festzustellen. Die Bedingung, daß zwei Vorstandsmitglieder zurückgetreten sein müssten fällt hier aus, da es sich konkret nur um eine eizige Willenserklärung handelt, die ggf. als Rücktritt ausgelegt werden könnte. Auch die Selbsterklärung der Handlungsunfähigkeit des Vorstandes kann hier ausgeschlossen werden, da dieser durch seine fortlaufende Tätigkeit sowie seine Aussagen auf der Vorstandssitzung vom 06.01.2010 keine Anstalten gemacht hat, die dies vermuten ließen. Demnach ist ferner zu prüfen, ob der Posten des Vorsitzenden durch die auf der Vorstandssitzung vom 06.01.2010 getätigten Äußerungen unbesetzt war.

Lt. dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 06.01.2010 gibt es die Aussage, daß der Vorstandsvorsitzende (VV) Nils Ketelsen "aus privaten Gründen auf unabsehbare Zeit für seine Tätigkeiten als Vorsitzender nicht mehr zur Verfügung" stehe. Inwiefern es eine ausdrückliche Äußerung seitens des VV getätigt wurde, daß er nicht zurück tritt, lässt sich aus diesem Protokoll nicht nachvollziehn und kann daher nicht berücksichtigt werden.

Da §11(3) S.2 ParteienG ausdrücklich die Vertretung der Partei durch den Vorstand gemäß dem BGB (namentlich §26(2) BGB) vorsieht und in der Landessatzung sowie der Satzung der Piratenpartei Deutschland keine abweichende Regelung getroffen wurde ist für die Definition der Rücktrittserklärung das BGB anzuwenden.

Der Rücktritt erfolgt lt. §349 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Demnach handelt es sich bei einem Rücktritt um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die in diesem Fall der Partei, vertreten durch den Vorstand, zugehen muß.

Da lt. §133 BGB bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist, muß hier der enthaltene Wille der protokollierten Aussage ermittelt werden.


Ergebnis

Die Aussage, daß der VV "auf unbestimmte Zeit nicht länger zur Verfügung steht" beinhaltet weder eine Zusage zur späteren Wiederaufnahme der Amtsgeschäfte noch drückt es eine endgültige Niederlegung derselben aus. Keine dieser Aussagen kann vom betroffenen Teil, dem Landesverband Hamburg, vertreten durch den Vorstand, zweifelsfrei angenommen werden. Demnach, gestärkt durch den Umstand, daß die Erklärung dem Vorstand privat übermittelt wurde und sonst nicht weiter veröffentlicht wurde, kann auch der Wille zum Rücktritt hier nicht unzweifelhaft erkannt werden, wodurch Dieser auch nicht stattfand. Der Vorstand des Landesverbands Hamburg mußte also weiterhin von einer möglichen Wiederaufnahme der Amtsgeschäfte seitens des VV ausgehen. Demzufolge war der Posten des Vorstandsvorsitzenden zu keinem Zeitpunkt unbesetzt. §8b(10) der Landessatzung kann deshalb nicht zur Feststellung einer Handlungsunfähigkeit des Vorstands herangezogen werden.

Unterzeichner

Nico.Ecke 00:51, 10. Jan. 2010 (CET) (Vorsitzender Richter des LSG Hamburg)
Michael Büker 01:49, 10. Jan. 2010 (CET) (Richter des LSG Hamburg)