Parteiprogramm/Änderungsanträge/Karenzzeiten für Politiker und Beamte

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50px Dieser Artikel ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei; die Idee ist von MDS

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Die Engagements ehemaliger Regierungsmitglieder und ehemaliger Staatssekretäre bei Unternehmen und Verbänden im In- und Ausland entfachen immer wieder die Diskussion über Sperrzeiten für Regierungsmitglieder und Wahlbeamte nach Ausscheiden aus dem Amt. Um Vertrauen in Politik und staatliche Institutionen nicht zu belasten, gilt es, bereits den Anschein zu vermeiden, dass es einen Zusammenhang zwischen im Amt getroffenen Entscheidungen und einer nach dem Ausscheiden aufgenommenen Erwerbstätigkeit geben könnte. Allein Vermutungen darüber schaden der Glaubwürdigkeit und bringen die Politik in Misskredit.

Es gibt zwar bereits Regelungen zur Karenzzeit für Beamte, Mitglieder der Bundeswehr und Richter, wenn sie ohne Verzicht auf ihre Versorgungsbezüge ausscheiden (§ 42 a Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG), § 20 a Soldatengesetz (SG) und § 46 Deutsches Richtergesetz (DRiG)). Diese Regelungen gelten jedoch nicht für Regierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekretäre. Im Übrigen weisen sie Regelungslücken auf und zeigen Schwächen in der Anwendungspraxis.

Die Piratenpartei Deutschland fordert deshalb Karenzzeiten für Politiker und Beamte nach dem Ausscheiden aus dem Amt, wenn ein Zusammenhang zwischen der bisher ausgeübten Tätigkeit und der nach dem Ausscheiden aus dem Dienst beabsichtigtenTätigkeit besteht und dadurch dienstliche Interessen beeinträchtigt werden könnten.

Von einem Zusammenhang ist insbesondere auszugehen, wenn dem Unternehmen oder dem Verband durch die Tätigkeit des Ministers, des Parlamentarischen Staatssekretärs oder des Beamten Vorteile entstanden sein könnten oder noch entstehen werden und in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, dass der Betreffende für sein vorheriges dienstliches Tätigwerden oder in Zukunft durch seine Einflussnahme auf Behörde oder Regierung durch die Tätigkeit im Unternehmen oder Verband belohnt werden soll

Die Karenzzeiten sollen

  • gesetzlich geregelt werden und zwar für
  • Mitglieder der Bundesregierung,
  • Parlamentarische Staatssekretäre,
  • Mitglieder von Landesregierungen
  • Beamte bei Verzicht auf Versorgungsbezüge,
  • kommunale Wahlbeamte mit und ohne Versorgungsbezügen.
  • Die Karenzzeit soll für die unter 1 aufgeführten Personenkreise 3 Jahre betragen.
  • Ethikräte sollen – auch im Rahmen der bestehenden Regeln für Beamte – in allen Fällen jeweils eine öffentliche Empfehlung aussprechen, ob die nach dem

Ausscheiden beabsichtigte Aufnahme einer Tätigkeit genehmigt oder untersagt werden sollte.


Beamte

Für Beamte hat der Gesetzgeber bereits Regelungen getroffen, die helfen sollen, einen Vertrauensverlust in staatliche Organe zu vermeiden. Sie sind festgehalten im § 42 a BBRG, § 69 a BBG sowie in den Beamtengesetzen der Länder.

Danach müssen Ruhestandsbeamte, wenn sie mit 65 Jahren ausscheiden und innerhalb der drei darauffolgenden Jahre eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen, ihre oberste Dienststelle darüber informieren. Ist der Ruhestandsbeamte vor seinem 65.Lebensjahr ausgeschieden, so gilt nach dem Ausscheiden eine Frist von 5 Jahren.

Diese Angaben sind nur dann zu machen, wenn der Ruhestandsbeamte Versorgungsbezüge erhält und wenn er eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die mit seiner dienstlichen Tätigkeit in den letzten 5 Jahren vor Beendigung des Beamtenverhältnisses im Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können (§ 42 a (1) BRRG).

Die Beschäftigung kann von der obersten Dienstbehörde verboten werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.

Da der Gesetzgeber nur Ruhestandsbeamte, die Versorgungsbezüge erhalten, in die Pflicht nimmt, ergibt sich als Sanktionsmöglichkeit die Kürzung oder zeitweise Einstellung der Versorgungsbezüge.

Die beamtenrechtliche Regelung greift jedoch nicht, wenn der Beamte auf seine Versorgungsbezüge verzichtet.

Es ist nicht einzusehen, dass die mögliche Beeinträchtigung dienstlicher Interessen davon abhängen soll, ob Versorgungsbezüge bezahlt werden oder nicht. Ferner kann es nicht richtig sein, dass sich ein Beamter einseitig der gesetzlichen Anzeigepflicht und damit der staatlichen Untersagungsmöglichkeit entziehen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Beamter nur dann auf seine Versorgungsbezüge verzichten wird, wenn dies für ihn wirtschaftlich sinnvoll ist. Das dürfte nur dann der Fall, in dem ein Unternehmen bereit ist, für die Dienste des ehemaligen Beamten sehr hohe Summen zu zahlen.

Die Piratenpartei Deutschland fordert deshalb, dass die beamtenrechtlichen Regelungen des § 42 a BRRG, des §69 a BBG, des § 20 SG und § 46 DRiG sowie die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen auch bei Verzicht auf Versorgungsbezüge zu gelten haben.

Falls der Beamte die Aufnahme einer Tätigkeit nicht anzeigt oder entgegen einer Untersagungsverfügung trotzdem die verbotene Tätigkeit oder Erwerbstätigkeit aufnimmt, sind als Sanktion die Einnahmen aus dem privatrechtlichen Vertragsverhältnis bis auf die Höhe der errechneten staatlichen Versorgungsbezüge, die ihm als Ruhestandsbeamten zustünden, plus eines angemessenen Abschlags, abzuschöpfen.


Regierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekretäre

Für Mitglieder der Bundesregierung gelten die beamtenrechtlichen Bestimmungen des § 42a BRRG nicht, obwohl im § 1 des Bundesministergesetzes (BMinG) ihr Dienstverhältnis als ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis definiert ist und sie einen Amtseid leisten ( Art. 56 GG ), der sie auf das Gemeinwohl verpflichtet.

Der § 6 des BMinG verlangt von Mitgliedern der Bundesregierung nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt lediglich Verschwiegenheit. Ehemaligen Beamten und Richtern ist nach dem Ausscheiden aus einem Ministeramt die Annahme von Belohnungen und Geschenken verboten. Weitere Inkompatibilitäten mit anderen Beschäftigungen und Erwerbstätigkeiten nach dem Ausscheiden von Regierungsmitgliedern sind bisher nicht geregelt.

Die Piratenpartei Deutschland fordert, dass

  • aus dem Amt ausscheidende Regierungsmitglieder während einer Dauer von drei Jahren die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ihrer vormaligen Dienststelle anzuzeigen haben;
  • in den Fällen, in denen ein Zusammenhang zwischen der bisher ausgeübten T ätigkeit und der nach dem Ausscheiden aus dem Dienst beabsichtigten Tätigkeit besteht und dadurch dienstliche Interessen beeinträchtigt werden könnten, für die Dauer von drei Jahren die Möglichkeit besteht, diese Tätigkeit zu untersagen;
  • dieses Verbot auch ausgesprochen werden kann, wenn der/die Betroffene auf Übergangsgelder bzw. Versorgungsbezüge verzichtet;
  • als Sanktion im Falle der Zuwiderhandlung bei gleichzeitigem Verzicht auf die Übergangsgelder die Einnahmen aus dem privatrechtlichen Verhältnis bis auf die Höhe der potentiellen Bezüge plus eines angemessenen Abschlags abzuschöpfen sind;
  • diese Regelungen auch für Parlamentarische Staatssekretäre gelten, da für diese auch Übergangsgelder analog wie für Minister gezahlt werden (ParlStG § 6) und die beamtenrechtlichen Karenzzeiten für diese Personengruppe bisher nicht gelten;
  • entsprechende Regelungen, sofern sie noch nicht existieren, auch für Mitglieder von Landesregierungen eingeführt werden. Laut des nordrhein-westfälischen Korruptionsbekämpfungsgesetzes gilt die Regelung des § 42 a des BRRG für ausgeschiedene Mitglieder der Landesregierung sowie Beschäftigte des öffentlichen Dienstes entsprechend. Insoweit kann das KorruptionsbekämpfungsG NRW (§ 19) als Vorbild dienen. Die Piratenpartei Deutschland hält es allerdings für erforderlich, dass auch nach dem nordrhein-westfälischen KorruptionsbekämpfungsG ein Verbot für eine Tätigkeit nach dem Ausscheiden ausgesprochen werden kann, wenn seitens des ausgeschiedenen Regierungsmitglieds oder des Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Übergangs gelder bzw. auf Versorgungsbezüge verzichtet wird.

Kommunale Wahlbeamte

Für kommunale Beamte auf Zeit und Beamte, die auf Grund einer Wahl ihr Amt erhalten haben- also für Bürgermeister, Landräte, Beigeordnete und Dezernenten – sollen entsprechende Normen wie für Regierungsmitglieder gelten. Es sollen also Sperrzeiten von drei Jahren verhängt werden können. Die Zuwiderhandlung gegen die Anzeigepflicht oder die Untersagung soll mit Kürzungen der Versorgungsbezüge und mit Abschöpfung der privatrechtlich bezahlten Einkommen bis auf die Höhe von Versorgungsgeldern und einen angemessenen Abschlag auf diese sanktioniert werden. Für die Fälle des Verzichtes auf Versorgungsbezüge bzw. Übergangsgelder soll eine vergleichbare Abschöpfung der Entgelte erfolgen.

Ethikräte

Im Beamtenrechtsrahmengesetz ist die Entscheidung darüber, ob durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach dem Ausscheiden „dienstliche Interessen beeinträchtigt werden“ (§ 42 a Abs.2 BRRG) und eine beabsichtigte Tätigkeit untersagt wird, in die Entscheidung der letzten obersten Dienstbehörde gestellt.

Bei einer entsprechenden Regelung bezogen auf Regierungsmitglieder entscheidet damit der direkte Amtsnachfolger. Bei ehemaligen Staatssekretären – auch beamteten – entscheidet der ehemalige vorgesetzte Minister oder dessen Nachfolger. Bei diesen Konstellationen kann beim Bürger der Eindruck entstehen, dass bei der Entscheidung möglicherweise besondere persönliche Beziehungen und politische Rücksichtnahmen eine Rolle spielen könnten.

Die Piratenpartei Deutschland fordert die Einrichtung eines Bundesethikrates und entsprechender Landesethikräte, die öffentlich zu den jeweiligen geplanten Aufnahmen von Erwerbstätigkeiten eine Empfehlung im Hinblick auf Genehmigung oder Ablehnung durch die letzte oberste Dienstbehörde aussprechen. Dadurch kann für die Öffentlichkeit glaubwürdig die unabhängigeBeurteilung von Interessenkollisionen gestärkt werden.

Nicht zuletzt die in der Öffentlichkeit äußerst kritisch kommentierte Zustimmung des Bundesfinanzministeriums zum Wechsel des ehemaligen Finanzstaatssekretärs Caio Koch-Weser in die Dienste der Deutschen Bank unterstreicht, dass die bestehende Regelung unzureichend ist.

Auf Bundesebene soll sich der Bundesethikrat in allen Fällen von betroffenen Mitgliedern der Bundesregierung, Parlamentarischen Staatssekretären und Beamten mit einer öffentlichen Empfehlung äußern. In den Ländern sollen vergleichbare Ethikräte eingesetzt werden, die in allen Fällen sowohl von Beamten und Regierungsmitgliedern als auch von kommunalen Wahlbeamten eine öffentliche Empfehlung aussprechen.