BE:Squads/Abgeordnetenhauswatch/2010-03-22
Sitzung des Berliner Innenausschuss vom 22.03.2010
Forschungsbericht „Analyse der Gewalt am 1. Mai 2009 in Berlin“
- Senator Körting berichtet über den 1. Mai: Festnahmen sind vor allem Berliner & wenige von auswärts, wenige aus Friedrichshain-Kreuzberg, mehr aus Prenzlauer Berg und Mitte. Festnahmen sind tendenziell leichter als früher, sie werden zu 75% in der Masse gemacht. Außerdem sind sie älter als früher
- Die CDU kritisiert die Studie und wirft der Regierung vor, dass sie kein Konzept gegen die Gewalt haben. Teilnehmer würden nach Eigenwahrnehmung Gewalt ausüben, um der Staatsgewalt das zurückzuzahlen, was diese 364 Tage ausübe
- Die Linkspartei stellt fest, dass sie dieses Jahr einen wesentlich ruhigeren 1. Mai erwartet.
- Björn Jotzo (FDP) stellt fest, dass die Studie eine kriminologische Forschungsstudie ist, die potentielle präventive Methoden ausklammert. Er fordert einen gesellschaftlichen Ansatz, um das Image der Polizei zu verbessern, zum Beispiel einen runden Tisch.
- Eine Entscheidung oder Abstimmung ist nicht nötig.
Sprachtests als Eintrittskarte nach Deutschland abschaffen
- Link zum Antrag
- Grüne beantragen, dass Sprachtests für Immigranten, die dem Ehepartner nach Deutschland nachfolgen, abgeschafft werden und (laut eigener Aussage), dass Senator Körting diesbezüglich keine Informations-Briefe mehr an Außenminister Westerwelle schreibt
- Körting erklärt die Intention, dass auch nachreisende Ehepartner voll integriert werden sollen und deshalb Sprachkurse ablegen sollen
- Linkspartei erklärt, sie teile die Intention des grünen Antrags prinzipiell
- CDU erklärt, dass es auch Männer gebe, die nicht wollen, dass ihre Frauen Sprachkenntnisse erwerben, um diese zu isolieren. Daher gelte dies vor allem dem Schutz von nachreisenden Frauen
- Björn Jotzo (FDP) betont, auf Bundesebene mit der CDU auf einer Linie zu sein. Die FDP hat einen Änderungsantrag zum Antrag gestellt.
- Frau Bayram (Grüne) betont, dass in der Tat weniger Ehegatten nachziehen und dass nun – 2,5 jahre nach Inkraftsetzung der EU-Richtlinie – der Zeitpunkt sei, sich einen Fehler einzugestehen und die Streichung der Voraussetzung zu bewirken. Die CDU widerspreche sich selbst, wenn sie behauptet, sie wolle Frauenrechte stärken, indem sie Frauenrechte einschränkt.
- CDU betont, dass das CDU-Frauenbild von Gleichberechtigung geprägt sei und dies nur verwirklicht werden könne, wenn Grundkenntnisse in Deutsch vorhanden seien. Außerdem sei die Selbstmordrate unter jungen eingewanderten Türkinnen doppelt so hoch wie unter gleichaltrigen Deutschen
- Grüne stellen fest, dass ein bisschen Deutsch keine Garantie gegen Unterdrückung und Zwang ist. Zudem sei das Argument mit der Selbstmordrate unsinnig, da dies ja gerade die Zugezogenen seien, die den Sprachtest schon bestanden hätten und man sich die Rate unter den getrennt von ihrem Mann lebenden Frauen im Ausland anschauen müsse, um ein relevantes Ergebnis zu haben.
- Körting: Gemeinsames Ziel müsse es sein, dass jeder Zugezogene möglichst gute Deutschkenntnisse aufweistund ihm die Abschaffung der beiden Paragrafen (wie von den Grünen gefordert) zu einfach ist
- Linke weist den Senator darauf hin, dass es mehr Voraussetzungen gibt, die für eine gute Integration förderlich sind, als nur Sprache: Arbeit, Kultur, Leben etc.
- Abstimmung: Änderungsantrag der FDP: Nur die FDP stimmt dafür
- Antrag des Antrags der Grünen, der aber vordatiert wird auf Inkrafttreten am 31.5.2010 (er war mehrfach vertagt worden und die Daten stimmten nicht mehr): Nur die Grünen sind dafür
Verordnung zur Änderung der Polizeibenutzungsgebührenordnung
- Bene Lux (Grüne) zählt mehrere, seiner Ansicht nach, miteinander verknüpfte Problem aus. Es werden zuweilen Polizisten in andere Ressorts verlegt und von ihrem bisherigen Einsatzort weggeholt, welches unsinnig ist. Als Beispiel nennt er den Einsatz von Kräften im Bereich Anti-Linksextremismus. Dabei würden CDU und FDP in Anbetracht von steigendem Linksextremismus oft genug nach mehr Polizeikräften rufen. Aber man müsse auch nach der Finanzierung der Polizei fragen. Dabei müsse man sehen, dass zum Beispiel die Gebühren für Falschparken gesenkt wurden. Diese und andere Gebührensenkungen müsse man in Frage stellen, damit die Mittel für die Einstellung neuer Polizisten gewährleistet sein könne
- Einige Zahlen dazu von ihm: 2009 gab es über Gebühren 187 Millionen Einnahmen. 2010/2011 sollen es 216 Millionen sein, welches 20 % mehr sind. Dabei seien aber zahlreiche Kürzungen und Beschränkungen nicht berücksichtigt. Es sei zu befürchten, dass man wieder zu wenig Geld einplant.
- FDP verlangt weniger Aufregung in der Debatte. Die Gebühren seien nicht zu niedrig.
- SPD kritisiert die Aufregung der Grünen und die Intention, steigende Kosten über Gebühren abzurechnen. Das Schlagwort „Grüne zocken Bürger ab, um Kosten zu decken“ stehe ihnen nicht gut zu Gesicht
- Bene Lux (Grüne) widerspricht der Erweckung des Eindrucks, dass die Grünen eine Art Abzocke über Gebühren anstreben und fragt, ob eine Änderung der Gebührennutzungsordnung ansteht
- Körting erklärt, dass der Vertrag noch läuft aber eine Änderung in Vorbereitung sei. Bei der nächsten Änderung sei eine Erhöhung wahrscheinlich. Eine Ausfallquote von in Rechung gestellten Gebühren wird nachgereicht.
Besondere Vorkommnisse
Anfrage zum Spiel Hertha BSC
- Beantwortung von Polizeipräsident Glietsch mit Stand 19.3.: 28 Verfahren wurden gegen 21 Berliner und 7 Brandenburger eingeleitet, 12 der Tatverdächtigen waren in der Datei Gewalttäter Sport, Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdiensten läuft so, dass keine Beanstandung angefallen ist; Forderung der Polizeigewerkschaft nach Geisterspielen wird als verständlich aber überzogen betrachtet
- Körting sieht die Entwicklung positiv und der Verein komme seinen Verpflichtungen umfänglich nach.
Pokerturnier
- Nachdem die Aussichten nach der letzten Sitzung schon positiv aussah, haben sich mittlerweile zahlreiche Ermittlungserfolge ergeben
- Bei dem ersten Verdächtigen wurde ein bei einer Hausdurchsuchung ein Zettel mit 6 Namen gefunden. Der Verdächtige konnte jedoch ein Alibi vorlegen und wurde freigelassen
- Am 15.3. stellte sich ein pot. Täter der Polizei, der dann drei Namen nannte.
- Die Täter wurden im Verlaufe der nächsten Tage festgenommen.
- Die CDU fragt nach beruflicher Tätigkeit und Staatsangehörigkeit der Verdächtigen. Die Staatsangehörigkeit sei nicht klar feststellbar, aber Deutsch/Türkisch/Libanesisch. Auch die berufliche Tätigkeit ist noch unklar. Beide Informationen werden nachgereicht.
Nächste Sitzung
- Findet am 19.4. statt
Fazit
Ausländerpolitik diesmal wenig packend
Die Diskussion um die Sprachtest-Test erweckte - wie dies im Innenausschuss zu Ausländer-Themen oft der Fall ist - den Eindruck, sehr emotional geführt zu werden. Es war eher ein Abtausch von allgemein bekannten Positionen, denn eine konstruktive, an Argumenten ausgerichtete Debatte. Folglich wurden auch alle Anträge von allen Parteien, außer den sie stellenden abgelehnt. Die sinkenden Nachzugszahlen geben auf jeden Fall eher den Grünen Recht als der CDU. Aber die Frage nach Sinn und Unsinn von Sprachtests sollte die Piratenpartei auf jeden Fall mal intensiver verfolgen.
Interessanter war da schon eher ...
Wesentlich interessanter ist da schon die Kombination aus dem Punkt "1. Mai" und dem letzten Punkt, den Benedikt Lux unter dem Stichwort "Gebührennutzungsordnung" anberaumt hatte. Es gibt nämlich im Innenausschuss ein beliebtes Spiel, das CDU/FDP gerne spielen, SPD/Linkspartei als innenpolitisch schwach und blind gegenüber linker Gewalt darzustellen. Und immer wenn dieses Thema auf die Tagesordnung kommt, sind sie in der Defensive. Das mögen CDU/FDP und stellen es daher möglichst oft auf die Tagesordnung. Und solange die Autosd brennen, läuft das auch weiter. Das mag auch ein Grund für so absurde Verordnungen wie die Handyabfragen im Rahmen der ASOG und die ÖPNV-Überwachung sein.
Die Intention von Bene Lux schien es daher zu sein, das Thema mal von der Gegenseite her anzureißen, um den Druck wegzunehmen. Geplant war also ein Rundumschlag, was so alles schief geht im Polizeibereich, wo man aber auch konkret ansetzen kann, anstatt der Pseudo-"Sie tun ja nichts gegen linke Gewalt"-Diskussionen, die CDU/FDP so gerne starten. Die gehoffte Generaldebatte gab es jedoch nicht, daher ist festzustellen, dass entweder der Fokus falsch gesetzt war oder der Zeitpunkt falsch war. Für die Piraten wird es aber voraussichtlich wichtig sein, sich eigene Schwerpunkte im Bereich Polizei- und Innenpolitik zu suchen, um einerseits die Regierung vor sich her zu treiben (sofern sie nicht in der Koalition sind) und zwar in eine andere Richtung als CDU/FDP dies gern hätten und andererseits um der Argumentation, soft gegenüber linker Gewalt zu sein, leichter begegnen zu können.