Stammtisch Aschaffenburg/OPNV Konzept Teil2

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ÖPNV-Konzept Teil 2

Konzept – fahrscheinloser, umlagefinanzierter ÖPNV für die Stadt Aschaffenburg

Vorwort:

In Zeiten gesteigerter Mobilitätsbedürfnisse und steigender Kosten des Personenkraftverkehrs ist eine Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) als gemeinsame Aufgabe unumgänglich. Die Kommunale Initiative in Aschaffenburg und die Piratenpartei bundesweit haben sich zum Ziel gesetzt diese Weiterentwicklung aktiv zu fördern – der Gedankengang eines ticketfreien ÖPNV stellt einen zentralen Punkt dieser Weiterentwicklung dar. Um aus der Idee einmal Realität werden zu lassen wurde das folgende Konzept für Aschaffenburg entwickelt. Als Vorlage diente der Vorschlag der Piratenpartei Nürnberg. Diese Vorlage wurde überarbeitet, verändert, ergänzt und auf Aschaffenburg zugeschnitten. Das Konzept ist eine Diskussionsgrundlage.


Gebietsbezug

Der ÖPNV wird im Großraum Aschaffenburg über die VAB abgewickelt. Politisch umfasst dieses Gebiet die Landkreise Aschaffenburg und Miltenberg, die kreisfreie Stadt Aschaffenburg und die angrenzenden hessischen Landkreise Main-Kinzig-Kreis, Offenbach, Darmstadt/Dieburg und der Odenwaldkreis. An der VAB beträgt der Aufteilungsschlüssel für die Stadtwerke Aschaffenburg 21%. Die weiteren Unternehmen sind die VU mit 47%, KVG-Bus mit 17%, die HLB mit 3% und die DB mit 12%. Die gesamten Fahrscheineinnahmen der VAB betrugen 2011 24,94 Millionen Euro. Da der Stadtrat Aschaffenburg nur für das Angebotsgebiet der Stadtwerke entscheiden kann und darf, ist das Konzept auch nur auf dieses Gebiet zugeschnitten. Finanzielle Entscheidungen betreffen nur die Bürger von Aschaffenburg. Wünschenswert wäre die Ausweitung des fahrscheinlosen ÖPNV auf das ganze VAB-Gebiet. Dies ist allerdings eine weitere Zukunftsaufgabe.

Ziele für den ÖPNV

  1. Das ökonomische Ziel des Konzeptes ist den ÖPNV effizienter innerhalb des aktuellen Finanzierungsbedarfs zu gestalten. Damit wird er für alle günstiger.
  2. Das ökologische Ziel des Konzeptes ist die Einsparung von möglichst viel CO2 und Feinstaubbelastung durch positive Anreize auf den ÖPNV umzusteigen.
  3. Das soziale Ziel des Konzeptes ist die Sicherstellung und Erweiterung der individuellen Mobilität aller Bürger.


Rahmen des Konzepts

Jegliche politische Konzeption erfordert ebenfalls eine klare Abgrenzung um hervorzuheben welche weiteren Felder zur Diskussion stehen. Aufgrund der Kürze dieses Konzeptes sind folgende Punkte aus dem Konzept ausgeklammert:

  1. Diskussion über die Qualität des ÖPNV (Fläche/Taktung/Technik/Geschwindigkeit )
  2. Diskussion über Serviceerweiterungen (Leihräder, Carsharing, Bürgerbusse)


Logische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem fahrscheinlosem ÖPNV

Mehrere politische Maßnahmen die nicht primär finanziellen/fiskalischen Charakter haben sollen vor der finanziellen Betrachtung genannt werden. Es sind:

  1. Der ÖPNV in seiner aktuellen Form wird zu 50% durch staatliche also öffentliche Mittel finanziert.
  2. Der ÖPNV kann nur sinnvoll durch aktive Bürgerbeteiligung entwickelt werden. Dabei müssen alle Bürger selbst über diese Neuausrichtung, die Neuinvestitionen und insbesondere über Grundausrichtung der Investitionsstruktur (Fläche contra Komfort) entscheiden.
  3. Eine permanente Evaluation des Prozesses und Optimierung des Services sollte angesichts steigender Flexibilitäts- und Mobilitätswünsche einerseits und ebenfalls steigenden Kosten des motorisierten Individualverkehrs andererseits von vornherein in jegliche Neuinvestition bzw. Ausrichtung integriert werden.

Finanzielle Betrachtung

Das Kernstück des Konzeptes für einen fahrscheinlosen ÖPNV im Angebotsgebiet der Stadtwerke AB ist natürlich die finanzielle/fiskalische Betrachtung. Die Stadtwerke haben 2011 einen Beförderungserlös von 5,9 Millionen Euro verzeichnet. Im Jahre 2011 konnte der Zuschussbedarf auf 2,82 Millionen Euro gesenkt werden. Der Gesamtaufwand betrug 8,7 Millionen Euro wobei hier auch Kapitalkosten von 1,4 Millionen Euro drinstecken (u.a. wurde auch der Regionale Omnibusbahnhof (ROB) mit 6 Millionen Euro gebaut – der muss abbezahlt werden). Die Betriebsmittel – Busse etc. – betrugen 2,3 Millionen Euro. (Quelle: Bericht zum Omnibusbetriebskostenvergleich 2011 – Vorlage Werksenat 20.09.2012) Da der ticketfreie ÖPNV nur die Fahrkartenerlöse verändert betrachten wir nur die Einnahmen durch diese Fahrkartenerlöse, d.h. 5,9 Millionen Euro.

Gleichzeitig ergeben sich jedoch auch Einsparpotentiale die natürlich gegengerechnet werden können. Diese setzten sich wie folgt zusammen:
Einsparungen (Schätzung)

Einsparung Verkaufsprozess ca 4% 220.000 Euro
Strukturvereinfachung Tarifplanung ca 2% 110.000 Euro
Schwarzfahrerverfolgung ca. 0,5% 30.000 Euro
360.000 Euro

Diese sind entsprechend der Ausarbeitungen der Arbeitsgruppe der Nürnberger Piraten absolut konservativ geschätzt und es ist anzunehmen, dass weiteres Sparpotential vorhanden ist und sich auch bei einer Umsetzung des Konzeptes einstellen wird. Für die weitere Berechnung wird hier aber von den „gering“ geschätzten Einsparungen ausgegangen. Somit liegt das Zwischendefizit bei rund 5,5 Mio. Euro die es gilt gegen zu finanzieren.


Gegenfinanzierung

Als Finanzierungskonzept kommen mehrere Alternativen in Betracht:

Finanzierungsalternative 1 – City-Maut!

Ausgehend von den Berechnungen von Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister von Tübingen, zur Citymaut würde die Einführung der Citymaut in Aschaffenburg für die Finanzierung des ticketlosen ÖPNV im Bereich der AVG reichen. Es wäre sogar ein deutliches Plus, das für die Erweiterung des ÖPNV benutzt werden könnte, vorhanden. Für Tübingen mit einer Fahrpreiseinnahme von 6,5 Millionen Euro, die durch die City-Maut gegenfinanziert werden müssten, würde bei einer City-Maut von einem Euro pro Einfahrt, ein Nettoerlös von 20 Millionen Euro im Jahr erzielt werden. Umgerechnet für Aschaffenburg wäre mindestens ein Nettoerlös von 10 bis 15 Millionen Euro zu erzielen. Auch hier wären dann weitere Mittel zur Erweiterung des ÖPNV vorhanden. Betroffen wären vor allem die Pendler aus den Landkreisen.

Finanzierungsalternative 2 – Haushalt!

Als weitere Alternative zur Finanzierung des fahrscheinlosen ÖPNV könnte das Defizit über den normalen Haushalt gegenfinanziert werden. Sollten die vorhandenen Haushaltsmittel nicht reichen, so ist statt einer Verschuldung eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer zur Ausgleichung des Haushaltes möglich. Die Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes von 385 auf 415 würde (unter Bezug auf die Zahlen von 2010) z.B. mit ca. 3.0 Millionen Euro Mehreinnahmen zu Buche schlagen. Damit wäre die Stadt Aschaffenburg immer noch unter dem Satz von Würzburg mit 420 Punkten. Schweinfurt mit 370 Punkten ist als Stadt mit Großindustrie nicht vergleichbar. Eine Erhöhung der Grundsteuer –B– von 350 v.H. auf 400 v.H. würde z.B. ebenfalls ca. 1,5 Millionen Euro Mehreinnahmen bringen. Damit wäre eine Gegenfinanzierung mit 4,5 Millionen erreicht. Die Lücke würde nur noch 1 Million Euro betragen. Die Fahrkarte würde dann über die Miete, Grundbesitz bzw. Gewerbesteuer gezahlt werden. Für Unternehmen ergibt sich eine Realeinsparung durch den Wegfall von Jobtickets und ähnlicher Kosten.

Finanzierungsalternative 3 – Nahverkehrsabgabe!

Die Einführung einer Nahverkehrsabgabe von jährlich durchschnittlich 100 bis 150 Euro würde bei ca. 50.000 einkommens- und lohnsteurpflichtigen Bürgern ausreichen um das Defizit von 5,5 Millionen Euro zu decken. Eine einkommensbezogene oder soziale Staffelung sollte möglich sein. In Fachkreisen wird diese Möglichkeit "Bürgerticket" genannt. Das Kalkül hinter dem Bürgerticket klingt einleuchtend: Wer eine Monatskarte besitzt, nutzt sie auch. Ob diese Kommunalabgabe für den ÖPNV vom Land Bayern erlaubt wird, muss noch geklärt werden.

Über die Umsetzung des Konzeptes sollte die Bürger in Form eines Bürgerentscheides abstimmen.

Weiterführende Punkte

Den logischen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem fahrscheinlosen ÖPNV stehen einige Ideen gegenüber die nicht innerhalb dieses Konzeptes einbezogen wurden:

  1. Natürlicherweise hilft ein funktionierender ÖPNV den CO2-Verbrauch zu senken. Somit wäre es nur eine durchaus logische Folgerung den ÖPNV auch an den CO2-Zetrifikatshandel anzuschließen und so Einnahmen zu generieren. Dieses ist z.Zt. nicht der Fall. Eine Berechnung über die tatsächlichen Einsparungen und möglichen Einnahmen würde dieses Konzept absolut sprengen.
  2. Lärm und Feinstaub sind Maßstab individuell gefühlter Lebensqualität. Diese Lebensqualität lässt sich nur bedingt in einer Betriebswirtschaftlichen aber auch selbst in einer Volkswirtschaftlichen Betrachtung ausdrücken. Folglich müssen die Bürger in ihrer Mehrheit entscheiden wie hoch der Wert dieser Lebensqualität ist und den Preis den sie zu zahlen bereit sind festlegen.
  3. Trotz der absoluten Unberechenbarkeit muss auch auf die vielen Hunderttausender Minuten eingesparter „Ticketeinkaufszeit“ hingewiesen werden, die sich aus den individuellen Kaufvorgängen aggregieren. Jenseits der intensiven volkswirtschaftlichen Betrachtung macht es das alltägliche Leben einfacher.
  4. Grundlegend wäre auch die Parkraumbewirtschaftung inclusive der bisher ungeregelten Parkplätze auf den öffentlichen Straßen zur Finanzierung heranzuziehen.
  5. Last but not least sehen wir ein großes Potential eines ticketfreien ÖPNV in der Attraktivitätssteigerung des Stadtzentrums. Einerseits bedeutet es für den Einzelhandel eine Art „Wettbewerbsausgleich“ gegenüber den Einkaufsmöglichkeiten im Internet; der fahrscheinfreie ÖPNV wird nicht alle Probleme in diesem Kontext lösen ist aber neben den anderen Vorschlägen ein wichtiger Baustein im Stadtentwicklungskonzept.

Zielprüfung

Jedes Konzept sollte nach der technischen Diskussion zu guter Letzt nochmals daraufhin überprüft werden ob es denn die Vorgaben erfüllt.

  1. Das ökonomische Ziel wird durch Realeinsparungen, Rationalisierung und Gegenfinanzierung erreicht.
  2. Das ökologische Ziel wird durch ein durch deutliches Umsteigen von PKW auf ÖPNV erreicht.
  3. Das soziale Ziel ist durch Umsetzung eines solchen Konzeptes erfüllt, da alle (auch diejenigen die sich heute keine Fahrkarte leisten können) ins Konzept integriert sind.

Weiter Schritte:

  1. Im ersten Schritt sollte einen fahrscheinfreien ÖPNV auf einer noch zu realisierenden Ringbuslinie eingeführt werden. Das ist von den Kosten überschaubar, fördert auch den Einzelhandel und liefert garantiert interessante Informationen. Alternativ könnte auch er auch auf der Strecke der Buslinien 4 und 10 (ROB – Schweinheim) zum Zuge kommen. Schweinheim ist mit rund 10.000 Einwohnern der größte Stadtteil der nicht von überregionalen Buslinien versorgt wird und damit Abends ab 21:25 und Sonntagsfrüh ohne Busanbindung ist.
  2. Nachdem Tallin die erste größere Stadt ist, die flächendeckend auf fahrscheinfreien ÖPNV setzt, sollte im zweiten Schritt das System vor Ort getestet werden.
  3. Das fahrscheinlose ÖPNV-Konzept basiert auf einer dezentralen Einführung des Systems. Weltweit wird jedoch an fahrscheinlosen ÖPNV–Konzepten gearbeitet. Diese sollten miteinander verglichen und evaluiert werden.

jb – Okt. 2012

Quellenmaterial und Kontakt:

[Positionspapier BPT 2011.2 Piratenpartei]

Einführung eines Nulltarifes im ÖPNV: „... Die Piratenpartei fordert eine Analyse der Machbarkeit eines fahrscheinfreien ÖPNVs. Wir setzen uns dafür ein, zunächst ein oder mehrere Pilotprojekte umzusetzen, die wissenschaftlich begleitet werden sollen. Gut geeignet sind hierzu kleinere oder mittelgroße Städte, deren ÖPNV-Systeme aufgrund ihrer Insellage nicht mit anderen Großstädten vernetzt sind. Im Erfolgsfall soll der Modellversuch schrittweise bundesweit ausgedehnt werden. Der Öffentliche Nahverkehr zum Nulltarif mit hohen qualitativen und quantitativen Standards wird auf Dauer die Mobilität eines jeden Bürgers erhöhen und in Zukunft einen hohen Stellenwert in der Schaffung eines umweltfreundlichen sowie ressourcenschonenden Verkehrsangebotes einnehmen.“

Kontakt:

Fragen zum Konzept für Aschaffenburg bitte an: Johannes Buettner
Kommunale Initiative
Lars Zillger und Jürgen Neuwirth
Piratenpartei Nürnberg; Zirkelschmiedsgasse 5 – 90402 Nürnberg
Fragen zum Konzept für Nürnberg bitte an [1] oder [2]

Linksammlung/Arbeitsnachweise

kostenloser-oepnv-vorteile-nachteile-effekte
Facebook – Gruppe Ticketfrei und Spaß dabei
Video Fahrscheinloser ÖPNV
http://idw-online.de/pages/de/news141187 Mobilitätsstilanalysen 1]
http://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/114295/ Mobilitätsstilanalysen 2 ]
Die Stadt Hasselt
Zukunft Mobilität

weitere Links

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weniger als ein drittel der Kosten