Piratenwirtschaft
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Wiederherstellung der Sozialen Marktwirtschaft
durch die AG Wirtschaft und die AG Wirtschaftspolitik der Piratenpartei Deutschland?
Präambel
Die Wirtschaft soll eine treibende Kraft für Frieden, Wohlstand und Fortschritt einer Gesellschaft sein.
Sie umfasst und verbindet alle Teilnehmer unterschiedlichster Größe und Form, ob Großunternehmen oder private Haushalte.
Jeder von ihnen leistet seinen Beitrag für das Wohl unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft.
Der Aufbau der Wirtschaft ist so zu gestalten, dass Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen und Ausgrenzungen keinen Nährboden finden.
Das System muss den Grundsätzen einer Sozialen Marktwirtschaft entsprechen und den Fortschritt der Gesellschaft fördern.
Jedem Menschen in Deutschland ist eine faire Chance zur wirtschaftlichen Teilhabe zu gewährleisten.
Übergeordnete Ziele
Die Zielsetzung ökonomischen Handelns kann nicht in einer einseitigen Orientierung auf möglichst hohes Wirtschaftswachstum bestehen.
Wirtschaftswachstum ist nicht essbar, ewiges Wachstum ist nicht möglich und es führt auch nicht automatisch zu einer glücklicheren Bevölkerung und kann als einzelne Kennzahl nicht die Komplexität wirtschaftlichen und menschlichen Lebens abbilden.
Vielmehr sollte die Zielsetzung auf das Gesamtsystem der Wirtschaft ausgerichtet werden.
Im Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse der Bevölkerung.
Neben den hinlänglich bekannten wirtschaftspolitischen Zielen, wie Wachstum, Beschäftigung, Verteilungsgerechtigkeit oder die Vermeidung der Inflation kann die Wirtschaftpolitik auf alternative Zielgrößen wie eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, die Verringerung der individuellen Arbeitszeit oder die Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Energie-, Zeit- oder Ressourceneffizienz ausgerichtet werden.
Der Mensch ist nicht ausschließlich an materiellem Eigennutz sondern auch und in besonderem Maße an Fairness interessiert.
Die Wirtschaftsordnung muss diesen Bedürfnissen angepasst werden.
Priorität jeden wirtschaftlichen Handelns hat die Versorgung der Bevölkerung und die Schaffung individueller Freiräume.
Die Rahmenbedingungen sind so zu setzen, dass besondere Leistung zu besonderer Entlohnung führt, nicht aber der reine Besitz zum automatischen Besitzzuwachs.
Eine moderne Gesellschaft muss die Existenzsicherung für alle ermöglichen.
Wir halten das marktwirtschaftliche Prinzip für eines der geeignetsten Werkzeuge, wirtschaftliche Prozesse abzuwickeln.
Allerdings bedürfen Marktwirtschaften der Ergänzung und Korrektur durch die Regeln und Eingriffe seitens der Politik, beispielsweise in der Sozialpolitik, dem Umweltschutz oder der Aufrechterhaltung fairen Wettbewerbs.
Dem Unternehmertum kommt eine besondere Bedeutung zu.
Ohne unternehmerisches Handeln findet auch keine Beschäftigung von Arbeitnehmern statt.
Wir fördern deshalb das Prinzip des unternehmen statt unterlassen.
Dazu wollen wir Konzepte entwickeln und umsetzen, die eine unternehmerische Selbständigkeit erleichtern.
In diesem Kontext wird auch der Abbau ausgeuferter Bürokratien angestrebt.
Programmelemente
Dezentralisierung ist eine grundlegende Voraussetzung funktionsfähiger marktwirtschaftlicher Systeme und ein hilfreicher Ansatz, wirtschaftliche und gesellschaftliche Machtkonzentrationen aufzubrechen bzw. zu verhindern.
Die Wirtschaftsförderung sollte deshalb insbesondere die Dezentralisierung stimulieren: kleine und mittelständische Unternehmen statt Großkonzerne, kleine und mittelgroße Technologien statt Großprojekte, Subsidiarität und Föderalismus statt Zentralismus („Europa der Regionen“) erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe, die möglichst dezentral produziert und in räumlicher Nähe verarbeitet und verbraucht werden.
Wir unterstützen insbesondere lokale private und kommunale Initiativen zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe und alternativer Wirtschaftsbeziehungen.
Dies beinhaltet beispielsweise die Beseitigung rechtlicher und steuerlicher Benachteiligungen von regionalen Komplementärwährungen, Tauschringen oder Aktivitäten der Selbstversorgung und Nachbarschaftshilfe.
Eine besondere Beachtung gilt wirtschaftlichen Monopolen und monopolistischen Strukturen.
Monopolbildung führt systematisch zu einer Übervorteilung von Kunden, Lieferanten, Beschäftigten und Öffentlichkeit durch die jeweiligen Monopolisten, was sich in erhöhten Preisen einerseits und Monopolprämien andererseits ausdrückt.
Monopol- und Kartellstrukturen lassen den Menschen keine Alternativen und führen deshalb zu verstärkten Abhängigkeiten.
Das Wirtschaftssystem ist so zu gestalten, dass Monopolstrukturen und deren Entstehung verhindert werden.
Hierfür bedarf es einer wirksamen Wettbewerbsgesetzgebung.
Im Falle öffentlicher Güter, natürlicher Monopole oder hoheitlicher Aufgaben unterliegen die monopolitischen Strukturen in besonderem Maße der demokratischen Kontrolle bzw. dem öffentlichen Eigentum.
Dies gilt insbesondere für Infrastruktureinrichtungen, zu denen möglichst allen ein umfassend freier Zugang zu gewährleisten ist.
Geld kann als ein wesentliches gesellschaftliches Verrechnungs- und Informationssystem betrachtet werden.
Die in Geld ausgedrückten Preise informieren darüber, wie viel Aufwand zur Produktion nötig ist und wie viel den Käufern ein Produkt wert ist.
Geld und seine Derivate informieren darüber, wer bereits Leistung ins Wirtschaftssystem eingebracht hat (Geldbesitzer) und deshalb Anspruch auf Gegenleistung durch die anderen Wirtschaftsakteure hat.
Es informiert darüber, wer Leistung vom System bezogen hat, ohne seine Gegenleistung zu erbracht zu haben (Geldschuldner).
Ohne funktionierendes Verrechnungssystem ist marktwirtschaftlicher Leistungsaustausch, Arbeitsteilung und Spezialisierung unmöglich.
Als neuralgisches System bedarf das Finanzsystem besonderer Beachtung und stabilisierender Elemente, wie auch die krisenhaften Entwicklungen der Finanzmärkte in der jüngeren Vergangenheit zeigen.
In diesem Sinne fordern wir die Einführung von Transaktionsabgaben (orientiert am Beispiel einer sog. „Tobin Tax“ oder einer Börsenumsatzsteuer), die Zertifizierung von Finanzprodukten und die Schaffung entsprechender Zulassungsregeln als Voraussetzung staatlicher Einlagensicherungen sowie verbesserte Möglichkeiten und aktive Unterstützung zur Einrichtung alternativer oder komplementärer Zahlungs- und Verrechnungssysteme (Piratenflagge) in privatwirtschaftlichem Rahmen.
Der Prozess der Globalisierung ist zu begrüßen, soweit er allen Menschen des Planeten hilft, ihre Bedürfnisse besser zu befriedigen.
Dies kann durch materielle Wohlstandssteigerungen erreicht werden, von diesen jedoch auch unabhängig sein.
Globalisierung darf nicht dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit von Menschen auf der einen Seite des Planeten durch destabilisierende Entwicklungen auf der anderen Seite des Planeten unverhältnismäßig eingeschränkt wird.
Die Ausbildung von Marktmachtpositionen durch Regellosigkeit ist zu vermeiden.
International ist ein System tragfähiger und demokratisch begründeter und kontrollierter Regeln und Institutionen anzustreben.
Gemäß dem Ansatz der Dezentralisierung fordern wir außerdem, ergänzend zum Globalisierungsprozess einen Regionalisierungsprozess anzustoßen.
Inspiriert vom Ansatz freier Software wollen wir neue Teilhabe-Konzepte im Wirtschaftsleben fördern. Auch wenn das Privateigentum in den meisten Situationen gerechtfertigt und sinnvoll ist, so muss doch festgestellt werden, dass privates Eigentum immer bedeutet, dass andere Menschen von seiner Nutzung ausgeschlossen werden können.
Die Förderung von Eigentum in anderer Form findet sich beispielhaft in Ideen wie: • freie Hard- und Software • offenes Wissen und offene Patente • freie Geschäftsmodelle • Bürgerbusse & CarSharing • Verbrauchergemeinschaften • Haus- und Wohngemeinschaften, Mietshäuser-Syndikate • Produktions-, Handels-, Kredit-, Einkaufs-, Grundeigentums- und Nutzungsgenossenschaften
Weitere freie/offene Konzepte, die Nutzungsmöglichkeiten auf möglichst viele Menschen verteilen (gemeinsame Nutzung statt ausschließendes Privateigentum), begrüßen und fördern wir ausdrücklich.
Wir streben eine Vereinfachung, Effizienzsteigerung und Entbürokratisierung im System der öffentlichen Finanzen an.
Dies soll für eine wirtschaftlichere, transparentere und gerechtere Verwendung öffentlicher Mittel sorgen und beinhaltet die folgenden Elemente:
Wir halten eine Vereinfachung des Abgabensystems für eine wesentliche Voraussetzung einer effizienteren, transparenteren und gerechteren Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Es gibt zu viele verschiedene Abgaben, deren Erhebung in der Praxis oft intransparent und durch zahlreiche Sonder- und Ausnahmeregelungen selbst für Fachleute undurchschaubar ist.
Unser Ziel besteht in der Einrichtung eines einfachen und dem Prinzip der Progression folgenden Systems der Einkommensbeteuerung, das alle Einkommensarten einer einheitlichen Regelung unterwirft.
Dieses Konzept wird ergänzt durch ein System sinnvoller Verbrauchs- und Verkehrssteuern.
Die Steuern sind grundsätzlich als Gemeinschaftssteuern zu gestalten, deren Aufteilung sich nach Bevölkerungsanteilen richtet und ein kompliziertes Finanzausgleichssystem obsolet macht.
Unternehmensgewinne werden durch die Entnahme aus den Betrieben zu steuerpflichtigem Einkommen, die produktive Verwendung der Gewinne wird somit steuerlich begünstigt.
Lokales, kleinteiliges und alternatives Wirtschaften soll durch großzügige Freigrenzen und Pauschalisierungsmöglichkeiten gefördert werden.
Das Abgabensystem soll insbesondere der Beschäftigung förderlich sein.
Dies impliziert eine alternative Finanzierung der Sozialsysteme, vorzugsweise aus dem allgemeinen Steuersystem.
Erforderlich ist eine grundlegende Reform zur Entlastung des Faktors Arbeit von der Finanzierung der Sozialsysteme, wodurch Produktion, Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit gefördert werden.
Wir streben ferner eine Vereinfachung des Transfersystems an.
Alle finanziellen Sozialleistungen sind möglichst durch ein einheitliches Grundsicherungssystem zu ersetzen, das beispielsweise als Grundeinkommen oder in Form einer negativen Einkommensteuer ausgestaltet werden kann und durch zusätzliche staatliche und privatwirtschaftlich organisierte Sozialversicherungen auf freiwilliger Basis ergänzt wird.
Dadurch werden auch bürokratische Strukturen abgebaut und entwürdigende Kontroll- und Überwachungsprozeduren vermieden.
Wir sind uns im Klaren, dass der „Kapitalismus“ in seiner gegenwärtigen Ausprägung nicht das Ende jeder ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung sein kann.
Wir stehen deshalb insbesondere für Weiterentwicklungen des Wirtschaftssystems ein und fördern Experimente, die neue Wege menschlichen Lebens und Wirtschaftens aufzeigen.
Insbesondere setzen wir uns für Experimentierklauseln ein, um neue ökonomische Instrumente, Konzepte oder Spielarten auszuprobieren („Sandboxprinzip“) und die so erlangten Kenntnisse und Erfahrungen in eine Weiterentwicklung der Ökonomie zurückzuführen.
Solche ökonomischen Experimente können - soweit dort gewünscht, gefordert und demokratisch getragen - in gesonderten gesellschaftlichen Räumen (geografische oder sektorale Räume, wie einzelne Regionen oder Branchen) durchgeführt werden.
Unterschiedlichste wirtschaftspolitische Ansätze und Konzepte wären so evaluierbar - unter realen Bedingungen in begrenzten Räumen und nicht als theoretisches Dogma.
Schlusswort
Wir sind uns des Umstandes bewusst, dass unser Wirtschaftsprogramm in der Praxis sehr hohe Ansprüche an seine konkrete Umsetzung stellt, möchten unsere Vorschläge aber gleichwohl zur Diskussion stellen und streben permanente Verbesserungen und Ergänzungen an.
Dr. Daniel Ludwig, 11.02.2010