Benutzer:Juh/Piratenbildung
Piratige Bildungsgrundsätze
Wohlstand durch Bildung
--Schwarzbart 13:26, 4. Nov. 2009 (CET)
Für Piraten ist die Bildung das, was für die anderen Parteien das Wirtschaftswachstum ist. Die Piraten sind sich bewusst, dass der individuelle und gemeinschaftliche Wohlstand in Deutschland nur bewahrt werden kann, wenn die hier ansässigen Firmen und ihre Mitarbeiter international wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen herstellen und erbringen und möglichst viele Bürger durch ein hohes Bildungsniveau in der Lage sind, einen gut bezahlten Arbeitsplatz zu finden. Der Anteil derjenigen in unserer Bevölkerung, die hoch qualifizierte Bildungsabschlüsse erzielen, muss daher in kurzer Zeit drastisch erhöht werden. Eine weitere Vernachlässigung unserer Bildung gefährdet Arbeitsplätze und setzt unseren Wohlstand aufs Spiel. --Juh 11:13, 13. Nov. 2009 (CET)
Wir lassen niemanden zurück!
Die Piraten sind sich bewusst, dass die menschlichen Fähigkeiten zu lernen, sehr unterschiedlich sind. Chancengleichheit allein reicht daher nicht aus, um diejenigen Schüler zu fördern, denen das Lernen schwerer fällt. Sie brauchen vielmehr deutlich mehr Chancen als die übrigen Schüler! Piraten lassen auf dem Weg in die Wissensgesellschaft niemanden zurück. Es müssen Mittel und Weg gefunden werden, Lernschwachen Schülern so frühzeitig und so intensiv wie möglich zu helfen, ihren individuellen Weg zu mehr Bildung zu finden. Der Kreis der Erfolgreichen an unseren Schulen muss größer werden. Schulversagen ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Versagen.
Standards sind für die Menschen da, nicht umgekehrt!
Bildungsstandards sind unverzichtbar. Allerdings lehnen Piraten Standards ab, die Menschen klassifizieren sollen. Sie sollen den Menschen als Orientierung dienen, nicht als persönliche Messlatte.
Bildungsstandards sollen daher in erster Linie an die Schulen und Universitäten und an den Unterricht angelegt werden. Die Bürger in unserem Lande sollen die Gewissheit haben, dass die Bildungsinstitute und die staatlichen Stellen die definierten Standards einhalten. Dies ist umso wichtiger, da Schüler, Eltern und Lehrkräfte stets als Einzelne einer staatlichen Organisation gegenüberstehen und damit die schwächere Position haben.
Zeugnisnoten widersprechen der informationellen Selbstbestimmung
Zeugnisnoten, die außerhalb der Institution, in der sie vergeben wurden, angewendet werden müssen (zum Beispiel bei einer Bewerbung um einen Studien-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz) widersprechen der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen.
Solche Abschlusszeugnisse sollten daher in Zukunft nur noch einen Hinweis darauf enthalten, dass die Abschlussprüfung bestanden wurde.
Bewertungen während der Schullaufbahn sollten dazu dienen, dem Schüler und der Schule eine Orientierung an die Hand zu geben. Schlechte Noten sind eine Aufforderung an die Schule, ihre Bemühungen um den Schüler zu verstärken. So sollte beispielsweise ab einer Vier unverzüglich ein schulinterner Nachhilfeunterricht einsetzen.
Transparente Schule statt transparenter Schüler
Unter diesem Grundsatz kann man vieles aus den Kapiteln "informationelle Selbstbestimmung" und "Standards" subsummieren. Piraten lehnen den transparenten Schüler ab. Alle Bewertungen, die während seiner Schullaufbahn über ihn angefertigt werden, dürfen lediglich dazu dienen, seine Unterrichtsplanung zu optimieren. Schlechte Noten versetzen die Schule in eine Bringschuld, dem Schüler zu helfen. Nicht umgekehrt! Schlechte Noten sind ein Zeichen, dass die Schule versagt hat Nicht umgekehrt.
Die Bildungseinrichtungen sollen ihre Methoden, ihren Haushalt und ihre Ergebnisse offenlegen, damit die Schulwahl auf einer solideren Wissensbasis erfolgen kann. Dies erleichtert auch alle Evaluationsmaßnahmen, durch die Abläufe bewertet und optimiert werden sollen.
Interpretation des Parteiprogramms
Es gibt ein beschlossenes Parteiprogramm, in dem vier Absätze über die Bildungspolitik stehen. Der AK Bildung NRW betrachtet diese Absätze als Grundsatzprogramm. Da die Formulierungen sehr allgemein sind, ist eine Interpretation des Programms notwendig, die aufzeigt, welche konkreten Forderungen aus dem Grundsatzprogramm abgeleitet werden könnten.
Bildung in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft
"Jeder Mensch hat das Recht auf freien Zugang zu Information und Bildung. Dies ist in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft essentiell, um jedem Menschen, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Mit diesem Ziel ist das Hauptanliegen institutioneller Bildung die Unterstützung bei der Entwicklung zur mündigen, kritischen und sozialen Person."
Dieser erste Absatz enthält nur auf den ersten Blick demokratisch selbstverständliche Allgemeinplätze. Ein umfassend verstandenes Recht auf freien Zugang zu Information und Bildung ist beispielsweise unvereinbar mit einem mehrgliedrigen Schulsystem, in dem einigen Personen zu einem frühen Zeitpunkt der Zugang zu höherer Bildung verwehrt und später durch eine Undurchlässigkeit der Systeme erschwert wird. Der freie Zugang zu Bildung schließt die freie Wahl der Schule und des Bildungsweges mit ein.
Das Hauptanliegen institutioneller Bildung ist die Unterstützung bei der Entwicklung zur mündigen, kritischen und sozialen Person. Hier wird das Individuum in den Mittelpunkt institutioneller Bildung gestellt. Das Bildungswesen hat also nicht primär die Funktion, dritten (zum Beispiel der Wirtschaft) ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Das Ziel des Bildungsweges liegt im Individuum selbst begriffen, nicht in seiner Verwendbarkeit zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt.
"Der freie Zugang zu Information und Bildung ist jedoch nicht nur im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung notwendig, sondern auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung unserer Gesellschaft. Bildung ist eine der wichtigsten Ressourcen der deutschen Volkswirtschaft, da nur durch den Erhalt, die Weitergabe und die Vermehrung von Wissen Fortschritt und gesellschaftlicher Wohlstand auf Dauer gesichert werden können.
Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft."
Auch dieser Absatz klingt zunächst wie ein Allgemeinplatz, der in jedem anderen Parteiprogramm stehen könnte. Bildung wird hier als fundamentale Voraussetzung von Fortschritt und Wohlstand definiert. Hervorzuheben ist, dass mit Bildung wie oben beschrieben keine funktionalisierte Bildung gemeint ist, die lediglich der Wirtschaft qualifizierte Arbeitskräfte bereitstellen will, sondern eine auf die Entwicklung des Individuums bezogene freie Bildung. Hinter diesem Absatz steht eine positive Definition von Wissenschaft, die ausformuliert werden sollte.
Die öffentliche Bildungsinfrastruktur
"Der freie Zugang zu Bildungseinrichtungen ist im Interesse aller. Deshalb ist es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, in Form des Staates, eine leistungsfähige und ihrem Zwecke angemessene Bildungsinfrastruktur zu finanzieren und frei zur Verfügung zu stellen. Private Finanzierung öffentlicher Bildungseinrichtungen ist grundsätzlich zu begrüßen, solange sie keinen Einfluss auf die bestehenden Lehrinhalte hat."
Dieser Absatz ist problematisch. Zunächst wird Bildung ganz eindeutig und unmissverständlich als Aufgabe des Staates dargestellt. Die Finanzierung der Bildungsinfrastruktur muss ihrem Zweck angemessen sein. Hiermit wird auch der Privatisierung der Bildung, wie sie zum Beispiel im Falle der Akkreditierungsagenturen geschehen ist, eine Absage erteilt. Anschließend wird die private Finanzierung öffentlicher Bildungseinrichtungen begrüßt, wenn damit kein Einfluss auf Lehrinhalte genommen wird. Dies generell und im Einzelfall sinnvoll zu regeln, dürfte nicht einfach sein. Im Prinzip bedeutet dieser Satz, dass eine finanzielle Unterstützung durch private Geldgeber prinzipiell nicht zweckgebunden sein dürfte und die Empfänger frei über das Geld verfügen dürften. Dies dürfte den Interessen der Geldgeber in vielen Fällen zuwiderlaufen, was dazu führen würde, dass die Gelder nicht in öffentliche Einrichtungen fließen, sondern gleich in private. Eine mögliche Lösung wäre die Realisierung von vollständiger Transparenz, durch die die Gesellschaft Einblick erhält, wie im Einzelfall mit Geldern verfahren wird.
"Bildungsgebühren jeglicher Art schränken den Zugang zu Bildung ein und sind deshalb kategorisch abzulehnen. Aus diesem Grund ist auch die Lehrmittelfreiheit zu befürworten. Diese ist am besten dadurch herzustellen, dass die Verwendung und das Schaffen von freien Werken zur Vermittlung von Wissen unterstützt und ausgebaut wird. Diese freien Werke sind nicht nur kostenfrei im Unterricht einsetzbar, sondern ermöglichen dazu dem Lehrenden ohne rechtliche Hürden die Lernmittel auf seinen Unterricht anzupassen."
Dieser Absatz bedarf keiner Interpretation.
"Trotz des staatlichen Bildungsauftrages soll die Erziehung in Bildungseinrichtungen die Erziehung durch die Eltern nicht ersetzen. Zur umfassenden Bildung gehört, dass sich beide Formen der Erziehung gegenseitig ergänzen und fördern."
In diesem Absatz wird das Schnittstellen-Problem leider völlig außer Acht gelassen. Zurzeit entstehen an der Schnittstelle Elternhaus-Schule zahlreiche Konflikte, die teilweise äußerst komplex sind. Familiäre Grundsätze treffen auf bürokratische Strukturen, unterschiedliche Kulturen geraten miteinander in Konflikt – die Liste der Probleme ist lang und man sollte sie nicht aus den Augen verlieren. Ein möglicher Lösungsansatz besteht in der Verankerung der Bildung im Individuum; die Schnittstellen der Schule müssen auf das Individuum ausgerichtet sein, nicht auf bürokratische Erfordernisse einer Organisation. Was dies im Detail bedeutet, muss noch geklärt werden.
Bildung als individueller Prozess
"Jeder Mensch ist ein Individuum mit persönlichen Neigungen, Stärken und Schwächen. Institutionelle Bildung soll daher den Einzelnen unterstützen seine Begabungen zu entfalten, Schwächen abzubauen und neue Interessen und Fähigkeiten zu entdecken. Neben starren Lehr- und Stundenplänen, werden vor allem einige Formen der Leistungsbewertung diesen Forderungen nicht gerecht. Insbesondere die Bewertung von Verhalten nach einem vorgegebenen Normenraster z.B. bei den sogenannten Kopfnoten lehnen wir ab."
In diesem Absatz wird die Verankerung der Bildung im Individuum, die weiter oben bereits angeklungen ist, weiter ausformuliert. Die institutionelle Bildung hat die Aufgabe den Einzelnen zu unterstützen seine Begabungen zu entfalten. Es geht also nicht um Normen der Gesellschaft oder des Arbeitsmarktes, sondern um die Begabungen des Einzelnen, die entfaltet werden sollen. Zudem soll das Individuum neue Interessen und Fähigkeiten entdecken und Schwächen abbauen. Wie in diesem Zusammenhang Schwächen definiert werden, ist noch auszuführen. Es würde dem bisher gesagten widersprechen, allgemeine Bildungsnormen zu definieren, an denen die Schüler pauschal gemessen werden. Schwächen sind als individuelle Schwächen zu definieren. Jeder Schüler hat individuelle Schwächen, die erkannt werden müssen. Das geht mit normierten Prüfungen nicht.
"Die Bildungsinhalte haben auf fundierten und belegbaren Erkenntnissen zu basieren und müssen von einem möglichst neutralen Standpunkt aus vermittelt werden. Dies beinhaltet vor allem eine sachliche Darstellung, die Ausgewogenheit der Standpunkte und eine kritische Quellenbewertung."
In diesem Absatz wird eine tendenziell aufgeklärt-naturwissenschaftliche Sicht auf die Dinge offenbar. Musischen Fächern kann man damit nicht immer gerecht werden. Dass der Bildungssektor frei von Indoktrination sein sollte, dürfte dagegen selbstverständlich sein.
Leider wird die schwierige Frage nach einem inhaltlichen Kanon im Programm nicht beantwortet. Ein strikter Bildungskanon widerspräche ganz sicher der Verankerung der Bildung im Individuum, andererseits sind die Positionen des Programms in vieler Hinsicht eindeutig: Aufklärung, Wissenschaftlichkeit, die Freiheit des Individuums – dies sind Grundsätze, die sich auch inhaltlich auf den Bildungssektor auswirken müssen.
Demokratisierung der Bildungseinrichtungen
"Die Bildungseinrichtungen sind für die dortigen Schüler und Studenten ein prägender und umfassender Bestandteil ihres Lebens. Sie sind deswegen als Lebensraum der Lernenden zu begreifen, dessen Gestaltung und Nutzung ihnen stets offen stehen muss. Eine demokratische Organisation der Bildungseinrichtungen soll den Lernenden, genau wie den anderen Interessengruppen der Bildungseinrichtungen, eine angemessene Einflussnahme ermöglichen. Auf diese Weise werden demokratische Werte vermittelt und vorgelebt, die Akzeptanz der Entscheidungen erhöht, sowie das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Bildungseinrichtungen gestärkt."
Dieser Absatz birgt eine Menge Sprengstoff, da Bildungseinrichtungen zurzeit alles andere als demokratisch aufgebaut sind. Um demokratisch aufgebaut zu sein, müssten Bildungseinrichtungen zunächst einmal unabhängig sein. Dies sind sie jedoch nicht. Sie können weder frei über ihren Etat verfügen noch frei über ihr Lehrpersonal entscheiden. Vorschriften werden nicht von den Einrichtungen selbst, sondern vom Schulamt oder dem Ministerium erlassen. Das bedeutet, dass sich die Demokratie in öffentlichen Bildungseinrichtungen zurzeit eher an randständigen Themen, wie der Wahl des Mottos des nächsten Schulfestes, abarbeitet. Demokratie ist ohne Unabhängigkeit nicht möglich. Die Forderung, Bildungseinrichtungen zu demokratisieren, schließt daher die Forderung nach sehr viel größerer Unabhängigkeit mit ein. Die Bildungseinrichtungen sollen deshalb
1. über die Verwendung ihrer Gelder
2. die Einstellung und Entlassung von Lehrkräften
3. die Berufung der Schulleitung
auf demokratischem Wege selbst entscheiden.
Disclaimer
Eine Interpretation ist immer eine Interpretation. Man kann das Parteiprogramm scharf oder weniger scharf interpretieren. So wie es zurzeit formuliert ist, bleibt vieles unausgesprochen. Es könnte in dieser Form sicher in vielen anderen Parteiprogrammen stehen. Ich habe versucht, eine eher scharfe Interpretation zu formulieren, die auf grundlegende Veränderungen im deutschen Bildungssystem abzielt. Benutzer:Juh