Benutzer:Bzapf/Überwachung

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Überwachung

Gegen 2012 nahm dann auch der Eindruck, dass jeder auch gegen seinen Willen einer behördlich gesteuerten und rechtswidrigen Überwachung ausgesetzt wird, die äußere Form schmerzhafter Gewißheit an. Der Pudel wollte gehorchen, und so musste man sich wohl in die Untiefen der Juristerei begeben, um näheres zu erfahren. Meine Erkenntnisse sind hier lesbar.

Die Kurzfassung

Trotz aller erdenklicher Konstruktionen von Exterritorialität der Niederlassungen von Überwachern unterliegen sie zumindest ausserhalb dieser der deutschen Rechtsprechung. Insbesondere ist das dann der Fall, wenn etwas in Deutschland verboten und anderswo erlaubt ist. Deutschland ist weiterhin entsprechend der Drei-Elemente-Lehre ein souveräner Staat. Diverse Beamte stehen derzeit im Verdacht, Strafvereitelung im Amt zu begehen. Geheime Verträge können nicht befolgt werden.

tl;dr

Auf der Suche nach den Rechtsgrundlagen der Abhörmaßnahmen stößt man recht schnell auf die Geschichte der Bundesrepublik kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Damals war die Situation einige Zeit recht verfahren, bevor dann ein "Deutschlandvertrag" gemacht wurde, und ein "Besatzungsstatut" geschlossen. Über dieses Besatzungsstatut heißt es verschiedentlich, dass es noch gelten und dass dadurch die Überwachung legalisiert würde. Stattdessen gilt aber das NATO-Truppenstatut. Das G10-Gesetz (Eines der "Sicherheitsgesetze" nach der Grundgesetzänderung 1968) scheint Massenüberwachung nicht abzudecken.

Besatzungsstatut

Zuerst kann man im Text dieses Statuts [1] nichts dergleichen lesen. Allerhöchstens einige Sätze könnte man mit viel gutem Willen derart deuten. Dazu gehört etwa der zweite Absatz, der den Siegermächten zusichert, die Verwaltung kontrollieren zu können - das aber wieder mit Einschränkungen auf das Notwendige.

In Absatz 3 heißt es: "Die Besatzungsbehörden behalten sich jedoch das Recht vor, auf Anweisung ihrer Regierungen die Ausübung der gesamten Gewalt ganz oder teilweise wieder zu übernehmen, wenn sie dies im Interesse der Sicherheit, zur Aufrechterhaltung einer demokratischen Regierungsform oder in Wahrnehmung der internationalen Verpflichtungen dieser Regierungen für notwendig halten."

Nun könnte man argumentieren, dass die Kontrolle der Telekommunikation genau jene "teilweise Übernahme" darstellt, allerdings wird dann unverständlich, warum vorher die Worte "die Ausübung der gesamten Gewalt" gewählt wurden. Die genannten Gründe jedenfalls scheinen nicht vorzuliegen. Weiter hinten steht außerdem:

"Vor Wiederübernahme derartiger Befugnisse werden sie die zuständigen deutschen Behörden offiziell von ihrer Entscheidung und den Gründen in Kenntnis setzen, die sie zu derselben veranlaßt haben."

In diesem Fall würde ich immer noch darauf bestehen, diese Gründe zu erfahren. Zudem wird das in Absatz 4 weiter geschwächt: Bundesgesetze würden vorgehen.

"6. Die Besatzungsbehörden gewährleisten jedem einzelnen, unter dem alleinigen Vorbehalt, daß die Erfordernisse ihrer eigenen Sicherheit dadurch nicht beeinträchtigt werden dürfen, daß alle ihre Dienststellen seine staatsbürgerlichen Rechte auf Schutz gegen willkürliche Verhaftung, Leibesvisitation, sowie Durchsuchung oder Beschlagnahme seines Eigentums, auf Vertretung durch einen Anwalt, auf Freilassung gegen Sicherheitsleistung, soweit die Umstände dies zulassen, auf Fühlungnahme mit seinen Angehörigen und auf ein gerechtes und ohne Verzug herbeigeführtes Verfahren achten werden."

Hier wieder die ominöse "Sicherheit". Interessant ist daran allerdings, dass die Formulierung der im englischsprachigen Raum gängigen zu entsprechen scheint. "Durchsuchung oder Beschlagnahme" erfasst wohl auch das Abhören von Telefongesprächen und ähnliches. Es läßt sich zudem weder erkennen noch konstruieren, dass die erkennbaren Abhörmaßnahmen irgendwie der Sicherheit der Besatzungsbehörden hätten dienen können, beziehungsweise erscheint vollkommen überzogen für diesen Zweck.

Sollte eine vorige Rechtsvorschrift die Überwachung legalisiert haben, würde Absatz 7 bewirken, dass die deutschen Datenschutzgesetze aufgehoben oder angepasst werden müssten. Solch eine Änderung hätte dann mindestens in den Gesetzblättern stehen müssen. Von einem solchen Vorgang ist mir nichts bekannt, die Datenschutzgesetze müssen also noch gelten.

Außerdem hat ja dann der Deutschlandvertrag [2] das Besatzungsstatut abgelöst.

Deutschlandvertrag

Dort heißt zuerst es in Artikel 2, dass die ehemaligen Besatzungsmächte bestimmte Rechte behalten, die aber nur die internationalen Beziehungen und die Wiedervereinigung betreffen. In Artikel 4 wird es etwas interessanter: Streitkräfte dürfen stationiert bleiben, genaueres regelt der sogenannte Truppenvertrag.

Artikel 5 (2) bestimmt dann ausdrücklich, dass bisherige Rechte der Streitkräfte der Besatzer, die dazu gedacht sind, deren Sicherheit zu wahren, verfallen, sobald deutsche Behörden (mit dem dazugehörigen Papierkram) in der Lage sind, diese Sicherheit zu gewährleisten. Dieser Zustand dürfte inzwischen zweifelsfrei eingetreten sein.

Das Schiedsgericht aus Artikel 9 ist vielleicht in diesem Zusammenhang interessant. So könnte es vermutlich Besatzer dazu verdonnern, sich auch in Bezug auf die Überwachung an deutschen Gesetze zu halten. Leider scheint niemand so recht zu wissen, was aus diesem Schiedsgericht geworden ist.

Zudem dürfte mittlerweile eine Situation eingetreten sein, die eine Überprüfung dieses Vertrags nach Artikel 10 nahelegt.

Truppenstatut

Der sogenannte Truppenvertrag wurde (zumindest nach anscheinend häufiger Auffassung) 1963 durch das "NATO-Truppenstatut" NATO-Truppenstatut (auf 'Truppenstatut' klicken) abgelöst. Innerhalb dieses können beispielsweise die USA als "Entsendestaat" begriffen werden.

Dort wird in (2) geregelt:

" (a) Die Militärbehörden des Entsendestaates haben das Recht, über die dem Militärrecht dieses Staates unterworfenen Personen die ausschließliche Gerichtsbarkeit in bezug auf diejenigen Handlungen, einschließlich Handlungen gegen die Sicherheit dieses Staates, auszuüben, welche nach dem Recht des Entsendestaates, jedoch nicht nach dem Recht des Aufnahmestaates strafbar sind.

(b) Die Behörden des Aufnahmestaates haben das Recht, über Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges und deren Angehörige die ausschließliche Gerichtsbarkeit in bezug auf diejenigen Handlungen, einschließlich Handlungen gegen die Sicherheit dieses Staates, auszuüben, welche nach dessen Recht, jedoch nicht nach dem Recht des Entsendestaates strafbar sind. "

Auch wenn man argumentieren könnte, dass es in den USA bestimmt irgendwo ein Gesetz gibt, dass solche Spionageaktionen unter Strafe stellt, scheint doch festzustehen, dass bislang dort niemand bestraft wurde, also zumindest de Facto keine Strafbarkeit besteht. Es würde also (2) (b) für Staatsangehörige auch der USA gelten, die sich nach unserem Recht strafbar machen.

In (3) heißt es für den Fall, dass die Zuständigkeit nicht eindeutig festgestellt werden kann:

" (a)

Die Militärbehörden des Entsendestaates haben das Vorrecht auf Ausübung der Gerichtsbarkeit über ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges in bezug auf

[...]

(ii)


strafbare Handlungen, die sich aus einer Handlung oder Unterlassung in Ausübung des Dienstes ergeben. "

Das dürfte jedenfalls auf die Überwacher zutreffen - wohlgemerkt müsste man zuerst beweisen, dass diese Überwachung beispielsweise in den USA bei Strafe verboten ist, damit dieser Fall überhaupt eintreten kann, und selbst dann würde man erwarten, dass die Täter dann anhand dieses Gesetzes in den USA bestraft werden.

Etwas pikanter ist (6):

" (a)


Die Behörden des Aufnahme- und des Entsendestaates unterstützen sich gegenseitig bei der Durchführung aller erforderlichen Ermittlungen in Strafsachen sowie bei der Beschaffung von Beweismitteln, einschließlich der Beschlagnahme und Geeignetenfalls der Aushändigung von Gegenständen, die mit einer strafbaren Handlung im Zusammenhang stehen. Die Aushändigung derartiger Gegenstände kann jedoch von deren Rückgabe innerhalb einer von der aushändigenden Behörde bestimmten Frist abhängig gemacht werden. "

Das ist von daherein gut, da so deutsche Behörden von amerikanischen unterstützt werden müssten, andererseits auch wieder schlecht, da ja bekanntermaßen in der Vergangenheit des öfteren Abhörmaßnahmen mit der Strafbarkeit des handelnden begründet wurden. Im jetzt bekanntgewordenen Fall geht es ja aber um einen Generalverdacht, darum, dass alle abgehört werden sollen, unabhängig davon, ob sie unter Verdacht stehen oder nicht.

In (10) heißt es dann schließlich und endlich:

" (a)

Ordnungsmäßig aufgestellte militärische Einheiten oder Verbände einer Truppe haben die Polizeigewalt in allen Lagern, Anwesen oder anderen Liegenschaften, die sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Aufnahmestaat innehaben. Die Militärpolizei der Truppe kann alle geeigneten Maßnahmen treffen, um die Ordnung und Sicherheit innerhalb dieser Liegenschaften aufrechtzuerhalten.

(b)

Außerhalb dieser Liegenschaften darf die Militärpolizei nur nach Maßgabe von Abmachungen mit den Behörden des Aufnahmestaates und in Verbindung mit diesen und nur soweit eingesetzt werden, wie dies zur Aufrechterhaltung der Disziplin und Ordnung unter den Mitgliedern der Truppe erforderlich ist. "

Das ist vielschichtig. "Ordnungsgemäß aufgestellte militärische Einheiten" ist hier wohl im Sinne des Völkerrechts zu verstehen: uniformierte Soldaten, die sich mit der Flagge ihres Herkunftsstaats zu erkennen geben. Geheimdienste dürften nicht dazu zählen.

"Außerhalb der Liegenschaften" ist ein bißchen schwierig greifbar, wahrscheinlich gelten Räume, in denen entsprechende Ausrüstung steht, als Liegenschaft des Entsendestaats. Dennoch wird ja die Befugnis der Militärpolizei außerhalb dieser Liegenschaften ganz arg auf "Disziplin und Ordnung unter den Mitgliedern der Truppe" eingeschränkt.

Es wird gerade nicht ausgeschlossen, dass ein Deutscher Polizist einen Amerikanischen Dieb festnimmt, trotzdem dieser Soldat ist. Er müßte ihn dann der Amerikanischen Militärpolizei übergeben, aber die Festnahme ist erst einmal möglich und dann auch nicht verboten.

(vorläufiges) Fazit

Sollte jetzt also tatsächlich jemand davon ausgehen, dass die amerikanischen Horchposten derart vieldimensional Exterritorial wären, dass diejenigen, die dort leben, unberührbar würden, möchte ich in aller Form um entsprechende Belege bitten. Mir sind keine bekannt. Deutsche Behörden dürfen US-Amerikanische Soldaten (und deren Mitarbeiter!) festnehmen, allerhöchstens müssten sie sie dann den Amerikanischen Behörden übergeben.

Warum das nicht schon längst passiert ist, läßt sich wohl bloß noch mit gutem Glauben erklären, dass das Problem sich irgendwann in Luft auflösen würde. Das scheint nicht zu passieren. Die Behörden sollten dort bald eingreifen.

Später habe ich noch zwei weitere Umstände bekannt, die für die Rechtsgrundlagen der Überwachung relevant sein könnten.

Addendum: "G10-Gesetz"

Nach noch etwas mehr Recherche und einem Hinweis sind mir zwei weitere Umstände aufgefallen, die für die Frage der Überwachung relevant sein könnten.

Der erste ist das "Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses", das 1968 als "Sicherheitsgesetz" im Rahmen der damaligen Grundgesetzänderung erlassen wurde "G10-Gesetz". Dieses wurde 2001 durch eine Neufassung ersetzt "G10-Gesetz", Fassung 2001 und in der Folge ein wenig abgeändert "G10-Gesetz", Fassung 2005.

Beide Fassungen glänzen nicht gerade durch Übersicht. Beide bestimmen jenseits der StPO, dass ein ganz enormer Verdacht gegen den oder die Abgehörten vorliegen müßte. Die ältere Fassung bestimmt aber auch, dass "Betroffene", also Abgehörte, nicht benachrichtigt werden (§5 (5)). In der neuen Fassung heißt es:

" §12

Mitteilungen an Betroffene

(1) Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 sind dem Betroffenen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn die G 10—Kommission einstimmig festgestellt hat, dass

1. diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist,

2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und

3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 5 und 8, sofern die personenbezogenen Daten nicht unverzüglich gelöscht wurden. Die Frist von fünf Jahren beginnt mit der Erhebung der personenbezogenen Daten.

(3) Die Mitteilung obliegt der Behörde, auf deren Antrag die Anordnung ergangen ist. Wurden personenbezogene Daten übermittelt, erfolgt die Mitteilung im Benehmen mit dem Empfänger. "

Mit "Beschränkungen" ist hier gemeint, dass das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (immerhin ein Grundrecht) beschränkt wird. Im Grunde können die Behörden also die G10-Kommission G10-Kommission fragen, ob eine Mitteilung vorgenommen wird. An dieser Stelle sei dem Leser auch die die Lektüre von Anfrage der Fraktion "die Linke" des Bundestags wärmstens ans Herz gelegt. Jedenfalls ist mir nicht geläufig, dass die G10-Kommission oder ihre Mitglieder sich jemals auch nur oberflächlich dazu geäußert hätten, ob überhaupt solche Maßnahmen durchgeführt werden.

Auf dieses G10-Gesetz beruft sich insbesondere auch das sogenannte "Telekommunikationsgesetz", in dem bestimmt wird, dass die Telekommunikationsdienstleister verpflichtet sind, Abhörmaßnahmen vorzubereiten. Alle Teilnehmer am System sind natürlich strengstens zu Mitwirkung und Stillschweigen verpflichtet. Erfahrungsgemäß fällt das den Leuten aber am schwersten. Irgendwo habe ich noch etwas von Flächenmaßnahmen gelesen, die Fundstelle aber nicht notiert. Solche Dinge kann man dann aber auch immer mal gut eine Bundesregierung fragen.

Jedenfalls scheint es unmöglich zu sein, aus diesem Gesetz eine Massenüberwachung, wie sie zuweilen postuliert wird, zu konstruieren. Durchaus denkbar ist jedoch, dass da geschludert wird und hier und da mal eine Benachrichtigung oder Löschung vergessen.

Zum anderen wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass auch der zwei-plus-vier-Vertrag 2+4-Vertrag von 1990 etwas mit der Sache zu tun haben könnte. So nennt man das Dokument, mit dem die Teilung Deutschlands aufgehoben wurde. Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Darin ist zwar von Atomwaffen die Rede und von Truppen, aber von Abhören oder Datenschutz steht da nichts.