AG Geldordnung und Finanzpolitik/Zins/Gegenentwurf zum status quo - Dirk Löhr

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Stephan Schwarz vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Gegenentwurf - zur praktischen Umsetzung

Nach der Analyse des unbefriedigenden Status quo stellt sich die Frage nach konkreten institutionellen Reformen. Wenngleich Geld eigentlich das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel unserer Wirtschaft ist, wurde es seit jeher mit den Charakteristika eines privaten Gutes ausgestattet (die beiden urtümlichen Gegenstände in Feld (1) /Tabelle 2 waren Geld und Boden). Dies kommt daher, dass Geld – auch unser Papiergeld– dem Gold (das schon seit Jahrtausenden als Geld diente und als „Verkehrsmittel“ der Wirtschaft ebenfalls Feld (1) zuzuordnen ist) „nachgeäfft“ ist.
Wenn Geld nicht mehr die geforderten Mindesterträge bringt (die laufende Verzinsung ist geringer als die Liquiditätsprämie), wird es nicht mehr in den Verkehr gebracht, sondern gehortet (heutzutage nicht mehr unter Matrazen, sondern als geldnahe Einlagen,die von den Banken nur beschränkt wieder langfristig in den Verkehr gebracht werden können). Damit werden andere Wirtschaftsteilnehmer vom wichtigsten Verkehrsmittel der Wirtschaft ausgeschlossen. Privaten Interessen wird also die Option eröffnet, zugunsten ihrer Interessen das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel anderen Wirtschaftsteilnehmern gegenüber zu blockieren. Aus dieser Möglichkeit ergeben sich antagonistische Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft, welche die Wirtschaftswissenschaften bis heute noch nicht erfasst haben. Die Verweigerung den eigentlich brennenden Themen gegenüber ist auch der Tatsache geschuldet, dass die „Beseitigung des Kapitalismus als Voraussetzung für ein nachhaltiges Wirtschaften“ nicht wirklich ein karriereförderndes Forschungsfeld ist (Projektgelder für diesbezügliche Forschungen sind weder von der DFG noch der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu erwarten). Dennoch hat die Geld- und Bodenreform Gesells den einzuschlagenden Weg gewiesen: Basis für eine Neuordnung des Wirtschaftens ist die Neutralisierung der Keynes´schen Liquiditätsprämie durch „künstliche Durchhaltekosten“ auf das Geld in Gestalt einer Gebühr auf „idle money“. Mit der „Umlaufsicherungsgebühr“ soll die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes verstetigt werden. Das Geld wird über die „Umlaufsicherungsgebühr“ in den Wirtschaftskreislauf „gedrückt“; darüber werden Geldzirkulation wie Nachfrage auch und gerade dann gesichert, wenn Investitionen nach heutigen Maßstäben nicht mehr „rentabel“ durchzuführen sind.

Wenn von „Geldreform“ geredet wird, muss definiert werden, was überhaupt in die Regulierung einbezogen werden bzw. als „Geld“ definiert werden soll. Diese Frage ist keineswegs so trivial, wie sie sich zunächst anhört. Darüber, was zweckmäßigerweise unter „Geld“ überhaupt zu subsumieren ist, wird nämlich in den Wirtschaftswissenschaften noch höchst kontrovers diskutiert. Gehen wir zunächst zur Beantwortung der gestellten Frage von der Feststellung aus, dass die volkswirtschaftliche Kreditvergabe von einem „Rohstoff“ abhängig ist, der sich in Feld (1) / Tabelle 2 befindet:
Dem Zentralbankgeld. Dieses ist absolut limitiert (während Kredite und sog. „Buchgeld“ begrenzt vermehrbar sind), schwer ersetzbar, hat die von uns problematisierten Exklusivitätseigenschaften und stellt zudem die universellste Option im Wirtschaftsleben dar. Wenn Einleger in geldnahe Einlagen umschichten, erwerben sie die Option eines jederzeitigen Eintausches der Einlagen in Zentralbankgeld. Aus diesem Grunde müssen die Geschäftsbanken entsprechend hohe Barreserven vorhalten.
So können beispielsweise Sichteinlagen jederzeit gegen Geld eingetauscht werden. Entsprechend hoch müssen die Barreserven der Geschäftsbanken sein, um mit derartigen Liquidisierungsprozessen fertig werden zu können. Dies aber bedeutet gesamtwirtschaftlich, dass das wichtigste Verkehrsmittel der Volkswirtschaft, das Zentralbankgeld, in Teilen nicht mehr für den Transport von Gütern und Dienstleistungen zur Verfügung steht. Gerade Krisensituationen zeichnen sich dadurch aus, dass einerseits die Geschäftsbanken in Liquidität schwimmen, das Geld aber – angesichts der bestehenden Unsicherheiten - nicht mehr in den Kreislauf gegeben wird. Die gesamte Wirtschaft verliert an Liquidität, die Kreditvergabemöglichkeiten verringern sich (dies gilt auch für den sog. „Geldschöpfungsmultiplikator“).

Dementsprechend wollen wir all diejenigen Vermögensgegenstände unter den Geldbegriff subsumieren, die eine derartige Unterlegung mit Zentralbankgeld erfordern und Zentralbankgeld absorbieren. Es handelt sich um solche Vermögensgegenstände, die eine Option auf den Eintausch von Zentralbankgeld darstellen. Eine Geschäftsbank ist beispielsweise verpflichtet, ein Sichtguthaben jederzeit gegen Bargeld verfügbar zu machen. Kaufen hingegen beispielsweise Anleger ein Gemälde, erwerben sie keine derartige Option. Kein Galerist ist verpflichtet, das Bild zu kaufen. Niemand ist insoweit zu einer höheren Reservehaltung gezwungen, die dann im „volkswirtschaftlichen Blutkreislauf“, also in der Zirkulation fehlt.

Um den volkswirtschaftlichen „Blutkreislauf“ zu stabilisieren und die Liquiditätsprämie des Geldes zu neutralisieren, wird eine Reihe von Vorschlägen diskutiert. Wir wollen hier zwei Wege vorstellen, die wir für tauglich halten. Betont sei allerdings, dass es sich um eine technische Frage handelt, für die durchaus auch andere sinnvolle Lösungen infrage kommen. Zudem sind Ergänzungen in Gestalt anderer Maßnahmen denkbar.
Die beiden unten stehenden Vorschläge sind als einander ergänzend anzusehen:

Neutralisierung des Zentralbankgeldes über „Geldverrufe“

Aus dem Mittelalter wird von den „Brakteaten“ berichtet186: Es handelt sich um Münzen, die teilweise – überraschend für das Publikum – von den Regenten eingezogen und gegen einen entsprechend hohen Abschlag umgetauscht wurden („Münzverruf“, „Renovatio“). Interessant ist der positive Effekt, der offenbar von dieser Maßnahme auf die Wirtschaft angeblich ausgegangen ist: Bargeld in den Taschen war „heiß“, man musste es schnell loswerden, d.h. in den Umlauf geben. Die Hochblüte der Gotik wird u.a. auf das Wirken dieser Münzverrufe zurückgeführt. Wieviel von diesem Wirtschaftsaufschwung tatsächlich auf das Wirken der Brakteaten zurückzuführen ist, wird wohl für immer im Dunkeln bleiben. Allerdins könnte der Mechanismus der Geldverrufe kontrolliert und wohl dosiert eingesetzt werden, um die Liquiditätsprämie des Bargeldes zu neutralisieren. So könnte – gesteuert über einen Zufallsgenerator – zu einem unbekannten Zeitpunkt ein Geldverruf stattfinden. Der erhobene Abschlag müsste sich nach der angenommenen Liquiditätsprämie richten (im untenstehenden Beispiel wären dies 6 %, was wohl – gemessen an der Realität der Märkte – viel zu hoch wäre). Das zweite Kriterium wäre der zeitliche Abstand zum letzten Geldverruf.

Beträgt dieser z.B. ein halbes Jahr, wäre der Abschlag 6/12 von 6 %, also 3 %. Für den zeitlichen Abstand der verschiedenen Geldverrufe sollte ein Maximum (aber kein Minimum) festgelegt werden (z.B. ein Jahr). So könnte gewährleistet werden, dass die Akzeptanz des Systems nicht über Gebühr leidet, die Abschläge können ein bestimmtes Maximum niemals übersteigen.
[So könnte u.a. daran gedacht werden, Kredite zum Zwecke des Erwerbs von Finanzanlagen und anderen Beständen (im weitesten Sinn) rechtlich und / oder faktisch zu verunmöglichen. Der Vorschlag stellt auf das „Austrocknen“ des spekulativen Geldkreislaufes ab. Die Diskussion des Pro und Contra dieses und auch anderer Vorschläge würde von der vorliegenden Thematik abführen. Vordenker dieser Richtung waren Irving Fisher (100 %-Money – 100 %-Geld, Kiel 2007) und Joseph Huber (J. Huber / J. Robertson, Geldschöpfung in öffentlicher Hand, Weg zu einer gerechten Geldordnung im Informationszeitalter, Kiel 2008).]

In die Sprache der Optionspreistheorie übersetzt, würde der vorgeschlagene Mechanismus bewirken, dass keine Sicherheit mehr dahingehend bestünde, wie lange die Option Zentralbankgeld ausgeübt werden kann. Nach dem Geldverruf müssten die Scheine umgetauscht werden. Dies ist angesichts der Anzahl der Umläufe und Durchläufe von Geldscheinen durch das Bankensystem kein Problem. Doch auch außerhalb des Bankensystems würden die Scheine nach dem Verruf regelmäßig nur mit Diskont angenommen. Selbstverständlich ist der betreffende Vorschlag auch mit Problemen verbunden: So müssten Automaten in der Lage sein, die betreffenden zum Umtausch aufgerufenen Scheine und Münzen zu erkennen und den Diskont zu berechnen, gegebenenfalls auch Rundungsoperationen vorzunehmen.
An dieser Stelle ist mit Kosten des Systemwechsels zu rechnen. Der Verfasser wagt allerdings vorherzusagen, dass diese Kosten von den Nutzen weit übertroffen werden. Andere, m.E. auch sehr erwägenswerte Vorschläge zielen darauf hin ab, die Banknoten mit Magnetstreifen auszustatten, in die die Liquiditätsgebühr einprogrammiert ist. Die Lesegeräte an den Kassen müssten so ausgestattet werden, dass sie den Abschlag vom Nennwert automatisch berechnen könnten (derjenige Einzelhändler, der hierzu mangels moderner Technik nicht in der Lage ist, schädigt sich selbst).

Neutralisierung der Buchliquidität

Ich möchte an dieser Stelle an einen Vorschlag anknüpfen, den ich 1995 zusammen mit Jenetzky publiziert habe.188 Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Problematik des „idle money“, also des „streikenden Geldes“, weniger von den Scheinen unter der Matratze der sprichwörtlichen Großmutter ausgeht. Die Geldströme werden vielmehr sehr stark von institutionellen Anlegern wie Banken, Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften etc. kontrolliert. Das Problem ist also v.a. das „parkende Buchgeld“. Dementsprechend zielt der hier dargestellte Vorschlag darauf ab, das „parkende“ Buchgeld zu mobilisieren, indem die verschiedenen Bankpassiva entsprechend ihrer Bindung von Zentralbankgeld belastet werden. Die Bindung von Zentralbankgeld bei geldnäheren Anlageformen ist stärker als bei geldferneren, da die Geschäftsbanken bei Ersteren eine höhere Liquiditätsvorsorge treffen müssen.
Die Liquidität, welche die Banken vorzuhalten gezwungen sind, steht jedoch nicht dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung. Die geldnäheren Anlageformen sind daher für den Konjunkturmotor „schädlicher“ (es handelt sich auch hier um „externe Effekte“) als die geldferneren und müssten daher stärker belastet werden. Um einem naheliegenden Missverständnis von vornherein vorzubeugen: Der Vorschlag möchte nicht den verschiedenen Einlagekategorien direkt und unmittelbar auf administrativem Wege Durchhaltekosten auferlegen. Kein Beamter ist so schlau, dass er treffsicher den Satz bestimmen kann, mit dem die sozialen Kosten der Geldhaltung der verschiedenen Aggregate wieder internalisiert werden. Derartige Vorschläge, die beispielsweise für Sichteinlagen einen Satz von 1,5 %, für Termineinlagen einen Satz von 3 % etc. administrieren, würden willkürlich eine bestimmte Nutzen-Kosten-Struktur des Geldes administrieren. Soll der Verbrauch des „Rohstoffs“ Zentralbankgeld ausschlaggebend für die Belastung der Passiva sein, so bietet sich hingegen als Instrument einer adäquat abgestuften Belastung der verschiedenen Einlagekategorien eine Abgabe auf die Barreserve der Geschäftsbanken an. Im Beispiel unten beträgt die Abgabe 50 % p.a. auf die durchschnittliche Barreserve.

Aktiva Passiva
Auf Sichteinlagen entfallende
Barreserven: 8,0 GE

Abgabe: 4,0 GE p.a.
Auf Termineinlagen entfallende

Barreserven: 5,0 GE

Abgabe: 2,5 GE p.a.

Auf Spareinlagen entfallende
Barreserven: 2,0 GE

Abgabe: 1,0 GE p.a.
Bilanzsumme: 293,0 GE + X
Sichteinlagen: 100,0 GE
Belastung: - 4,0 GE
Termineinlagen: 100,0 GE
Belastung: - 2,5 GE
Spareinlagen: 100,0 GE
Belastung: - 1,0 GE
Bilanzsumme: 293,0 GE + X

Abb. 28: Belastung der Kreditinstitute bei Mobilisierung des Buchgeldes (Quelle: D. Löhr / J. Jenetzky, Neutrale Liquidität, Frankfurt a.M. 1995, S. 113)

Um die Liquiditätsprämien der verschiedenen Einlagekategorien zu neutralisieren,wäre unter den obigen Annahmen eine Belastung der Sichteinlagen mit 4 GE (bezogen auf 100 GE Einlagen sind dies 4 %, was der unterstellten Liquiditätsprämie entspricht), der Termineinlagen mit 2,5 GE (bzw. Prozent) und der Spareinlagen mit 1,0 GE (bzw. Prozent) notwendig. Die Barreserve beträgt insgesamt 15 GE. Bezogen auf diese Barreserve müsste nun ein Abgabensatz von 50 % gelegt werden. Unter der Voraussetzung, dass ein entsprechender Wettbewerb zwischen den Geschäftsbanken besteht, würden sich die Geschäftsbanken um eine verursachungsgerechte Überwälzung dieser Belastung auf die Kunden (Inhaber der Einlageforderungen) bemühen. Die Sichteinlagen machen beispielsweise die höchsten Barreserven erforderlich (4 GE) – mit diesen würden die Inhaber der Sichteinlagen auch belastet. Die Inhaber der Spareinlagen haben entsprechend geringere Lasten zu tragen. Die sozialen Kosten der Geldhaltung würden auf diese Weise verursachungsgerecht angelastet.

Verschiedentlich wurde das Argument hervorgebracht, dass ja schon die Bearbeitungskosten auf die Einlagen umgelegt würden. Allerdings handelt es sich hierbei um Kosten des Arbeitsbereiches der Kreditinstitute, wogegen es bei der Neutralisierung der Liquiditätsprämien um den Wertbereich geht. Es ist unmöglich, die Belastungen aus dem Arbeitsbereich – wiederum administrativ – derart umzulegen, dass die adäquate, verursachungsgerechte Belastung entsteht. Beispiel: Der Arbeitsaufwand für ein 10 €-Guthaben kann genauso hoch sein wie für ein 100.000 €-Guthaben, derjenige für ein liquiditätsfernes Geldaggregat genauso hoch wie für ein liquiditätsnahes.

Der hier getätigte Vorschlag ist insoweit als Ergänzungsstrategie zu den anderen hier diskutierten (auf das Zentralbankgeld selber abzielenden) Strategien zu verstehen, als er nicht die Eigenschaften des Zentralbankgeldes selber ändern möchte, sondern vielmehr die Effizienz der Verwendung der knappen Ressource Zentralbankgeld erhöhen will. Es wird nachfolgend also vorausgesetzt, dass das Zentralbankgeld selber schon einem geeigneten Regime zur Neutralisierung der Liquiditätsprämie unterworfen wurde. Zur Erläuterung der Auswirkungen dieser Reform greifen wir auf die Keynes´sche Theorie zurück, nach der jedem Vermögensgegenstand ein „Eigenzinssatz“ zuzuordnen ist, der einen Indikator für den Nutzenertragssatz des Asset darstellt. Dieser Eigenzins muss (unter Außerachtlassung von Risikoprämien, die durchaus unterschiedlich hoch sein können) im Gleichgewicht identisch sein (dies ergibt sich aus dem Renditeausgleichstheorem189) – ansonsten würde der Anleger auf andere Vermögensgegenstände umschichten. Hieraus lässt sich eine Portfoliotheorie entwickeln, die hier allerdings nur ansatzweise dargestellt werden kann. In der untenstehenden Tabelle, die näherungsweise den Status quo abbilden soll, haben alle Aktiva einer Risikoklasse zwar denselben Eigenzinssatz, aber unterschiedliche Erträgnisse.

Die Identität des Eigenzinssatzes kann sich nur aufgrund der unterschiedlichen Liquiditätsprämien der verschiedenen Vermögensgegenstände einstellen: Eine Voraussetzung wäre, dass die Rechtsformen der Banken eine Änderung erfahren. Die „Externalisierungsmaschine“ Kapitalgesellschaft trägt viel zur Vermachtung der Wirtschaft bei und hat in einer Wettbewerbs- und Leistungsgesellschaft nichts zu suchen. Im Übrigen können Kapitalgesellschaften auch aus Anteilseignersicht als Realoptionen interpretiert und bewertet werden. Vgl. D. Löhr / A. Rams, Düsseldorf (PwC): Unternehmensbewertung mit Realoptionen – Berücksichtigung strategisch-dynamischer Flexibilität, in: Betriebsberater v. 28.9.2000, S. 1983-1989.

Kategorie Eigenzins = Erträgnis + Liquiditätsprämie - Durchhaltekosten
Bargeld 6,00 % = 0,00 % + 6,00 % - 0,00 %
Sichteinlagen
6,00 % = 2,00 % + 4,00 % - 0,00 %
Termineinlagen
6,00 % = 3,50 % + 2,50 % - 0,00 %
Spareinlagen
6,00 % = 5,00 % + 1,00 % - 0,00 %
Tab. 20: Komponenten des Eigenzinssatzes – Beispielhaft für den Status quo (Quelle: Nach D. Löhr / J. Jenetzky, Neutrale Liquidität, a.a.O., S. 78)

Wie oben schon angedeutet, gibt die obenstehende Tabelle die sozialen Nutzen und Kosten nicht vollständig wieder: So bewirkt eine zunehmende Geldnähe, dass mehr Zentralbankgeld gebunden wird. Die individuelle Liquidität wird auf Kosten der Gesamtliquidität der Wirtschaft erhöht. Es entstehen soziale Kosten, wenn Stockungen des Wirtschaftskreislaufes die Folge sind. Obwohl die hiermit verbundenen sozialen Kosten mit zunehmender Geldnähe tendenziell höher ausfallen, findet im heutigen Geldwesen keine adäquate Belastung der geldnäheren Einlagen statt. Das Geld- und Bankenwesen arbeitet insoweit nicht verursachungsgerecht: Die Durchhaltekosten sind in jedem der diversen Geldaggregate (bei Abwesenheit von Inflation) gleich Null. Die nicht bestehende Internalisierung sozialer Kosten im Geldwesen ist eine marktwirtschaftsfremde Verletzung des Verursacherprinzips. Mit den o.a. Vorschlägen kann das Verursacherprinzip im Geldwesen verankert werden.

Geldnahe Aggregate erfahren aufgrund der von ihnen ausgehenden potentiell hohen sozialen Kosten eine entsprechend hohe Belastung. Bei geldferneren Aggregaten ist die Belastung entsprechend der geringeren sozialen Kosten weniger hoch. Im Idealfall sollte die Liquiditätsprämie durch die Reform vollkommen kompensiert werden. Dies bewirkt, dass der Eigenzins nur noch die Erträgnisse widerspiegelt. Der Zins wäre ein reiner Knappheitsindikator und würde keine „Optionsprämie“ bzw. Liquiditätsprämie mehr enthalten. Nach Neutralisierung der Liquiditätsprämie durch eine gleich hohe Umlaufsicherungsgebühr (= Durchhaltekosten) würde, wie die Abbildung unten zeigt, für eine kurze Dauer eine Zinsstrukturkurve verursacht, die – anders als heute – nicht mehr durch die unterschiedliche Geldnähe der diversen Aggregate bedingt ist.

Kategorie Eigenzins
= Erträgnis + Liquiditätsprämie - Durchhaltekosten
Bargeld1 0,00 % = 0,00 % + 6,00 % - 6,00 %

Sichteinlagen2
2,00 % = 2,00 % + 4,00 % - 4,00 %
Termineinlagen2
3,50 % = 3,50 % + 2,50 % - 2,50 %
Spareinlagen2
5,00 % = 5,00 % + 1,00 % - 1,00 %

Anmerkung: Durchhaltekosten / Neutralisierung der Liquiditätsprämie über 1 Geldverrufe 2 Abgabe auf die Barreserve der Geschäftsbanken Tab. 21: Veränderung der Struktur der Eigenzinssätze durch die Umlaufsicherungsgebühr (Quelle: Nach D. Löhr / J. Jenetzky, Neutrale Liquidität, a.a.O., S. 94)

Dieser Zustand kann nicht stabil sein (s. die Struktur der Eigenzinssätze); es kommt zu Umschichtungen hin zu den geldferneren Aggregaten, da diese einen höheren Eigenzins (weil Erträgnis) aufweisen. Dadurch steigt auch die Ertragsrate der geldnäheren Aggregate wieder leicht an. Nach Beendigung der Umschichtungsvorgänge stellt sich folgende Zinsstruktur ein:

Kategorie Eigenzins
= Erträgnis + Liquiditätsprämie - Durchhaltekosten
Bargeld1 0,00 % = 0,00 % + 6,00 % - 6,00 %
Sichteinlagen2
3,50 % = 3,50 % + 4,00 % - 4,00 %
Termineinlagen2
3,50 % = 3,50 % + 2,50 % - 2,50 %
Spareinlagen2
3,50 % = 3,50 % + 1,00 % - 1,00 %

Anmerkung: Durchhaltekosten / Neutralisierung der Liquiditätsprämie über
1 Geldverrufe
2 Abgabe auf die Barreserve der Geschäftsbanken
Tab. 22: Vorläufiges Gleichgewicht der Struktur der Eigenzinssätze bei Umlaufsicherungsgebühr (Quelle: Nach D. Löhr / J. Jenetzky, Neutrale Liquidität, a.a.O., S. 95)

Die Zinsstrukturkurve ist dann also flach. Interessant ist, dass dieser Einheitszinssatz eine Welt ohne Liquiditätspräferenz beschreibt – eben den Zustand, den die Neoklassik mit ihrer charakteristischen Verwechslung von „Sein“ und „Sollen“ als heute schon gegeben unterstellt. Allerdings werden die von der Neoklassik als existent unterstellten Zustände durch die propagierten Reformen erst eingeführt! So ist auch der einheitliche Zinssatz nur durch eine konsequente Neutralisierung der Buchliquidität überhaupt erst möglich. Durch die Reform wird das Geld unter einen Angebotszwang gesetzt und seine Übermacht (gegenüber Ware und Arbeit) genommen. Um die Durchhaltekosten zu vermeiden, stellt es sich jetzt selbst dann noch zur Verfügung, wenn die zu finanzierenden Investitionen eine Verzinsung in Höhe der Liquiditätsprämie (zuzüglich eines Risikoaufschlages) nicht mehr erzielen können. Nach der Neutralisierung der Liquiditätsprämie findet somit eine Dauerkonjunktur statt, in der das Kapital eine permanente Vermehrung erfährt. Der Zins wird schließlich im Kapital „ersäuft“, also die relative Knappheit beseitigt; es existiert mit der Neutralisierung der Liquiditätsprämie nun kein „Keil“ mehr, der das „Zuklappen der Zinstür“ (also das Absinken des Zinses gegen Null) verhindert.BBBBBBBBBBBBBB Hierfür sorgt in Feld (2) der marktwirtschaftliche Wettbewerb (über eine Vermehrung der Kapitalgüter). Die Kapitalbildung (die auch Wertpapiere und risikobehaftete Aktiva mit umfasst) würde letztlich an folgendem Punkt zum Stillstand kommen:

Kategorie Eigenzins
= Erträgnis + Liquiditätsprämie - Durchhaltekosten

Bargeld1 0,00 % = 0,00 % + 6,00 % - 6,00 %
Sichteinlagen2
0,00 % = 0,00 % + 4,00 % - 4,00 %
Termineinlagen2
0,00 % = 0,00 % + 2,50 % - 2,50 %
Spareinlagen2
0,00 % = 0,00 % + 1,00 % - 1,00 %

Anmerkung: Durchhaltekosten / Neutralisierung der Liquiditätsprämie über
1 Geldverrufe
2 Abgabe auf die Barreserve der Geschäftsbanken
Tab. 23: Langfristiges Gleichgewicht - Nullzinsniveau (Quelle: Nach D. Löhr / J. Jenetzky, Neutrale Liquidität, a.a.O., S. 106)

Das Kapital wurde in der obenstehenden Tabelle so weit vermehrt, dass der Zinssatz auf gegen Null abgesunken ist. Ein ergänzender Hinweis sei – auch wegen seiner Bedeutung für die finanzielle Dimension der Globalisierungsdiskussion - noch erlaubt: Die oben angestellten Überlegungen zur Neutralisierung der Liquiditätsprämie beziehen sich auf die nationalen Währungen (Euro, Dollar, Pfund, Yen etc.). Allerdings bedarf es – analog zur globalen Verständigung über die Ressourcenfrage auch einer internationalen Weltwährungsordnung. Keynes hat bereits während des Zweiten Weltkriegs ein Konzept entwickelt, in dem er die Idee Gesells einer Internationalen Valuta-Assoziation (weltwährungsverein) weiter entwickelt. Zentrale Elemente waren dabei eine „International clearing union“ und der sog. „Bancor“ als „Weltgeld“ anstelle einer nationalen Währung(dem Dollar) als Zweitwährung. In diesem Regime hätte bei Ungleichgewichten nicht nur ein Anpassungsdruck für die Schuldner, sondern auch für die Gläubiger bestanden. Keynes konnte sich mit seinem Konzept 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods allerdings nicht durchsetzen. Statt dessen gewann der White-Plan die Oberhand, mit dem US-amerikanische Interessen in Institutionen transformiert wurden. Die verfehlte Politik infolge des White-Plans trug auch Einiges zu den Problemen bei, mit denen wir uns in finanzieller Hinsicht (IWF, Weltbank) in Kap. I.4. und II.3. (Globalisierung) beschäftigen.