Benutzer:R.Schaffert/Vision einer neuen Gesundheitspolitik

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Schönen guten Tag allerseits,

Kritik an bestehenden Strukturen oder den Programmen der anderen gehört zum politischen Alltag der etablierten Parteien.

Ich möchte einen anderen Weg gehen und mich als Pirat so zu sagen auf die Suche nach dem Schatz begeben. Dazu möchte ich zunächst eine Vision entwickeln, wie ein transparentes, gerechtes , effektives und finanzierbares Gsundheitssystem aussehen könnte. Von dieser Vision aus könnten Ziele entwickelt werden und schließlich Maßnahmen, um das neue Schiff Gesundheitswesen aus dem vorhandenen Material zu bauen.

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

Antoine de Saint-Exupery (Die Stadt in der Wüste)


Vision einer neuen Gesundheitspolitik

1. Der Mensch steht im Mittelpunkt des Gesundheitssystems. Ihm Krankheiten zu ersparen (Prävention), seine Krankheiten zu erkennen und zu heilen (Diagnostik und Therapie) oder sein Leiden zu lindern (palliative Versorgung) ist Aufgabe und Auftrag des Gesundheitssystems.

Begründung:
Die Piraten vertreten das Menschenbild eines freien und selbstbestimmten Bürgers[1]. Daher muss auch im Gesundheitswesen der Mensch im Mittelpunkt stehen. An dem Menschen und seinen Bedürfnissen im Hinblick auf seine Gesundheit haben sich die Ziele und Aufgaben des Gesundheitssystems auszurichten.
Demgegenüber wird bisher die Gesundheitspolitik über die Ressourcen definiert. Im Mittelpunkt der politischen Gesundheitsdiskussion stehen die Einnahmen (Themen wie Krankenkassen, Beiträge, Arbeitgeberanteil, Gesundheitsfond, Bürgerversicherung, Steuerfinanzierung) und die Verteilung der Ausgaben (Bezahlung der niedergelassene Ärzte, Medikamente, Krankenhäuser...). Die Gesetzgebung im Bereich des Gesundheitssystems regelt bis auf wenige Ausnahmen in erster Linie Fragen der Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, Begrenzung der Ausgaben und die Verteilung der Ausgaben unter den Leistungserbringern[2].
Die Piraten lösen sich bewusst von dieser Diskussion sowie den festgefahrenen Positionen der Beteiligten und entwickeln statt dessen die Vorstellung eines Gesundheitssystems, dass sich zuerst über seine grundlegenden Ziele und Aufgaben definiert.
Konkretisierung:
1.1 Prävention:
Prävention zur Vermeidung von Erkrankungen ist eine zentrale Aufgabe des Gesundheitswesens. Dabei umfasst Prävention neben der Früherkennung von Krankheiten auch die Analyse und Veränderung von krankheitsfördernden Bedingungen in Umwelt, Gesellschaft und Beruf (Verhältnisprävention) sowie einen gesundheitsfördernden Bildungsauftrag.
Begründung:
Die Piraten stärken die Rolle der Prävention innerhalb des Gesundheitssystems. Die Vorbeugung von Krankheiten ist die bestmögliche Gesundheitsversorgung. Bisher wird unter Prävention im Gesundheitswesen vor allem die Früherkennung von Krankenheiten (Vorsorgeuntersuchungen) verstanden. Im beruflichen Umfeld beschäftigten sich die Berufsgenossenschaften zum Teil mit Verhältnisprävention, allerdings eher auf technischer Ebene (Arbeitsschutz). Die Piraten wollen den Auftrag des Gesundheitswesens auf eine umfassende Verhältnisprävention erweitern. Dazu gehört auch, bereits in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen Gesundheits- und Krankheitsfaktoren stärker als bisher als Teil des Bildungsauftrages zu verstehen (siehe Punkt 2).
1.2 Diagnostik und Therapie:
Die Erkennung und Behandlung von Krankheiten als klassischer Bestandteil des Gesundheitssystems bleibt auch in der Vorstellung der Piraten eine der zentralen Aufgaben. Mit dem Menschen - in diesem Fall Patienten - im Mittelpunkt werden der menschliche Kontakt und die Zuwendung zum Patienten sowie seine Bedürfnisse aufgewertet. Dafür sind geeignete Anreize zu schaffen.
Begründung:
Der Patient ist ein Mensch! So wichtig ihm eine hochwertige und leistungsfähige Medizin ist, so wenig nützt sie ihm, wenn sie nicht mit menschlicher Zuwendung und Beziehung verknüpft ist[3]. Die Piraten stärken diese Zuwendung und werten die für und mit dem Patienten verbrachte Zeit auf.
1.3 Palliative Versorgung:
Als weitere zentrale Aufgabe wird die palliative Versorgung von Menschen am Lebensende oder bei schweren chronischen Erkrankungen gestärkt. Ein qualifiziertes verbreitetes Angebot an pflegerischer und medizinischer Palliativbetreuung erleichtert Patienten den Weg am Lebensende und hilft Angehörigen bei deren Begleitung und Betreuung. So können auch letztlich erfolglose und quälende Krankenhausaufenthalte vermieden werden.
Begründung:
Am Lebensende brauchen Menschen und ihre Angehörigen menschliche Zuwendung und eine qualifizierte palliative pflegerische und medizinische Versorgung. Dies wird von den Piraten gefördert.


2. Im Rahmen der Prävention wird an der Entwicklung einer "Gesundheitskultur" gearbeitet, die gesundheitliches Basiswissen aufbaut und den respektvollen und menschenwürdigen Umgang mit Altern, Krankheit und Sterben fördert

Begründung:
Krankheit, Alter und Tod werden aus unserer Gesellschaft und dem täglichen Leben ausgeblendet. Die Verantwortung für bzw. der Umgang mit diesen Themen wird in das Gesundheitssystem delegiert. Die letztlich unvermeidbare persönliche Konfrontation mit Krankheit, Alter und Tod wirkt dann umso härter. Aus diesen Gründen und als Grundlage für die Selbstbestimmungsfähigkeit der Patienten ist eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Themen erforderlich.
Konkretisierung:
2.1 Gesundheitliche Bildung
Die Piraten streben die Einführung eines Faches Gesundheitslehre an Schulen an. Im Rahmen dieses Unterrichts werden beispielsweise ein Basiswissen an häuslicher Gesundheitsversorgung, Erste Hilfe, Möglichkeiten eines gesundheitsfördernden Verhaltens, Umgang mit Krankheit, Alter und Tod, Grundzüge des Gesundheitssystems und andere gesundheitsrelevante Themen vermittelt.
Begründung:
Die Vermittlung gesundheitsrelevanter Themen soll präventives und gesundheitsförderndes Verhalten stärken. Weiterhin kann die Fähigkeiten im Umgang mit Krankheit, Alter und Tod unterstützt werden. Beispielsweise soll durch Vermittlung von Grundwissen die Fähigkeit zur Beurteilung der Behandlungsbedürftigkeit oder der Dringlichkeit bei einfachen Erkrankungen oder Beschwerden gefördert werden. Dies stärkt die Gesundheitskompetenz des Einzelnen und entwickelt damit die Voraussetzung für aufgeklärte, selbstbewusste und damit selbstbestimmte Patienten. Zusätzlich ist ein Rückgang der Inanspruchnahme bei leichten, prinzipiell selbst zu behandelnden Krankheiten und Verletzungen zu erwarten.
2.2 Umgang mit Alter, Krankheit und Tod
Die Piraten stoßen eine gesellschaftliche Diskussion über den Umgang mit Altern, Krankheit und Tod an mit dem Ziel, die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Themen im Alltag zu fördern.
Begründung:
In unserer Gesellschaft wird der Umgang mit Altern, Krankheit und Tod noch in vielen Fällen an das Gesundheitssystem und dessen kurative Ressourcen delegiert, obwohl eine kurative Behandlung nicht erfolgversprechend ist. So versterben viele Patienten beispielsweise mit Tumorerkrankungen im Endstadium im Krankenhaus, obwohl von vornherein kein kurativer Ansatz besteht. Neben dem damit verbundenen Ressourcenverbrauch[4] geht es auch und vor allem darum, dem Patienten das Sterben in einer vertrauten Umgebung und ohne unnötige Interventionen zu ermöglichen[5].


3. Der Mensch als Bürger oder Patient ist im Gesundheitssystem so weit als möglich selbstbestimmt. Im Rahmen der indizierten Möglichkeiten entscheidet er über die Form, Intensität und Reichweite der Behandlung.

Begründung
Autonomie und Selbstbestimmung sind ein Persönlichkeitsrecht und im Hinblick auf Krankenbehandlung ein wesentliches ethisches Prinzip[6]. Aufgeklärte und selbstbewusste Patienten haben den Wunsch, selbst entscheiden zu können, wie, wann und durch wen sie sich behandeln lassen. Voraussetzung dafür ist zum Einen die individuelle Möglichkeit, für sich selbst eine bewusste Entscheidung zu treffen (z. B. Selbstbestimmungsfähigkeit) sowie zum Anderen die Indikation zu einer Behandlung. Die Autonomie findet dort Grenzen, wo sie auf Kosten der Allgemeinheit etwas fordert, was medizinisch nicht gerechtfertigt (indiziert) ist (Siehe Punkt 5).
Konkretisierung:
3.1 Aufhebung der Einschränkungen durch sektorale und andere Abgrenzungen der Leistungsanbieter:
Im Falle einer Erkrankung oder sonstigen Behandlungsbedürftigkeit kann der Patient den geeigneten Arzt oder Therapeuten seiner Wahl aufsuchen. Die Eignung eines Arztes oder Therapeuten richtet sich nach der Art der Erkrankung sowie der Qualifikation und den Möglichkeiten des Arztes oder Therapeuten und ist insbesondere unabhängig von der Form der Berufsausübung.
Begründung:
Bisher wird die Autonomie und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten unnötig eingeengt durch eine Vielzahl von Regelungen, die in erster Linie nicht das Wohl des Patienten, sondern die Verteilung der Gesundheitsausgaben zum Ziel haben. In vielen Fällen führen diese Regelungen und die Abgrenzung der Sektoren dazu, dass der Patient mehrere Ärzte oder Institutionen in Anspruch nehmen muss, weil jeder nur einen Teil der Leistung erbringen darf. Eine Einschränkung der Patientenautonomie, die durch die "Verteilung des Kuchens" der Gesundheitsausgaben bedingt ist, wollen die Piraten nicht hinnehmen.
3.2 Behandlungsmanagement:
Die Kooperation zwischen Arzt bzw. Therapeut und Patient wird gefördert. Die Piraten unterstützen Maßnahmen und Projekte, die eine Verbesserung der Patientenaufklärung und der Einbeziehung des Patienten in Behandlungsentscheidungen und -abläufe zum Ziel haben.
Begründung:
Die Voraussetzung für eine selbstbestimmte Entscheidung ist, dass der Patient über die möglichen Alternativen aufgeklärt ist und in die Entscheidungen zur Behandlung einbezogen wird. Hier gilt es Anreize zu schaffen, unter anderem durch eine deutliche verbesserte Bewertung der mit dem Patienten verbrachten Zeit[7].
3.3 Recht auf Zweitmeinung:
Patienten haben das Recht, sich zur Entscheidung über eine Behandlung eine qualifizierte zweite Meinung einzuholen.
Begründung:
Entscheidungen für oder gegen eine bestimmte Behandlung sind für die Betroffenen nicht immer einfach zu fällen. Die Möglichkeit, sich eine zweite qualifizierte Meinung einzuholen stärkt die Selbstbestimmung und Entscheidungsfähigkeit des Patienten und führt zu einer Verbesserung der Behandlungsqualität[8].


4. Alle Bürger tragen im Rahmen und nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten zur Finanzierung des Gesundheitssystems bei.

Begründung:
Für die Piraten steht an erster Stelle die Frage, wie viel unserer Gesellschaft die Gesundheit wert ist. Diese Frage muss zu allererst gesellschaftlich diskutiert werden! Erst dann können konkrete Formen der Finanzierung entwickelt werden. Gleichzeitig gibt es grundsätzliche Ziele zur Finanzierung des Gesundheitssystems.
Konkretisierung:
4.1 Die Piraten stoßen eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Frage an, wie viel einer Gesellschaft wie der unseren ein gutes und leistungsfähiges Gesundheitssystem wert ist.
Begründung:
Diese Frage steht über allen weiteren Fragen und Einzelheiten der Finanzierung. Ein gesamtgesellschaftlicher Konsens oder zumindest die Darstellung der Positionen in der Gesellschaft erscheint den Piraten erforderlich[9].
4.2 Alle Bürger beteiligen sich an der Finanzierung des Gesundheitswesens.
Begründung:
Jeder ist potentiell von Krankheit betroffen und auf das Gesundheitssystem angewiesen. Deshalb sollte sich auch grundsätzlich jeder an der Finanzierung des Gesundheitssystems beteiligen.
4.3 Die individuelle finanzielle Leistungsfähigkeit wird berücksichtigt.
Begründung:
Die Piraten halten die Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit aus sozialen Gründen für erforderlich und auch für gerecht. Dennoch lässt diese Formulierung Spielraum für die Fantasie, in einem gesellschaftlichen und politischen Dialog neue Formen der Finanzierung anstatt der derzeitigen festgefahrenen Positionen zu finden.


5. Der an den Zielen orientierten Verwendung der Mittel wird Rechnung getragen

Begründung:
Mittel, die von der Allgemeinheit erhoben werden, sind zweckgebunden zu verwenden. Zweck sind die zuvor beschriebenen Ziele. Auch wenn der Mensch und Patient im Mittelpunkt steht, muss doch eine Abwägung zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen im Hinblick auf Gesundheit und Wohlbefinden und dem Interesse der Allgemeinheit in Bezug auf die Finanzierung des Systems stattfinden.
Konkretisierung:
5.1 Abgrenzung der Leistungen des Gesundheitssystems:
Zur zielorientierten Verwendung der finanziellen Mittel des Gesundheitssystems gehört eine transparente und nachvollziehbare Abgrenzung der durch das Gesundheitssystem finanzierten Leistungen.
Begründung:
Eine Abgrenzung und Definition der Leistungen, die durch die Allgemeinheit finanziert werden, ist erforderlich. Dies muss nach Ansicht der Piraten jedoch deutlich transparenter und nachvollziehbarer stattfinden, als dies bisher über den gemeinsamen Bundesausschuss geschieht[10].
5.2 Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen:
An der Diskussion und Entscheidung über die im Gesundheitssystem enthaltenen Leistungen sind gesellschaftlich relevante Gruppen und Patientenorganisationen zu beteiligen.
Begründung:
Bisher findet die Bewertung von Leistungen im Gesundheitssystem im gemeinsamen Bundesausschuss statt. Dies ist ein relativ kleines, exklusives Gremium aus Vertretern der niedergelassenen Ärzte, der Krankenhäuser und der Krankenkassen[11]. Für die weitreichende Entscheidung, welche Leistungen über das Gesundheitssystem finanziert werden, ist nach Ansicht der Piraten wesentlich breitere Basis erforderlich.


6. Die Entwicklung eines einfachen, unbürokratischen Abrechnungssystems für alle medizinischen Leistungen wird eingeleitet. Gleiche Leistungen bei vergleichbarer Qualität werden unabhängig von Art und Struktur des Leistungserbringers gleich und angemessen bezahlt.

Begründung
Derzeit bestehen viele verschiedene Abrechnungssysteme für verschiedene Leistungserbringer[12]. Diese sind noch dazu in der Regel sehr aufwändig in der Handhabung und der dahinterstehenden Administration. Dieser Aufwand, wird von vielen Beteiligten als zu hoch empfunden und entzieht finanzielle und personelle Ressourcen den eigentlichen Aufgaben (z. B. durch Kassenärztliche Vereinigungen, Medizincontrolling, MDK usw.).
Hinzu kommt, dass Leistungen in den verschiedenen Abrechnungssystemen unterschiedlich bewertet werden oder auf bestimmte Bereiche der Leistungserbringer begrenzt bleiben.
Konkretisierung:
6.1 Vereinfachung der Abrechnung
Die Piraten befürworten eine deutliche Vereinfachung der Abrechnung von Leistungen im Gesundheitssystem.
Begründung:
Die Komplexität und die Anzahl der unterschiedlichen Abrechnungssysteme im Gesundheitswesen entziehen der Patientenversorgung erhebliche Ressourcen. Für jeden Abrechnungsbereich gibt es sowohl auf Seite der Leistungserbringer, als auch auf Seiten der Kostenträger zahlreiche Institutionen, Abteilungen und Mitarbeiter, die ausschließlich für die Abrechnung zuständig sind. Trotz der Komplexität der Abrechnungssysteme wird die Vergütung von Leistungen in Einzelfällen immer wieder als ungerecht oder ungerechtfertigt empfunden. Gleichzeitig führt die Komplexität zunehmend zu Auseinandersetzungen über die korrekte Abrechnung. Auch der hohe Dokumentationsaufwand allein zu Abrechnungszwecken entzieht dem Leistungserbringer Zeit für den Patienten. Es muss eine Abwägung stattfinden zwischen der Abrechnungsgerechtigkeit im Einzelfall einerseits und dem damit verbundenen Aufwand andererseits. Da für die Piraten die primäre Aufgabe der Patientenversorgung im Vordergrund steht, sollte der Aufwand für die Abrechnung so gering wie möglich und vertretbar sein.
6.2 Gleiche Vergütung für gleiche Leistung
Die Piraten setzten sich für eine Vereinheitlichung der Abrechnung von Leistungen ein.
Begründung:
Es ist weder für Patienten noch für Leistungserbringer nachvollziehbar, dass gleiche Leistungen aufgrund der unterschiedlichen Vergütungssysteme unterschiedlich vergütet werden. Selbst dort, wo gleiche Vergütungssysteme angewandt werden, gibt es Unterschiede, die sich nach der Art der Berufsausübung richten und nicht dem Patienteninteresse dienen.
6.3 Angemessene Vergütung
Die Piraten setzen sich dafür ein, dass die Vergütung von Leistungen der Leistungserbringer im Gesundheitswesen angemessen, transparent und planbar ist.
Begründung:
Die angemessene Bezahlung von professionellen Leistungen ist ein rechtsstaatliches Gebot und eine Frage der Gerechtigkeit. Dies gilt auch für Leistungen, die aus moralischen oder humanitären oder rechtlichen Gründen unabhängig von der Vergütung erbracht werden müssen, wie beispielsweise Notfallbehandlungen. Es muss für Leistungserbringer, Patient und Kostenträger klar und planbar sein, welche Leistungen welche Erlöse bzw. Kosten verursachen.

7. Die für das Gesundheitssystem zur Verfügung stehenden Ressourcen fließen primär in die unmittelbar dem Patienten dienenden Bereiche (Prävention, Diagnostik und Therapie, palliative Versorgung)

Begründung:
Den Piraten geht es darum, dass möglichst wenige Ressourcen den zentralen Aufgaben entzogen werden.
Konkretisierung:
7.1 Zentrale Aufgaben finanzieren:
Die Piraten sehen es als eine wesentliche Aufgabe der Gesundheitspolitik an, dass der Anteil der Finanzmittel, die für die in Punkt 1. genannten Aufgaben unmittelbar zur Verfügung stehen, kontinuierlich bis zu einem noch festzulegenden Anteil gesteigert wird.
Begründung:
Die von der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Finanzmittel müssen weitestgehend den zentralen Aufgaben zu Gute kommen. Im gesellschaftlichen und politischen Diskurs soll eine Zielgröße sowie die notwendigen Kriterien zur Messung der Zielerreichung entwickelt werden[13].
7.2 Abbau von Regelungen:
Die Piraten setzen sich für den Abbau von Regelungen ein, die nicht den zentralen Zielen und Aufgaben im Gesundheitssystem dienen. Dies dient dem Abbau von Bürokratie und setzt Ressourcen für die zentralen Aufgaben frei.
Begründung:
Bei einem Großteil der Regelungen des Gesundheitssystems geht es nicht in erster Linie um eine verbesserte Versorgung des Patienten sondern in den meisten Fällen um die Organisation und Verteilung der Finanzmittel. Im Zusammenhang mit der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Abrechnungssysteme sehen die Piraten ein erhebliches Potential um Ressourcen wieder der Patientenversorgung zuzuführen.

8. Die Versorgungsangebote sind pluralistisch und bieten dem Patienten die Möglichkeit, das seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten entsprechende Angebot im Rahmen der indizierten Möglichkeiten zu wählen.

Begründung:
Die Versorgungsstrukturen sind derzeit unflexibel und extrem reguliert. Starre Sektorengrenzen verhindern beispielsweise eine am Patienten orientierte kontinuierliche Behandlung aus einer Hand, selbst dort, wo dies deutlich effizienter und medizinisch sinnvoller wäre, als die derzeitige Verschiebung der Patienten zwischen den Sektoren. Die Regulierungen dienen dabei meist in erster Linie dem Schutz von Partikularinteressen der Anbieter und weniger der Kostendämpfung oder gar dem Interesse des Patienten. Dort wo Sektorengrenzen aufgehoben werden, ist dies auf Einzelfälle beschränkt und mit erhöhtem bürokratischem Aufwand verbunden.
Konkretisierung:
8.1 Freie Arztwahl:
Die Piraten setzen sich dafür ein, dass der Zugang zu Leistungen für die Patienten und die Erbringung von Leistungen für die Anbieter lediglich von der Qualifikation des Anbieters abhängt und insbesondere unabhängig von der Form der Berufsausübung ist.
Begründung:
Im Interesse der Patienten ist es, sich den Leistungsanbieter wählen zu können, der im Rahmen der Indikation der Behandlung am besten für ihn passt. Auf der anderen Seite sollten auch die Anbieter entscheiden können, in welcher Form sie ihren Beruf ausüben - ob in niedergelassener Praxis, in Gemeinschaftlicher Berufsausübung, innerhalb eines Medizinischen Versorgungszentrums oder als angestellter Arzt einer Institution.
8.2 Kommunale Anbieter:
Kommunen erhalten das Recht, Ärzte anzustellen oder Medizinische Versorgungszentren zu gründen.
Begründung:
Gerade in ländlichen Gebieten ist es wichtig, Kommunen die Möglichkeit zu geben, Ärzte anzusiedeln und ggf. selbst anzustellen, wenn sie den Bedarf dazu sehen. Nicht immer lässt sich ein solcher Bedarf wirtschaftlich befriedigen, so dass er für selbständige Ärzte attraktiv wäre. Die Anstellung von Ärzten bietet für die Kommune die Möglichkeit, dennoch heimatnahe ärztliche Versorgung für ihre Bevölkerung vorzuhalten.

9. Bürger und Patienten haben Anspruch auf Transparenz. Dies bezieht sich sowohl auf die Entscheidungen im Rahmen der Behandlung als auch auf die Verwendung von Finanzen, Ressourcen und Daten.

Begründung:
Die Piraten stehen für ein transparentes Gesundheitssystem. Dies bedeutet für den Patienten die Möglichkeit, alle Entscheidungen in Bezug auf seine Behandlung nachvollziehen zu können. Für die Bürger bedeutet dies, alle Entscheidungen in Bezug auf die Verwendung der von ihnen für das Gesundheitssystem erhobenen Mittel nachvollziehen zu können.
Konkretisierung:
9.1 Transparenz der Behandlung:
Die Piraten setzen sich für eine einfache und unbürokratische Möglichkeit ein, dem Patienten Zugriff zu allen ihn betreffenden Unterlagen, Dokumentationen und Entscheidungen in Bezug auf seine Gesundheit zu geben.
Begründung:
Zwar hat bereits jetzt jeder Patient das Recht, seine Behandlungsunterlagen einzusehen. Die Piraten wollen jedoch weiter gehen und dafür sorgen, dass dem Patienten auf Wunsch seine Unterlagen automatisch zur Verfügung gestellt werden.
9.2 Transparenz der Kosten:
Die Patienten erhalten eine transparente und nachvollziehbare Kostenaufstellung der abgerechneten Leistungen. Sie haben die Möglichkeit, diese Kosten auf Wunsch selbst zu tragen.
Begründung:
Voraussetzung für die Umsetzung dieses Punktes ist eine Vereinfachung der Abrechnungssysteme entsprechend Punkt 6.1. Die für den Patienten nachvollziehbare Rechnung schafft ein Kostenbewusstsein beim Patienten, erschwert überhöhte Abrechnungen und ermöglicht es dem Patienten, die Kosten im Einzelfall selbst zu tragen. Dafür können auch Anreize (z. B. Beitragsrückerstattungen) gesetzt werden.
9.3 Transparenz des Systems:
Die Einnahmen und Ausgaben des Gesundheitssystems sind zeitnah, übersichtlich und nachvollziehbar darzustellen. Die Darstellung ist so vorzunehmen, dass der Anteil für unmittelbar dem Patienten zu Gute kommende oder an ihm erbrachte Leistungen transparent ist.
Begründung:
Die Bürger, die für die Finanzierung des Systems aufkommen, haben Anspruch auf eine transparente und nachvollziehbare Darstellung der Verwendung der Mittel. Dabei ist darauf hin zu arbeiten, dass der Zweck der Mittelverwendung deutlicher darstellbar wird, als dies bisher der Fall ist. Insbesondere ist zu trennen zwischen den unmittelbar für die Patientenversorgung zur Verfügung gestellten Mitteln und den indirekten Kosten, die zwar bisher statistisch in den entsprechenden Leistungsbereichen dargestellt werden, jedoch letztlich Verwaltungs-, Infrastruktur- oder andere Gemeinkosten abdecken.

10. Alle Beteiligten im Gesundheitswesen (Politik, Versicherungen, Anbieter) richten ihre Interessen an den primären Zielen und dem Patienten aus. Interessenkonflikte werden gemeinsam einem fairen Ausgleich zugeführt.

Begründung
Im derzeitigen Gesundheitssystem ergeben sich etliche Interessenkonflikte zwischen den Beteiligten unmittelbar aus den gesetzlich festgelegten Aufgaben im Hinblick auf die Verwaltung und Verteilung der finanziellen Mittel. Diese gegensätzlichen Interessen werden in großen Teilen konfliktär, teils sogar in gegenseitigen öffentlichen Angriffen ausgetragen[14]. Die Piraten gehen davon aus, dass diese Form der Auseinandersetzung dem Gesundheitssystem schadet. Die Piraten wollen nicht den Beteiligten "gleich lange Spieße"[15] als Waffen zur Verfügung stellen um diese Konflikte im Streit auszutragen. Vielmehr müssen die Beteiligten im Sinne der Patienten an einem Strang ziehen. Die Orientierung des Systems am grundsätzlichen Ziel der Patientenorientierung ist ein Beitrag dazu. Weitere Konflikte und Konfliktpotentiale sind zu vermeiden und zu vermindern. In den Fällen, in denen Zielkonflikte unvermeidbar sind, sollte nach Ansicht der Piraten eine partnerschaftliche Konfliktbearbeitung im Sinne einer Mediation oder Schlichtung etabliert werden. Dies vermindert die Bindung von Ressourcen in den Konflikten und fördert zudem das Vertrauen in das Gesundheitssystem.


Anmerkungen:

  1. z. B. Pateiprogramm: Mehr Demokratie wagen
  2. Siehe: Gesundheitsberichtserstattung: Heft 45, Tabelle 1: Gesundheits- und Strukturreformen in Deutschland von 1989 bis 2008
  3. Siehe dazu: Maio, Giovanni: Gesundheitswesen: Ärztliche Hilfe als Geschäftsmodell? in Dtsch Arztebl 2012; 109(16)
  4. Siehe: www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/Gesundheitswesen/FrageAlter.pdf?__blob=publicationFile
  5. Siehe: http://www.ard.de/themenwoche2008/gesundheit/sterben-in-deutschland/-/id=742958/nid=742958/did=767940/rozgyz/index.html
  6. Siehe: [http://de.wikipedia.org/wiki/Medizinethik
  7. Siehe z.B.: Melanie Neumann et al: Ärztliche Empathie: Definition, Outcome-Relevanz und Messung in der Patientenversorgung und medizinischen Ausbildung
  8. Siehe z.B.: Ärztliche Zweitmeinung optimiert Therapieansatz: in Medizin-Aspekte Januar 2010
  9. Quellen zur Diskussion unter anderem:
    https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/_Grafik/AnteilBIP.html
    http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gast&p_aid=40732428&p_sprache=D&p_knoten=TR19200
  10. GBA: Gesetzliche Grundlage: § 92 SGB V:
  11. GBA: Sitzverteilung
  12. Beispiele für Abrechnungssysteme:
    Ambulant GKV: EBM: http://www.kbv.de/ebm2012/ebmgesamt.htm
    Ambulant Privat: GOÄ: http://www.e-bis.de/goae/defaultFrame.htm
    Stationär (Somatik) G-DRG: http://www.g-drg.de
  13. Siehe: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/Tabellen/Leistungsarten.html
  14. Als Beispiel ein Forums-Thema zu öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Krankenhaus-Krankenkassen: http://www.mydrg.de/forum/index.php?page=Thread&threadID=10862
  15. Horst Seehofer im Spiegel 1995