Lobbyismus
50px | Dieser Artikel ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern hier findet/fand eine offene Diskussion des Themas statt. Wenn Du meinst, diese Idee erweitern zu können, tu es, aber bitte beachte die Diskussionsregeln. Ist die Idee tragfähig und mehr als eine Einzelmeinung, so kann man das Ganze auch als Entwurf kennzeichnen. |
Was ist Lobbyismus?
Unter Lobbyismus versteht man die Einflussnahme auf politische Entscheidungen oder auf die öffentliche Meinung durch Vertreter von Interessengruppen.
In der öffentlichen Diskussion wird der Begriff häufig (fälschlicherweise/polemischerweise) als die Korruption der politischen Elite durch Interessenvertreter der Industrie zum Zwecke der Manipulation der Politik verstanden.
Tatsächlich sind auch die Vertreter von Nichtregierungsorganisationen wie Umweltschutz- oder Bürgerrechtsverbänden „Lobbyisten“; und auch diese haben in der Vergangenheit zu Mitteln gegriffen, die ethisch zumindest fragwürdig waren.
Abstammung des Namens
Der Begriff „Lobbying“ leitet sich von der Lobby, also der Vorhalle des britischen Unterhauses, bzw. der lobia des römischen Senats her, wo sich Interessenvertreter mit Abgeordneten bzw. Senatoren trafen. Ein „Lobbyist“ war also ursprünglich jemand, der in der Lobby auf sein Treffen mit dem Politiker wartete.
Unterschied zwischen Lobbying und Interessenvertretung
Interessenvertretungen stellen ihre Werte und Ideologien gegenüber der Gesellschaft und der politischen Öffentlichkeit permanent dar. (S.14) Eine der wichtigsten Organisationsformen ist der Verband. Neben den Verbänden existieren Bürgerbewegungen und Vereine.
Interessengruppen werden zu Lobbygruppen, wenn sie sich bestimmter Methoden zur Beeinflussung politischer Entscheidungen bedienen. (S. 13)
Nach Claus Offe können soziale Gruppen (Verbände und Interessengruppen) stark sein, wenn ihr „Spezialinteresse“ organisations- und konfliktfähig ist. Wenn das Spezialinteresse den aktuellen und potentiellen Mitgliedern so wichtig ist, dass sie bereit sind, die benötigten Ressourcen (erhöhte Mitgliedsbeiträge, ehrenamtliche Arbeit) beizusteuern, ist die Gruppe organisationsfähig. Wenn eine Organisation in der Lage ist, kollektiv eine Leistung zu verweigern oder glaubhaft eine Leistungsverweigerung anzudrohen, ist sie konfliktfähig (z.B. Streik, Wahlentscheidung). (S.60)
Heutzutage bedeutet Lobbying die punktuelle Beeinflussung der Regierung durch bestimmte Methoden, mit dem Ziel, die Anliegen von Interessengruppen möglichst umfassend bei politischen Entscheidungen durchzusetzen. (S. 12)
Macht und Einfluss der Verbände und der Lobbyisten werden oftmals stark übertrieben. (S.53) Ein Lobbyist kann keine Gesetze verhindern. Er kann jedoch durch kompetente Sachinformation den Gang der Diskussion und Entscheidungsfindung begleiten und bereichern. Blockaden entstehen dort, wo Parteien und gesellschaftliche Gruppen durch ideologisch vorgefasste Meinungen Ziele anstreben, die Mittel erfordern, die unverhältnismäßig sind. (S.113)
Unter dem Motto „Getrennt marschieren, vereint zuschlagen“ kann ein Lobbyist nur erfolgreich sein, wenn er gesamtwirtschaftliche Eigeninteressen mit gesamtverbandlichen Interessen der Interessengruppen vereinen kann. Es bedarf somit immer einer Vielzahl von Kontakten, eines großen Netzwerkes und vieler Verbündeter, um etwas durchzusetzen. (S.119)
Seiten-Angaben bezogen auf "Die fünfte Gewalt: Lobbyismus in Deutschland" von Thomas Leif, Rudolf Speth (Herausgeber), ISBN 3-89331-639-6 --Cathy 20:59, 18. Mai 2012 (CEST)
Kritik an Lobbyismus
Wie jedes Ding ist auch Lobbyismus ein zweischneidiges Schwert. Zum einen ist er ein normaler - und auch wichtiger - Bestandteil des politischen Prozesses, vor jeder Entscheidung die Betroffenen zu konsultieren. Da man selten alle Betroffenen persönlich sprechen kann, ist die Konsultation von Interessenvertretern („Lobbyisten“) ein guter Weg.
Problematisch wird dies, wenn einzelne Interessengruppen auf diese Weise einen überproportionalen Einfluss auf die Politik erhalten, z. B. weil andere Gruppen keine schlagkräftige Lobby haben, oder weil sie erst gar nicht zu Konsultationen eingeladen werden.
Zu einem ernsten politischen Problem wird es spätestens, wenn über finanzielle Zuwendungen - sei es an die einzelnen Politiker oder an die betroffenen Parteien - versucht wird, einen direkten Einfluss zu sichern („Korruption“).
Letzteres ist glücklicherweise fast überall verboten - allerdings finden manche Lobbyisten (und Politiker) immer wieder Schlupflöcher, um die Gesetzgebung in solchen Fällen zu umgehen.
Folgende Sätze beziehen sich mit Seitenangaben auf "Die fünfte Gewalt: Lobbyismus in Deutschland" von Thomas Leif, Rudolf Speth (Herausgeber), ISBN 3-89331-639-6 :
Während wichtige Bundestags-, Bundesrats- und Ausschutzsitzungen in halbleeren Sälen stattfinden, treffen sich Politiker terminlich dicht gedrängt in ihren Büros mit den verschiedensten Vertretern der Wirtschaft und der Verbände. Oft können die zuständigen Mitarbeiter der Abgeordneten mit dem Wissensvorsprung der Lobbyisten nicht mithalten und übernehmen deren Datenmaterial mehr oder weniger ungeprüft. Ein Grund dafür liegt laut Michael Greven in dem zunehmenden Zwang zur Regulierung. (S.93) Diese Meinung vertritt auch der TUI-Lobbyist Zumpfort: „Die Regeldichte wird immer größer, Vereinfachungen finden kaum statt. Solange sich das politische System nicht grundsätzlich ändert, wird man auch politisches Lobbying brauchen.“ (S.131) Viele Abgeordnete und ihre Mitarbeiter sind oft nicht in der Lage, die Einseitigkeit dieser Darstellungen zu erkennen. Andere wollen es nicht, denn ihnen geht es weniger um eine fach- und sach-politische Auseinandersetzung, sondern um Macht und eigenen Interessen. (S.98)
Laut Hajo Schumacher haben Lobbyisten und PR-Vertreter das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Berlin praktische komplett unter ihre Kontrolle gebracht. (S.79) Heute geht es den Politikern ähnlich wie den Journalisten:
Immer weniger Abgeordnete und Reporter verstehen im Detail, worum es in welchem Gesetzentwurf eigentlich geht. In fast jedem Fachgebiet gibt es maximal noch zwei, drei Experten pro Partei, die sich auf den hoch komplexen Feldern wie Forschung oder Sozialem auskennen. Die immer weiter klaffende Informationslücke machen sich schlaue PR-Strategen inzwischen geschickt zunutze. (S.80)
Demoskopen und Werbefachleute bestimmen mittlerweile die Politik. Statt Pressekonferenzen abzuhalten, erhalten PR-Agenturen millionenschwere Kampagnen-Etats – sowohl von Lobbyisten, wie auch mittlerweile seitens der Politik. Schumacher erklärt daher das PR-Gewerbe zur „Fünften Gewalt.“ (S.85) Die Rolle der Medien ist stärker geworden. So genannte Talkshows tragen stärker zur Meinungsbildung der Menschen bei als Parlamentsdebatten. (S. 116) Auf der anderen Seite wird den Medien zu wenig Kompetenz und zu viel Oberflächlichkeit attestiert. In Berlin sind von über 3000 Journalisten lediglich 800 fest angestellt. Das führt zur Trendberichterstattung und zu Sensationsjournalismus. (S.129) --Cathy 21:12, 18. Mai 2012 (CEST)
Konkrete Vorschläge
Schaffung digitaler Foren für transparenten extraparlamentarischen Lobbyismus
Die Fraktion Berlin hat im November 2011 die Basis gefragt, ob sie der Erstellung eines Lobbyistenregisters zustimmen soll, und ob es dazu noch Anregungen gibt. Ich habe mir erlaubt mehrere Punkte vorzuschlagen. Darunter die Idee persönlichen Lobbyismus generell zu unterbinden und durch ein transparentes Medium zu ersetzen:
"Ist es demokratischer wenn Bürgerinitiativen den Abgeordneten auflauern, statt dass es Lobbyisten mit kommerziellen Interessen tun? So oder so versuchen sich Personen einen Vorteil zu verschaffen, in dem sie in Person vor Ort etwas bewirken möchten. Ich bin der Meinung Lobbyismus ist vollständig ersetzbar. Minoritäten können auch auf dem Weg einer Öffentlichkeitsarbeit das Interesse auf sich ziehen, besonders da dies im Internet erheblich einfacher möglich ist. Zudem könnten vom Parlament gezielt digitale Foren geschaffen werden, welche die Anliegen von Lobbyisten aller Art sinnvoll strukturieren, transparent halten und Gegenstimmen zu Wort kommen lassen, bevor Resultate der Diskussionen beim parlamentarischen Entscheidungsvorgang mit herangezogen werden."
—lynX 19:01, 17. Nov. 2011 (CET)
Literatur zu diesem Thema
Carsten Bockstette: Konzerninteressen, Netzwerkstrukturen und die Entstehung einer europäischen Verteidigungsindustrie. Eine Fallstudie am Beispiel der Gründung der European Aeronautic, Defence and Space Company (EADS). Kovač, Hamburg 2003. ISBN 978-3-8300-0966-5.
Matthias Corbach: Die deutsche Stromwirtschaft und der Emissionshandel. Ibidem-Verlag, Stuttgart 2007. ISBN 978-3-89821-816-0.
David Krahlisch: Lobbyismus in Deutschland – Am Beispiel des Dieselpartikelfilters. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2007. ISBN 978-3-8364-2316-8.
Diana Wehlau: Lobbyismus und Rentenreform. Der Einfluss der Finanzdienstleistungsbranche auf die Teil-Privatisierung der Alterssicherung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009. ISBN 978-3-5311-6530-1.
Thomas Leif/Rudolf Speth (Hrsg.): Die fünfte Gewalt – Lobbyismus in Deutschland. 1.Auflage Bundeszentrale für politische Bildung, Aktuell: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006. ISBN 3-89331-639-6. Vorschau
Links und Randnotizen
- Al Gore mag nur ehrlichen Lobbyismus
- Lobbyismus-Linksammlung von Pirat Logos
- ProGenerika betreibt Lobbyismus für Pharmahersteller (Youtube-Video)
- AG Transparenz