Benutzer:Lothar/EPO G 3 08
Schriftliche Stellungnahme zum Verfahren G 3/08 der EPO
Hintergrund
Die Präsidentin des Europäischen Patentamts hat der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) b) EPÜ Rechtsfragen vorgelegt, die die Grenzen der Patentierbarkeit von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen gemäß Artikel 52 (2) c) und (3) EPÜ betreffen. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen G 3/08 anhängig.
Die EPO hat dazu aufgerufen, schriftliche Stellungnahmen hierzu einzureichen, diese müssen bis Ende April 2009 dort eingegangen sein.
Fragenkatalog: | http://www.epo.org/topics/issues/computer-implemented-inventions/referral/submissions_de.html |
Seite der EPO mit offenen Verfahren: | http://www.epo.org/patents/appeals/eba-decisions/referrals/pending.html |
Seite der FFII zu diesen Fragen: | http://www.ffii.org/EPOReferral |
Im folgenden werden die Fragen und Entwürfe zu den Antworten aufgeführt.
Status: 23.04.2009: Brief ist abgeschickt.
Fragen und Antworten
Frage 1
Kann ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen nur dann als Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden, wenn es ausdrücklich als Programm für Datenverarbeitungsanlagen beansprucht wird?
Nein, Artikel 52 (2) c) EPÜ schließt die Patentierbarkeit von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen aus unabhängig davon aus, wie diese in einem Anspruch bezeichnet werden.
Frage 2a
Kann ein Anspruch auf dem Gebiet der Programme für Datenverarbeitungsanlagen das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (2) c) und (3) EPÜ allein schon dadurch überwinden, dass ausdrücklich die Verwendung einer Datenverarbeitungsanlage oder eines computerlesbaren Datenspeichermediums erwähnt wird?
Auch wenn die Verwendung einer Datenverarbeitungsanlage oder eines computerlesbaren Datenspeichermediums erwähnt wird, so existiert das Programm dennoch unabhängig davon, da ein Programm ebenso auf Papier gespeichert und von einem Menschen interpretiert und ausgeführt oder auch durch eine Turingmaschine abgebildet werden kann (vgl. Antwort zu Frage 3.b).
Unabhängig von der Wortwahl eines Anspruches auf dem Gebiet der Programme für Datenverarbeitungsanlagen kann dieser also das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (2) c) und (3) EPÜ nicht überwinden.
Frage 2b
Wenn Frage 2 a verneint wird, ist zur Überwindung des Patentierungsverbots eine weitere technische Wirkung erforderlich, die über die Wirkungen hinausgeht, die mit der Verwendung einer Datenverarbeitungsanlage oder eines Datenspeichermediums zur Ausführung bzw. Speicherung eines Programms für Datenverarbeitungsanlagen inhärent verbunden sind?
Nach Artikel 52 (2) c) und (3) EPÜ sind Programme für Datenverarbeitungsanlagen nicht patentierbar. Auch wenn ein Anspruch eine technische Wirkung beschreibt, so erfolgt diese nicht durch ein in dem Anspruch beschriebenen Programm, sonder durch die Ausgabeeinheiten der Datenverarbeitungsanlage.
Das Programm ist ausschliesslich eine Auflistung von Anweisungen, wie die Datenverarbeitungsanlage auf bestimmte Eingaben reagieren und bestimmte Aktionen initiieren soll.
Diese Anweisungen existieren unabhängig von der Datenverarbeitungsanlage und können, entsprechende Ein- und Ausgabeeinheiten vorausgesetzt, auch z.B. von einem Menschen ausgeführt werden können, wenn auch in der Regel mit einem Mehraufwand an Zeit.
Darum ist nicht das Programm selbst patentierbar sondern allenfalls die Datenverarbeitungsanlage, in der das Programm abläuft, deren Peripheriegeräte oder das Speichermedium, in dem das Programm abgelegt wird. Nur diese können eine technische Wirkung hervorrufen.
Frage 3a
Muss ein beanspruchtes Merkmal eine technische Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand in der realen Welt hervorrufen, um einen Beitrag zum technischen Charakter des Anspruches zu leisten?
Der Begriff „Technik“ definiert sich laut Duden als Summe von Verfahren, Einrichtungen und Maßnahmen, die der praktischen Nutzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse dienen. Eine praktische Nutzung setzt aber notwendigerweise voraus, dass eine Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand in der realen Welt hervorgerufen wird.
Auch die VDI-Richtlinie 3780 zur Technikbewertung setzt voraus, dass „Sachsysteme“ entstehen oder verwendet werden.
Somit ist zu bejahen, dass ein technischer Charakter eines Anspruches nur durch eine technische Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand in der realen Welt begründet werden kann.
Frage 3b
Wenn Frage 3a bejaht wird, ist als physikalischer Gegenstand eine nicht näher bestimme Datenverarbeitungsanlage ausreichend?
Jedes derzeitig vorhandene Konzept einer Datenverarbeitungsanlage kann durch eine Turingmaschine simuliert werden, ein von Alan Turing 1936 entwickeltes Modell, um eine Klasse von berechenbaren Funktionen zu bilden. Auch heute wird in der theoretischen Informatik das Konzept der Turingmaschine angewendet um Berechenbarkeit von Problemen zu überprüfen.
Damit ist ein Verweis auf eine nicht näher bestimmte Datenverarbeitungsanlage gleichzusetzen mit einem Verweis auf eine Turingmaschine. Dieses ist jedoch ein rein theoretisches Modell ohne jegliche Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand in der realen Welt, und kann somit keinen Beitrag zum technischen Charakter des Anspruches leisten.
Frage 4a
Frage 4. a) Erfordert die Tätigkeit des Programmierens einer Datenverarbeitungsanlage notwendigerweise technische Überlegungen?
Dies ist nicht der Fall. Das Erstellen eines Programmes erfolgt in einer Programmiersprache. Diese wird dann von einem Compiler oder einem Interpreter (ggf. in mehreren Schritten) in ein von der Datenverarbeitungsanlage ausführbares Objekt umgewandelt und mit Standardbibliotheken (die zum größten Teil von Fremdanbietern zur Verfügung gestellt werden) verbunden. Bei vielen modernen Mikroprozessoren erfolgt durch diese dann noch eine Interpretation dieses Objektes durch den sogenannten Mikrocode. Erst dann erfolgt eine direkte Wirkung auf die technische Eigenschaften der Datenverarbeitungsanlage.
Der Programmierer arbeitet also auf einer sehr hohen Abstraktionsebene und benötigt für die Erstellung des Programmes keine technischen Überlegungen über die Wirkungsweise der Datenverarbeitungsanlage. In der Regel wird ein Programmierer auch keine tiefergehende Kenntnisse über die genaue Wirkungsweise der Datenverarbeitungsanlage haben.
Des Weiteren kann ein Programm auch auf unterschiedlichen Datenverarbeitungsanlagen ablaufen. Sofern auf dem Zielsystem die gleiche Betriebssystemsoftware verwendet wird, ist hierfür nur die neue Übersetzung mittels des Compilers bzw. die Verwendung eines auf dem Zielsystem installierten geeigneten Interpreters notwendig. Technische Überlegungen bezüglich der Datenverarbeitungsanlage oder des Speichermediums sind also auch aus diesem Grund für die Tätigkeit des Programmierens nicht nur nicht notwendig, sondern können auch nicht sinnvoll für einen Lösungsweg eingesetzt werden, da es bereits heute eine Vielzahl unterschiedlicher Architekturen von Datenverarbeitungsanlagen und Verfahren zur Speicherung von Programmen und Daten gibt, und die zukünftige Entwicklung dieser Architekturen und Verfahren nicht vom Programmierer in vollem Umfang berücksichtigt werden können.
Frage 4c
Wenn Frage 4a verneint wird, können Merkmale, die sich aus der Tätigkeit des Programmierens ergeben, nur dann einen Beitrag zum technischen Charakter eines Anspruches leisten, wenn sie bei der Ausführung des Programmes zu einer weiteren technischen Wirkung beitragen?
Die Tätigkeit des Programmierens kann keinen Beitrag zum technischen Charakter eines Anspruches leisten, wie in der Antwort zu Frage 3) ausgeführt. Auch wenn ein Anspruch aufgrund weiterer Eingenschaften einen technischen Charakter aufweist, so ist ein darin beschriebenes Programm für eine Datenverarbeitungsanlage, wie in der Antwort zu 2b) bereits beschrieben, lediglich eine Auflistung von Anweisungen, wie die Datenverarbeitungsanlage auf bestimmte Eingaben reagieren und bestimmte Aktionen initiieren soll, die, entsprechende Ein- und Ausgabeeinheiten vorausgesetzt, auch z.B. von einem Menschen ausgeführt werden können.
Der technische Charakter eines Anspruches kann also nicht mit einem Programm für eine Datenverarbeitungsanlage begründet werden, sondern allenfalls über die Datenverarbeitungsanlage oder deren Ein- und Ausgabeeinheiten selbst.