Warum wir Wahlcomputern nicht vertrauen

Im Grundsatzprogramm (Transparent im Staatswesen) der Piratenpartei wird die Verwendung von Wahlmaschinen als undemokratisch bezeichnet, das sie dazu geeignet sind die Wahl als Element der Demokratie zu beschädigen. Aber die Piratenpartei, das ist doch die mit dem Internet und dem Computer, oder? Warum lehnen wir also Wahlcomputer ab?

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Die Geschichte des Wählens

Wir haben oft die Wahl, im Supermarkt, bei der Arbeitsplatzwahl, und alle paar Jahre auch bei Wahlen. Das war nicht immer so. In früheren Zeiten haben viele Leute ihr Leben riskiert für ihr Recht auf wählen. In der Schweiz durften Frauen man in manchen Kantonen sogar bis in die 1970er nicht wählen. Es ist also keineswegs eine Selbstverständlichkeit dass wir das Recht zu wählen haben oder eine lästige Pflicht. Es ist unser Recht.

Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Grundsätze durchgesetzt, die eine Wahl erfüllen muss, um als demokratisch zu gelten. Diese sind:

  • Überprüfbarkeit (Jeder Bürger kann die Wahl überprüfen.)
  • Fälschungssicherheit (Die Stimme kann nicht im nachhinein manipuliert werden)
  • Privatheit (Die Stimmabgabe ist unbeobachtet und unprotokolliert)
  • Gleichheit (Jede Stimme zählt gleich)
  • Berechtigung (Je nach Wahl dürfen nur bestimmte Personen abstimmen)

Keins dieser Kriterien können Wahlcomputer erfüllen. Demzufolge sollte man sie eigentlich nicht Wahlcomputer nennen, sondern einfach nur Computer. Und wer will schon, dass Computer bei der Bundestagswahl abstimmen?

Wie wähle ich orginaldemokratisch?

Datei:Election MG 3455.JPG
transparent, demokratisch und anonym, so solls sein

Um die oben genannten Grundsätze zu gewährleisten hat sich im Laufe der Zeit ein wohl-akzeptiertes Prozedere entwickelt, dass weltweit in allen demokratischen Staaten Anwendung findet:

  • Der Wähler geht zum Wahlvorstand und authentifiziert sich (zum Beispiel mit einem Personalausweis oder einer Wahlbenachrichtigung)
  • Der Wähler bekommt einen Stimmzettel ausgehändigt
  • Der Wähler stimmt ab in einer Wahlkabine
  • Der Wähler wirft seinen Stimmzettel in die Wahlurne
  • Der Wahlvorstand trägt den Wähler in das Wahlverzeichnis ein.

Wird dies befolgt und wird der Wahlprozess von genügend Bürgern beobachtet, ist diese Wahl maximal fälschungssicher. Das Verfahren ist weltweit tausendmal erprobt und wohl nicht zu toppen.

Wie wähle ich scheindemokratisch?

Datei:DPRK election.jpg
Nicht jede Wahl, die vorgibt demokratisch zu sein, ist auch demokratisch

Die DDR, ihreszeichens die "Deutsche Demokratische Republik" hatte ein besonderes Wahlverfahren, das Falten. Jeder Bürger, der mit der vorgegebenen Liste einverstanden war, faltete einfach den Wahlzettel und warf ihn in die Wahlurne. Eine Wahlkabine war zwar da, aber die nutze fast keiner. Dem Regime gelang es also sehr bequem, die Leute, die offenbar etwas zu verbergen haben auszufiltern.

Eine andere Möglichkeit, scheindemokratisch zu wählen, sind die Wahlcomputer. Nur werden sie nicht von Regimes wie der DDR und Nordkorea eingeführt, sondern von den zivilisierten, westlichen Welt. Da mag man doch stutzig werden.

Warum sind die Wahlcomputer so schlimm?

Oben wurde behauptet, dass Wahlcomputer keinen der Grundsätze einer demokratischen Wahl erfüllen können. Hier also im einzelnen:

Überprüfbarkeit & Fälschungssicherheit

Dieser Punkt ist am einfachsten zu verstehen. Denn wer weiß schon, was die Maschine macht? Die Maschine kann noch so schöne Zahlen ausdrucken, letzendlich weiß man nicht, ob sie nicht ein paar Wähler "vergessen" hat.

Auch sind die Programme die verwendet werden, nicht auf Korrektheit zertifizierbar. Es wird zwar gerne behauptet, dass "Experten" diesen Code durchsehen, doch letztendlich können diese nur eine Oberflächenanalyse machen.

Wer sich nur ein bisschen mit Computer auskennt, weiß, dass jede Software, teilweise offensichtliche, teilweise gefährliche Fehler besitzt. Das liegt nicht daran, dass die Software von Stümpern geschrieben wird. Im Gegenteil werden Millionen für Testing ausgegeben, und trotzdem passieren Fehler.

Und selbst wenn der Softwarecode "glaubhaft" zertifiziert ist, gibt es keine Möglichkeit festzustellen, ob der Computer auch genau das Programm in dem Sinne wie es laufen sollte ausführt. Ein Computer macht nämlich nur genau das was der Name sagt: Rechnen. Ob diese Zahlen richtig oder falsch sind, ist ihm egal. Ein Computer hat sozusagen kein Gewissen.

Privatheit

Gibt man seine Stimme am Computer ab, hat die Privatheit prinzipbedingt ein Ende. Man kennt das vielleicht aus dem Internet, dass viele Dienste sehr viele Daten erheben und damit die Privatsphäre der Nutzer verletzen. Das liegt natürlich zum einen daran, dass die Dienste diese Daten speichern, aber auch daran dass die Daten allein schonmal anfallen. Dies ist im Computing eingebaut. Ein Computer kann nur mit Daten umgehen, deshalb müssen Daten anfallen. Und diese Daten können unter Umständen ausreichen, um jemanden zu identifizieren.

Auch hier hilft eine "Zertifizierung" der Software nicht weiter.

Datei:Wahlurne.jpg
Die Insignien einer Partei auf einer Wahlurnen anzubringen ist nicht mit den Wahlrechtgrundsätzen vereinbar ;)

Gleichheit

Ein Computer hat kein Gefühl für Gleichheit. Ihm ist es egal, ob er manche Stimmen 3mal gewichten soll oder nur einfach. Einem Menschen würde ein solches Ungleichgewicht sofort auffallen, für einen Computer ist das eine korrekt durchgeführte Berechnung. Natürlich nicht nach den Maßgaben der Softwareentwickler, aber wer garantiert, dass auch deren Software läuft und auch in deren Sinne?

Berechtigung

In diesem Punkt sind Wahlcomputer nicht ganz so verletzlich wie in den anderen vier. Dennoch ist es möglich (und das haben verschiedene Hackerclubs auch schon getan), dass jemand der zum Beispiel nur eine Stimme abgeben darf, mehrere Stimmen abgeben kann. Oder umgekehrt, keine Stimme abgeben kann, weil das System streikt oder er mit der Technik nicht klar kommt.

Fazit

Wer behauptet, dass Wahlcomputer ihm das Wählen erleichtern, will in Wahrheit gar nicht demokratisch wählen sondern nur scheindemokratisch. Wer das will sollte lieber gar nicht wählen gehen, sondern in eine der letzten verblieben Diktaturen auswandern, wo ihm die lästige Pflicht zu wählen gerne abgenommen wird.

Bringen Wahlcomputer denn überhaupt irgendetwas?

Kurz: nein. Lang:

Aber die Kosten!

Wahlcomputer sind teuer! Nicht nur der Anschaffungspreis muss berücksichtigt werden, sondern auch Wartungskosten, Stromkosten, Lagerkosten, Beförderungskosten, Ersatzkosten, und viele mehr, die allein auf die Maschine zurückzuführen sind. Außerdem wird der Wahlvorstand keineswegs überflüssig, sondern der hat allenfalls früher Schluss, kostet aber immer noch das Gleiche.

Auch einige versteckte Kosten sind zu verbuchen. Wählt man eine Wahlmaschinenhersteller macht man sich normalerweise abhängig von diesem Hersteller. Dieser kann frei die Preise bestimmen, oder sagen, aber wann man "zum Wohl der sicheren Wahl" auf die neue Version upgraden soll. Bei der Papierwahl macht man sich abhängig von Papierherstellern, was, nunja, nicht das Problem sein sollte.

Wahlcomputer sind einfach zu bedienen!

Nein nicht im geringsten. Zwar ist ein Touchscreen sehr intuitiv, aber was ist eigentlich intuitiver als ein Blatt Papier und ein einfacher Stift, was wir jeden Tag nutzen? Auch hat ein Wahlcomputer Probleme sehr viele Stimmmöglichkeiten auf einem Blick abzubilden. Stattdessen gibt es mehrere Seiten, die die meisten Wähler nicht anschauen. Bei einem Papierzettel fällt das eher auf. Auch sind Änderungen am Wahlverfahren nicht so einfach möglich, da immer ein neues Softwareupdate gebraucht wird.

Mit Wahlcomputer kann man kompliziertere Wahlsysteme nutzen!

Stimmt, aber macht es das besser? Wo steht geschrieben, dass komplizierter gleich besser ist. Im Gegenteil ist längst mathematisch erwiesen, dass es kein Wahlverfahren gibt, dass allen Wahlkriterien genügen kann. (mehr dazu bei der Wikipedia). Ein kompliziertes Wahlrecht führt oft dazu, dass sich gefährlich Lücken auftun, die nur noch Mathematiker voll verstehen, wie z. B. negatives Stimmgewicht, Überhangmandate u. Ä. Bei bestimmten Wahlverfahren drohen noch skurrilere Effekte.

Wahlcomputer sind bequem!

Das mag stimmen, wenn man eine scheindemokratische Wahl befürwortet. Ansonsten ist dies doch recht unangenehm, einem Computer seine Stimme anzuvertrauen. Auch sonst ist der Unterschied zu einer Minute in der Kabine+Urnenabgabe und einer Minute vor dem Computer nicht groß

Papierwahl ist nicht perfekt!

Stimmt, aber besser als Computerwahl. Auch bei der Papierwahl (insbesondere Briefwahl) können Stimmen "vergessen" werden, falsch interpretiert werden oder "unter den Tisch fallen". All diese Fehler geschehen jedoch unabsichtlich und nur in kleinem Rahmen. Eine großangelegte Manipulation ist so nicht möglich, weil man vielzuviele Menschen einbinden müsste. Ganz im Gegenteil dazu Computerwahl: Potentiell reicht ein schlauer Mensch aus um hunderte Stimmen gezielt zu manipulieren. Und auf genau diese kann es ankommen.

Bei Wahlcomputer geht die Auszählung schneller

Stimmt.... aber auch nur deswegen, weil schon ausgezählt ist. Der Computer kennt das Ergebnis schon die ganze Zeit. Für Menschen ist das verboten.

Aber was genau bringt das frühe Verkünden des Wahlergebnis? Normalerweise nichts, außer dass man sich einen spannenden Abend versaut. Denn: Um 18 Uhr IST bereits eine gute erste Prognose verfügbar, die meistens das Endergebnis gut abbildet. Diese werden durch Exit-Polls gewonnen, was gleichzeitig...tada... Wahlfälschung erschwert. Papierwählen ist soeben noch besser geworden.

Natürlich haben auch Exit-Polls Probleme. Denn das Wahlergebnis muss geheim gehalten werden. Aber in der Realität funktioniert das bis jetzt recht gut.

Wahlcomputer lösen kein Problem!

Genau, eine Lösung für das Problem des anonymen und sicheren, demokratischen Wählens wurde nämlich schon vor hunderten Jahren gefunden und hat sich seitdem bewährt: Einfaches Papierwählen.

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Was sagt das Bundesverfassungsgericht?

Freundlicherweise entspricht das Bundesverfassungsgericht voll der Linie der Piratenpartei und des Grundgesetzes. Wahlcomputer wurden zwar nicht verboten, in ihrer Mächtigkeit aber soweit eingeschränkt, dass man guten Gewissens sagen kann, dass in absehbarer Zukunft kein Wahlcomputer in Deutschland eingesetzt werden wird.

Im Einzelnen sagt das BVerfG, dass eine Wahl auch von Leuten ohne technischen Sachverstand nachvollzogen werden können muss und jedem zu jeder Zeit es erlaubt sein muss, den Wahlvorgang zu beobachten.

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