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Pressemitteilung
Thema: PM 128 - Offener Brief an den niedersächsischen Ministerpräsidenten
Ersteller: Michael Leukert, Christopher Lang
Status: Versandt
Verantwortlicher Redakteur:
geprüft durch diese Lektoren:
Gliederung: Landesverband Niedersachsen
verschickt am 14.02.2010


Offener Brief an den niedersächsischen Ministerpräsidenten

Sehr geehrter Herr Wulff,

mit Sorge sehen wir, der Landesverband Niedersachsen der Piratenpartei, wie eine alte Kulturlandschaft zerstört werden soll, ausgelöst durch den geplanten Bau einer Hühnerschlachtanlage der Firma Emsland Frischgeflügel GmbH in Wietze.

Schlachthof Wietze in Zahlen:

   *   27.000 Tiere in einer Stunde
   *   432.000 Tiere am Tag
   *   2.592.000 Tiere in der Woche
   *   134.784.000 Tiere im Jahr.
   *   Grundwasserverbrauch ca. 3.3 Mio. Liter pro Tag!
   *   200 LKW pro Tag für An- und Abfahrt, usw.

Um die voraussichtliche Schlachtkapazität dieser Geflügelschlachtanlage mit einer Kapazität von 2,59 Mio. Hühnern pro Woche zu decken, sind ca. 420 Hühnermastanlagen notwendig, die im Umkreis von 100 km der Schlachtanlage errichtet werden sollen. Da auf Grund der günstigeren Verkehrswege bevorzugt an der Autobahn Mastställe entstehen sollen, wird die A7 bereits spaßhaft als "Hähnchen-Highway" bezeichnet. Nachdem sich im Emsland schon Maststall an Maststall reiht, soll nun auch das östliche Niedersachsen mit weiteren Anlagen übersät werden; eine Landschaft, in der die bäuerliche Gemeinschaft weitestgehend vom Anbau von Feldfrüchten lebt. Es ist untragbar, dass die Bürger der betroffenen Gemeinden nicht in die Entscheidungsprozesse für die Genehmigung der zur Zeit beantragten Hühnermastanlagen einbezogen werden, geschweige denn, dass die Bürger zu diesem Problem gehört werden.

Wir fordern:

   * ein Ende der Privilegierung von Baumaßnahmen im Außenbereich nach

dem Baugesetzbuch für Landwirte. Dieses Privileg ist nicht mehr zeitgemäß und beschneidet die Einspruchsrechte der Gemeinden und für der Bürger.

   * den Einsatz von Filteranlagen auch für Stellanlagen mit einem

Geflügelbesatz unter 40.000 Tieren

   * Beanstandung von Umgehungen der Schutzbestimmungen
   * Kein Bau von Geflügelmastställen in Naturschutzgebieten oder

entlang der Vogelfluglinien.

   * Umweltfreundliche Kot-Verwertung in modernen Biogasanlagen.
   * Entfernung von Wohngebieten von mindestens 1 km.
   * Regelmäßige Kontrollen zur Sicherstellung des Tierschutzes.
   * Regelmäßige Kontrollen von Boden und Grundwasser.
   * Hinterlegung einer Kaution für späteren Rückbau und Entsorgung der
     Mastställe.
   * Verbot des Einsatzes von Qualzuchten (Hybridhühner).

Die industrielle Landwirtschaft, insbesondere die industrielle Viehhaltung, gilt als eine der zentralen Bereiche, die umgebaut werden müssen, wenn die Welt ihr Klimaziel -- minus 80 bis 90 Prozent Kohlendioxid bis 2050 -- erreichen will.

Versetzen Sie sich bitte in die Lage der Bürger, die berechtigterweise Bedenken und Vorbehalte gegen die massiven Einschnitte in ihre Lebensqualität vorbringen. Für viele, der in den betroffenen Gebieten wohnenden Menschen, haben schon Windparks, eine geplante Starkstromtrasse oder das Atommülllager in der Asse zu erheblichen Wertverlusten der Immobilien und Wohnqualität geführt. Die Befürchtungen vieler Gemeinden, dass die nachwachsende Generation diese Gebiete künftig meidet und ihren Lebensmittelpunkt woanders sucht, sind nicht von der Hand zu weisen.

Es ist der jungen Landbevölkerung auch nicht zu verdenken, Herr Minister! Landwirte dürfen über das Baurecht eine "privilegierte Baumaßnahme" auch außerhalb der Bebauungspläne errichten. Diese Option ist im Grundsatz für Weideschuppen, Ställe oder Maschinenhallen gedacht und sei ursprünglich eine Ausnahme gewesen, um Landwirten mit Höfen in ortsnaher Lage eine Entwicklung zu ermöglichen. "Heute ist das selbstverständlich geworden." so der O-Ton der Zuständigen und ermöglicht jetzt die, von uns kritisierte, Massentierhaltung.


Die teurere Alternative könnte "Negativplanung" heißen -- wie sie im Emsland bereits betrieben wird. Dabei wird mit jedem Landwirt abgesprochen, wie er die Entwicklung seines Hofes plant. Entsprechende Baufenster werden dann festgelegt. Eine Variante, die auch Kreislandwirt Heiner Beermann befürwortet. "Das könnte auch zu mehr Verständnis zwischen Bürgern und Landwirten beitragen." [1]

In diesem Zusammenhang können wir die Ernennung von Astrid Grotelüschen (CDU) zur Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung nicht gutheißen. Eine Politikerin, die Leiterin der zweitgrößten Mastputen-Brüterei Deutschlands ist, außerdem Beraterin des Stammunternehmens ist, kann nicht unvoreingenommen und unabhängig agieren. Wir befürchten, dass hier eindeutig Lobbypolitik zu Gunsten der Massentierhalter betrieben wird.

Die immer wieder von den Massentierhaltern vorgebrachte Behauptung, dass eine steigende Nachfrage nach Hähnchenfleisch bestehe, wird durch neuste Statistiken widerlegt, die besagen, dass zur Zeit mit den bestehenden Mastanlagen ein Produktionsergebnis von 102 % des Bedarfs in Deutschland gedeckt ist (Quelle: "Land und Forst", 01.07.09). Daraus lässt sich schließen, dass das nunmehr zusätzlich zu produzierende Fleisch ausschließlich für den Export gedacht ist und außerdem dazu dienen soll, unliebsame Konkurrenten auf dem heimischen Markt durch Preiskampf zu verdrängen. Seit Jahrzehnten verdrängen europäische Agrarexporte afrikanische Kleinbauern von ihren Märkten. In Zeiten der globalen Hungerkrise ist dies ein Skandal, der nicht etwa durch weitere Mastanlagen gelöst wird. [2]

Jede neue gewerbliche Mastanlage gefährdet zudem die traditionelle bäuerliche Landwirtschaft. Es gibt daher keinen einzigen Grund, weitere Mastställe zu bauen, nur viele gute Gründe dagegen.

Der niedersächsische Landesvorstand der Piratenpartei


Verweise ins Internet:


Niedersächsische Landespressestelle:
Michael Leukert

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Bei der Bundestagswahl im September 2009 erreichte die Piratenpartei aus dem Stand 2,0 Prozent bzw. 845.904 Stimmen. Im Vergleich zur Europawahl im Juni 2009 (0,9 Prozent, 229.464 Stimmen) konnten die Piraten die Zahl ihrer Stimmen sogar fast vervierfachen. Die Piratenpartei hat mittlerweile über 11.000 Mitglieder.

Die Piratenpartei ist in den Kommunalparlamenten von Aachen und Münster vertreten.


Quellen (kein Teil der Pressemitteilung)