LiquidFeedback/Themendiskussion/694
Gegen Quoten und "positive Maßnahmen"
Die Piratenpartei steht für Gleichberechtigung und Chancengleichheit. Sie setzt sich dafür ein, dass Diskriminierungen und Benachteiligungen beseitigt werden. Jedoch setzt sie sich ebenso dafür ein, dass dies mit den richtigen Mitteln geschieht und dass Maßnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen nicht neue Benachteiligungen an anderer Stelle schaffen. In diesem Sinne möge die Piratenpartei beschließen, jede Form von Quoten und Bevorzugung von Gruppen - auch "positive Maßnahmen" genannt - abzulehnen.
Begründung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz formuliert den Begriff der "positiven Maßnahme". Mit "positiven Maßnahmen" soll das Ziel der Gleichstellung durch eine gezielte Diskriminierung erreicht werden (positive Diskriminierung). Dabei werden einer bestimmten Bevölkerungsgruppe pauschal Vorteile eingeräumt, wobei ausschließlich die Gruppenzugehörigkeit ausschlaggebend ist. Beispielsweise soll durch Frauenquoten der Frauenanteil in Führungspositionen erhöht werden, ungeachtet dessen, wie viele weibliche Bewerber für eine Stelle tatsächlich zur Verfügung stehen.
Chancengleichheit als Voraussetzung für fairen Wettbewerb
Die Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb ist die Sicherstellung von Chancengleichheit. Der Staat hat hierbei Sorge zu tragen, dass benachteiligten Menschen Ausgleiche zu Gute kommen. Ferner hat er dafür zu sorgen, dass bestehende Benachteiligungen beseitigt und gesellschaftliche Vorurteile abgebaut werden. Positive Maßnahmen sind hierfür als Instrument ungeeignet, da dabei in unzulässiger Weise von der Benachteiligung einer Gruppe auf die Benachteiligung eines Einzelnen geschlossen wird und einzig die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zum Maßstab gemacht wird.
Keine umgekehrte Diskriminierung
Bürger, die der begünstigten Gruppe nicht angehören, werden somit gleichzeitig diskriminiert. Dabei ist es unbedeutend, ob es sich um eine definierte, konkrete Quote (fester Anteilswert) oder eine Handlungsweise mit nicht genau definiertem Ziel handelt. Eine "positive Maßnahme" kann auch darin bestehen, einer bestimmten Gruppe besondere Förderangebote zur Verfügung zu stellen, ohne dass eine Quote als Ziel festgelegt wird.
Beispiele hierfür sind etwa der Girls' Day nur für Mädchen, Förderprogramme an Hochschulen nur für Frauen oder Gleichstellungsbeauftragte, die nur die Interessen von Frauen vertreten. Alle staatlichen Angebote sind für jeden in der Bevölkerung frei zugänglich zu halten, die Bevorzugung der einen Gruppe führt immer den Ausschluss und die Benachteiligung anderer Gruppen mit sich.
Positive Maßnahmen schaffen Benachteiligungen statt sie zu beseitigen
Die gezielte Bevorzugung einer ganzen Gruppe durch "positive Maßnahmen" führt zu einer Privilegierung eines jeden Vertreters dieser Gruppe unabhängig davon, ob er wirklich von Benachteiligungen betroffen ist oder nicht. Soll z.B. mittels positiver Maßnahmen an einer Hochschule der Migrantenanteil erhöht werden, so kann ein Migrant, der aus einer gut situierten Arztfamilie stammt, gegenüber einem schlechter gestellten Nicht-Migranten aus einer Arbeiterfamilie bevorzugt werden.
Somit bergen positive Maßnahmen das Potential, mehr Benachteiligungen zu schaffen als sie beseitigen. Ist die vorgegebene Quote gar deutlich höher als der entsprechende Anteil unter den Bewerbern, so werden Bewerber, die nicht zu der quotierten Gruppe gehören, erheblich benachteiligt. Bloße Gruppenzugehörigkeiten dürfen daher kein Kriterium für den Ausgleich von Nachteilen sein, auch weil dies zu einem gegenseitigen Ausspielen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen führt.
Behindertenquoten als Ausnahme zulassen
Um den besonderen körperlichen und geistigen Einschränkungen behinderter Menschen gerecht zu werden, kann eine Behindertenquote in Unternehmen sinnvoll sein. Jedoch darf eine Quote nicht dazu verleiten, die Probleme als gelöst zu betrachten. Die mangelnde Integration Behinderter und die Vorurteile ihnen gegenüber bleiben bestehen und machen eine Quote ja erst nötig. Ziel einer jeden Gleichstellungsmaßnahme muss es hingegen sein, Quoten überflüssig zu machen.
Benachteiligungen werden kaschiert, nicht beseitigt
Mit "Positiven Maßnahmen" werden durch verordneten Zwang Symptome von Benachteiligungen behoben, nicht aber die Benachteiligungen selbst. So erweckt etwa eine Behindertenquote nur den Anschein von Chancengleichheit, tatsächlich werden dadurch Benachteiligungen lediglich kosmetisch verdeckt aber nicht beseitigt.
Grundsätzlich greifen Quoten immer erst dann, wenn Benachteiligungen bereits zum Tragen gekommen sind. Eine Quote ist nutzlos, wenn ein Mensch etwa auf Grund einer Behinderung oder wegen mangelnder Sprachkenntnisse keine ausreichende Ausbildung erlangt hat.
Staat und Gesellschaft entziehen sich ihrer Verantwortung
Der Staat ist in der Pflicht, Ursachen von Benachteiligungen zu beseitigen. Beispielsweise bedarf es im Falle Behinderter einer frühzeitigen schulischen Integration und besonderer, individueller Hilfe bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Migranten bedürfen einer entsprechenden Sprachförderung. Derlei Maßnahmen sind mit hohem finanziellen und personellen Aufwand verbunden. Eine Quotierung ist hingegen billig, sie behebt die ursächlichen Probleme aber nicht.
"Positive Maßnahmen" und insbesondere Quoten verdecken die zu Grunde liegenden Probleme nur und tragen so dazu bei, dass die Gesellschaft sich der Verantwortung entzieht, wirkliche Veränderungen herbeizuführen. So sind Forderungen nach Quoten mehr und mehr ein Werkzeug politischer Profilierung, ohne dass dahinter tatsächlich der Wille steckt, Benachteiligungen und ihre Ursachen zu bekämpfen.
Diskussion
Pro
Contra
- Leo Wandersleb
- Der Antrag konterkariert sich selbst, indem er die Zweckmäßigkeit einer Quotenregelung einerseits total in Abrede stellt, andererseits bei Behinderten aber klar feststellt. Was denn nun?
- Aufgabe des Sozialstaats ist es, gesellschaftlichen Schieflagen entgegenzuwirken. Dass behinderte/potentiell morgen schwangere/nur Arabisch sprechende in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, ist solch eine Schieflage. Als Geschäftsführer würde ich ohne Ausgleich für diese Wettbewerbsnachteile oder Zwänge sicher auch nicht anders einstellen.
- Wie soll denn die Alternative zu einer Quote aussehen? 10% Lohnzuschuss für jedes Weibchen, 15% für Blinde und 5% für integrationswillige Libyer? Ach ja, ich vergaß. Du bist ja auch gegen die Bevorzugung Mitglieder der vermeintlich benachteiligten Gruppe. Also Feststellung einer tatsächlichen Benachteiligung? Viel Spaß bei der Beweisführung. Oder Umerziehung aller Entscheider zu Heiligen? Bin gespannt!
- Was ich sagen will: Dagegen sein ist leicht, aber bis andere Anreize greifen halte ich Quoten für sinnvoll. Als Partei sollten wir uns aber für andere Mittel einsetzen, statt gegen Quoten zu wettern. Gegen Frauenquoten zu sein, schadet uns sicher besonders, als wir schon als frauenfeindlich in den Medien präsent waren. Doof. Finde grad nur diesen link.
- Sebastian Jabbusch
- Die Initiative ist meiner Meinung nach abschreckend und im besten Sinne dazu geeignet das Bild der Piratenpartei als "Frauenfeindlich" zu stärken.
- Vor allem aber ist die Initiative komplett überflüssig, da es zurzeit keine Quoten und auch keine positiven Maßnahmen gibt, die man unterbinden müsste.
Zu meinem Abstimmungsverhalten
Die Initiative ist inkonsistent und unausgegoren. Keinesfalls ist so eine Initiative beschließenswert. Der Initiator hat sich weder mit den Gründen gesellschaftlicher Diskriminierung erkennbar auseinandergesetzt noch gar dafür Lösungsideen entwickelt. Seine Initiative bleibt in der emotionalen Ablehnung eines bestimmten Instrumentariums stecken. Das kann nicht ausreichen. So scheint mir das nicht antragswürdig zu sein. Daher meine Ablehnung dieser Initiative. --etz 18:50, 14. Apr. 2011 (CEST)