Benutzer:Trias/Patente

Nun. Patente gehören sicher nicht zu meinem Spezialgebiet, aber ich hoffe, meine Gedanken sind doch für den ein oder anderen ein Denkanstoß.

Das grundsätzliche Problem, das wir mit dem Patentrecht haben, ist ja dass es Innovationen in bestimmten Bereichen behindert, zB Softwarepatente. Auf der anderen Seite stehen auch Pharmapatente in der Kritik, die ethische Probleme mit sich bringen.

Ein Charakteristika von allem patentierbaren (eigentlich) ist, dass die Vervielfältigungskosten deutlich unter dem Verkaufspreis liegen. Um diese Margen zu sichern gewährt der Staat dem Unternehmen ein zeitlich begrenztes Monopol.

Das Ganze wurde besonders in der USA pervertiert (Patenttrolle), die triviales oder schwammig verfasstes patentiert wurde. Unter Umständen muss vieles doppelt oder neu entwickelt werden. Das ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, besser wäre hier kooperative Strukturen einzuführen. Andererseits ist Konkurrenz natürlich ein starkes Antriebsmotiv.

Nun, eine Lösung für das Patentproblem wäre, dass das Patentamt einfach mehr darauf achtet, dass die Regeln eingehalten werden. Dieses hat aber den Nachteil, dass es Missbrauch nicht inhärent ausschließt, eine Behörde benötigt, und den fortschrittsverzögernden Effekt (weil es kaum Kooperation zulässt) nicht aufhebt.

In der amerikanischen Verfassung gibt es den Passus, dass Exklusivrechte auf Kunst und Wissenschaft nur dann erlassen werden dürfen, wenn sie einen Fortschritt sicherstellen. Dieses "Fortschritt-Prinzip" scheint immer mehr verletzt zu sein. (Natürlich gilt die am. Verfassung nicht in Deutschland, aber der Gedanke ist interessant).

Auch zu kritisieren ist der eigentumsähnliche Arte der Patente. Patente sind handel und übertragbar, soweit so gut, aber sie erheben auch den Anspruch exklusiv zu sein, was eine Idee nie sein kann. Auch können Patente nie konkret formuliert sein, auch wenn genau die gefordert ist. Der Aspekt, dass Patente vielfach nicht zum eigentlichen Zweck (also Innovationsförderung) genutzt werden, sondern vielmehr um "kreative" Geschäftsmodelle zu sichern (zB propietäre Druckerpatronen).

Vorteile von Patenten?

Die Vorteile halten sich in Grenzen. Zum einen wäre:

  1. Dokumentation des Stand der Technik
    • das ist wichtig, wobei fraglich ist was man mit 20 Jahre alter Technik anfagen sollte.. wohl eher Historikerinteresse
    • Patente werden von Juristen geschrieben, nicht Techniker
    • Dokumentation nur Nebeneffekt von Patentierung.
    • Patente sind keine Bauanleitung
  2. Anerkennung des Erfinders
    • Das ist ein reines Nennungsrecht und muss nicht mit kommerziellen Interessen verbunden werden.
  3. Image-Effekt des Unternehmens
    • Keine wirkliche Rechtfertigung für ein Monopol.
  4. Handelbares Gut.
    • prinzipiell problematisch (weil "geistiges" Eigentum)
    • Nur die eigenen Patente werden bilanziert, nicht die (Innovations-)Behinderungen, die man durch die Patentvorhaltungen von anderen erleidet (+ volkswirtschaftliche Schäden).
    • Problem der 12pxAnticommons (Transaktionskosten, Suchkosten, 12pxExternalität, Anwaltskosten)
  5. Patente verhindern die 12pxFree-Rider-Problematik
    • Andere Lösung denkbar
  6. Marktabschottung ermöglicht langfristige Planungen
    • Andere Lösungen denkbar
    • Problem Monopolstellung und Machtkonzentration

Anreize von Patenten

  1. Patentumgehung bringt neue Innovationen hervor
    • volkswirtschaftlicher Nutzen fraglich
    • wirklicher Innovationsanteil eher gering
  2. Patente verringern (möglicherweise) Wirtschaftspionage
    • Unklar wie stark
    • Reverse Engineering oft wohl billiger und einfacher
    • Wirtschaftsspionage auch heute schon stark
    • Andere Mechanismen zur Abwehr von Spionage vielversprechender
  3. Ein Monopol ermöglicht erst Verwertung und damit Forschung
    • reine Behauptung.
    • willkürliche Abgrenzung von Patentierbarkeit und nicht-Patentierbarkeit, was durch Lobbying zu ständiger Ausweitung führt.
    • Grundlagenforschung wird vom Staat bezahlt, Unternehmen betreiben "Veredelung"
    • Patentschutz verschiebt Fokussierung auf besonders "marktfähige" Erfindungen, nicht auf Nutzen für die Gesellschaft oder innovatives Potential
    • Patent-Monopole teilweise staatsfinanziert (zB Pharmaindustrie)
    • Monopole prinzipiell immer schädlich wegen Rent-seeking.
    • Verhinderung von kollaborativer/inkrementeller Innovation
    • Wahre Bedeutung von Patenten für Unternehmen liegt eher im Marktabschottungsaspekt, Forschung Nebensache.
  4. Patente setzen (durch Lizenzierung) Anreize zur Kollaboration
    • tendenziell Protektionismus für Großkonzerne
    • Verlagerung von einzelnen Patenten zu Patentpools, nur verrringerung der Transaktionskosten
    • Verbotsrecht dominiert (erst fragen, dann kooperieren)
    • Kollaboration auch anders erreichbar (etwa Joint-Ventures, Staat, Forschungsabkommen)

Wie stellt man also Kooperation sicher und gleichzeitig die Forschung aufrecht?

Ich schlage vor Forschungszentren einzurichten, die Unabhängig von den Universitäten, primär von der Wirtschaft finanziert werden. Dies sind für die Dokumentation von Erfindungen und Innovationen zuständig und sollen auch das Free-Rider-Problem bekämpfen.

Patente im heutigen Sinne würden wegfallen, jedoch soll es stattdessen eine echte Dokumentation von Erfindungen ("Bauanleitung") geben. Darauf aufbauende Entwicklungen sollen verpflichtend ins veröffentlicht werden (GPL-Prinzip).

Jedes Unternehmen kann sich einem Forschungszentrum anschließen und müsste sich verpflichten einen gewissen Prozentsatz vom Umsatz in dieses Forschungszentrum zu investieren, die Höhe bestimmt das FZ (für alle Teilheber gleich). Ein Unternehmen das nicht an einem FZ teilnimmt soll eine Abschlagszahlung leisten.

Ein FZ soll jedem Unternehmen offen stehen (genossenschaftliches Prinzip), die Kräfteverhältnisse aber abhängig von den Einzahlungen sein (Aktionärs-Prinzip), jedoch sollte keine Firma ein Forschungszentrum dominieren können (Nichtlinearität des Stimmrechts). Jedes Mitglied eines solchen Forschungszentrum kann im Gegenzug auf jede Erfindung dieser Forschungsanstalt kostenlos zugreifen.

Lizenzierung gäbe es weiterhin (zwischen den Forschungszentren bzw FZ<->Unternehmen), nur mehr auf Basis eines industriellen Urheberrechts. Klagerecht gäbe es nur noch dann, wenn nachgewiesen wurde, dass das Unternehmen unrechtmäßig die Dokumentation verwendet.

Universitäten sollen generell kostenlos auf die Daten zugreifen können, aber auch da gilt das GPL-Prinzip. Im Unterschied zu Patenten sollen diese Forschungszentren keine Monopolansprüche halten, sondern tatsächliche Dokumentation einer Erfindung sicherstellen.

Die Forschungszentren sollten eine *gewisse* Unabhängigkeit von den Finanziers erhalten, etwa durch Mitspracherecht der Wissenschaftler.

Falls das Unternehmen eigene Forschungskosten hat, kann es mit diesen Kosten auch die Beträge bezahlen, sofern sie Erfindungen den Mitgliedern des Forschungszentrum offen legt. Dies muss das FZ selbst regeln, nach welchen Kriterien das sinnvoll ist. Als Vergütung für Erfindungen könnte man eine Art "Zitaterank" verwenden, dh je öfter die Erfindung implementiert wird, desto mehr bekommt der/die Erfinder. Es soll generell den Forschungszentren überlassen sein, wie sie Erfindungen vergüten oder zB Boni verteilen.

Ein Unternehmen, dass eine Eigenentwicklung ins FZ hinzufügt, muss von der Sekunde an damit rechnen, dass ein anderes Unternehmen ihm Konkurrenz macht. Von daher sollte sinnigerweise vor der Veröffentlichung entsprechend ein Startvorteil rausgespielt werden. Oder das Unternehmen verzichtet komplett auf Veröffentlichung, dann profitiert es aber nicht durch evtl. Weiterentwicklung durch Wettbewerber oder das FZ und andere Unternehmen können ungestraft kopieren.

Diese Forschungzentren sollten sinnigerweise eine neue Rechtsform bekommen. Sind weder marktwirtschaftlich noch öffentlich, sondern eher kooperativ. Um den Firmen (zusätzliche) Anreize zu geben, kann man sie steuerlich fördern, was bei deren gesellschaftlichen Zweck angemessen ist. Dies muss jedoch sehr vorsichtig austariert werden. Auch heute existieren schon steuerliche Anreize zur Forschungsförderung.

Positive Folgen

  • Sperrpatente würden keinen Sinn mehr machen
  • Wandel von Permission Culture zu Shared Culture
  • Startups werden nicht benachteiligt, sondern können sofort aus den vollen schöpfen (Entweder weil sie keinen Zugang zu Forschungszentren brauchen oder sich billig "einkaufen" können)
  • Patentamt wäre nicht mehr nötig, Trivialentwicklungen würden keinen echten Sinn mehr machen.
  • Die teure Patent-Prüfung würde entfallen, weil das Ziel tatsächlich Forschung wäre und nicht Erlangen eines verbrieften Eigentumrechts.
  • Die Pharmalobby würde wohl vernichtet werden ;).
  • Die Laufzeiten werden weniger relevant. Bei einer Senkung der Copyrightdauer, wäre sogar eine Gleichsetzung sinnvoll.

negative Folgen?

  • Nicht absehbar, ob sich die Forschungspools zu ineffizienten Molochen entwickeln, weil die Firmen sich gegenseitig blockieren... Sollte aber unwahrscheinlich sein. Firmen haben ja auch ein Interesse an Fortschritt.
  • Forschungspools könnten missbraucht werden zB als Werbeagenturen. Hier muss der Staat wohl lenkend eingreifen, sollte sowas um sich greifen.

FAQ

Der Vorschlag löst nicht alle Probleme

Stimmt, aber viele ;).

Geistiges Eigentum bleibt erhalten

Stimmt zum Teil, aber das "Eigentum" wäre deutlich geschwächt. Kein Unternehmen könnte mehr ein Exklusivrecht auswirken. Sperr- oder Trivialerfindundungen würde außerdem keinen bzw weniger Sinn machen. Man würde außerdem nicht ein verbrieften Rechtstitel bzw eine Lizenz erwerben (wie bei einem Patent), sondern auf das Recht für Zugang zur Dokumentation bezahlen.

Da es ein kommerzielles Schutzrecht ist, regelt es nicht Menschen, sondern viel eher nur die Forschung. Insofern ist ein rein kommerzielles Urheberrecht vertretbar.

Wie ist das mit den Pharmapatenten?

Diese können im Prinzip ähnlich finanziert werden, nur dass die "Unternehmen" die Krankenkassen darstellen. Es gäbe also weiterhin Start-Ups, nur würden die halt von den Forschungspools/KKs finanziert.

Was macht der einsame, geniale Erfinder?

Dieser Typus, sofern es ihn gibt, kann zu einem Forschungszentrum seiner Wahl gehen, ihnen die Erfindung beschreiben und auf ein Angebot warten. Je nachdem wie umwälzend die Erfindung ist, desto mehr wird er wohl bekommen. Sollte das nicht erfolgreich sein, hat er immernoch die Option "closed Source" zu vermarkten, muss dann aber mit der "Gefahr" des Kopierens rechnen.


Soweit meine Gedanken zu einem neuen Patentrecht (wobei kaum noch "Patent" übrig bleibt..).