Mail auf die Aktive vom 20. Juli:

Es geht um die Nutzungsbedinugnen im Bundesliquid und warum ich sie ablehne. Achtung, es wird lang! Unten steht ein Fazit.

So. Nachdem ich mich gestern schon genug über die Nutzungsbedingungen auf Twitter aufgeregt habe [1], hier die Prosa-Fassung für die Aktive:

Zunächst einmal mächte ich betonen, dass ich die Einführung von LQFB begrüße, ich habe auch dafür gestimmt. Ich sehe es sogar ähnlich wie Frank Rieger [2], dass mit Online-Abstimmtools die politische Zukunft der Partei verknüpft ist. Und auch wenn ich einige Schwächen in LF sehe, bin ich durchaus dafür einfach mal auszuprobieren, und meine Einwände erstmal zurückzustellen. Ich sehe auch die aktuelle Klage von Bodo als nicht fundiert an... doch leider bin ich inzwischen froh dass er sie gestellt hat. Die vorgeschlagenen Nutzungsbedingungen sind mE eine Katastrophe und ein Armutszeugnis für die Partei.

Die Kanzlei hat ihre Aufgabe, der Piratenpartei eine auf LQFB zugeschnitttene NB zu schneidern, mE absolut nicht erfüllt. Die NB liest sich wie aus einer Blaupause herausgeschnittene Nutzungsbedingung (und nicht überraschend findet man mehr oder weniger identische NB im Internet [3]). Diese sind üblicherweise besonders auf die Bedürfnisse restriktiver Firmen-NBs abgestimmt, die einer simplen Logik folgen: Minimalste Pflichten für den Anbieter, maximale Haftung für den Nutzer. Dies ist rational für Firmen (wenn auch oft von Verbraucherschützern kritisiert, und teilweise rechtsbeugend), aber sehr irrational für Parteien, da die Mitglieder ja die Partei *sind*. Es ist sehr gefährlich wenn der Parteivorstand Durchgriffsrechte gegen Parteimitglieder erhält aufgrund einer Vielzahl von "Straftatbeständen", gegen die wir teilweise politisch eintreten (dazu unten mehr).

Aber der Reihe nach:

Punkt 1, 2 und 3 sind absolut unnötig und enthalten nur Juristen-Kram. Sie tragen auch nicht zur einfachen Lesbarkeit bei, den die NB durch die flapsige Sprache suggeriert. Ein Minenfeld, weil in der NB durchaus juristische Fachsprache (zB "grundsätzlich") [4] verwendet wird. Auch ist es sehr "seltsam" dass wir Medienkompetenz fordern, selbst den Nutzer aber für dumm verkaufen. Auf der Straße warnt auch niemand davor, dass man von Autos überfahren werden kann, wir müssen in den NB den Nutzern anscheinend aber erklären, was er in seinem Browser sieht.

Punkt 4 ist unverständlich hart und hat logischerweise nur ein Ziel: Die nachfolgend definierten "Vergehen" auch zuordbar zu machen, damit die Paragraphen auch wirken. Wer sein Passwort ausversehen verloren hat oder ausgespäht wird etc, hat hier untragbare harte Konsequenzen zu befürchten. Unnötigerweise haftet man auch noch für alle "strafbaren" Nutzungen die man selbst nicht getan hat. Oder wie Aleks A. es ausdrückte: "Bei den Nutzungsbedingungen für #LQFB fehlt bei 4.2 die öffentliche Kreuzigung. Verweichlicht Vorstand der #piraten?" [5]. Wieder: Für Unternehmen macht eine solche restriktive Fassung Sinn, in einer Partei ist sie mE schädlich.

Im Kontext mit unserem politischen Programm liest sich besonders Punkt 5 der NB haarsträubend. Punkt 5, auch wenn das sehr verklausuliert ausgedrückt wird, regelt den Umgang mit den Urheberrechten der User. Diese Nutzungsrechte werden angeblich benötigt um den Betrieb abzusichern, sind jedoch ein Krampf. Sonst fordern wir diese ja auch nicht ein, bzw tun das einfach implizit (zurecht).

Auch ist die Formulierung inkonsistent: Zum einen räumt man ein Nutzungsrecht ein, zum anderen veröffentlicht man unter CC-BY-SA. Fazit: Der gesamte Punkt ist absolut unnötig, wäre durch die Angabe der Lizenz getan, so ist er aber geradezu ein Kniefall vor den Urhebrerechtsfetischisten bzw Juristen. Nochmal zur Erinnerung: Das Urheberrecht sollte niemals den alltäglichen Umgang mit den Mitmenschen regeln, vergessen haben das nur Juristen und Leute für die das Internet kein täglicher Umgang ist.

Punkt 6 ist mein Lieblingsabschnitt. In dem Absatz werden umfangreichen Durchgriffsrechte des Vorstands formuliert, unter anderem für die wir ablehnen:

  • Linkhaftung ist drin
  • Hackerparagraph ist enthalten
  • Ein Verbot von "falschen" Nutzungen
  • ein seltsames "Foto-Identiätshaftung-recht" wird eingeführt.
  • Stalking/Mobbing (wer entscheidet das?)

Je nach Auslegung könnte der Vorstand gegen fast jede Banalität vorgehen (auch strafrechtlich). Ein Aprilscherz einzustellen dürfte eine falsche Nutzung darstellen, ein Skript zur Optimierung der Oberfläche könnte ein Hackertool sein, ein Link könnte jugendgefährdend sein und eine ironische Bemerkung könnte als Mobbing ausgelegt werden. Der gesamte Punkt ist ein juristisches Maschinengewehr.

Es ist für mich absolut nicht nachzuvollziehen, warum wir (alte) Gesetze aus dem realen Leben auf unsere Plattform anwenden müssen, was ironischerweise ja direkt gegen Thesen 7 und 4 von Pavel verstößt [6]. Auch wenn diese Thesen nicht jeder teilt, dürfte die Begründung jedem einleuchten.

Eine einfache Löschung der Beiträge, wie das ja in den meisten Internetforen passiert, wäre hier angebrachter. In den NB jedoch sichert sich der Vorstand unbestimmte Durchgriffsrechte bis zu Schadensersatzforderungen. Soweit ich weiß, sind die Berliner bis heute ohne Löschung und ohne NB gut gefahren. Wir sollten nicht den Fehler machen hier diese juristische Waffe einzubauen, da lachen sich nur die Juristen ins Fäustchen. Klar brauchen wir bestimmte Regeln, jedoch ist nicht einzusehen, warum diese in einen rechtsgültigen Vertrag müssen, wo wir doch die Möglichkeit haben uns selbst dynamisch Regeln zu verpassen.

6.3 krönt den Paragraph mit der Erwähnung von "Raubkopien". Der gesamte Punkt scheint eine Standardformulierung zu sein und ist offenbar überhaupt nicht auf LF abgestimmt. Die Kanzlei hat insbesondere hier offenbar ihre Pflichten verletzt. Wie soll es möglich sein auf LQFB ein Patent zu verletzen? Auch die anderen Dinge sind unwahrscheinlich, und selbst wenn sind sie durch das geltendes Recht abgedeckt. Eine Erwähnung in den NB (die mE sowiso überflüssig sind) ist nicht nötig.

Punkt 7 sichert die Punkte 5 und 6 ab. Was er implizit fordert ist eine pirateninterne Vorratsdatenspeicherung. Die ist zwar systembedingt, jedoch sehe ich es nicht als erforderlich an, ein Pseudonym für fast jede Banalität _offen_zulegen. Damit wird der gesamte Nutzen der Pseudonymisierung ad absurdum geführt. Gerade im Rahmen politischer Meinungsbildung sollten wir diese möglichst verfolgungsfrei ermöglichen.

Auch wenn ich die Klage von Bodo Thiesen nicht unterstütze, kann ich ihm in seinen grundlegenden Befürchtungen inzischen verstehen. Seit ich die NB kenne, wäre mir ein System lieber, dass keine Zuordnung von Parteimitglied zu Pseudonym speichert, auch wenn daraus gewisse Nachteile erwachsen. Die Nachteile auf das politische Klima in der Partei erscheinen mir jedoch schwerwiegender.

Der gesamte Punkt ist vielleicht sinnvoll in einer schnöden Online-Community, bei einem politischen Meinungsbildungsprozess aber zu gefährlich. Ich sehe ein (und fordere), dass die Abstimmung transparent und nachvollziehbar ist, das muss jedoch nicht die totale Verantwortbarkeit uA für Dinge die wir politisch ablehnen, bedeuten.

Punkt 8 ist spaßig. Es gibt sogut wie keine Haftung für die Partei mehr, die nicht schon ausgeschlossen wurde, mir würde jedenfalls keine einfallen. Wird eh durch Gesetz geregelt.

Punkt 9 ist soweit sinnvoll, jedoch sehr unspezifisch. Er behält sich fast alles vor, genaue Regeln müssen noch ausgearbeitet werden. Da diese sowieso nötig sind, sollten diese sinnigerweise im LF direkt ausgearbeitet werden. Die im LQFB erarbeiteten Regeln dürften deutlich besser angebpasst sein als diese Generalvollmacht.

Punkt 10 ist mal wieder Jura-Mist und Erklärung der Welt. Es ist unnötig diese in einen Rechtsvertrag zu schreiben.

Zur DSE (Punkt 11) gab es schon haufenweise Kritik, da brauch ich nicht weiter einsteigen. Hier ist meine Position, dass wir die Daten entweder öffentlich oder privat machen, ein seltsamer Zwischenstatus ist mE nicht sinnvoll.

Punkt 12, 13 sind wieder rein Jura-spezifisch

FAZIT:

Die NB sind mE absolut unnötig, genau wie wir für unsere anderen Webangebote keine Nutzungsbedinungen haben. Warum auch. Es hat mir bis heute noch niemand ein Gesetz vorlegen können, nachdem wir zu Nutzungsbedinungen verpflichtet werden, zumal wir diesen Service ja weder kommerziell noch öffentlich anbieten.

Wir brauchen Regeln, soviel ist klar. Es besteht aber mE keine Notwendigkeit diese in einen rechtsgültigen, besonders restriktiven Vertrag zu gießen. Gerade weil jedes Parteimitglied (wegen der Vorbereitung der Parteitage) explizit verpflichtet ist diese Vereinbahrung anzunehmen, ist sie mE nicht haltbar. Ich habe bei meinem Parteieintritt nur einen Vertrag unterzeichnet und das ist die Anerkennung der Satzung.

Regeln können wir nach unterschiedlichen Prozessen entwerfen. Am naheliegendsten wäre eine Bildung in LQFB. Genau wie das Forum im Forum Regeln erarbeitet und die AG Wiki im Wiki. Regeln von themenfremden Personen (Juristen) entwerfen zu lassen schafft mE eine trügerische Sicherheit. Ein Geschäftsmodell, dass mE vor allem auf FUD basiert [7].

Ja die Nutzungsbedingungen sind so gestaltet, dass die Partei zumindest keinen juristischen Schaden davonträgt. Das liegt aber nur daran, dass alle Haftungen auf den Nutzer abgewälzt werden und zudem noch mehrere zusätzliche Durchgriffsrechte gegen die Nutzer eingeführt werden.

Am Ende ist immer derjenige der Dumme der das Häkchen setzt. Das sollten wir vermeiden. Daher: Weg mit den Nutzungsbedingungen!

[1] http://twitter.com/AnthChirp/status/18927510813, http://bettween.com/trias_/fasel/Jul-19-2010/Jul-20-2010/desc [2] http://klabautercast.de/2010/07/12/folge-24-abstimmungstools/ [3] http://de.kizzle.net/agb.html, http://www.e-spirit.com/de/community/terms.html [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Juristische_Fachsprache [5] http://twitter.com/Pirat_Aleks_A/status/18976111583 [6] http://aggregat7.ath.cx/2010/07/18/zehn-thesen [7] http://de.wikipedia.org/wiki/Fear,_Uncertainty_and_Doubt