Benutzer:RobertB/Leben

Lebendiges Gedränge

Ist schon seltsam. Alle hacken sie auf dem Netz rum. Rechtsfreier Raum sei das. Teufelszeug. Verdirbt die Jugend. Dabei ist es so nützlich. Es zeigt uns etwas Hochinteressantes. Nämlich, dass sich eine Gesellschaft nicht mehr gestalten kann wie man z.B. einen großen Steinhaufen gestaltet. Aber der Reihe nach.

Die großen Parteien, die sogenannten Volksparteien, sind Vertreter des ausgehenden 17. Jahrhunderts - gerne auch noch älter. Warum das? Weil sie den Anspruch haben, hier und jetzt auf alles eine Antwort zu haben. Weil ihre Wahlprogramme und ihr ganzes Handeln von einer schönen, einfachen, planbaren Welt ausgeht. So, wie man weiland die Pyramiden baute. Mit einem Masterplan, wenigen Ingenieuren und vielen, vielen Arbeitern – die auch gerne mal den Löffel respektive die Schaufel abgeben durften während des Arbeitens.

Stichwort "Planen". Wie schon 12pxBrecht wusste in seiner Dreigroschenoper: "Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan, geh' n tun sie beide nicht."

Warum ist das so? Und warum entzündet sich das gerade am Netz und seinen Aktivisten? Weil das Netz essentiell aus Software besteht und noch eine anderen, viel weichere Ware, nämlich Information, transportiert. Aus der leidvollen Geschichte der Softwareentwicklung wissen wir, dass ein Großteil dieser Projekte bisher scheiterte: Out of time, out of budget, out of purpose. Das lag zu wesentlichen Teilen daran, dass man oft versuchte, Software zu produzieren wie eine Brücke oder ein Schiff - oder eben wie einen großen Haufen Steine. Das geht aber nicht - Software wird "entwickelt", nicht produziert. Softwareentwicklung ist hochkomplex, die enstehenden Systeme auch. Wie die moderne Gesellschaft. Man weiß nicht, was hinter der nächsten Ecke lauert, man kann nicht sagen, was morgen passieren wird. Aber eins wissen wir: Man kann immer etwas tun.

Und jetzt spült das Netz dieses ganze Problem an die Oberfläche. Es wird sichtbar, dass die bisherige Sichtweise unzutreffend, ja mittlerweile sogar destruktiv ist. Die Piraten, denen man immer wieder ihre angebliche Reduktion auf ein Thema vorwirft – wobei das nicht stimmt, wie wir wissen –, nehmen sich genau eines Themas oder Themenkomplexes an und arbeiten daran, machen ihre Vorschläge, ändern, lernen. Sie nehmen das Thema, von dem sie der Ansicht sind, dass es gerade das wichtigste ist. Und dann schauen sie, was das mit der Gesellschaft gemacht hat. Und dann machen sie weiter. Arbeiten, schauen, lernen. Sie gehen also so vor, wie langsam und immer öfter Software in großen Projekten gemacht wird: Agil, lebendig, in einem stark rückgekoppelten, hoch kommunikativen Prozess. Ach, und übrigens - diese Entwicklungsprozesse haben eine unabdingbare Voraussetzung: Face to the facts. Keine Zensur, sondern sehen, was ist.

Womit wir wieder bei den Piraten wären. Also dann: Klar zum Ändern.

16. Sept. 09