Benutzer:Orca/Klageweg gegen die Steuer-ID

Die Steuer-ID: Einstieg in die fast perfekte lebenslängliche Überwachung

Leider wurde 2003 versäumt, Verfassungsbeschwerde gegen diese Personenkennziffer zu erheben, die dem Volkszählungsurteil von 1983 direkt widerspricht, in dessen Begründung solche IDs verboten wurden. Perfiderweise war damals eine Klage von Einzelpersonen vor dem BVerfG auch nicht möglich, da man damals noch nicht direkt betroffen war, weil einem die Nummer ja noch nicht zugewiesen worden ist.

Der lange Weg durch die Instanzen

Nach Ablauf einer Frist von einem Jahr kann gegen im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Gesetze nur noch unter Ausschöpfung des Instanzenweges bei unmittelbarer Betroffenheit individuell vorgegangen werden. Hier sind natürlich die Finanzgerichte zuständig. Voller Weg heisst: normales Finanzgericht, hier wegen dem Sitz des BZSt im Regierungsbezirk Köln(-Bonn) in NRW das Finanzgericht Köln, dann Bundesfinanzhof in München (oberstes Finanzgericht mit Sitz in München und anwaltlichem Vertretungszwang) und wer dann noch am Leben/Klagen ist: BVerfG (mit Vertretungszwang durch speziell dort zugelassene Anwälte), wo es hingehört.

Links zu hilfreichen Seiten

Die Humanistische Union e.V. hat sowohl eine Musterklage als auch bei ihnen und uns eine Liste von Finanzgerichten online gestellt: Ihr seid alle eingeladen, mir zu folgen!

Mein Anschreiben in LaTeX

Die Vorlage stammt von der Website der Humanistischen Union, ich habe sie nahezu 1:1 übernommen (nur ein überflüssiges und gekürzt und ein PS hinzugefügt), die Quelle ist gezippt, da .tex kein erlaubter Dateityp/Extension ist:

gezipptes LaTeX-Dokument Klage gegen Steuer-ID.

Verlauf meines juristischen Vorgehens gegen die Steuer-ID

Prompte Bedienung: ich erhielt heute (13.8.2008) schon eine email als Vorabantwort auf die erst gestern (12.8.2008) auf den Postweg gebrachte schriftliche Klageerhebung vom vorsitzenden Richter Prof. K. Wilke vom 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart.

Er beruft sich darin auf § 38 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, weil das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) keine oberste, sondern nur eine obere Bundesbehörde ist: Erfüllungsort für Rechtsstreitigkeiten mit dem BZSt ist damit dessen Sitz (Bonn, d.h. Regierungsbezirk Köln-Bonn in NRW), und damit ist das Finanzgericht Köln zuständig.

Er empfahl mir wegen der Fristwahrung die Klage beim Stuttgarter Finanzgericht zurückzuziehen und gleich neu in Köln einzureichen, da er keine Garantie abgeben kann, wie lange ein Antrag auf Unzuständigkeit und Weiterverweisung nach Köln dauert. Ich plane seinem Vorschlag zu folgen. Ihr erhaltet dann das angepasste Anschreiben von mir für das Finanzgericht Köln hier im Wiki (vielleicht interessiert sich unser Bezirksverband Köln besonders für das Ganze?).

Am 14.8.2008 habe ich nun beide Schreiben (Rückzug der Klage in Stuttgart und Neueinreichung in Köln) fertig gestellt und in den Briefkasten geworfen.

Das wird wohl dazu führen, dass sich die Klagen der Empörten unter uns Bürgern in Köln häufen (wenn nicht sogar ausschließlich dort sammeln) werden.

Am 15.8.2008 wurde meine Klage beim Finanzgericht Köln als eingegangen gekennzeichnet: Aktenzeichen 2 K 2791/08. Der Streitwert wurde nach dem GKG wie erwartet vorläufig auf 1000 Euro angesetzt, womit die Gebühr 220 Euro wäre; Die Oberjustizkasse Hamm wird mir demnächst eine vorläufige Kostenrechnung schicken.

Interessantes Detail: unter den Voraussetzungen des § 91a FGO gibt es die Möglichkeit der Durchführung mündlicher Verhandlungen per Videokonferenz.

Am 29.8.2008 erhielt ich das vom 27.8.2008 datierte, angekündigte Schreiben der Oberjustizkasse Hamm mit der erwarteten Berechnungsgrundlage 1000 Euro (Mindest-)Streitwert und 220 Euro Gebühr, innerhalb von zwei Wochen zu zahlen. Je nach Ausgang des Verfahrens kann dieser Betrag (bei Gewinn in dieser ersten Instanz) zurück erstattet oder mit den tatsächlichen Kosten verrechnet werden (die größer oder kleiner sein können, d.h. Nachzahlung oder Teilerstattung), wenn man entweder den Prozess verliert oder einen Teilerfolg erzielt, kann eine teilweise Rückerstattung erfolgen, je nach den tatsächlichen Gerichtskosten.

Noch am gleichen Tag, also dem 29.8.2008 habe ich den dem Schreiben beiliegenden (wird dringend empfohlen!) Überweisungsträger ausgefüllt und bei meiner Bank direkt in den Überweisungskasten geworfen. Damit hoffe ich zumindest unnötige Verzögerungen zu vermeiden oder zu minimieren.

Neuigkeiten: am 31.10.2008 erhielt ich das vom 28.10.2008 adressierte Schreiben vom Finanzgericht Köln, das den Antrag auf Abweisung der Klage durch die Präsidentin des Bundeszentralamts für Steuern, vertreten durch einen Dr., enthält.

Erwartungsgemäß versucht man mich einzuschüchtern und möglichst rasch und für diese m.E. verfassungswidrige Behörde kostenlos loszuwerden. Den Gefallen werde ich denen natürlich nicht tun.

Genaueres folgt noch, für den Moment soviel: man beruft sich auf die FGO, genauer § 40 Abs. 1 Alt. 3, mit der ich eine Leistungsklage erheben hätte müssen (Subsidiaritätsprinzip) nach Ansicht des Amtes (§ 41 Abs. 2 FGO) statt einer negativen Feststellungsklage.

Es scheint, als müsste ich vom Finanzgericht Köln eine Umdeutung der negativen Feststellungsklage in eine Leistungsklage ("normale" Unterlassungsklage) erhoffen, um hier weiter zu kommen (das versuche ich aber noch zu klären).

Inhaltlich folgen nur auf Paragraphen abgehoben die üblichen Argumente, weswegen diese Totalüberwachung aller Bundesbürger erforderlich sein soll: die angebliche Kostenersparnis und Effizienzsteigerung (die nicht wirklich bewiesen werden kann), das vorgegebene Ziel der Steuergerechtigkeit, das der Gesetzgeber mit dem maßlos komplizierten, unverständlichen und teils widersprüchlichen Steuerrecht schon seit langem beständig verfehlt, die Unterstellung, praktisch alle Steuerzahler seien Betrüger und Steuerhinterzieher (= Abschaffung der Unschuldsvermutung)... Und natürlich wird mit keinem Wort auf die Erteilung der Nummern an erwerbsunfähige Menschen, v.a. minderjährige Kinder, eingegangen, da diese ganz offensichtlich unnötig und damit automatisch verfassungswidrig ist (diese unterliegen keiner Steuerpflicht, weshalb es keinen Anlass für diese Erteilung gibt, aber es wird dennoch gemacht).

Ich plane demnächst das Schreiben ins Wiki zu stellen (Scan), um eine breite Diskussion und Analyse zu ermöglichen. Eine Frist wurde mir nicht genannt, ich werde aber mal vorsorglich nachfragen.

Update 27.11.2008: mir ist fast die Zeit ausgegangen, der Scan ist etwas sperrig (zippen erscheint hier sinnvoll) und meine Antwort habe ich gerade los geschickt, um die mutmaßliche, wenn auch ungenannte 1-Monats-Frist noch einzuhalten (ein anderer Kläger erhielt ausdrücklich einen Monat Frist für die Antwort).

Update 13.07.2010: als einer von 170 Klägern kam ich nicht direkt zum Zug, da ich nicht zu den drei ausgewählten Beispielfällen gehöre - interessanterweise wird nun das Finanzgericht Köln innerhalb von zwei Monaten, also bis Mitte September 2010, entscheiden, ob es diese Beschwerden dem BVerfG vorlegt, eine starke Tendenz dazu ist laut früheren öffentlichen Äußerungen von Seiten des Finanzgericht Köln jedenfalls vorhanden.

Update Januar 2011: ich bin auf den Vorschlag eingegangen, mein Verfahren einstweilen ruhen zu lassen, was mir alle künftigen Optionen offen lässt. Damit warte ich, bis die anhängige Revision mehrerer Kläger vor dem Bundesfinanzhof in München entschieden ist. Denn das Finanzgericht Köln hat zwar die Musterklagen abgewiesen, jedoch keineswegs als unbegründet verworfen und die Kläger ausdrücklich zur Revision beim Bundesfinanzhof aufgefordert, um ein Grundsatzurteil bzw. eine abschließende Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe zu ermöglichen.

Update seit April 2012: nach der negativen Entscheidung des Bundesfinanzhofs in drei anderen vom Finanzgericht Köln per Revision fortgesetzten Verfahren am 18.1.2012 erhielt ich vom Finanzgericht Köln die Anfrage, ob ich meine noch ruhende Klage zurückziehen möchte. Das habe ich wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit und um weitere Kosten zu sparen dann auch getan. Als letztes Schreiben erhielt ich dann den Einstellungsbescheid samt endgültiger (ebenso unanfechtbarer) Festsetzung des Streitwerts auf 5000 Euro (ursprünglich waren als Datenschutzangelegenheit pauschal 1000 Euro angesetzt worden). Laut einer mir persönlich bekannten Juristin ist noch ein Schreiben von der Oberfinanzkasse Hamm mit weiterer Kostenstellung zu erwarten. - Hätte ich auf Entscheidung in der Sache (auch durch Einzelrichter möglich) bestanden, dann wäre mir der Gang zum BVerfG möglich gewesen, was aber ebenfalls ziemlich aussichtslos erscheint.

Status

Ist die Klage jetzt eingereicht? Wenn ja, bei welchem Gericht, mit welcher Klageschrift und mit oder ohne Anwalt? — ja, zunächst Stuttgart, wird auf Köln gewechselt, Vorlage der HU, in der ersten Instanz noch ohne Anwalt (u.a. Kostenfrage).

Verfahren abgeschlossen, evtl. noch finale Kostenbegleichung.

Urteil/(Nicht-)Ergebnis

Die Klagen gegen die persönlich Identifikationsnummer wurden vollständig abgewiesen. Es gibt allerdings eine interessante Passage im Urteil (s. z.B.Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18.1.2012, s.a. Bundesfinanzhof.de unter Aktenzeichen II R 49/10) bzw. der Begründung des höchsten für Finanzsachen zuständigen Bundesgerichts (vgl.o.): es kommt zum Schluss, dass eine beliebige Ausweitung der Nutzung und Speicherung der persönlichen Identifikationsnummer bzw. dazu gehörender Daten der betroffenen Personen nicht zulässig ist. Damit ist zumindest Schäubles feuchter Traum von einem Bundeszentralmelderegister mit persönlicher Identifikationsnummer als Primärschlüssel nach niederländischem Vorbild gestorben - letzteres Register war im zweiten Weltkrieg von den Nazis in den Niederlanden genutzt worden, um nahezu alle Juden dort zu finden und umzubringen, was die Gefährlichkeit eines solchen Registers unterstreicht.

Pressearbeit

Wärst du damit einverstanden, das Ganze pressetechnisch für die PIRATEN auszuschlachten? Wir würden dazu dann eine PM rausgeben, sobald du die Klage einreichst.

Ja, das könnt Ihr gerne tun! Ich bin als Vorstandsmitglied eines Landesverbandes ohnehin bis zu einem gewissen Grade öffentliche Person geworden, also könnt Ihr auch meinen Namen nennen (der ist selten genug, um mich leicht identifizieren zu können, nebenbei bemerkt).

Und Ihr habt bestimmt bessere Leute als mich, der ich auch einen Beitrag auf unserer piratenpartei-bw.de-Seite schreiben könnte.

Übrigens wäre jetzt m.E. ein geeigneter Zeitpunkt für eine (erste) Pressemeldung, falls Ihr wollt, da jetzt die Klage auch finanziell bereits in die Wege geleitet ist: ich warte somit auf einen Verhandlungstermin.