Benutzer:Michael Ebner/Firmenspenden

Derzeit wird auf der Berliner Mailingliste engagiert über Spenden von juristischen Personen ("Firmenspenden") diskutiert. Dieser Text soll ein Diskussionsbeitrag dazu sein. Jeder Pirat ist eingeladen, seine Meinung dazu auf der Diskussionsseite darzulegen.

Käuflichkeit der Politik

Derzeit ist Politik käuflich. Die Parteien oder die einzelnen Abgeordneten versteigern zwar nicht ihr Abstimmungsverhalten meistbietend, aber es gibt etliche Wege, um Entscheidungen im eigenen Sinne zu beeinflussen. Dazu zählen insbesondere:

  • Parteispenden
  • Spenden, die formell an die Partei gehen, aber einzelnen Abgeordneten zugute kommen, beispielsweise für deren Wahlkampf
  • Die Bezahlung von Politikern über Aufsichtsratsmandate, Beraterverträge u.Ä.

Ich bin entschieden der Meinung, dass die Politik der Piratenpartei nicht käuflich sein darf, ja dass selbst der Anschein vermieden werden muss, weil selbst der Anschein der Käuflichkeit die Politikverdrossenheit fördert und somit die Demokratie schädigt.

Parteispenden

Parteispenden werden nicht zwingend aus der Motivation gegeben, das Verhalten einer Partei im eigenen Sinne zu beeinflussen. Die (zahlenmäßige) Mehrheit der Parteispenden sind Kleinspenden, denen es schon von der Größe her völlig die Eignung zur Beeinflussung fehlt.

Mit zunehmender Größe der Spende steigt der Einfluss auf das Verhalten, selbst dann, wenn dies gar nicht in der Motivation des Spenders liegen sollte. Angenommen, ein gewöhnliches Mitglied im LV Berlin würde im Lotto gewinnen und in einem Anfall von Großzügigkeit der Piratenpartei Berlin eine Million Euro zukommen lassen. (Die Transparenzregeln im PartG würden sicherstellen, dass diese Spende bekannt würde.) Würde sich dadurch das Verhalten der Mitglieder im Landesverbandes ändern? Mutmaßlich ja. Anträge des betreffenden Piraten würden wohlwollender betrachtet werden, LF-Initiativen eher unterstützt, meist würden diese Vorgänge völlig unterbewusst ablaufen. Es gäbe sicher auch gegenläufige Tendenzen: Manche würde gezielt dagegen stimmen, um zu demonstrieren, dass man nicht käuflich ist. Eines würde aber bestimmt nicht passieren: Dass eine solche Spende das Verhalten der Piraten gänzlich unbeeinflusst lassen würde.

Wenn schon Spenden ohne jeden Hintergedanken - sofern sie nur groß genug sind - das Verhalten einer Partei beeinflussen können, desto mehr gilt das für Spenden, die mehr oder weniger mit entsprechenden Wünschen verbunden sind. Natürlich kann man dadurch die Ausrichtung einer Partei nicht um 180° drehen - auch für 10 Millionen würde die FDP nicht den Sozialismus einführen. Aber in Fragen, wo man sich noch nicht festgelegt hat, in Fragen, die parteiintern umstritten sind, kann man durchaus beeinflussen.

Anfälligkeit der Piratenpartei

Durch die strikte Basisorientierung der Piratenpartei ist diese für Beeinflussung zunächst einmal weniger zugänglich als klassische Funktionärsparteien. Zwar haben auch in der Piratenpartei einzelne Piraten besonders großen Einfluss (und sei es, dass sie am Kopf von langen Delegationsketten in LF stehen), allzu auffälliges Abweichen von der bestehenden Linie dürfte diesen Einfluss allerdings deutlich reduzieren (und bei LF geht das auch noch besonders schnell).

Momentan kommt noch hinzu, dass die Piratenpartei (bis auf ein paar Mandate auf kommunaler Ebene) keine politische Verantwortung trägt. Das wollen und werden wir aber ändern, und wir sollten uns vorher darüber im Klaren sein, welche Situation dann auf uns zukommt. (Abgesehen davon ist die Entwicklung der Piratenpartei hin zu einer Parlamentspartei absehbar, weisichtige Lobbyisten könnten bereits jetzt mit der politischen Landschaftspflege beginnen.)

Eine besondere Anfälligkeit der Piratenpartei ergibt sich dagegen aus deren unzureichenden finanziellen Ausstattung. Wenn Transparency Deutschland eine Beschränkung der Firmenspenden auf 50.000,- Euro fordert, so haben sie da etablierte Parteien im Blick, bei denen eine solche Summe nur ein Bruchteil ihres Etats ausmachen würde. Bei der Piratenpartei wären 50.000,- Euro mehr, als sie dieses Jahr an staatlichen Mitteln bekommen hat. Die Empfehlung von Transparency Deutschland wäre somit auf die Piratenpartei anzupassen, und 10.000,- Euro wären da meiner Ansicht nach noch zu hoch gegriffen.

Außenwirkung

Die Ablehnung von Firmenspenden hat auch eine Außenwirkung, die man nicht vernachlässigen sollte: Man kann sich nicht glaubhafter von korrupten Parteien distanzieren, als dass man von vorne herein keine Firmenspenden annimmt. Die Beschränkung auf einen niederen Betrag wäre in der Außenwirkung stets nur eine suboptimale Lösung.

Die Ablehnung von Firmenspenden liefert uns auch eine besondere Begründung, wenn wir Spenden von Privatpersonen einwerben: Da wir uns eben nicht von der Wirtschaft kaufen lassen, sind wir in erhöhtem Maße auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen.

Finanzierung der Piratenpartei

Beim Verzicht auf Firmenspenden sollte nicht nur überlegt werden, ob er wünschenswert wäre, sondern auch, ob er möglich ist. Dies berührt Fragen nach der Finanzierung der Piratenpartei insgesamt.

Je mehr, desto besser?

Zunächst sollte überlegt werden, wo das Optimum der Finanzkraft der Piratenpartei liegt. Gilt hier "je mehr, desto besser", oder gibt es ein Optimum, über dem weiteres Geld sogar schädlich ist?

Dazu ist anzumerken, dass mit der Menge des zu verteilenden Geldes die Macht von der Basis sich mehr und mehr zum Vorstand hin entwickelt. Betrachten wir die Extremsituationen: Solange die Piraten die Wahlplakate nicht nur selbst kleben und aufhängen, sondern auch noch selbst bezahlen müssen, werden sie das nur tun, wenn sie inhaltlich voll hinter der Partei stehen. Steht dagegen quasi unbegrenzt Geld zur Verfügung, dann braucht der Vorstand nur einen Diestleister zu beauftragen - eine Basis ist dann gar nicht mehr erforderlich. In allen anderen Punkten sind die Verhältnisse ähnlich: Geld kann so gut wie vollständig ehrenamtliches Engagement ersetzen. Und wo es auf solches nicht mehr ankommt, liegt die Macht beim Vorstand. In der Piratenpartei liegt jedoch die Macht bei der Basis, und ich halte das nicht für verkehrt.

Professionalisierung der Parteiarbeit

Ist denn eine erfolgreiche Parteiarbeit möglich, deren Fundament ausschließlich ehrenamtliches Engagement ist? Oder wird man dann, wenn der anfängliche Schwung nachgelassen hat, nicht bezahlte Kräfte brauchen, die das professionell machen?

Professionalisierung im Sinne von "Verberuflichung" ist durchaus kritisch zusehen, weil damit zunehmend Personen in Positionen kommen, die dort weniger etwas bewirken und hauptsächlich ihre Existenz sichern wollen. Dass dann Zweckbündnisse entstehen, um sich gemeinsam unerwünschte Konkurrenz vom Leibe zu halten, ist naheliegend - die dann einsetzende Frustration der Basis vorhersehbar.

Die Alternative?

Die Alternative wäre, die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen und ehrenamtlich auszuführen. Wir haben die technischen Möglichkeiten, um weltweit zusammenzuarbeiten - der Rest ist eine Frage der Organisation. Und es gibt in der Partei etliche Spezialisten, die mit wenigen Tagen Arbeit in ihren eigentlichen Berufen sich vollständig ihren Lebensunterhalt finanzieren und an den anderen Tagen ehrenamtliche Parteiarbeit machen können.

Der Vorteil einer solchen Lösung liegt darin, dass die Funktionsträger nur so lange in diesen Funktionen bleiben, wie sie motiviert sind. Der Vorteil liegt auch daran, dass dies dann keine Berufspolitiker sind, die außer Politik nichts anderes machen oder gar können, sondern Personen, die in der Lebenswirklichkeit der normalen Bevölkerung veranktert bleiben.

Doppelbesetzungen

In diesem Zuge wäre zu überlegen, ob man nicht alle Funktionsstellen doppelt besetzt: Statt einem Leiter der Bundesgeschäftsstelle, statt einem Leiter der Pressestelle dann jeweils ein 2-Personen Team. Ein solches 2-Personen-Team stellt Verfügbarkeit trotz gleichzeitiger Berufstätigkeit sicher, erleichtert die Einarbeitung (wenn die beide gleichzeitig ausgetauscht werden müssen) und minimiert Fehlzeiten durch Krankheit und Urlaub. Darüber hinaus könnte man durch geschickte Kombination vor Stärken und Schwächen der beiden Piraten optimal arbeitende Teams bilden.

Sichergestellt werden müsste lediglich, dass in diesen Teams mit- statt gegeneinander gearbeitet wird. Das ist nicht ganz trivial, sollte aber lösbar sein (Probezeit, Mitwirkungsrecht bei der Besetzung der anderen Teamstelle).

Weitere Kosten der Parteiarbeit

Teuer sind bei politischen Parteien das fest angestellte Personal. Alle anderen Kosten lassen sich durch Spenden und staatliche Mittel decken - bei den staatlichen Mitteln hat die Piratenpartei ja durchaus noch Luft nach oben, wenn denn alle Piraten das auch ordentlich abrechnen, was sie de facto der Partei spenden.

Die Frage mit der Abgrenzung von mehr oder weniger verdecktem Sponosring (billiger Server u.Ä.) kann dadurch weitgehend gelöst werden, dass man alle diese Sachen öffentlich ausschreibt. Dort, wo auffällige Missverhältnisse zwischen den einzelnen Angeboten vorliegen, kann dann im Einzelfall entschieden werden. Verdecktes Sponsoring ist dort problemlos, wo es so verdeckt ist, als dass es das Verhalten der Partei nicht beeinflusst.