Benutzer:Library pirate/Antrag Urheberrecht

[Dies ist der aktuelle, vollständige Text meines Antrags an die Mitgliederversammlung des LV Berlin zum Thema "Bildungs- und Wissenschaftsfreundliches Urheberrecht". Die Kurzversion mit Forderungen, aber ohne Begründungen findet Ihr als Initiative im LiquidFeedback Bis zur Abstimmung darüber am 28.02.2010 ist dies work in progress, Anregungen sind (auf der Diskussionsseite) herzlich willkommen!]

Kathi Woitas: Antrag „Bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht“ für die Landesmitgliederversammlung der Piratenpartei LV Berlin Stand: 28.01.10

Inhaltsübersicht
§ 52 Öffentliche Wiedergabe
§ 52a Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung („Bildungs- und Wissenschaftsschranke“)
§ 52b Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven
§ 53a Kopienversand auf Bestellung
§ 31a Unbekannte Nutzungsarten
§ 95 Schutz technischer Maßnahmen
Förderung von Open Access
Öffentliche Zugänglichmachung verwaister bzw. nicht mehr verwerteter Werke
Quellen

Ein zentraler Grundsatz der Piratenpartei ist der freie Zugang zu Information und Bildung.

„Daher fordern wir, das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern explizit zu fördern, um die allgemeine Verfügbarkeit von Information, Wissen und Kultur zu verbessern, denn dies stellt eine essentielle Grundvoraussetzung für die soziale, technische und wirtschaftliche Weiterentwicklung unserer Gesellschaft dar.“ (Parteiprogramm der Piratenpartei Deutschland, 2006)

Die beiden letzten Novellierungen des deutschen Urheberrechts (2003 und 2008) haben eine deutliche Verschlechterung der Rechte von Privatpersonen, aber auch von den in Bildung und Wissenschaft tätigen Personen gebracht. Noch stärker eingeschränkt wurde die Nutzung der öffentlich finanzierten Bibliotheken durch Personen aus der allgemeinen Bevölkerung. Ziel piratischer Politik sollte es sein, die besonderen Nutzungsrechte (Schranken des Urheberrechts) für alle Nutzer wissenschaftlicher und bildungsbezogener Information zu schützen und sie eindeutig und durchsetzungsstark zu formulieren.
Generell sinnvoller wäre es, wenn für Bildung und Wissenschaft ein allgemeines Nutzungsprivileg formuliert würde, vergleichbar dem Fair-use-Prinzip im Copyright-System der USA. Da dies aber im Moment in weiter Ferne scheint, sollen hier die wichtigsten Änderungspunkte am aktuellen Gesetz zur Schaffung eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts formuliert werden.

§ 52 Öffentliche Wiedergabe

Forderung:
Die öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes in Schulen (z.B. Vorträge, Filmvorführungen) muss stets ohne Zustimmung des Berechtigten und für alle Wiedergabe-Arten erlaubt sein. Öffentliche Wiedergaben im Rahmen von Veranstaltungen der Jugendhilfe, der Sozialhilfe, der Alten- und Wohlfahrtspflege, der Gefangenenbetreuung sowie Schulveranstaltungen dienen dem Gemeinwohl, aus diesem Grund müssen sie generell vergütungsfrei gestellt werden.

Begründung:
§ 52 Abs. 3 gibt im Moment folgende Einschränkungen bezüglich einiger Wiedergabe-Arten vor:
„(3) Öffentliche bühnenmäßige Darstellungen, öffentliche Zugänglichmachungen und Funksendungen eines Werkes sowie öffentliche Vorführungen eines Filmwerks sind stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.“
Dies bedeutet, dass Online-Nutzung und Übertragung von Funksendungen durch anstaltseigene Verteileranlagen keine privilegierte öffentliche Wiedergabe darstellen und somit grundsätzlich zustimmungspflichtig sind. (Wandtke/Bullinger/Lüft §52 UrhG Rn 4-5)
§ 52 Abs. 1 gibt die derzeitigen Bedingungen der Zustimmungsfreiheit und der Vergütungsfreiheit vor:
„(1) Zulässig ist die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes, wenn die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient, die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden und im Falle des Vortrags oder der Aufführung des Werkes keiner der ausübenden Künstler (§ 73) eine besondere Vergütung erhält. Für die Wiedergabe ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. [...]“
Zwar entfällt die Vergütungspflicht für Veranstaltungen der Jugendhilfe, Schulveranstaltungen u.ä., dies jedoch nur unter den Bedingungen, dass diese „nach ihrer sozialen oder erzieherischen Zweckbestimmung nur einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen zugänglich sind“ (§ 52 Abs. 1) und diese keinem Erwerbszweck eines Dritten dient (dieser Dritte müsste dann die Vergütung zahlen).
Hieraus ergeben sich derzeit folgende Probleme:
1.Bei Schulveranstaltungen dürfen kein Eintritt verlangt und keine ausübenden Künstler entlohnt werden (auch nicht durch Dritte). Ansonsten ist die öffentliche Wiedergabe zustimmungspflichtig.
2.Die Bedingung des abgegrenzten Personenkreises stößt bereits bei größeren Schulveranstaltungen an ihre Grenzen: Eltern und Verwandte der Betreuten (hier: Schüler) gehören noch zu diesem Personenkreis, Bekannte dagegen nicht mehr. (Wandtke/Bullinger/Lüft §52 UrhG Rn 13)
3.Die soziale und erzieherische Zweckbestimmung greift nicht mehr bei Schulveranstaltungen, die der Unterhaltung dienen (z.B. Schulfeste). Hier besteht Vergütungspflicht. (Wandtke/Bullinger/Lüft §52 UrhG Rn 14)

§ 52a Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung („Bildungs- und Wissenschaftsschranke“)

Forderung:
Wir fordern eine umfassende Neuformulierung von § 52a, da die dort beschriebene zustimmungsfreie Online-Nutzung von urheberrechtsgeschützten Materialien für Zwecke von Unterricht und Forschung durch vielerlei Einschränkungen in der Praxis kaum anzuwenden ist und die Vorschriften nicht nur für Laien kaum verständlich sind. Insbesondere heißt das:
1. Dieser mit einem widerlegten Vorbehalt versehene Paragraph muss endgültig entfristet werden. Die – jetzt drittmalige – Befristung von § 52a bis Ende 2012 (gemäß § 137k UrhG) muss endlich aufgehoben werden, wie es z.B. auch das BMJ gefordert hat.
2. Die Bereichsausnahme bezüglich Werken, die für den Unterricht an Schulen bestimmt sind (Schulbücher u.ä.), muss aufgehoben werden.
3. Die bewusst geschaffenen Einschränkungen „zur Veranschaulichung im Unterricht“ und „ausschließlich für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern“ bezüglich der Öffentlichen Zugänglichmachung für Unterrichtszwecke müssen ersatzlos gestrichen werden.
4. Die Beschränkung auf „kleine Teile eines Werkes“ bezüglich der Nutzung für Unterrichtszwecke sollte der Regelung für Forschungszwecke („Teile eines Werkes“) angeglichen werden.
5. Die Bedingung der Verfolgung von nicht kommerziellen Zwecken in der Regelung für Forschungszwecke muss so angepasst werden, dass jegliche überwiegend durch die öffentliche Hand finanzierte Forschung durch diese Schranke begünstigt wird.
6. Die öffentliche Zugänglichmachung für Zwecke von Unterricht und Forschung muss zudem generell vergütungsfrei gestellt werden.

Begründung:
Die öffentliche Zugänglichmachung von Werken bedeutet, diese drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sprich über elektronische Netze (§ 19a UrhG ). § 52a ermöglicht es, zustimmungsfrei, aber vergütungspflichtig, urheberrechtsgeschützte Materialien z.B. in elektronische Semesterapparate, Intranets von Forschungsgruppen und E-Learning-Plattformen einzustellen. Dies ist aber begrenzt auf (für Unterrichtszwecke: kleine) Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie auf einzelne Zeitungs- oder Zeitschriftenbeiträge. Einerseits gilt dies für „den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern“, andererseits für „einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung“ (§52a Abs. 1).
zu 1.: Die Evaluation von § 52a durch das Bundesjustizministerium bzw. KMK hat ergeben, dass den Verlagen keine erkennbaren wirtschaftlichen Nachteile daraus entstanden sind.
zu 2.: Die grundsätzliche Ausnahme von „für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten“ Werken, also Schulbücher und anderer Schullehrmaterialien, widerspricht dem erklärten Ziel der Schranke, eine privilegierte öffentliche Zugänglichmachung für Unterrichtszwecke zu schaffen.
zu 3.: Für den schulischen Bereich sind die Beschränkung auf „ausschließlich für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern“ und die Bedingung „zur Veranschaulichung im Unterricht“ kaum praktikabel. Schüler müssen auch außerhalb des Unterrichts auf die Materialien zugreifen können. Die Begrenzung auf die spezifischen Unterrichtsteilnehmer stellt eine unsinnige Hürde und Belastung für das Lehrpersonal dar – die Online-Nutzung sollte zumindest für alle Schüler einer Schule möglich sein.
zu 4. Die Beschränkung auf „kleine Teile eines Werkes“ ist kritikwürdig. Laut des zwischen Bundesländern und Verwertungsgesellschaften 2007 geschlossenen Gesamtvertrags entspricht dies 12% des Umfangs des Werkes, bei Filmen und Musikstücken jeweils nur einer Dauer von 5 Minuten. Aufgrund dessen und der pauschalisierten Vergütung ist eine umfangreichere öffentliche Zugänglichmachung für Unterrichtzwecke bis auf Weiteres schlicht nicht möglich.
zu 5.: Die Bedingung des nicht kommerziellen Zwecks stellt für Forschergruppen vermehrt eine Hürde da, da drittmittelgeförderte Froschung und Auftragsforschung von der Regelung der zustimmungsfreien öffentlichen Zugänglichmachung dadurch ausgenommen werden. (Wandtke/Bullinger/Lüft §52a UrhG Rn 14)
zu 6.: Ursprünglich war die öffentliche Zugänglichmachung für Unterrichtszwecke sogar als vergütungsfreie Schranke vorgesehen. Bis auf Weiteres gilt jetzt der Gesamtvertrag zwischen Ländern und Verwertungsgesellschaften und damit eine pauschale Vergütung, die aber (siehe zu 4.) gleichzeitig den maximalen Umfang der öffentliche Zugänglichmachung festschreibt. Dass die Rechtssicherheit der Schulen durch diese Beschränkung erkauft wird, ist abzulehnen.
Da bereits die grundsätzliche Bedingung der Verfolgung von nicht kommerziellen Zwecken in §52a Abs. 1 festgelegt ist, ist die Gemeinwohlorientierung dieser Schranke offenbar. Bildung und Forschung müssen hier einen Vorrang gegenüber den Schutzinteressen der Rechteinhaber haben, besonders vor dem Hintergund der fortschreitenden Digitalisierung von wissenschaftlichen und Lehrmaterialien.

§ 52b Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven

Forderung:
§ 52b UrhG muss dahingehend präzisiert werden, dass an "elektronischen Arbeitsplätzen" alle für den Nutzer notwendigen Nutzungen und Bearbeitungen des urheberrechtlicht geschützten Werkes erlaubt sind.
Zudem sollte der diesbezügliche Spielraum der EU-Richtlinie 2001/29/EG Art. 5 Abs. 2 und 3 ausgenutzt werden und eine Verfügbarmachung an elektronischen Arbeitsplätzen in allen Bildungseinrichtungen ermöglicht werden.

Begründung:
Es darf nicht sein, dass die Anfertigung von elektronische Kopien von Digitalisaten, die durch Bibliotheken, Archive und Museen selbst hergestellt wurden, zum persönlichen wissenschaftlichen und privaten Gebrauch untersagt wird (vgl. Urteil des Frankfurter OLG). Die fälschliche Übersetzung des deutschen Gesetzgebers von ursprünglich "dedicated terminals" in der EU-Richtlinie 2001/29/EG in "elektronische Leseplätze" im deutschen Gesetz impliziert solche Fehlurteile.
Bibliotheken, Museen, Archive, aber auch alle anderen öffentlichen Bildungseinrichtungen müssen in die Lage versetzt werden, ihre Nutzer so mit Information zu versorgen, wie es im elektronischen Umfeld möglich und von den Nutzern erwartet wird.

§ 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch („Privatkopieschranke“)

Der gesamte Paragraph wird nicht nur von den betroffenen Bürgern, sondern auch von Urheberrechtsjuristen strukturell und inhaltlich als nicht adäquat eingeschätzt. Eine umfassende Neuformulierung ist dringend geboten. Hier soll mit Bezug auf Bildung und Wissenschaft lediglich ein zentrales Problem angesprochen werden: Kopien für den eigenen wissenschaftlichen Gebrauch dürfen keinen gewerblichen Zweck dienen. Dies verbietet folglich eine zustimmungsfreie Vervielfältigung in drittmittelgeförderter Forschung.
Forderung:
Die Formulierung dieser Bedingung bezüglich der zustimmungsfreien Vervielfältigung zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch muss so gestaltet werden, dass jegliche überwiegend durch die öffentliche Hand finanzierte Forschung durch diese Schranke begünstigt wird.

§ 53a Kopienversand auf Bestellung

Forderung:
Die Vervielfältigung und Übermittlung einzelner Beiträge und kleiner Werkteile durch Bibliotheken muss auch (wieder) auf elektronischem Weg allgemein erlaubt sein. Die gesetzliche Bevorzugung von gleichartigen Verlagsangeboten ist abzuschaffen. Daneben ist die Beschränkung auf grafische Dateien und der absolute Ausschluss von gewerblichen Zwecken zu streichen.

Begründung:
§ 53a gesteht den Verlagen weitgehende Monopolrechte auf den Versand elektronischer Dokumente zu. Den Bibliotheken wird es untersagt, das bestehende Ausleihsystem zwischen den Bibliotheken im elektronischen Umfeld fortzusetzen, wenn, was zunehmend der Fall ist, die Verlage vergleichbare, kommerzielle Dienste anbieten. Es ist politisch und volkswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, wenn die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Bibliotheken über das Urheberrecht quasi ins Steinzeitalter der analogen Dokumentversorgung zurückgeschickt werden.
Die Beschränkung auf grafische Dateien und der absolute Ausschluss von gewerblichen Zwecken (Stichwort Drittmittelförderung) entspricht nicht den aktuellen Anforderungen der wissenschaftlichen Forschung.
Die mit Beginn 2008 gültig gewordenen Regelungen haben dazu geführt, dass der bewährte Dokumentlieferdienst der Bibliotheken, subito, zunächst die elektronischen Dienste eingestellt hat und dann den Betrieb erst nach aufwändigen Vertrags-/Lizenzverhandlungen mit den Verlagen wieder aufnehmen konnte, nun allerdings zu wesentlich höheren Kosten für die Nutzer. Dies ist vor allem für Studierende nicht zuzumuten. Eine Absenkung des Ausbildungsniveau zeichnet sich ab, da Studierende nun mehr denn je auf die kostenfreien Materialien aus dem Internet zurückgreifen werden.

§ 95a Schutz technischer Maßnahmen

Forderung:
Die Piratenpartei ist der Ansicht, dass technische Schutzmaßmahmen kein geeignetes Mittel darstellen, um die Rechte der Rechteinhaber zu schützen. Insbesondere sollten DRM-Systeme in Bildung und Wissenschaft keine Anwendung finden.

Begründung:
Die Umgehung eines "wirksamen technischen Schutzes", der "geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen" verhindert oder einzuschränkt, ist derzeit nicht erlaubt. Damit wird eine Selbsthilfe der durch die Schrankenbestimmungen in § 95b Begünstigten kriminalisiert. DRM-Technologien können per se nicht der komplexen Urheberrechtslage, insbesondere der Begünstigungen durch Schrankenbestimmungen, gerecht werden.

§ 95b Durchsetzung von Schrankenbestimmungen

Forderung:
Allen allgemeinen Schrankenbestimmungen des Urheberrechts muss generell Vorrang gegenüber dem Rechtsschutz von technischen Schutzmaßnahmen der Rechteinhaber eingeräumt werden.
Insofern kein gesetzliches Verbot der technischen Schutzmaßnahmen erfolgt, sollte ein verbindliches, öffentlich kontrolliertes Lizenzierungsverfahren die rechtlich korrekte Anwendung bzw. Aussetzung der DRM-Technologien sicherstellen.

Begründung:
Die derzeitige Ausgestaltung der spezifischen Schrankenbestimmungen in § 95b stellen einerseits nur einen kleinen Teil der allgemeinen Schrankenbestimmungen dar und sind andererseits praktisch kaum anwendbar. Allein schon der Anspruch des Gesetzgebers an den Begünstigten, sich den Zugang zu DRM-geschützten Materialien bei den Rechteinhabern einzufordern oder einzuklagen, stellt eine verbraucherrechtliche Zumutung dar.
Die EU-Richtlinie 2001/29/EG sagt dagegen in den Vorbemerkungen (Abs. 52) explizit: "Werden innerhalb einer angemessenen Frist keine derartigen freiwilligen Maßnahmen zur Ermöglichung von Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch getroffen, können die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, damit die Begünstigten der betreffenden Ausnahme oder Beschränkung sie tatsächlich nutzen können." Unter Art. 6 Abs. 4 ist dies als Auftrag an die nationalen Gesetzgeber noch einmal genau dargelegt. Dem hat der deutsche Gesetzgeber bislang nur sehr unzulänglich und bürokratisch Rechnung getragen.
Bei dem von Prof. Rainer Kuhlen vorgeschlagenen politischen Lizenzierungsmodell (Kuhlen S. 162-163) werden zunächst von staatlicher Seite Lizenzbedingungen vorgegeben, die zwingend beim Einsatz von DRM-Technologien einzuhalten sind. Dazu gehören neben der grundsätzlichen Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen das Verbot hardware-spezifischer DRM-Systeme und der Schutz von personenbezogenen Daten. Rechteinhaber bzw. Hersteller sind dazu verpflichtet, der Lizenzierungseinrichtung einen Schlüssel zur Entfernung des technischen Schutzes zu überlassen, sodass diese damit gegebenenfalls die Rechte von Begünstigten durchsetzen kann.

Förderung von Open Access

Forderung:
Ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht für Wissenschaftler, also eines, dass vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann (evtl. mit einer Embargofrist von 6 Monaten), muss im Urheberrecht verankert werden.

Begründung:
Das Open Access-Prinzip meint den unentgeltlichen und freien Zugang zum wissenschaftlichen Output, insbesondere besteht diese Forderung für wissenschaftliche Arbeiten, die zum überwiegenden Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden. Open-Access-Repositories, wie sie vorrangig von Wissenschaftlichen Bibliotheken betrieben werden, bieten dazu die nachhaltige Möglichkeit einer Zweitpublikation. Um den Ansprüchen der wissenschaftlichen Forschung zu genügen, muss dies auch zeitgleich oder mit geringer Verzögerung zur kommerziellen Publikation geschehen.
Zumeist ist dies aber nicht möglich, da Wissenschaftler an Verlagsverträge gebunden sind, die ausschließliche Nutzungsrechte vorsehen. Eine zweite Verwertung (z.B. auf der Homepage des Forschers) ist bislang, gemäß § 38 UrhG, nach frühestens einem Jahr möglich nur unter den weiteren Bedingungen: 1. es handelt sich um Aufsätze in Zeitschriften und Sammelbänden, 2. es gibt keine gegenteiligen Klauseln im Verlagsvertrag, 3. im Falle von Sammelbänden die Maßgabe, dass der Urheber kein Honorar erhalten hat.
Um Wissenschaftlern in der Verhandlung mit Verlegern eine bessere Ausgangslage zu ermöglichen, wäre ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht (wie es auch z.B. der Gesetzesentwurf des Bundesrats 2006 vorsah, BR-Drs. 257/06 (pdf)) sehr sinnvoll.
Unbeschadet davon unterstützt die Piratenpartei natürlich die sogenannte „Golden Road“ des Open Access , also die primäre Publikation in genuinen OA-Zeitschriften.

Öffentliche Zugänglichmachung verwaister bzw. nicht mehr verwerteter Werke

Forderung:
Es muss urheberrechtlich die Möglichkeit geschaffen werden, verwaiste Werke, sowie solche, bei denen das ausschließliche Nutzungsrecht länger als 20 Jahre nicht mehr ausgeübt wurde und deren Urheber oder Rechteinhaber nicht ermittelt werden können, öffentlich zugänglich zu machen.

Begründung:
Die Rechtsunsicherheit, die bei der Verwertung von verwaisten Werken (d.h. von Werken, bei denen der Urheber oder Rechteinhaber nicht geklärt werden kann) besteht, stellt eine große Hürde für die Digitalisierung und öffentlichen Zugänglichmachung (Online-Nutzung) dieser Werke in Bibliotheken und Forschungseinrichtungen dar. Ebenso liegt es im Interesse der Allgemeinheit, dass lange vergriffene Werke (d.h. solche, die im Handel nicht mehr erhältlich sind) durch die öffentliche Zugänglichmachung wieder nutzbar gemacht werden. Prof. Rainer Kuhlen hat dazu bereits einen umfassenden Gesetzesvorschlag vorgelegt (Kuhlen S. 328-330). Zusammengefasst sollen dort zwei Fälle dieser öffentlichen Zugänglichmachung unterschieden werden:
1. „ für nicht-gewerbliche und private Zwecke, insbesondere durch Nutzer für Zwecke der Archivierung und für Forschung und Ausbildung“ „nach einer dokumentierten Standardsuche [alternativ: einer zeitlich auf 30 Tage öffentlichen Bekanntmachung]“ nach Urheber bzw. Rechteinhaber
2. „für gewerbliche Zwecke“ „nach einer angemessenen professionellen und dokumentierten Suche [nach Urheber bzw. Rechteinhaber, K.W.] und einer öffentlichen Bekanntmachung“
Für beide Szenarien gelten zusätzlich folgende Bedingungen: Eine angemessene Vergütung wird für den nachträglich bekannt gewordenen Urheber oder Rechteinhaber vorgehalten, dieser Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Der nachträglich bekannt gewordene Urheber oder Rechteinhaber kann dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nicht widersprechen.


Quellen:
Erfolgreiches Scheitern – ein Götterdämmerung des Urheberrechts? / Rainer Kuhlen. - Boizenburg: Hülsbusch, 2008. - Online verfügbar unter: http://www.kuhlen.name/MATERIALIEN/RK2008_ONLINE/files/HI48_Kuhlen_Urheberrecht.pdf
Praxiskommentar zum Urheberrecht / Artur-Axel Wandtke ; Winfried Bullinger [Hrsg.]. - 3., neu bearb. Aufl. - München: Beck, 2009.