Benutzer:JD/Artikel

Wir, der Staat

Warum die Politikverdrossenheit das größte Problem unserer modernen Demokratie ist

Den Staat gibt es nicht, er ist ein Hirngespinst. Wir sagen zwar gerne "Der Staat greift mir in die Tasche" oder "Der Staat ist inkompetent", aber der Staat ist keine Person, ja nicht mal eine Gruppe von Personen. Er ist eine Idee in den Köpfen der Menschen, die dieses Land bewohnen. "Der Staat", "der Steuerzahler", "der Arbeitnehmer", lauter abstrakte Gebilde, die verschleiern, dass es eigentlich wir sind. Wir alle. Wir sind der Staat, wir sind der Arbeitnehmer. Du bist Deutschland.

Der Kern der besagten Kampagne war vollkommen richtig. Demokratie braucht ein Wir-Gefühl, welches in diesem Lande - und nicht nur in diesem - allerdings langsam aber sicher stirbt. Das dilettantische an besagter Kampagne war allerdings, dass man ein solches Gefühl nicht mit ein paar Prominenten erzeugt, welche brav "Du bist Deutschland" in die Kamera säuseln. Ein solches Gefühl kann man nicht orchestrieren, sich vor die Leute hinstellen und sagen "Los, jetzt fühlt euch mal alle als eine große Gemeinschaft!" Man muss dieses Gefühl erzeugen. Oder zumindest verhindern, dass dieses Gefühl noch weiter abebbt.

Wie man dies nicht macht, sehen wir hier in Dortmund auf kommunaler Ebene ganz deutlich. Damit eine Staatsmacht - ganz gleich ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene - nicht als etwas fremdes wahrgenommen wird, muss der Bürger den Staatsorganen vertrauen können, auch wenn er nach demokratischem Prinzip eigentlich nicht sollte. Dieses Vertrauen schafft man nicht mit irgendwelchen Beteuerungen, und man zerstört es aktiv durch Vorgänge wie den Skandal, welcher zu der OB-Wahlwiederholung geführt hat. Filz ist der größte Feind des Vertrauens der Bürger in die Demokratie.

Ohne dieses Vertrauen wird ein Wir-Gefühl, wie es dann und wann beschworen werden soll, niemals aufkommen. Im Gegenteil: Der Politikverdruß könnte in einen Demokratieverdruß umschlagen. Auf diesem Nährboden würden Radikale jedweden Couleurs wachsen und gedeihen. Es ist gefährlich zu glauben, dass uns dies aufgrund unserer Erfahrungen der Vergangenheit nicht mehr passieren könnte. Erfahrungen der Vergangenheit werden nur allzu leicht vergessen.

Erst wenn "der Bürger" nicht mehr das Gefühl hat, dass "der Staat" vollkommen an ihm vorbei regiert wird, dass korrupte Politiker sich die Taschen füllen, und jedem Lobbyisten zehnmal soviel Aufmerksamkeit geschenkt wird, wie ganzen Wählergruppen, erst dann wird ein Wir-Gefühl und das Vertrauen in die Demokratie wieder erstarken.