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Nachgetreten – Kommentar zum Parteiaustritt von Aaron (Stefan) Koenig

Mit schöner Regelmäßigkeit schlagen politische Heissluftballons in neuen Bewegungen auf, um zu schauen, was sich dort für sich selbst utilitarisieren lässt. Sollten FDP-Anhänger jetzt aufhorchen, bleibt ruhig Leute, hier ist nicht von Guido Westerwelle die Rede. Außerdem ist die FDP nicht neu, auch wenn sie immer wieder versucht, sich als eine Art Innovationsmotor zu verkaufen. Nein, die Piratenpartei hatte so einen im Bundesvorstand. Pünktlich zum recht mauen Ergebnis der nordrhein-westfälischen Landtagswahl scheidet der Bundesvorstand Aaron (Stefan) Koenig aus der Partei aus.

Das ist bedauerlich. Gern hätten viele Piraten das Geschäft der Abwahl auf dem kommenden Bundesparteitag in Bingen selbst besorgt. Auf der Haben-Seite kann jetzt allerdings ein Zeitgewinn verbucht werden.

Es mag jedoch sinnvoll sein, auf die Begründung des Scheidenden kurz und verdichtet einzugehen. Sie kann nämlich herangezogen werden, um das Selbstverständnis der Piraten zu schärfen. Herr Koenig unterstellt den Piraten und insbesondere dem NRW-Landtagswahlprogramm paternalistische Elemente und prügelt dann gleich auf diesen selbst aufgebauten Popanz ein. Diese Elemente seien überflüssig, da diese Ansprüche und das damit gekoppelte Staatsverständnis durch die etablierten Parteien bereits zur Genüge vertreten sind.

Sein abgelehnter Vorschlag für ein Antragsfabrik/Piraten-Manifest enthält komplett verblasene Vorstellungen einer freien Bürgergesellschaft, die sich unmittelbar als sich teilweise widersprechende libertäre politische Utopismen entlarven lassen, die im eigenen blinden Fleck als ideologische Springteufelchen wieder auftauchen.

(Für philosophisch Interessierte sei bemerkt, dass dies an das Grundproblem der Notwendigkeit einer negativen Metaphysik rührt.)

Sein Bekenntnis zu einer freien Marktwirtschaft ist eine weitere Strophe in diesem Lied, die ihm nahelegt, sich in den Chor der überflüssigen Märchenerzähler aus FDP und Linken einzureihen.

Indem er die Freiheit in seinen Texten als eine Madonna der Ideologiefreiheit verehrt, macht er sie unmittelbar zur Hure. Ihm entgeht – ganz wie der Blindheit des Narziss – die dialektische Verstrickung zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Ich und Welt und als Folge davon zwischen Partei und Staat. Wenn ich eine freie Bürgergesellschaft will, was ist dann überhaupt der Staat und wofür brauche ich überhaupt eine Partei? Zumindest keine Organisation, die bei Wahlen antritt, denn Wählbarkeit ist die erste Unterwerfung unter die Spielregeln des Staates.

Herr Koenig verkennt völlig, wo sich Innovationskraft und das prinzipielle Anderssein der Piratenpartei herleiten lassen. Sie liegen eben nicht in den Werten der im Prozess steckengebliebenen Aufklärung und im Humanismus – beide sind strikt hierarchisch organisierte Ideale, deren dunkle Seite den Namen Auschwitz trägt – sondern in der Transfomationskraft des Netzes. In den vergangenen Wahlkämpfen hieß es immer wieder und richtig, die Piraten müssten in der Offline-Welt ankommen. Die folgerichtige dialektische Gegenbewegung hierzu ist die Transformation des aus der Historie territorial bestimmten Offline-Politischen in das Netz. Wir haben gerade damit begonnen. Das Ganze ist eine erste Testspielwiese und heißt Liquid Feedback.

Fazit: Insofern ist dem Scheidenden für seine Konsequenz des Austritts zu danken. Utopistisch Verstrahlte helfen nicht, bei schwerem Wind den Kurs zu halten. Der Austritt von Herrn Koenig stellt weder intellektuell noch sonst irgendwie einen Verlust für die Piratenpartei dar.