Benutzer:Datenritter/Wahlverfahren

Immer wieder kommt es auf Parteitagen zu anstrengenden Diskussionen und holperigen Erklärungen von Wahlverfahren. Das nervt und muss nicht sein. Wenn jeder vorher die wichtigsten Verfahren einmal kurz verinnerlicht hat, läuft der Parteitag professioneller und zügiger ab.


Diese Seite erklärt typische Wahlverfahren für Parteitage. Andere Verfahren oder Abwandlungen von den hier erklärten sind natürlich möglich.


einfache Voraberklärung

Aus der Wikipedia:

  • Eine relative Mehrheit hat, wer mehr hat als jeder andere. (Sonderfall: mehr Ja- als Nein-Stimmen.)
  • Eine einfache Mehrheit hat, wer mehr hat als die Hälfte der abgegebenen, gültigen Stimmen.
  • Eine absolute Mehrheit hat, wer mehr hat als die Hälfte dessen, was möglich ist.
  • Eine qualifizierte Mehrheit hat, wer einen festgelegten größeren Anteil hat als bei den drei zuvor genannten Mehrheiten.
  • Eine einmütige Entscheidung liegt vor, wenn es keine Gegenstimmen, allerdings Enthaltungen gibt.
  • Eine einstimmige Entscheidung ist gegeben, wenn alle Abstimmenden ein positives Votum abgeben.

typische Wahlverfahren für Personenwahlen

Bei einer Personenwahl werden Personen in ein oder mehrere gleiche(!!) Ämter gewählt.

(Mit den genannten Verfahren können auch z.B. Themen gewählt werden o.ä. - Die Erklärungen gelten dann analog.)

Personenwahlen erfolgen in geheimer Wahl. Nachdem die Kandidaten aufgestellt worden sind, werden Stimmzettel angefertigt, die gegen Vorlage der Wahlkarte ausgehändigt werden. Der ausgefüllte Stimmzettel wird in die Wahlurne eingeworfen. Die Auszählung erfolgt öffentlich.

relative Mehrheit

Bei der relativen Mehrheit ist die Person gewählt, welche mehr Stimmen als jeder andere Kandidat (für sich betrachtet) auf sich vereinigen kann. Alles andere ist nicht von Belang.

(Konkret: Enthaltungen, ungültige und nicht abgegebene Stimmen zählen nicht. Wenn im Extremfall nur eine gültige Stimme abgegeben wird, so bestimmt diese den Wahlsieger.)

Jeder hat üblicherweise so viele Stimmen wie Posten zu vergeben sind.

Vor- und Nachteile

  • Auch (relativ) unbeliebte Kandidaten können gewählt werden.
  • Einfache und schnelle Auszählung.
  • Stichwahlen sind sehr unwahrscheinlich.

Beispiel 1

Die sieben Kandidaten für einen Posten erhalten 8% (A), 9% (B), 10% (C), 13% (D), 15% (E), 15% (F), 18% (G), 12% (H). Der Kandidat G wird mit nur 18% der möglichen Stimmen gewählt.

Beispiel 2

Die drei Kandidaten für zwei Posten erhalten 30% (A), 35% (B) und 35%(C). B und C besetzen die beiden Posten.

Beispiel 3 (Stichwahl)

Von den vier Kandidaten A, B, C und D für zwei Posten erhalten A, B und C jeweils genau 30%, D erhält 10%. Es gibt also eine Stichwahl zwischen A, B und C. (Dieser Fall ist sehr unwahrscheinlich.)

relative Mehrheit mit Sperrklausel

(Synonym verwendet werden offenbar die Begriffe "Mehrheitsklausel" und "Hürde" bzw. "x%-Hürde".)

Bei der relativen Mehrheit mit Sperrklausel ist die Person gewählt, welche die meisten Stimmen erhalten hat und dabei einen gewissen (vorher festgelegten) Mindestanteil der Stimmen erreicht hat. Alles andere ist nicht von Belang.

(Konkret: Enthaltungen, ungültige und nicht abgegebene Stimmen zählen nicht. Es wird festgelegt, wieviel Prozent der Stimmen ein Kandidat mindestens bekommen haben muss. Sinnvollerweise setzt man die Grenze so, dass auch alle Posten im ersten Durchgang besetzt werden können.)

Jeder hat üblicherweise so viele Stimmen Posten zu vergeben sind.

Vor- und Nachteile

  • Es kann eher zu Stichwahlen zwischen den stärksten Kandidaten kommen.
  • Auszählung und Wahl können mit höherer Wahrscheinlichkeit länger dauern. (Es müssen für jeden Wahlgang neue Zettel gedruckt werden!)
  • Kandidaten erhalten eher eine gewisse Zustimmung. (Jedoch bedeutet der Sieg in einer Stichwahl nicht automatisch auch Beliebtheit.)
  • Die Wahlberechtigten haben die Möglichkeit, sich im zweiten Wahlgang neu festzulegen. ("Wenn A nicht mehr geht, dann wähle ich jetzt lieber B als dass C reinkommt.")
  • Es kann im Extremfall passieren, dass in jedem Wahlgang nur ein Kandidat "rausgewählt" wird.
  • Das Verfahren soll verhindern, dass z.B. im ersten Wahlgang ein unbeliebterer Kandidat gewählt wird, den die Mehrheit eigentlich nicht will, weil ihre Stimmen sich zwischen zwei anderen (beliebteren) Kandidaten verteilen. Die Sperrklausel macht also nicht immer Sinn!

Beispiel 1

Die vier Kandidaten für einen Posten erhalten 20% (A), 20%(B), 30%(C) und 30%(D). Als Hürde wurden 35% festgelegt. Keiner der Kandidaten ist gewählt, es kommt zur Stichwahl zwischen C und D.

Beispiel 2

Die vier Kandidaten für einen Posten erhalten 20% (A), 25%(B), 25% (C) und 30% (D). Als Hürde wurden 35% festgelegt. Keiner der Kandidaten ist gewählt, es kommt zur Stichwahl zwischen B,C und D, denn B und C haben gleich viele Stimmen erhalten.

Im zweiten Wahlgang erhält B 34% der Stimmen, C ebenfalls 34% und D 32%. Da weder B noch C die "35%-Hürde" geknackt haben, kommt es zur Stichwahl zwischen B und C.

Beispiel 3

Die vier Kandidaten für zwei Posten erhalten 40% (A), 30%(B), 20% (C) und 10% (D). Als Hürde wurden 35% festgelegt. A ist somit bereits gewählt, aber zwischen B und C kommt es zur Stichwahl.

Akzeptanzwahl

(Das sogenannte Akzeptanzwahlverfahren ist eine Erweiterung der relativen Mehrheit mit Sperrklausel und klingt komplizierter, als es ist.)

Es gibt Ja- und Nein-Stimmen. Gewählt sind die Kandidaten, die den höchsten Akzeptanzwert über einem vorher festgelegten Minimum erzielt haben. (Z.B. 25%.)

Die Akzeptanz errechnet sich durch Abziehen von Nein-Stimmen von den Ja-Stimmen und anschließendes Teilen des Ergebnisses durch die Zahl der abgegebenen Stimmen, also:

Akzeptanz [in %] = ( Ja - Nein ) / ( Ja + Nein + Enthaltungen ) [* 100]

(Konkret: Jeder bekommt eine Kandidatenliste und kann jedem Kandidaten eine Stimme geben oder diesen durch eine Nein-Stimme ablehnen. Enthaltungen wirken relativierend auf das Ergebnis, während ungültige und nicht abgegebene Stimmen nicht zählen. Haben sich zu viele gegen einen Kandidaten ausgesprochen, so kann dieser trotz vieler Stimmen nicht in das Amt gewählt werden. Haben sich zu viele bezüglich eines Kandidaten enthalten, so kann es sein, dass dieser auch ohne Ablehnungen keinen ausreichenden Akzeptanzwert erzielt.

Ganz einfache Formulierung: Von den Abgegebenen Stimmen müssen [z,B.] 25% mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen sein.

Oder noch einfacher: Der Abstand zwischen Ja und Nein muss mindestens 25% der abgegebenen Stimmen sein.)


Jeder hat eine Ja-/Nein-Stimme pro Kandidat.

Vor- und Nachteile

  • Es kann eher zu Stichwahlen zwischen den stärksten Kandidaten kommen, wenn im ersten Wahlgang nicht alle Posten besetzt werden.
  • Die Auszählung ist aufwändig und kompliziert, Wahlen können entsprechend deutlich länger dauern.
  • Die tatsächliche Zustimmung wird sichtbar und ist relevant.
  • Das Wahlergebnis berücksichtigt die Meinung der "Basis" besser.
  • Wenn alle Kandidaten unbeliebt sind wird auch in Stichwahlen niemand gewählt, es muss dann zur Wahl durch relative Mehrheit übergegangen werden.

Beispiel 1

Es wird eine Akzeptanz von 20% als Minimum festgelegt. Es werden 100 Wahlzettel abgegeben. Die drei Kandidaten für einen Posten erhalten:

  • A: 10x Ja und 5x Nein = 5 Stimmen
    • Akzeptanz: (10-5)/100 = 5%
  • B: 50x Ja und 20x Nein = 30 Stimmen
    • Akzeptanz: (50-20)/100 = 30%
  • C: 35x Ja und 11x Nein = 24 Stimmen
    • Akzeptanz: (35-11)/100 = 24%

A hat nicht genügend Stimmen erhalten. B polarisiert stark, erhält aber genügend Zuspruch, um die 20-Stimmen-Hürde zu überwinden. C gelingt dies auch, aber B hat die höhere Akzeptanz. B ist somit gewählt.

Beispiel 2

Es wird eine Akzeptanz von 20% als Minimum festgelegt. Es werden 100 Wahlzettel abgegeben. Die zwei Kandidaten für einen Posten erhalten:

  • A: 30x Ja und 10x Nein = 20 Stimmen
    • Akzeptanz: (30-10)/100 = 20%
  • B: 60x Ja und 40x Nein = 20 Stimmen
    • Akzeptanz: (60-40)/100 = 20%

A und B haben beide genügend Stimmen erhalten, um eine Akzeptanz von 20% zu erreichen, es kommt zur Stichwahl, da beide den selben Wert erreicht haben. Die größere Stimmenzahl für B wird also durch die große Ablehnung aufgewogen.

Beispiel 3

Es wird eine Akzeptanz von 20% als Minimum festgelegt. Es werden nur 50 gültige Wahlzettel abgegeben. Die vier Kandidaten für zwei Posten erhalten:

  • A: 20x Ja und 30x Nein = -10 Stimmen
    • Akzeptanz: (20-30)/50 = -20%
  • B: 25x Ja und 10x Nein = 15 Stimmen
    • Akzeptanz: (25-10)/50 = 30%
  • C: 20x Ja und 1x Nein = 19 Stimmen
    • Akzeptanz: (10-1)/50 = 18%
  • D: 25x Ja und 25x Nein = 0 Stimmen
    • Akzeptanz: (25-25)/50 = 0%

A wurde mit vielen Gegenstimmen "rausgewählt". B hat viele Gegner, erhält aber genügend Zuspruch, um die 20-Stimmen-Hürde zu überwinden. B ist damit gewählt. Zwischen C und D kommt es zur Stichwahl, da C nicht genügend Zustimmung erhalten hat, so dass eine einzelne Nein-Stimme ausreichte, um seinen Einzug zu verhindern, während D genau so viele Anhänger wie entschiedene Gegner hat.

Das Ergebnis rüttelt auf, so dass sich im zweiten Wahlgang 95 Wahlberechtigte beteiligen. Die beiden verbliebenen Kandidaten erhalten:

  • C: 40x Ja und 21x Nein = 19 Stimmen
    • Akzeptanz: (40-21)/95 = 20%
  • D: 58x Ja und 37x Nein = 21 Stimmen
    • Akzeptanz: (58-37)/95 = 22%

D hat jetzt C "überholt" und das bessere Ergebnis eingefahren. D ist somit gewählt.

einzig mögliches Wahlverfahren für Satzungsänderungen

qualifizierte Mehrheit

(Die qualifizierte Mehrheit ähnelt der absoluten Mehrheit und bezieht sich auf eine zahlenmäßig definierte Grundmenge, die vor der Abstimmung feststehen muss.)

Angenommen ist der Vorschlag, der 2/3 der möglichen(!) Stimmen bekommen hat.

(Konkret: Enthaltungen, ungültige und nicht abgegebene Stimmen zählen als Nein-Stimmen. Zustimmen müssen 2/3 derjenigen, die auf dem Parteitag eine Stimmkarte bekommen haben. Raucherpausen und Unaufmerksamkeit können einen Antrag scheitern lassen!)

Die Abstimmung erfolgt in öffentlicher Wahl durch hochhalten der Stimmkarte. Der Wahlleiter bestimmt, wann das Handzeichen zu geben ist.

(Es ist unklar, ob eine geheime Wahl verlangt werden kann. Vermutlich ja, per GO-Antrag.)

Begründung wegen Unklarheit in der Satzung

Für Satzungsänderungen ist laut Satzung des Landesverbands Schleswig-Holstein § 11 Abs. 1 eine 2/3-Mehrheit erforderlich. Da die Satzung nicht regelt, auf welche Menge sich die 2/3 beziehen, ist das sicherere Verfahren anzuwenden. Das heißt: 2/3 der Akkreditierten.

Beispiel 1 (gute Disziplin)

Ein Satzungsänderungsantrag steht zur Wahl. Es sind 85 Piraten akkreditiert. Die qualifizierte Mehrheit beträgt folglich 57 Stimmen. 58 Piraten stimmen mit ja, 20 mit nein. Der Antrag ist angenommen.

Beispiel 2 (mangelnde Disziplin)

Ein Satzungsänderungsantrag steht zur Wahl. Es sind 90 Piraten akkreditiert. Die qualifizierte Mehrheit beträgt folglich 60 Stimmen. 20 Teilnehmer stehen vor der Tür und sind abgelenkt. 59 stimmen mit Ja, 2 mit nein. Der Antrag ist gescheitert.

GO-Anträge

(Bei Gegenrede wird über GO-Anträge durch Handzeichen abgestimmt. Ohne Gegenrede ist der Antrag automatisch angenommen.)

Es obsiegt der Antrag, der die relative Mehrheit erreicht.

(Konkret: Dies ist die einfachst mögliche Abstimmung, da es nur zwei Optionen gibt. Entweder es steht ein Antrag zur Abstimmung, dann ist nur Zustimmung oder Ablehnung möglich, oder es gibt einen Alternativantrag, dann wird dem ursprünglichen oder dem Alternativantrag zugestimmt. Enthaltungen zählen nicht.)

Es gibt keine Einzelabstimmung von gleichzeitigen Anträgen, und es können laut Geschäftsordnung nicht mehr als zwei GO-Anträge gleichzeitig zur Wahl gestellt werden.

Mittels GO-Anträgen wird das Abstimmungsverfahren bestimmt, sofern es nicht in der Satzung geregelt ist.

Beispiel 1 (einfacher Antrag)

Jemand stellt einen GO-Antrag A, jemand anderes legt formelle Gegenrede ein. 45 Akkreditierte heben ihre Stimmkarte für den Antrag, 30 dagegen. Der Antrag A ist angenommen.

Beispiel 2 (mehrfache Alternativanträge, "Horrorszenario")

Jemand stellt einen GO-Antrag A, jemand anderes hält eine Gegenrede. Es kommt zu einer Diskussion. Jemand stellt einen Alternativantrag B. Während der neuerlichen Diskussion werden weitere Anträge C und D gemacht.

Der Versammlungsleiter unterbricht die Diskussion, da sie sich nicht mehr mit den Anträgen A und B beschäftigt, und lässt abstimmen. Die Anträge C und D sind unzulässig, daher wird nur zwischen A und B abgestimmt.

Das finden alle doof und A erhält in der Verwirrung nur 5 Stimmen, B nur 3. Antrag A ist angenommen.

(Möglicher Ausweg wäre gewesen: Die Eröffnung einer Diskussion wird als Alternativantrag B gestellt und dann angenommen.)

Weitergehende Informationen

Wer es ganz genau wissen will, kann unter den Links weiterlesen: