BW:Arbeitsgruppen/Landespolitik/Programmkommission/Kapitel 3 Bildung

Bildung und Forschung

Jeder Mensch hat das Grundrecht auf freien Zugang zu Information, Bildung und Kultur. Dies ist in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft essentiell, um jedem Menschen, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Mit diesem Ziel ist die Hauptaufgabe institutioneller Bildung die Unterstützung bei der Entwicklung zur mündigen, kritischen und sozialen Persönlichkeit.

Zugleich ist Bildung ein elementarer Teil der kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft - nur wer entsprechendes Wissen erworben hat, kann am gesellschaftlichen und kulturellen Leben vollumfänglich teilnehmen.

Baden-Württemberg schneidet bei einschlägigen Untersuchungen des Bildungsbereichs in der Regel überdurchschnittlich gut ab. Dies verdankt das Land nicht nur einer engagierten Lehrerschaft, sondern auch der Sozialstruktur im mittelständisch geprägten Südwesten, die von den wirtschaftlichen Verwerfungen innerhalb Europas bislang weitgehend verschont blieb.

Mit sinkender Wirtschaftskraft, Einschnitten im Sozialsystem und einer weiterhin familienunfreundlichen Entwicklung der Arbeitswelt könnte sich dies in den kommenden Jahren dramatisch ändern. Darauf ist die Bildungspolitik der Landesregierung wenig vorbereitet.

Die Piratenpartei Baden-Württemberg möchte sich auch im Bildungsbereich nicht auf den Lorbeeren vergangener Jahre ausruhen. Wir werden daran mitwirken, unser Bildungssystem zukunftstauglich zu machen und stärker an den Begabungen, Talenten und Interessen der Kinder und Jugendlichen auszurichten. Dabei sollen auch die Erfahrungen der Lehrenden berücksichtigt werden.

Die drei Grundpfeiler unserer Bildungspolitik

1. Freier Zugang zu Bildung

Der freie Zugang zu Bildungseinrichtungen ist im Interesse Aller. Deshalb ist es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, eine leistungsfähige Bildungsinfrastruktur zu finanzieren und gebührenfrei zur Verfügung zu stellen: Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft und in eine stabile Demokratie. Bildungsgebühren jeglicher Art schränken den Zugang zu Bildung ein. Aus diesem Grund befürworten wir die Lehrmittelfreiheit und den verstärkten Einsatz von lizenzfreien Werken zur Vermittlung von Wissen.

2. Bildung als Teil der individuellen Entwicklung

Jeder Mensch ist ein Individuum mit persönlichen Neigungen, Stärken und Schwächen. Institutionelle Bildung soll daher den Einzelnen unterstützen, seine Begabungen zu entfalten, Schwächen abzubauen und neue Interessen und Fähigkeiten zu entdecken. Neben starren Lehr- und Stundenplänen werden auch manche Formen der Leistungsbewertung diesen Forderungen nicht gerecht. Insbesondere die Bewertung von Verhalten nach einem vorgegebenen Normenraster, z.B. Kopfnoten, lehnen wir ab.

3. Demokratisierung der Bildung

Wir setzen uns für eine Demokratisierung der Schul- und Bildungslandschaft ein.

Das bedeutet für uns die stärkere Beachtung der Persönlichkeitsrechte von Auszubildenden, Praktikanten, Trainees, Schülern und Studenten ebenso wie die der Lehrenden. Wir wollen die Demokratisierung des Bildungsbereichs auf allen Ebenen unter anderem durch weitergehende Rechte für die Schülermitverwaltungen und die Studierendenschaften erreichen.

Für ein soziales und demokratisches Bildungssystem

Kostenloser Kindergarten- und Kinderkrippenbesuch

Der Besuch einer vorschulischen Einrichtung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Kinder in der Grundschule leichter lernen und sich besser in einer Gruppe zurechtfinden. Gleichzeitig können Kindergärten, Kinderkrippen und andere Kindertagesstätten maßgeblich zur Entlastung berufstätiger Eltern beitragen und es manchen Eltern überhaupt erst ermöglichen einen Beruf auszuüben.

Deshalb wollen wir es aus Landesmitteln ermöglichen, dass der Besuch von Kindergärten nach dem dritten Lebensjahr und der Besuch von Kinderkrippen bereits nach dem ersten Lebensjahr für jedes Kind kostenlos angeboten wird. Damit erhalten alle Kinder, unabhängig von ihrem familiären und gesellschaftlichen Hintergrund, möglichst gleiche Voraussetzungen für ihren weiteren Bildungsweg.

Einschulungsuntersuchung

Wir lehnen Teile der neukonzipierten Einschulungsuntersuchung (ESU) ab. Das flächendeckende Abfragen, Speichern und Weiterleiten von persönlichen Daten widerspricht den Grundsätzen des Datenschutzes und den Persönlichkeitsrechten von Eltern und Kindern.

Viele der im Elternfragebogen abgefragten Informationen sind entweder für die Einschulung nicht relevant (z.B. Bildungsstand der Eltern) oder können von den Eltern gar nicht objektiv angegeben werden (z.B. „Boshaftigkeit“ des Kindes).

Die Grundsätze der Datensparsamkeit und des Datenschutzes müssen bei einer weiteren Überarbeitung der ESU stärker als bisher berücksichtigt werden. Eltern sollen sich zudem umfassend über alle zu ihrem Kind gespeicherten Daten informieren können.

Familienfreundliche Ganztagesbetreuung an Schulen

Staatliche Bildungseinrichtungen müssen den Familien dabei helfen, den Anforderungen des heutigen Familien- und Berufslebens gerecht zu werden. Dafür soll mit Landesunterstützung an allen Schulen ein Angebot zur Ganztagesbetreuung bereitgestellt werden.

Das Betreuungsangebot ergänzt den Unterricht um zusätzliche Bildungsmöglichkeiten und Aktivitäten. Neben Wahlfächern, Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe soll ein möglichst breites Angebot an kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten ermöglicht werden. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Vereinen zu beiderseitigem Vorteil ausdrücklich erwünscht.

Schulspeisung

Eine gesunde Ernährung ist aus Gründen der körperlichen und geistigen Entwicklung und der Konzentrationsfähigkeit der Kinder wichtig. Berufstätige Eltern, besonders Alleinerziehende, haben nicht immer die Möglichkeit, ihren Kindern ein Mittagessen zu bieten. Schulspeisungen können dazu beitragen, dass sich ihre Kinder trotzdem ausgewogen ernähren. Wir fordern daher die Einführung vollwertiger Schulspeisungen an allen Schulen und Kindertagesstätten.

Die Finanzierung dieser Schulspeisungen ist so zu gestalten, dass alle Schüler unabhängig von der sozialen oder finanziellen Lage der Familie diskriminierungsfrei daran teilnehmen können. Bei der Planung ist zu berücksichtigen, ob die Verwaltungskosten für die Essensgebühren die Einnahmen übersteigen und eventuell eine vollständig kostenlose Schulspeisung günstiger wäre.

Barrierefreies Lernen

In Baden-Württemberg ist für Kinder mit besonderem Förderbedarf das Risiko einer Sonderschuleinstufung und der daraus folgenden Ausgrenzung aus dem Regelschulbetrieb im internationalen Vergleich besonders hoch. Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung wirkt sich, wie internationale Studien beweisen, auf den Lernerfolg beider Gruppen positiv aus. Deshalb wollen wir das hierzulande betriebene Modell der Sonderschule soweit möglich verlassen und eine Schule für alle ermöglichen. Dies erfordert unter anderem bauliche Maßnahmen zum barrierefreien Zugang an Schulen.

Abschaffung von Studiengebühren

Jeder Mensch hat das Recht auf die Teilhabe an der Gesellschaft, auf Bildung und kulturelle Betätigung. Finanzielle Zusatzbelastungen halten vom Studieren ab. Wir wollen daher die Abschaffung der Studiengebühren und weiterer finanzieller Zusatzbelastungen für Studierende wie Verwaltungsgebühren, um barriere- und kostenfreie Bildung für alle zu realisieren. Das Land muss dafür Sorge tragen, dass den Universitäten und studentischen Organisationen die finanziellen Ausfälle ersetzt werden.

Familienfreundliche Hochschulen

Hochschulen sollen familienfreundlicher gestaltet werden. Dies betrifft sowohl die Arbeit in Forschung, Lehre und Verwaltung als auch das Studium. Eine akademische Karriere muss parallel zur Kindererziehung möglich sein. Hierzu sollen verstärkt Teilzeitstellen angeboten werden – gerade auch für Professoren, Doktoranden und den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Parallel dazu muss die Kinderbetreuung an Hochschulen ausgebaut werden, so dass für alle Kinder von Studierenden oder Angestellten der Universität Betreuungsplätze zur Verfügung stehen.

Schulen demokratisieren

Selbstbestimmung an der Schule durch das Lehrerkollegium und ein Mitbestimmungsrecht der Schüler schafft faire Arbeitsstrukturen. An die demokratischen Entscheidungen des Kollegiums ist nach unserer Konzeption auch der Rektor gebunden. Die Schülermitverwaltung muss in Schülermitbestimmung umgestaltet werden, um eine Teilhabe an Entscheidungen zu ermöglichen.

Erziehung zur Demokratie

Die gelebte Vermittlung der Grundprinzipien unserer demokratischen Staats- und Gesellschaftsform ist eine der Aufgaben staatlicher Bildungseinrichtungen. An allen baden-württembergischen Schulen sollen deshalb schrittweise Klassenräte und Schülerparlamente eingeführt werden. Durch die frühe Möglichkeit, sich an (schul-)politischen Entscheidungen zu beteiligen und Themen zu erarbeiten, wollen wir auch der Politikverdrossenheit unter Jugendlichen vorbeugen. Außerdem können Kinder und Jugendliche demokratische Prinzipien und Werte auf diese Art und Weise kennen und schätzen lernen, wodurch sie kritischer mit extremistischem Gedankengut umgehen können. Parallel hierzu wollen wir den gesellschaftskundlich-politischen Unterricht ausbauen.

Persönlichkeitsrechte der Schüler und Lehrer achten

Die Privat- und Intimsphäre sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Schülern und Lehrern müssen gewahrt bleiben. Videoüberwachung und private Sicherheitsdienste haben keinen Platz in Schulen. Präventive Durchsuchungen und Kontrollen oder Urinuntersuchungen sind zu unterlassen. Die Unschuldsvermutung gilt auch für Schüler. Diese unter Generalverdacht zu stellen, zerstört das Vertrauen zu Schule und Lehrern, ohne welches Unterricht und Erziehung nicht möglich sind.

Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaften

Verfasste Studierendenschaften demokratisieren die Universitäten, eine Wiedereinführung ist längst überfällig. Nach dem Verbot in den 70er Jahren haben alle Bundesländer bis auf Bayern und Baden-Württemberg die verfassten Studierendenschaften wieder zugelassen. Das Verbot entbehrt damals wie heute jeglicher Grundlage. Wir fordern daher die Aufhebung des Verbots, um studentische Mit- und Selbstbestimmung zu ermöglichen.

Unsere Schulkonzeption

Untersuchungen zeigen, dass das bisherige weitgehend starre Schulsystem mit seiner Dreigliedrigkeit und dem fest eingeteilten Klassensystem problematisch ist. Wir wollen stattdessen eine flexible und modulare Unterrichtsstruktur einführen.

Politisch gibt es gerade in Baden-Württemberg den Trend zu ständigen Miniaturreformen, welche die eigentlichen Probleme gar nicht erst angehen. Wir schlagen stattdessen grundlegende Veränderungen der Rahmenbedingungen im Schulsystem vor, die bewährte Reformideen aufgreifen, welche aus ideologischen Gründen oder aus Kostengründen immer wieder zurückgestellt oder nicht umgesetzt wurden.

Ziel unserer Schulpolitik ist die optimale Förderung der Schüler. Diese wird durch eine freiwillige Ganztagesbetreuung erleichtert, die flächendeckend ermöglicht werden soll und in der eine örtliche Kooperation mit schulexternen Trägern wie Vereinen oder Musikschulen angestrebt wird.

Weitere alternative Schulkonzepte müssen in Baden-Württemberg möglich sein und parallel zu den bisherigen Schulformen existieren dürfen. Den Schulen sind hier auf Wunsch von Eltern, Schülern und Schulträgern durch eine entsprechende Reform des Landesschulgesetzes mehr Mitsprachemöglichkeiten einzuräumen.

Differenziertes, integriertes Kurssystem

Die bisherige Unterteilung in Schularten und Klassenstufen ist zu unflexibel, um auf die Leistung der Schüler eingehen zu können – verfehlt ein Schüler in einem Fach die angeforderte Leistung, müssen alle Fächer wiederholt werden, erbringt er geforderte Leistungen schneller, hat er keine sinnvolle Möglichkeit, seine schulische Laufbahn zu beschleunigen.

Wir fordern daher die Einführung eines differenzierten, integrierten Kurssystems in den Regelschulunterricht. Die Schüler können hier in flexibler Reihenfolge Kurse in den unterschiedlichen Gebieten belegen. Der Lerninhalt setzt sich dabei aus Pflicht- und Wahlkursen zusammen. Anstelle der Wiederholung einer ganzen Klassenstufe tritt hier bei unzureichenden Leistungen die Wiederholung – gegebenenfalls auf einem anderen Niveau oder mit anderen Fördermöglichkeiten – des entsprechenden Kurses.

Mit diesem neuen Standard wollen wir den individuellen Lerntypen und Neigungen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden. Unser Ziel ist die gemeinsame Förderung schwächerer und leistungsstärkerer Schüler.

Leistungsdruck und Schulstress verringern

Überfüllte Lehrpläne und Lernstandserhebungen sind hohe Stressfaktoren und setzen die Schüler unnötig unter Druck. Die Bildungspläne müssen angepasst werden, besonders der Bildungsplan des Gymnasiums mit einer nun verkürzten zwölfjährigen Schullaufbahn. Statt Lernstandserhebungen wie PISA oder VERA, die nur den Wissensstand messen, sollen langfristige Evaluationsverfahren eingesetzt werden, die auch die Selbstreflexion der Schüler einbeziehen und somit die Lernprozesse unterstützen.

Unterrichtsbeginn ab neun Uhr

Schulen sollen die Möglichkeit erhalten, den Unterricht später beginnen zu lassen.

Startet der Unterricht erst um neun Uhr, sind die Schüler ausgeschlafen. Das macht den Unterricht in den ersten Stunden effektiver als bisher. Außerdem ist so Zeit für ein Frühstück mit der Familie. Betreuungsangebote in der Schule vor Unterrichtsbeginn müssen vorhanden sein. Die Entscheidung über den Unterrichtsstart sollen die Schulen gemeinsam mit Schülern und Eltern treffen dürfen.

Computer- und Vernetzungsangebote im Unterricht

Für die Vermittlung von Lehrinhalten sollen verstärkt Computer zum Einsatz kommen. Schüler sollen sich Kursinhalte anhand aufgezeichneter Vorlesungen, per Videokonferenz oder mit Hilfe interaktiver Programme aneignen können.

Medienkompetenz

Internet und moderne Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wir möchten, dass staatliche Bildungseinrichtungen verstärkt auf diese Veränderungen reagieren und wollen die fächerübergreifende Vermittlung von Medienkompetenz in allen Bildungs- und Erziehungsbereichen einführen.

Neutralität in der Bildung

Die Bildungsinhalte im naturwissenschaftlichen Bereich müssen auf fundierten und belegbaren Erkenntnissen basieren. Wissen soll von einem möglichst neutralen Standpunkt aus vermittelt werden. Dies beinhaltet vor allem eine sachliche Darstellung, die Ausgewogenheit der Standpunkte und eine kritische Quellenbewertung.

Säkularisierung der Bildung

Wo Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammenleben, müssen staatliche Bildungseinrichtungen weltanschaulich neutral sein. Der bisher in Landesverfassung und Schulgesetz vorhandene Religions- und Gottesbezug sollte deswegen gestrichen werden.

Keine Bundeswehr an Schulen

Wir sehen die Entsendung von Jugendoffizieren der Bundeswehr für Unterrichtszwecke und zur Aus- bzw. Weiterbildung von Lehrkräften an Schulen sehr kritisch. Klassenzimmer sollen nicht zu Rekrutierungsbüros werden. Bundeswehrbesuche an Schulen müssen neutral gestaltet sein. Solange dies nicht gewährleistet ist, sollte darauf verzichtet werden.

Religions- und Ethikunterricht

Der wachsenden Zahl von Schülern ohne konfessionelle Bindung steht in Baden-Württemberg ein nicht ausreichendes Angebot an Ethikunterricht gegenüber. Wir möchten für alle Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, Ethikunterricht flächendeckend bereits ab der ersten Klasse anbieten.

Der Wechsel zwischen Ethikunterricht und konfessionellem Religionsunterricht soll in beide Richtungen auch während des Schuljahres möglich sein.

Wir wollen Religionsunterricht für nicht-christliche Religionen, wie beispielsweise Islam und Judentum, dort anbieten, wo ausreichende Nachfrage besteht, gegebenenfalls schulenübergreifend. Das Land sollte Kooperationen mit anderen Bundesländern eingehen, um die benötigten Religionslehrer möglichst kostensparend auszubilden.

Bessere politische und finanzielle Rahmenbedingungen

Beibehaltung der flexiblen Ausbildungs- und Hochschulstruktur

Traditionelle Ausbildungen, Universitäten, duale Hochschulen, Fachhochschulen und viele andere Weiterbildungsmöglichkeiten bieten eine Vielfalt an unterschiedlichen Ausbildungswegen, Schwerpunkten, Inhalten und Lehrmethoden. Der derzeitige berufsorientierte Umbau der Universitäten ist nicht nur zu ihrem Schaden, sondern auch zum Nachteil der anderen Bildungseinrichtungen. Wir wollen die Vielfalt und Flexibilität im Weiterbildungssystem zum Nutzen von Gesellschaft, Forschung, Lehre und Wirtschaft erhalten.

Reform des Bologna-Prozesses

Selbstbestimmtes Lernen statt starrer Vorgaben und Zeiten, eine flexible Studienordnung statt des jetzigen verschulten Modulstudiums: Das sind unsere Ziele für die Hochschulausbildung. Studieninhalte an Wirtschafts- und Standortanforderungen anzupassen, lässt keinen Raum mehr für interessenorientiertes Studieren und unabhängiges Forschen. Dauerüberprüfungen und starre Zeit- und Inhaltsvorgaben verursachen zu hohen Leistungsdruck. Deshalb sollen die Bachelorstudiengänge auf acht Semester verlängert und um zusätzliche Wahlmöglichkeiten erweitert werden. Im Anschluss müssen Masterplätze für alle Studenten vorhanden sein.

Finanzierung von Bildung und Forschung

Bildung und Forschung sind eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass eine reiche Industrienation wie Deutschland einen im internationalen Vergleich unangemessen niedrigen Teil der öffentlichen Mittel in Bildung und Forschung investiert. Wir fordern daher eine bessere finanzielle Ausstattung des gesamten Bildungssystems. Schönrechnereien – wie die Einbeziehung von Lehrerpensionen – lehnen wir dabei ab.

Private Finanzhilfen für öffentliche Bildungseinrichtungen sind zu begrüßen, solange diese keinen Einfluss auf die Lehrinhalte haben.

Bildungsstandards

Auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und angesichts der derzeit herrschenden Missstände im deutschen Bildungssystem fordern wir die zügige Umsetzung der festgesetzten Bildungsstandards auf Bundes- und Länderebene, wie sie von der Kultusministerkonferenz und dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen gefordert werden. Zur Gewährleistung bundeseinheitlicher Bildungsstandards in allen Bundesländern übernimmt das ausführende Organ der Bundesregierung die qualitätsführende Kontrolle und Evaluation.

Vergleichbarkeit und bundesweiter Rahmen

Um die Vorteile des föderativen Schulsystems mit den Vorteilen eines zentral geregelten Bildungssystems zu verbinden, fordern wir mehr Richtlinienkompetenzen für den Bund. Dies ist notwendig, um die Vergleichbarkeit von Abschlüssen, einen effektiven Strukturausgleich und echte Freizügigkeit innerhalb Deutschlands zu ermöglichen.

Bessere Betreuung

Wir fordern einen Betreuungsschlüssel, der einen verbesserten Unterricht sowie eine individuelle Betreuung zum Ziel hat. Dazu gehört die Schaffung neuer Lehrerstellen und eine angemessene Fort- und Weiterbildung der Lehrer.

Wir streben die verbindliche Umsetzung der für die bestmögliche Förderung notwendigen Betreuungsschlüssel im Bildungswesen bis zum Jahr 2021 an. Die notwendigen Betreuungsschlüssel ergeben sich aus den aktuellen psychologisch-pädagogisch und soziologisch anerkannten internationalen und nationalen Bildungsstudien für die entsprechenden Lerngruppen.

In den Bereichen Medienkompetenz und Pädagogik sehen wir einen besonderen Bedarf an Weiterbildung für Lehrer. Zudem wollen wir Angebote schaffen, bei denen Eltern gemeinsam mit ihren Kindern an das Thema Mediennutzung herangeführt werden.

Die Anzahl der Schulsozialarbeiter - auch an Gymnasien - muss erhöht werden. Dies ist Ländersache und darf nicht den Kommunen aufgebürdet werden.

Bessere Ausbildung und Bezahlung von Erziehern

Von Erziehern und Betreuern im vorschulischen Bereich wird immer mehr gefordert. Die Bezahlung sowie Aus- und Fortbildung dieser für die Entwicklung der Kinder so wichtigen Pädagogen ist den neuen Anforderungen und der erhöhten Belastung anzupassen.

Gleiche Berufschancen im Lehrer- und Dozentenbereich

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt schleicht sich eine Zweiteilung im Bereich der Bildungsvermittler ein: Auf der einen Seite stehen gut abgesicherte Beamte auf Lebenszeit, auf der anderen Seite billige Honorarkräfte, die in den Schulen große Teile des Nachmittagsunterrichts und der Betreuung übernehmen oder an den Hochschulen als Lehrbeauftragte in vielen Bereichen dafür sorgen, dass überhaupt noch ein ausreichendes Lehr- und Betreuungsangebot vorhanden ist.

Wir setzen uns dafür ein, den Beamtenstatus im Bildungsbereich abzuschaffen und auf gleichberechtigte und faire Arbeitsbedingungen für alle Lehrenden im Schul- und Hochschulbereich hinzuwirken.

Einbeziehung von Fachleuten in den Schulunterricht

Wie schon in Berufsschulen üblich, sollen Fachleute in allen Schularten in stärkerem Maße als bisher in den Schulunterricht einbezogen werden – nicht nur für Gastvorträge, sondern auch als quereinsteigende Fachleute mit pädagogischer Eignung und Zusatzausbildung. Bei Auswahl und Fortbildung dieser Experten ist darauf zu achten, dass der Unterricht in der Schule weltanschaulich neutral bleibt.

Einsatz von freier Software und Lehrmitteln unter freien Lizenzen

Wir wollen erreichen, dass an Bildungseinrichtungen vermehrt Lehrmittel mit freien Lizenzen und kostenlose Online-Angebote verwendet werden. Dies trägt nicht nur zur Kostensenkung bei, sondern auch dazu, dass die Lehrmittel von den Lehrenden nach Bedarf erweitert und verändert werden können. Zudem setzen wir uns für den Einsatz von freier Software an Schulen ein. Diese kann von den Kindern auch zuhause kostenfrei benutzt werden.

Open Access

Die Veröffentlichung von Ergebnissen aus staatlich finanzierter oder geförderter Forschung und Lehre findet oft durch kommerzielle Verlage statt. Die Qualitätssicherung (Peer Review) wird meist von ebenfalls staatlich bezahlten Wissenschaftlern übernommen. Forschungseinrichtungen müssen für selbst erarbeitetes Wissen noch einmal bezahlen, wenn dieses Wissen ausschließlich von kommerziellen Verlagen verbreitet wird. Der Steuerzahler kommt also mehrfach für die Kosten der Publikationen auf.

Wir unterstützen die Berliner Erklärung der Open-Access-Bewegung und verlangen die Zugänglichmachung des wissenschaftlichen und kulturellen Erbes der Menschheit nach dem Prinzip des Open Access. Wir sehen es als Aufgabe der Landesregierung an, dieses Prinzip an den von ihr finanzierten und geförderten Einrichtungen durchzusetzen.

Wissenschaftlichen Nachwuchs fördern

Ansätze zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses werden leider oft als Einladung zum Sparen aufgefasst. Vor allem die Juniorprofessur sowie die geplante Lehrjuniorprofessur sind in der derzeitigen Form äußerst problematisch.

Insbesondere müssen die Zukunftsaussichten der Juniorprofessoren verbessert werden – die Einführung eines „Tenure Track“ nach US-amerikanischem Vorbild mit der Weiterbeschäftigung als Professor nach Ablauf der Juniorprofessur als Regelfall wäre ein Ansatz.

Die Piratenpartei Baden-Württemberg wird sich dafür einsetzen, neue unbefristete Hochschulstellen vor allem im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter einzurichten. Bestehende Lehraufträge an Schulen und Hochschulen wollen wir angemessener als bisher vergüten und befristete in unbefristete Arbeitsverträge umwandeln.

Förderung Erwachsenenbildung

Wir wollen ein integratives Konzept „Lebenslanges Lernen“ aufbauen, das Volkshochschulen mit Schulen, Fachhochschulen, Berufsschulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen zu einem Verbund der Erwachsenenbildung effektiv zusammenführt.

Zustimmung der Kommission